BT-Drucksache 17/13129

Steueroasen tockenlegen - offshore und hierzulande

Vom 17. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13129
17. Wahlperiode 17. 04. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost,
Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Steueroasen trockenlegen – offshore und hierzulande

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das größte Datenleck in der Geschichte, das sogenannte Offshore Leaks, hat
die Dimension des weltweiten Steuerhinterziehungs- und -umgehungssystems
offenbart. Es enthüllt, wie und in welchem Umfang es Reichen im Zusammen-
spiel mit Finanzinstituten und Steueroasen gelingt, Steuern zu hinterziehen
oder durch die offensive Nutzung von Steuerschlupflöchern zu umgehen.
Offshore Leaks zeigt zugleich, wie fruchtlos alle bisherigen nationalen und
internationalen Gegenmaßnahmen sind. Es bedarf daher erheblich wirksamerer
Maßnahmen und Sanktionen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und
Steuervermeidung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Aufbau einer Bundesfinanzpolizei auch für die Bekämpfung von Steuer-
hinterziehung und Steuerumgehung umzusetzen. Hierzu soll diese Bundes-
institution in einem ersten Schritt die Steuerfahndung der Länder als Zentral-
stelle unterstützen, ergänzen und koordinieren. Die Zentralstelle soll dabei
auch einheitliche Anforderungen an die Steuerfahndung für die Bundes-
länder entwickeln und deren Umsetzung kontrollieren. Langfristig ist die
Aufgabenverteilung zwischen Bundesfinanzpolizei und Steuerfahndung der
Länder gesetzlich so auszugestalten, dass eine vereinheitlichte und effektive
Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung sichergestellt wird;

2. sich dafür einzusetzen, dass die Bundesländer ihren Steuervollzug ver-
bessern, insbesondere indem sie mehr Fachpersonal einstellen. Hierfür ist
darauf hinzuwirken, dass die Personalausgaben der Länder für die Steuer-
verwaltung so im Rechenwerk des Länderfinanzausgleichs berücksichtigt
werden, dass Länder mit planmäßiger Personalausstattung nicht noch für ihr
Bemühen um Mehreinnahmen und eine wirksamere Durchsetzung der Steuer-
gesetze benachteiligt werden. Das Verfahren zur Ermittlung des Personal-
bedarfs in den Steuerverwaltungen ist dabei einheitlich und verbindlich zu
regeln;
3. das Steuerrecht mit dem Ziel zu reformieren, dass deutsche Staatsange-
hörige, unabhängig von ihrem tatsächlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt, mit ihrem Welteinkommen und ihrem Weltvermögen in der
Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dabei sind
die im Ausland gezahlten Steuern auf die Steuerlast der Steuerpflichtigen
anzurechnen, so dass im Inland ausschließlich die entsprechende Differenz

Drucksache 17/13129 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fällig wird. Darüber hinaus sollen Menschen mit dauerhaften Aufenthalts-
genehmigungen für die Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuer-
pflichtig sein. Die Bundesregierung ist zudem aufgefordert, sich auf euro-
päischer Ebene für eine entsprechende Bindung der unbeschränkten Steuer-
pflicht an die jeweilige Staatsbürgerschaft einzusetzen;

4. das Vorbild des US-amerikanischen Foreign Account Tax Compliance Act
(FATCA) aufzugreifen, um Banken, sonstige Finanzinstitute und Finanz-
dienstleister zur Weitergabe von bisher nicht oder kaum zugänglichen
steuerrelevanten Informationen an die Steuerbehörden heranzuziehen. Bis-
her nicht oder nicht vollständig zugänglich sind Informationen über die Ver-
mögenswerte von deutschen Steuerpflichtigen auf Konten oder Depots im
Ausland. Sofern Finanzinstitute oder deren Kundinnen und Kunden steuer-
relevante Informationen nicht oder nicht vollständig bereitstellen, werden
diese mit einer Strafquellensteuer in Höhe von 50 Prozent belegt. Letztere
wird auf sämtliche Zahlungen aus Deutschland erhoben, die an nicht koope-
rative Finanzinstitute oder an dubiose Empfängerinnen bzw. Empfänger im
Ausland fließen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich für eine ent-
sprechende Initiative auf EU-Ebene einzusetzen;

