BT-Drucksache 17/13106

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz)

Vom 17. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13106
17. Wahlperiode 17. 04. 2013

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Markus Kurth,
Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Lisa Paus,
Maria Klein-Schmeink, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der
Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz)

A. Problem

Werk- und Dienstverträge entsprechen einer arbeitsteiligen und modernen
Arbeitswelt. Sie bieten Flexibilität und Effizienz. Das ist zulässig und auch er-
wünscht. Inzwischen wird aber vermehrt unter dem Deckmantel von Werk- und
Dienstverträgen nur Personal überlassen. In der Konsequenz sind diese Kon-
struktionen Scheinwerk- und Scheindienstverträge, die durch das Arbeitneh-
merüberlassungsgesetz (AÜG) geregelte Schutzbestimmungen für Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer verletzen. Diese Entwicklung geht zu Lasten der
Beschäftigten und der fair agierenden Betriebe gleichermaßen.

Die derzeit geltenden Regelungen im AÜG begünstigen Unternehmen, die mit
zweifelhaften Werkvertragskonstruktionen ihre Kosten senken, wenn sie sich
dafür als Partner (Schein-)Werk- bzw. Dienstunternehmen mit Überlassungs-
erlaubnis wählen. Personaldienstleister, die unter dem Deckmantel eines Werk-
oder Dienstvertrags Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausleihen, nutzen
damit eine Gesetzeslücke, um ihre Kunden und sich selbst vor den Folgen einer
illegalen Arbeitnehmerüberlassung zu schützen.

Wird Überlassung unter dem Deckmantel eines Werk- oder Dienstvertrags ohne
Überlassungserlaubnis betrieben, dann bestimmt das AÜG, dass der Schein-
werk- bzw. Scheindienstvertrag nichtig ist und die illegal überlassenen Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer kraft Gesetz Beschäftigte des Entleihers mit
allen daraus resultierenden Ansprüchen werden (§ 10 Absatz 1 AÜG). Zusätz-
lich greifen Ordnungswidrigkeitstatbestände für den Verleiher und den Entleiher
(§ 16 Absatz 1 u. 1b ff. AÜG). In der Praxis kommt insbesondere bei Billig-
löhnen die Strafbarkeit des illegalen Entleihers wegen Beitragshinterziehung
gemäß § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB) hinzu. Diese Rechtsfolgen wirken

abschreckend und sollen Lohndumping verhindern.

Die Abschreckung funktioniert aber nicht mehr, wenn Scheinwerkunternehmen
über eine Überlassungserlaubnis verfügen. Denn damit ist die Fiktion eines
Arbeitsverhältnisses zum Entleiher auch bei verdeckt betriebener Arbeitnehmer-
überlassung ausgeschlossen. Die Beschäftigten werden wie Leiharbeitskräfte
behandelt und entsprechend niedriger entlohnt als die Stammbelegschaft beim
Entleiher. Scheinwerkunternehmen oder Scheindienstleister können sich und

Drucksache 17/13106 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ihre Kunden derzeit mit einer Überlassungserlaubnis vor den Folgen der illega-
len Überlassung schützen. In der Konsequenz wird der Arbeitnehmerschutz des
AÜG bei Scheinwerk- und Scheindienstverträgen mit vorhandener Überlas-
sungserlaubnis, gegenwärtig rechtlich abgesichert, unterlaufen, obwohl es sich
dabei um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung handelt. Denn die im AÜG vor-
gesehenen Sanktionen greifen nicht aufgrund der vorhandenen Überlassungser-
laubnis.

Für diese Privilegierung gibt es keine Rechtfertigung. Sie ist vielmehr ein An-
reiz, Billiglöhne und extrem schlechte Arbeitsbedingungen, so wie sie vor den
politischen Reformen und gewerkschaftlichen Anstrengungen in der legalen
Leiharbeit üblich waren, unter dem Deckmantel von Werk- und Dienstverträ-
gen weiter zu praktizieren.

B. Lösung

Im AÜG wird durch eine Ergänzung in § 9 Nummer 1 sichergestellt, dass
Scheinwerk- oder Scheindienstverträge ausnahmslos nicht mehr unter den
Schutz einer vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fallen. Es wird
dafür gesorgt, dass die im AÜG vorgesehenen Rechtsfolgen für illegale Überlas-
sung bei allen Scheinwerk- und Scheindienstverträgen in vollem Umfang zum
Tragen kommen und die Gesetzeslage auch in diesen Fällen eine abschreckende
Wirkung erzielt und die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um-
fassend schützt.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Keine.

