BT-Drucksache 17/13216

Lehr- und Informationsmaterialien im Rahmen der Bundesprogramme zum Thema Linksextremismus

Vom 17. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13216
17. Wahlperiode 17. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Diana Golze, Steffen Bockhahn, Nicole Gohlke,
Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Petra Pau, Jens
Petermann, Kathrin Senger-Schäfer, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Lehr- und Informationsmaterialien im Rahmen der Bundesprogramme zum
Thema Linksextremismus

Die Bundesprogramme im Bereich des so genannten Linksextremismus sind
seit ihrem Beginn auch deshalb politisch umstritten, weil im Rahmen dieser
Programme Vereinen, Institutionen, Parteien und Publikationsorganen die Eti-
kettierung als linksextremistisch zugewiesen wird, womit sie aus dem Bereich
der legitimen politischen Meinungsäußerung hinausgedrängt werden. So wur-
den etwa im Rahmen einer Publikation der Zeitbild-Stiftung (vgl. Bundestags-
drucksache 17/8310) Tages- und Wochenzeitungen wie die „junge Welt“ und
das „Neue Deutschland“ als linksextremistisch ausgewiesen. Diese Einordnung
ist in der öffentlichen Diskussion höchst umstritten, zumal es bisher keine ob-
jektivierbaren und wissenschaftlich abgesicherten Kriterien in diesem Kontext
gibt. Hier sei außerdem auf die weiterhin und immer wieder geäußerte Kritik
am (Links)-Extremismusbegriff verwiesen, die von wissenschaftlicher Seite
geäußert wurde. Insbesondere im Kurzbericht der wissenschaftlichen Beglei-
tung des Bundesprogramms „INITIATIVE DEMOKRATIE STÄRKEN“ (Be-
richtszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011, erschienen 2012) in dem
es heißt: „Die Modellprojekte teilen die Einschätzung der Wissenschaftlichen
Begleitung, dass die Forschung zum Thema „Linksextremismus“ sehr lücken-
haft ist. […] Veröffentlichungen, die sich aus politikwissenschaftlicher oder si-
cherheitspolitischer Perspektive dem „Linksextremismus“ annähern, werden
von den hierzu befragten Projekten als wenig hilfreich für die pädagogische
Praxis eingeschätzt. […] Als hinderlich wird von den Projekten vor allem der
sehr geringe Forschungsstand zu „Linksextremismus“ und die fehlende Klä-
rung des Phänomens aus sozialwissenschaftlicher Perspektive genannt (siehe
Kapitel 1.1). Das fehlende pädagogische Material zur „Linksextremismusprä-
vention“ bedeutet auch, dass es nahezu keinerlei Erfahrungswerte gibt, auf de-
ren Grundlage die Modellprojekte aufbauend Konzepte (weiter)entwickeln
können. “ (S. 34 bis 35).

Da sich die Angebote im Rahmen des Bundesprogramms zu diesem Thema vor
allem an Jugendliche und junge Erwachsene wenden, wird hier eine politische

Einflussnahme vorgenommen, die mindestens transparent und überprüfbar ge-
macht werden muss. Es geht neben der politischen Zulässigkeit vor allem auch
um die pädagogische Qualität der Programme und darum, ob sie etwa den Prin-
zipien des weithin anerkannten Beutelsbacher Konsenses entsprechen. Insbe-
sondere das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsprinzip stehen bei
derartiger Bildungsarbeit im Vordergrund. Werden sie missachtet, wird der Ein-
druck eines „anti-extremistischen“ gesellschaftlichen Konsenses vermittelt, den
es so nicht gibt.