5. den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen als verpflichten-
den Standard für Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) oder Abkommen
über den Informationsaustausch in Steuersachen einzuführen. Bestehende
Abkommen mit nicht kooperativen Staaten sind zu kündigen. Als „nicht ko-
operative Staaten“ sind Länder zu definieren, die im Sinne der Forderung
Nummer 4 nicht kooperative Finanzinstitute beherbergen und/oder die Wei-
tergabe von Informationen gemäß Forderung Nummer 4 be- oder verhindern.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, auf eine entsprechende Verwendung
des Begriffs in den internationalen Regelwerken hinzuwirken. Des Weiteren
ist in Doppelbesteuerungsabkommen keine Quellensteuerbefreiung, z. B. auf
aus dem Inland ins Ausland abfließende Zinsen, Dividenden oder Lizenz-
gebühren, mehr vorzusehen. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist
vollständig auf die Anrechnungsmethode umzustellen. Die Bundesregierung
ist aufgefordert, sich auf EU-Ebene für die Umsetzung der skizzierten Maß-
nahmen einzusetzen;

6. nicht kooperative Finanzinstitute und Finanzdienstleister im Sinne der Forde-
rung Nummer 4 sowie solche im Sinne der Forderung Nummer 5 nicht ko-
operativen Staaten vom inländischen Kapitalmarkt auszuschließen. Hierzu
ist eine Ergänzung des § 33 des Kreditwesengesetzes (KWG) dergestalt vor-
zulegen, dass einem Kreditinstitut die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb zu
versagen ist, wenn es seine Informationspflichten gemäß Forderung Num-
mer 4 nicht erfüllt oder in einem nicht kooperativen Staat seinen Sitz hat oder
in einem solchen eine Filiale unterhält. Die Bundesregierung ist aufgefordert,
sich auf EU-Ebene für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen einzu-
setzen.

Berlin, den 17. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13129

Begründung

Anfang April 2013 wurde bekannt, dass dem Internationalen Konsortium für In-
vestigative Journalisten (ICIJ) durch eine anonyme Quelle ein riesiger Datensatz
von über 2,5 Millionen Dokumenten zugespielt wurde. Dieser offenbart bisher
verschleierte Vermögenswerte, Finanztransaktionen und -praktiken von über
130 000 Millionärinnen und Millionäre aus über 170 Ländern, darunter Hun-
derte von Deutschen. Im Datensitz aufgelistet sind unter anderem 120 000 Brief-
kastenfirmen und Investmentgesellschaften. Diese sind zumeist in Steueroasen
in Übersee angesiedelt, weswegen die Enthüllung auch Offshore Leaks genannt
wird. Expertinnen und Experten schätzen, dass in diesen Steueroasen ein Ver-
mögen über 24 Bio. Euro vor den Steuerbehörden der Herkunftsländer verbor-
gen wird. Für Deutschland schätzt der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Ge-
werkschaft, Thomas Eigenthaler, ein weltweites Hinterziehungsvolumen von
rund 400 Mrd. Euro. Nach den Berechnungen von Tax Justice Network entgehen
den Staaten weltweit mindestens 148 Mrd. Euro pro Jahr an Steuereinnahmen
durch internationale Steuerhinterziehung.

Die Enthüllungen von Offshore Leaks betreffen zwei Strategien der Aus-
nutzung des internationalen Steuersystems: Zum einen die illegale Steuer-
hinterziehung, die auf die Verbergung von steuererheblichen Tatbeständen zielt.
Zum anderen die formal legale Steuerumgehung durch Steuergestaltungs-
modelle, bei der vorhandene Steuerschlupflöcher im internationalen Kontext
gezielt genutzt werden. Für die Bekämpfung beider Strategien ist die Kenntnis
über die angewandten Methoden und die beteiligten Akteure eine notwendige
Voraussetzung. So können auch Steuerschlupflöcher nur gestopft werden, wenn
ihre Existenz vorher bekannt geworden ist. Daher ist für die Bekämpfung des
weltweiten Steuerhinterziehungs- und -vermeidungssystems der internationale
Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten von entscheidender Bedeu-
tung. Dessen Umsetzung wird von der Bundesregierung allenfalls halbherzig
verfolgt.

