BT-Drucksache 17/13232

Sanktionen und Leistungskürzungen bei Grundsicherungen sowie Widersprüche und Klagen dagegen

Vom 23. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13232
17. Wahlperiode 23. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Kipping, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Dr. Martina
Bunge, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Harald
Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Sanktionen und Leistungskürzungen bei Grundsicherungen sowie Widersprüche
und Klagen dagegen

Nach den Vorgaben des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik Deutschland
„ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ (Artikel 20 Absatz 1 Grund-
gesetz – GG). Diese Bestimmung zählt zum Verfassungskern und ist eine der
unabänderlichen Vorgaben des Grundgesetzes. Des Weiteren gibt das Grund-
gesetz vor, dass die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland „den Grund-
sätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Bundesstaates im
Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen“ muss (Artikel 28 Absatz 1 GG). Mit
diesen beiden Artikeln schreibt das Grundgesetz das Sozialstaatsprinzip fest.
Gemäß den Konkretisierungen durch das Bundesverfassungsgericht ist es dem-
zufolge die Aufgabe des Staates, für soziale Gerechtigkeit und für einen Aus-
gleich sozialer Gegensätze und Ungleichheiten zu sorgen. Der Staat hat die
Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass allen Bürgerinnen und Bürgern ein
menschenwürdiges Dasein und eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesell-
schaft ermöglicht wird. Ein wesentliches Element ist die Sicherung der Exis-
tenz und gesellschaftlichen Teilhabe, wofür unter anderem die verschiedenen
bedürftigkeitsgeprüften Grundsicherungssysteme zuständig sind. Sanktionen
und Leistungskürzungen verletzen das Grundrecht auf die Gewährleistung des
physischen Existenzminimums und des Mindestmaßes an Teilhabe am gesell-
schaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Sie sind somit verfassungs-
widrig (vgl. Wolfgang Nes¬kovic/Isabel Erdem: Zur Verfassungswidrigkeit von
Sanktionen bei Hartz IV – Zugleich eine Kritik am Bundesverfassungsgericht,
in: Die Sozialgerichtsbarkeit, Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht, 03/12,
134 bis 140).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Bedarfsgemeinschaften und wie viele Personen erhielten Leistun-
gen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Bundes-
republik Deutschland von 2005 bis 2012?
2. Wie viele Erwerbsfähige erhielten Leistungen nach dem SGB II in der
Bundesrepublik Deutschland in den Jahren von 2005 bis 2012, und wie viele
nicht Erwerbsfähige?

3. Wie viele Anspruchsberechtigte auf Leistungen nach dem SGB II in der
Bundesrepublik Deutschland nahmen nach Kenntnis der Bundesregierung
keine oder geringere Leistungen als ihnen zustehen (verdeckt Arme), in den

Drucksache 17/13232 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 in Anspruch (absolut und Quote Nicht-
inanspruchnahme)?

4. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um das Grundrecht auf ein
Existenzminimum und gesellschaftliche Teilhabe abzusichern, also auch
verdeckte Armut im Bereich des SGB II zu bekämpfen?

5. Wie viele Widersprüche gegen Entscheidungen von SGB-II-Behörden
gingen in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 in der Bundesrepublik
Deutschland bei den zuständigen Behörden ein, und wie viele wurden in
diesen einzelnen Jahren erledigt?

6. Wie viele Klagen wurden im Rechtskreis des SGB II in den einzelnen
Jahren von 2005 bis 2012 in der Bundesrepublik Deutschland an den
Sozialgerichten eingereicht, und wie viele in diesen Jahren abschließend
behandelt?

7. Wie hat sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Anträgen auf
Leistungen und die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Wider-
sprüchen und Klagen (getrennt) im Bereich des SGB II in der Bundesrepu-
blik Deutschland in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 entwickelt?

8. Wie hoch war der Anteil der Widersprüche und der Klagen (getrennt) in
der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des SGB II in den einzelnen
Jahren von 2005 bis 2012, die ganz oder teilweise zu Gunsten der Wider-
sprechenden bzw. der Klagenden entschieden wurde?

9. Wie hoch war in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 die Zahl der neu
festgestellten Sanktionen und der durchschnittliche Bestand der Sanktionen
nach § 31 und § 32 SGB II (getrennt nach Sanktionshöhe, nach Altersgrup-
pen: unter 15-Jährige, unter 25-Jährige und älter, nach Sanktionsgründen
und Leistungsart, nach Sanktionen für Erwerbsfähige und nicht Erwerbs-
fähige) in der Bundesrepublik Deutschland (bitte die ab 2011 geänderten
Sanktionsparagraphen und Personengruppen vergleichbar zu den anderen
Jahren abbilden)?

10. Wie hoch war in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 die Anzahl der
erledigten Widersprüche und behandelten Klagen gegen Sanktionen nach
§ 31 und § 32 SGB II, und wie hoch war der Anteil der für die Leistungs-
beziehenden ganz oder teilweise erfolgreichen Widersprüche und Klagen
gegen Sanktionen nach § 31 und § 32 SGB II (bitte getrennt nach Alters-
gruppen: unter 15-Jährige, unter 25-Jährige und älter, nach Sanktionsgrün-
den und Leistungsart angeben und die ab 2011 geänderten Sanktionspara-
graphen und Personengruppen vergleichbar zu den anderen Jahren abbil-
den)?