Drucksache 17/13216 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die im Rahmen des Bundesprogramms verteilten Schriften bzw. die zum Ein-
satz kommenden Arbeitsmaterialien (schriftlich und elektronisch) sind für die
Einschätzung des Programms und der dort verbreiteten politischen Wertungen
sowie ihrer Tauglichkeit für die politische (Jugend-)Bildung zentral. Trotz
mehrfacher Nachfrage weigert sich z. B. die Gedenkstätte Hohenschönhausen
gegenüber den Fragestellern, die im Rahmen der dort durchgeführten Veran-
staltungen zum Themenfeld Linksextremismus genutzten Materialien öffent-
lich zu machen. Angesichts einer über Steuergelder finanzierten Materialaus-
stattung der Programme ist eine solche Weigerung nicht akzeptabel.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Projekte im Rahmen des Bundesprogramms zum Thema Linksextre-
mismus nutzen welche Publikationen, Lehrmaterialien schriftlicher und/
oder elektronischer Art (bitte nach Projekten, Trägern und Materialien auf-
schlüsseln)?

2. Wo und wie können diese Materialien eingesehen werden?

3. Wer ist für die Erstellung der im Rahmen des Programms zum Thema Links-
extremismus verwendeten Materialien zuständig, und durch wen erfolgt ge-
gebenenfalls eine wissenschaftliche, didaktische und pädagogische Über-
prüfung und Evaluation der erstellten Materialien?

Sind diese Evaluationsberichte öffentlich zugänglich?

4. In welcher Auflagenhöhe wurden bzw. werden die einzelnen Materialien er-
stellt, und wie viele sind davon bisher verteilt worden (bitte nach Projekten,
Trägern und Materialien aufgeschlüsselt angeben)?

5. Welche Kosten sind für die Erstellung der einzelnen Materialien angefallen?

6. Wurden die Materialien im Bereich der Programme zum Thema Linksextre-
mismus in Eigenverantwortung der Projektträger erstellt oder wurden hierzu
Aufträge an Dritte vergeben, wie etwa beim umstrittenen „Ahnungslos“-
Clip der Bundeszentrale für politische Bildung (vgl. Bundestagsdrucksache
17/11992)?

7. Wenn Aufträge zur Erstellung von Materialien an Dritte vergeben wurden,
von wem wurden diese Materialien im Einzelnen erstellt (bitte mit Themen,
Budgets, Produkten – Titel, Auflage, Kosten – und Erstellern auflisten)?

8. Nach welchen Kriterien werden Gruppen, Vereine, Institutionen, Parteien,
Publikationsorgane oder Einzelpersonen im Rahmen der Programme zum
Thema Linksextremismus als „linksextremistisch“ eingeordnet?

a) Welche Rolle spielt eine Erwähnung in einem der Verfassungsschutzbe-
richte?

b) Welche Rolle spielen Erwähnungen in einschlägigen wissenschaftlichen
Publikationen?

Welche Publikationen können hier als Referenzquellen gelten (bitte auf-
listen)?

c) Welche sonstigen Kriterien spielen eine Rolle?

9. Welche Gruppen, Vereine, Institutionen, Parteien, Publikationsorgane oder
Einzelpersonen werden im Rahmen der Materialien der Programme zum
Thema Linksextremismus als linksextremistisch eingeordnet (bitte nament-
lich auflisten)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13216

10. Findet nach den Erfahrungen diverser Einzelklagen (siehe dazu z. B.
www.internet-law.de/2010/09/schlappe-fur-bayerisches-innenministerium-
aida.html), bei denen die Verfassungsschutzbehörden Gruppen, Vereine
und Personen aus dem Verfassungsschutzbericht in der Rubrik „Linksext-
remismus“ streichen mussten, eine regelmäßige Überprüfung solcher Eti-
kettierungen statt?

11. Inwieweit sind im Rahmen des Bundesprogramms entsprechende Korrek-
turen vorzunehmen, und wie werden diese Berichtigungen umgesetzt?

12. Inwieweit hat der Zeitbild-Verlag nach Kenntnis der Bundesregierung auf
den Protest etwa der „jungen Welt“, und des „Neuen Deutschlands“ rea-
giert, oder wie und wann beabsichtigt er, die in Rede stehenden diffamie-
renden Äußerungen zu berichtigen?

Ist hier das zuständige Bundesministerium aktiv geworden und hat eine
entsprechende Überarbeitung angemahnt?

Berlin, den 17. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.