Zu den Forderungen:

Zu 1. Analog zum Steuervollzug sind auch die Organe zur Steuerkriminalitäts-
bekämpfung in Deutschland zwischen Bund und Ländern zersplittert. Daraus
resultieren ein uneinheitlicher Vollzug und eine unzureichende Zusammen-
arbeit. Dies zeigte sich zuletzt deutlich in der Weigerung Bayerns, sich an den
Kosten zu beteiligen, die Nordrhein-Westfalen beim Ankauf einer Daten-CD zu
deutschen Steuerhinterziehern in der Schweiz entstanden sind. Auf erheblichen
Verbesserungsbedarf weisen auch immer wieder die Berichte des Bundesrech-
nungshofes hin. Beispielsweise zeigt der Bericht „Bundesbetriebsprüfung: Nut-
zung der durch die Föderalismusreformen I und II neu geschaffenen Prüfrechte
des Bundeszentralamtes für Steuern“ vom Oktober 2011, dass die Gleichmäßig-
keit der Besteuerung und die Einheitlichkeit des Steuervollzugs in Deutschland
nicht sichergestellt sind.

Die Einrichtung einer Bundesfinanzpolizei soll in einem ersten Schritt für die
Steuerfahndungsdienste der Länder eine Zentralstellenfunktion übernehmen.
Sie kann die Steuerfahndungsdienste der Länder in Fragen der internationalen
Rechts- und Amtshilfe, der zentralen Sammlung, Auswertung und Bereitstel-
lung von Daten zur Bekämpfung von Steuerzuwiderhandlungen sowie durch
Einsatzunterstützung in Fällen von bundesweiter und grenzüberschreitender
Steuerkriminalität unterstützen. Langfristig soll die Kompetenzverteilung bei
der Bekämpfung von Steuerkriminalität zwischen Bund und Ländern hinsicht-
lich Effektivität und einheitlichem Vollzug überprüft und entsprechend den
Ergebnissen geändert werden.
Zu 2. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft verweist seit Jahren auf die unzu-
reichende Personalausstattung bei den Steuerfahndungen der Länder hin. Diese

Drucksache 17/13129 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ist auf den latenten Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern mittels lax
gehandhabten Steuervollzug zurückzuführen. Die falsche Anreizstruktur des
Länderfinanzausgleichs hinsichtlich der Personalausstattung in den Länder-
steuerverwaltungen fördert diesen noch.

Zu 3. Die geltenden Regelungen im Außensteuergesetz bleiben beim Entzug
von der Steuerpflicht durch Wohnsitzwechsel in niedrig besteuernde Gebiete
wirkungslos. Grund dafür sind die einschränkenden Bedingungen ihrer Anwen-
dung. Demgegenüber bietet die Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht
an die Staatsbürgerschaft dem Drang der Vermögenden und Besserverdienen-
den, ein vorhandenes Steuergefälle auszunutzen, um sich der Finanzierung des
Gemeinwesens in der Bundesrepublik Deutschland zu entziehen, in einem
wesentlich stärkerem Maße Einhalt. Damit bleiben Steuerpflichtige, die ihren
Wohnsitz verlagern, auch nach ihrem Wechsel der inländischen Steuerpflicht
unterworfen. Zur Vermeidung von Doppelbesteuerung wird die im Ausland
entrichtete Steuer angerechnet, so dass in der Bundesrepublik Deutschland nur
die Differenz der zu zahlenden Steuern fällig wird. Diese vorgeschlagene Rege-
lung ist in den USA gängige Praxis und kann und sollte daher auch in der Bun-
desrepublik Deutschland umgesetzt werden.

Die Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft
begründet sich insbesondere daraus, dass auch Personen, die ihren Wohnsitz
verlegen, zuvor öffentlich finanzierte Infrastruktur z. B. im Bereich Bildung
und Ausbildung für sich und teilweise ihre Kinder in Anspruch genommen
haben. Darüber hinaus kommt die Bundesrepublik Deutschland auch gegen-
über im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern mit deutscher Staats-
bürgerschaft gerade in Notfällen wie Bürgerkriegen, Inhaftierungen, Entfüh-
rungen o. Ä. einer Fürsorgepflicht nach. So können sich beispielsweise Aus-
wanderer und Auswanderinnen in den deutschen Botschaften vorsorglich als so
genannte Auslandsdeutsche registrieren lassen. Darüber hinaus treten ins-
besondere prominente Auswanderer regelmäßig als Repräsentanten der Bundes-
republik Deutschland auf – nicht selten finanziert aus öffentlichen Geldern.

Vor diesem Hintergrund kann die Anknüpfung der persönlichen Steuerpflicht
an die Staatsbürgerschaft eine Finanzierung des Gemeinwesens auch durch
mobile, wirtschaftlich erfolgreiche Bürger und Bürgerinnen garantieren.
Gleichzeitig kann dadurch dem berechtigten Ziel der Bundesrepublik Deutsch-
land Rechnung getragen werden, die Steuerfluchtgefahr im Interesse der Allge-
meinheit zu vermeiden.

