BT-Drucksache 17/13241

Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen

Vom 24. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13241
17. Wahlperiode 24. 04. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Dr. Axel Troost, Sahra
Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der
die Möglichkeit zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhin-
terziehung gemäß § 371 der Abgabenordnung (AO) sowie das Absehen von der
Strafverfolgung in besonders schweren Fällen von Steuerhinterziehung gemäß
§ 398a AO sofort abschafft.

Berlin, den 24. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Steuerhinterziehung ist eine Straftat, die nach § 370 AO mit Freiheitsstrafe bis
zu fünf Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheits-
strafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird. Der Bundesgerichts-
hof hat in einem Urteil von 2012 (1 StR 525/11) entschieden, dass eine Bewäh-
rungsstrafe für Steuerkriminelle, die mehr als 1 Mio. Euro hinterzogen haben,
nur bei besonders gewichtigen Milderungsgründen in Betracht kommt.

Im Gegensatz zu anderen Straftatbeständen, wie z. B. Schwarzfahren oder
Sachbeschädigung, besteht bei Steuerhinterziehung die Möglichkeit, durch die
Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO Straffreiheit zu erlangen. Mit
dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 hat die Koalition aus CDU,
CSU und FDP die Möglichkeit zur Erlangung der Straffreiheit zunächst ver-
schärft. So ist seitdem Straffreiheit nur noch möglich, wenn alle Steuerverkür-
zungen offenbart werden. Zudem sieht der neu eingefügte § 371 Absatz 2
Nummer 3 AO den Nichteintritt der Rechtsfolge Straffreiheit vor, wenn es sich
um einen Fall von schwerer Steuerhinterziehung handelt, d. h. ab einem nicht
gerechtfertigten Steuervorteil von 50 000 Euro.
Wird ausschließlich auf § 371 Absatz 2 Nummer 3 AO abgestellt, so müsste
schwere Steuerhinterziehung in jedem Fall zu Bestrafung führen. Dies gilt aber
nur scheinbar, denn die Koalition hat mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz
zugleich ein Hintertürchen eingerichtet. Der Ausschluss von der Rechtsfolge
Straffreiheit gilt nur formal. Faktisch wird er durch den ebenfalls neu eingefüg-
ten § 398a AO unterlaufen, der ein Absehen von der Verfolgung derartig
schwerer Fälle von Steuerhinterziehung vorsieht. Keine Strafverfolgung tritt

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demnach ein, wenn die oder der Steuerkriminelle die hinterzogenen Steuern in-
klusive Hinterziehungszinsen in Höhe von 6 Prozent pro Jahr nachträglich ent-
richtet. Zusätzlich ist gemäß § 398a Nummer 2 AO eine „freiwillige“ Geldleis-
tung in Höhe von 5 Prozent auf die verkürzten Steuern zu erbringen. Für Steuer-
kriminelle besteht damit weiterhin die Möglichkeit, sich auch bei schweren Tat-
beständen von der Strafe freizukaufen. De facto kann trotz § 371 Absatz 2
Nummer 3 AO Straffreiheit erreicht werden. Die Erlangung von faktischer
Straffreiheit bei schwerer Steuerhinterziehung wird aufgrund der Änderungen
der Koalition zu einer Frage der Wahl der richtigen Steuerrechtsexpertin bzw.
des richtigen -experten sowie zu einer der finanziellen Möglichkeiten, sich eine
solche bzw. einen solchen zu leisten. Wie es Heribert Prantl in der „Süddeut-
schen Zeitung“ vom 23. April 2013 (Der Selbstanzeiger) treffend formuliert:
„Die Selbstanzeige ist zur Kunst geworden, zu juristischer Artistik. […] Die
Strafbarkeit eines Beschuldigten hängt allein von der Kunst dessen ab, der ihm
die Selbstanzeige schreibt.“ Mit dem Anspruch eines Rechtsstaates ist eine sol-
che Willkür der Bestrafung nicht zu vereinbaren.

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