Für den Bundeshaushalt sowie die Haushalte der Länder und Kommunen sind
keine Mehrkosten zu erwarten. Zu erwarten ist, dass durch diese gesetzlichen
Regelungen die Löhne und damit auch die Steuer- und Sozialversicherungsein-
nahmen steigen. Die Steigerungen sind allerdings nicht quantifizierbar.

Renate Künast, Jürgen T
rittin und Fraktion
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13106

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der
Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz)

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

In § 9 Nummer 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995
(BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes
vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert worden
ist, werden nach dem Wort „hat“ die Wörter „oder bei vor-
handener Erlaubnis die Überlassung des Leiharbeitnehmers
nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich
macht“ eingefügt.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung
folgenden Kalendermonats in Kraft.

Berlin, den 16. April 2013

gen der Einsatz von Leiharbeit ersetzt werden kann. Zur
Absicherung werden (Schein-)Werk- und Dienstverträge oft
nur an Fremdfirmen mit Erlaubnis zur Arbeitnehmerüber-
lassung vergeben.

Das führt erneut zu schlechten Arbeits- und Entlohnungsbe-
dingungen für die Beschäftigten. Auch die tariftreuen Be-
triebe, die ihre Beschäftigten fair behandeln, leiden unter
dieser Entwicklung, denn sie laufen Gefahr vom Markt ver-
drängt zu werden. Die Problematik ist von Prof. Dr. Peter
Schüren in seinem Beitrag „Scheinwerk- und Scheindienst-
verträge mit Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis – Vor-
schlag zu einer Korrektur des AÜG“ (NZA 2013, S. 176 ff.)
ausführlich dargestellt worden. Dieser Gesetzentwurf über-
nimmt seinen Regelungsvorschlag. Der Gesetzentwurf er-
gänzt die Forderungen nach eindeutigen Kriterien sowie ei-
ner klaren Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkver-
trägen und effektiven Kontrollen von Werk- und Dienstver-
trägen (Bundestagsdrucksache 17/7482).

beitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger Lohn erhielten,
als ihnen aus dem gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnis
zum Entleiher zusteht. Die Lohndifferenz zwischen der
Vergütung, die die illegal überlassenen Beschäftigten vom
Verleiher erhielten, und der Vergütung die ihnen als Beschäf-
tigten des Entleihers zusteht, ist nachzuzahlen. Die nicht
abgeführten Sozialversicherungsbeiträge und die Vergü-
tungsdifferenz sind vom Scheinwerkbesteller oder Schein-
dienstgeber, der jetzt kraft Gesetz Arbeitgeber ist, nachzu-
entrichten. Der Betriebsrat des Scheinwerkbestellers oder
Scheindienstgebers ist für die illegal überlassenen Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund des fingierten
Arbeitsverhältnisses in vollem Umfang zuständig. Das ver-
schafft allen illegal überlassenen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer die volle Interessenvertretung durch den Be-
triebsrat des Betriebs, in dem sie tatsächlich arbeiten.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Drucksache 17/13106 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Die Reformen in der Leiharbeit, die Branchenzuschläge und
die Aberkennung der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft
„Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-
serviceagenturen“ (CGZP) führen dazu, dass sich die Ent-
lohnungs- und Arbeitsbedingungen in der Leiharbeitsbran-
che verbessern. Lohndumping bleibt aber durch zweifel-
hafte Werk- und Dienstvertragskonstruktionen ein aktuelles
Problem. Mit Scheinwerk- und Scheindienstverträgen wer-
den Tätigkeiten an Fremdfirmen oder in andere Branchen,
die niedriger entlohnen, verlagert. Inzwischen ist es offen-
sichtlich, dass damit auch die Lohnuntergrenze und die
Branchenzuschläge in der Leiharbeit umgangen werden sol-
len. So lassen sich beispielsweise Unternehmen in Semina-
ren schulen, wie mit Scheinwerk- und Scheindienstverträ-

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetzes)

Mit der Änderung greifen die Rechtsfolgen des § 10 Absatz 1
AÜG bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung durch
Scheinwerk- und Scheindienstverträge in allen Fällen. Es
entstehen immer kraft Gesetz Arbeitsverhältnisse der ver-
deckt überlassenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
zum Scheinwerkbesteller bzw. Scheindienstgeber mit den
entsprechenden Rechtsfolgen. Es liegt dann auch illegale
Arbeitnehmerüberlassung mit den Bußgeldtatbeständen des
§ 16 Absatz 1 und 1a AÜG vor. Der Entleiher kann sich nach
§ 266a StGB wegen der Hinterziehung von Sozialversiche-
rungsbeiträgen strafbar machen, wenn die überlassenen Ar-

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.