Zu 4. Eine wesentliche Funktion von Steueroasen im weltweiten Steuerhinter-
ziehungs- und -umgehungssystems besteht darin, steuerrelevante Information
gegenüber nationalstaatlichen Steuerbehörden zu verschleiern. Nationalstaat-
liche Steuerbehörden haben meistens – sofern kein exzessives nationalstaat-
liches Bankgeheimnis vorhanden ist – nur einen unproblematischen Zugang zu
Informationen über im Inland bei Finanzinstituten vorhandene Konten und
Depots. Zum Verbergen gegenüber den Behörden werden daher Konten im
Ausland zwischengeschaltet, vorzugsweise in Steueroasen, die sich durch das
Vorhandensein eines wirksamen Bankgeheimnisses auszeichnen. Im Inland an-
sässige oder vertretene Finanzinstitute nutzen dies, indem sie Tochtergesell-
schaften oder Filialen in Steueroasen gründen und die dadurch geschaffenen
Anlagemöglichkeiten offensiv bewerben. So haben z. B. Recherchen der „Süd-
deutschen Zeitung“ im Kontext von Offshore Leaks ergeben, dass bei den soge-
nannten Offshore-Geschäften die Deutsche Bank eine prominente Rolle spielt.
Diese habe über ihre Filiale in Singapur mehr als 300 Stiftungen und Brief-
kastenfirmen in Steueroasen gegründet, größtenteils auf den Britischen Jung-
ferninseln. Auf einer separaten Internetseite (www.dboffshore.com) wirbt die

Deutsche Bank auch für die Cayman-Inseln und für Mauritius, die wegen ihrer
„flexiblen Gesetzgebung“ und „steuer-neutralen Umgebung“ interessant seien.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13129

Das Informationsdefizit der Steuerbehörden über Auslandssachverhalte ver-
suchen die USA mit ihrer Initiative FATCA zu beheben. Ziel ist die weltweite
Erfassung von Vermögenswerten US-steuerpflichtiger Personen und Gesell-
schaften auf Konten im Ausland. Der wesentliche Unterschied zu anderen Ini-
tiativen für eine umfassendere Informationsweitergabe besteht darin, dass die
USA Finanzinstitute direkt in die Pflicht nehmen wollen, anstatt ausschließlich
auf die Kooperationsbereitschaft von Staaten zu setzen. Damit wird auf die In-
stitutionen zurückgegriffen, die aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit über die steu-
erlich relevanten Informationen verfügen oder die sich diese Informationen zu-
mindest beschaffen können. Im Ausland ansässige oder tätige Finanzinstitute
und Finanzdienstleister aller Art (Banken, Broker, Investmentgesellschaften,
Fondsstrukturen, Verbriefungsgesellschaften, Versicherungsgesellschaften,
Vermögensverwaltungsgesellschaften, Treuhandgesellschaften u. Ä.) werden
künftig verpflichtet, alle Konten und Depots, die von US-steuerpflichtigen
Personen oder Gesellschaften direkt oder indirekt gehalten werden, an die US-
Bundessteuerbehörde zu melden. Um die entsprechende Kooperationsbereit-
schaft zur Informationsweitergabe herzustellen, sieht FATCA ein wirksames
Sanktionsmittel vor: Die US-Finanzinstitute werden verpflichtet, auf alle
Zahlungen aus US-Quellen an nicht kooperative ausländische Institute und
Kundinnen bzw. Kunden eine Strafquellensteuer in Höhe von 30 Prozent einzu-
behalten. Die der Strafsteuer unterworfenen Zahlungen umfassen Zinsen, Divi-
denden, Erlöse aus der Veräußerung von Aktien, Schuldtiteln und anderen
Wertpapieren, Zahlungen aus Versicherungsprodukten, Mieten und vergleich-
bares. Halten sich Kundinnen oder Kunden von ausländischen Finanzinstituten
nicht an die Erfüllung der Informationspflichten, sind letztere angehalten, diese
Geschäftsbeziehung abzubrechen. Die Prüfung auf und die Beweislast für die
Korrektheit der übermittelten Informationen obliegen den Finanzinstituten.