11. Wie viele Personen erhielten in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 in
der Bundesrepublik Deutschland Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung nach § 41 ff. bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt nach
§ 27 ff. (getrennt) des SGB XII (bitte getrennt nach Altersgruppen und Ge-
schlecht angeben)?

12. Wie viele Einsatz- bzw. Haushaltgemeinschaften erhielten in den einzelnen
Jahren von 2005 bis 2012 in der Bundesrepublik Deutschland Grundsiche-
rung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt
(getrennt) nach dem SGB XII?

13. Wie viele Anspruchsberechtigte auf Leistungen nach dem SGB XII
(getrennt nach Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und
Hilfe zum Lebensunterhalt) nahmen in der Bundesrepublik Deutschland in
den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 nach Kenntnis der Bundesregie-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13232

rung keine oder geringere Leistungen, als ihnen zustehen, in Anspruch
(verdeckt Arme) (absolut und Quote Nichtinanspruchnahme)?

14. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um das Grundrecht auf ein
Existenzminimum und gesellschaftliche Teilhabe abzusichern, also auch
verdeckte Armut im Bereich des SGB XII zu bekämpfen?

15. Wie viele Widersprüche gegen Entscheidungen von Leistungsträgern nach
dem SGB XII wurden in den einzelnen Jahren von 2005 und 2012 in der
Bundesrepublik Deutschland eingereicht, und wie viele wurden in diesen
Jahren erledigt (bitte getrennt nach Grundsicherung im Alter und bei Er-
werbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt angeben)?

16. Wie viele Klagen wurden im Rechtskreis des SGB XII in den einzelnen
Jahren von 2005 bis 2012 in der Bundesrepublik Deutschland an den
Sozialgerichten eingereicht, und wie viele Klagen wurden in diesen Jahren
abschließend behandelt (bitte getrennt nach Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt angeben)?

17. Wie hat sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Anträgen und
die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Widersprüchen und Klagen
(getrennt) im Bereich des SGB XII (getrennt nach Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt) in der
Bundesrepublik Deutschland in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012
entwickelt?

18. Wie hoch war der Anteil der Widersprüche und der Klagen (getrennt), der
ganz oder teilweise zu Gunsten der Widersprechenden bzw. der Klagenden
im Bereich des SGB XII (getrennt nach Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt) in der Bundesrepublik
Deutschland in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 entschieden
wurde?

19. Wie hoch war in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 in der Bundes-
republik die Zahl der Leistungseinschränkungen nach § 26 und § 39
SGB XII sowie die Zahl der Leistungsverwehrung nach § 41 Absatz 3
SGB XII (bitte getrennt nach Höhe der Leistungseinschränkung, nach
Altersgruppen und nach Gründen der Leistungseinschränkung/-verweh-
rung und nach den jeweils neu festgestellten und durchschnittlichen
Bestand der Leistungseinschränkungen/Leistungsverwehrungen angeben)?

20. Wie hoch war in den einzelnen Jahren von 2005 bis 2012 die Anzahl der
erledigten Widersprüche und behandelten Klagen durch Leistungsbezie-
hende gegen Leistungseinschränkungen nach § 26 und § 39 SGB XII und
gegen die Leistungsverwehrung nach § 41 Absatz 3 SGB XII, und wie
hoch war dabei der Anteil der für die Leistungsbeziehenden ganz oder teil-
weise erfolgreichen Widersprüche und Klagen in der Bundesrepublik
Deutschland gegen Leistungseinschränkungen nach § 26 und § 39
SGB XII und gegen die Leistungsverwehrung nach § 41 Absatz 3 SGB XII
(bitte getrennt nach Höhe der Leistungseinschränkung, nach Altersgruppen
und nach Gründen der Leistungseinschränkung/-verwehrung angeben)?

21. Sollten die Fragen 13 bis 20 durch die Bundesregierung nicht beantwortet
werden können, wird gefragt, wie die Bundesregierung ohne diese Infor-
mationen prüfen und sicherstellen will, dass für alle leistungsberechtigten
Bürgerinnen und Bürger das Existenzminimum und die gesellschaftliche
Teilhabe aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben und bundesgesetz-
licher Regelungen garantiert wird?

22. Wie hoch war die offizielle Anzahl Arbeitsloser, und wie hoch war die

Arbeitslosenquote in Deutschland von 2005 bis 2012 (bitte Bereich
SGB III und SGB II getrennt angeben)?

Drucksache 17/13232 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
23. Wie viele der Bundesagentur für Arbeit bekannte offene Stellen auf dem
ungeförderten Arbeitsmarkt standen im Durchschnitt der jeweiligen durch-
schnittlichen Anzahl offizieller Arbeitsloser in den Jahren von 2005 bis
2012 in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber?

24. Wie hoch war bei den offenen Stellen der Anteil Leiharbeit, der Anteil der
Teilzeit, der Anteil der Praktikantenstellen, der Anteil der befristeten Stel-
len in Vollzeit und Teilzeit im Durchschnitt in den Jahren 2005 bis 2012?

Berlin, den 23. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.