Auch wenn FATCA sich noch in der Umsetzung befindet, zeigt die Initiative
doch erste Wirkung. So hat sie – neben Offshore Leaks – wesentlich dazu bei-
getragen, dass Luxemburg neuerdings die Bereitschaft signalisiert, sein bisheri-
ges Festhalten am Bankgeheimnis aufzugeben. Aufgrund seines Ansatzes, die
steuerrelevanten Informationen direkt bei den Akteuren einzutreiben, die das
Geschäft mit der Vermittlung von Anlagen in Steueroasen betreiben, sind
FATCA wesentlich höhere Erfolgschancen bei der Bekämpfung von Steuer-
hinterziehung und -umgehung als anderen diesbezüglichen Initiativen zuzu-
trauen. Daher sollte eine vergleichbare Initiative auch in der EU bzw. in
Deutschland eingeleitet werden. Um die Effektivität der Strafquellensteuer als
Sanktionsmaßnahme zur Herstellung der Kooperationsbereitschaft zu erhöhen,
sollte der Steuersatz auf 50 Prozent festgelegt werden. Die Wirksamkeit einer
Initiative wie FATCA ist erheblich davon abhängig, inwieweit die sie einfüh-
renden Staaten bereits sind, ihre eigenen schwarzen Steuerinformationslöcher
zu stopfen. Als Beispiele sei hier auf die US-Steueroase Delaware sowie die
zahlreichen unter britischer Oberhoheit befindlichen Steueroasen wie Jersey
oder die Cayman-Inseln verwiesen. Aber auch die Bundesregierung ist aufge-
fordert, die in Deutschland bestehenden Hürden für die Umsetzung von
FATCA-Initiativen abzubauen. Hierzu zählt in erster Linie die Abschaffung der
Abgeltungsteuer auf private Kapitalerträge, die aufgrund ihrer anonymisierten
Erhebung die Verschleierung von Finanzanlagen und Kapitaltransaktionen be-
günstigt. Mit der Abschaffung der Abgeltungsteuer und dem Unterwerfen aller
Kapitalerträge unter den persönlichen Einkommensteuersatz würde Deutsch-
land darüber hinaus einen ersten glaubwürdigen Eigenbeitrag gegen den inter-
nationalen Steuerwettlauf um die niedrigsten Steuersätze leisten. Ohne letzte-
ren würde das weltweite Steuerhinterziehungs- und -vermeidungssystem seinen
Sinn verlieren.
Zu 5. Die Bundesregierung hat in letzten Jahren viele Doppelbesteuerungs-
abkommen und Abkommen über den Informationsaustauch in Steuersachen

Drucksache 17/13129 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

neu abgeschlossen. Darunter etliche auch mit Ländern, deren Rolle als Steuer-
oasen durch Offshore Leaks bestätigt wurde (z. B. Singapur, Cayman-Inseln,
Britische Jungferninseln). Es ist offensichtlich, dass diese Abkommen die Praxis
und die Funktion von Steueroasen nicht eingeschränkt haben. Eine Ursache ist,
dass die Bundesregierung regelmäßig in solchen Abkommen für den Informa-
tionsaustausch nur die Ersuchensauskunft als verbindlichen Standard festlegt.
Diese beinhaltet einen Austausch von steuerrelevanten Informationen nur auf
Anfrage im begründeten Einzelfall. Dieses Verfahren enthält viele Möglichkei-
ten zur Verzögerung und Nichterteilung von Auskünften. Die weitergehenden
Verfahren zum Informationsaustausch – Spontanauskunft und vor allem auto-
matischer Informationsaustausch – werden regelmäßig nur als Option aufge-
griffen. Dabei ist unbestritten, dass der automatische Informationsaustausch die
bei weitem effektivste Methode zur Verhinderung von Steuerhinterziehung ist.
Trotz aller gegenteiligen Verlautbarungen hat sich die Bundesregierung bisher
nicht als Vorkämpferin für den automatischen Informationsaustausch gezeigt.
Das Gegenteil trifft zu, wie das gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz
zeigte. Darin war ein expliziter Ausschluss des automatischen Informationsaus-
tauschs vorgesehen. Stattdessen sollte die Abgeltungsteuer mit ihrer anonymi-
sierten Erhebung exportiert werden. Die Bundesregierung versuchte letzteres
sogar als gleichwertigen Ersatz für den automatischen Informationsaustausch
darzustellen.

Eine weitere Ursache für das Nichtgreifen der Abkommen ist, dass es nach der
offiziellen Definition der Bundesregierung überhaupt keine Steueroasen gibt –
was diese auf Fragen auch bestätigt (vgl. Ausschussdrucksache 17(7)468 vom
14. Januar 2013). Diese Definition orientiert sich an der Zuordnung von Staaten
in die sogenannte Schwarze Liste der Organisation für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung. Letztere ist seit Mai 2009 leer. Für die notwendige
Identifikation von Steueroasen kann auf die skizzierte FATCA-Initiative zu-
rückgegriffen werden. Demnach wären Steueroasen solche Staaten, die nicht
kooperative Finanzinstitute beherbergen und/oder begünstigen. Bestehende
Doppelbesteuerungsabkommen mit solchen Staaten sind kontraproduktiv, da
jene das Besteuerungsrecht Deutschlands einschränken und somit Steueroasen-
regime noch begünstigen. Daher sind alle Doppelbesteuerungsabkommen mit
Steueroasen zu kündigen.

Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesregierung weisen nicht nur
Mängel in Bezug auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehung auf. Sie unter-
stützten das weltweite Steuerhinterziehungs- und -umgehungssystem auch da-
durch, dass sie den steuerfreien Transfer von Kapitalerträgen aus Deutschland
ermöglichen. So sehen die Abkommen Quellensteuerbefreiungen für ins Aus-
land abfließende Zinsen und Lizenzgebühren regelmäßig sowie teilweise auch
für Dividenden vor. Insbesondere die Quellensteuerbefreiung für Lizenzgebüh-
ren hat sich jüngst als Vehikel zur Steuervermeidung erwiesen. Im Zusammen-
spiel mit niederländischen und irischen Sonderregelungen (Stichwort: Double
Irish – Dutch Sandwich) können so multinational aufgestellte Konzerne wie
Google, Facebook, Apple oder Starbucks ihre Steuerbelastung in den Quellen-
ländern auf null senken. Ein weiteres Einfallstor für international ausgerichtete
Steuervermeidungsstrategien ist, dass die Bundesregierung regelmäßig für die
Mehrheit der Kapitalerträge die Freistellungsmethode zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung vorsieht. Danach werden solche im Ausland erzielten Ge-
winne in Deutschland nicht beim Einkommen berücksichtigt, sondern lediglich
bei der Ermittlung des Einkommensteuersatzes (sogenannter Progressionsvor-
behalt). Der Progressionsvorbehalt wirkt sich aber gerade bei Spitzenverdienern
überhaupt nicht aus, da diese mit ihrem Einkommen schon oberhalb der ein-
kommensteuerlichen Progressionszone liegen, wo der Grenzsteuersatz nicht

mehr steigt. Damit eignet sich die Freistellungsmethode sehr effektiv für Steuer-
gestaltungsmodelle von Superreichen. Ein bekannt gewordenes Beispiel ist das

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/13129

sogenannte Steuergestaltungsmodell Goldfinger. Bei diesem kann unter ande-
rem durch den An- und Verkauf von Gold über ausländische Personengesell-
schaften die persönliche Einkommensteuerlast auf null gesenkt werden. Um
solche Steuergestaltungsmodelle wirksam zu unterbinden, soll künftig zur Ver-
meidung der Doppelbesteuerung nur noch die Anrechnungsmethode verwendet
werden. Dabei werden die im Ausland gezahlten Steuern auf die Steuerlast der
Steuerpflichtigen angerechnet. Die Anrechnungsmethode stellt sicher, dass Ein-
künfte immer mindestens so hoch wie im Inland besteuert werden, unabhängig
davon, ob sie im Ausland oder im Inland erzielt werden. Steuervermeidungs-
strategien über Kapitalanlagen in Niedrigsteuerländer laufen damit ins Leere.

Zu 6. Schon die Aufdeckungen im Kontext der Auswertungen von angekauften
Steuer-CDs zeigen, dass nicht nur die Begünstigung von Steuervermeidung,
sondern auch von Steuerhinterziehung zum Geschäftsmodell von Banken ge-
hört. So konnten die Schweizer Banken Julius Bär (50 Mio. Euro) und Credit
Suisse (150 Mio. Euro) nur mit Millionenzahlungen drohende Gerichtsverfah-
ren in Deutschland wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung abwenden. Die
oben bereits dargestellten Enthüllungen durch Offshore Leaks über die Rolle
der Deutschen Bank deuten Ähnliches an. Zwar besteht bereits im geltenden
Recht theoretisch die Möglichkeit der Versagung der Bankenlizenz für derartig
schädlich tätige Kreditinstitute. Allerdings ist die Wahrnehmung dieser Mög-
lichkeit rechtlich nicht eindeutig festgelegt und daher riskant. Deswegen soll
das Kreditwesengesetz entsprechend geändert werden.

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