BT-Drucksache 17/13020

Kontroll- und Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping bei entsandten Beschäftigten

Vom 4. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13020
17. Wahlperiode 04. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Ulrich, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm,
Klaus Ernst, Annette Groth, Andrej Hunko, Harald Weinberg, Katrin Werner,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Kontroll- und Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping
bei entsandten Beschäftigten

Die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ab 2010 sowie die seit Mai 2011
geltende uneingeschränkte Dienstleistungsfreiheit mit den acht 2004 der Euro-
päischen Union beigetretenen mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten
(MOE-8) zielen darauf ab, die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleis-
tungen innerhalb der Europäischen Union (EU) zu erleichtern. Gewerkschaften
kritisieren, dass die Politik der Europäischen Kommission sowie die vieler Mit-
gliedstaaten vordergründig auf eine solche Öffnung der Dienstleistungsfreiheit
fixiert ist, während Kontroll- und Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von dabei
entstehenden ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen kaum bzw. gar nicht ausge-
baut werden. Die Vermeidung von effektiven Kontrollen, von Sanktionen bei
Missbrauch, fehlenden Informations- und Beratungsangeboten für entsandte
Beschäftigte sowie eine mangelhafte Datenbasis führen dazu, dass Lohn- und
Sozialdumping in der EU immer weiter zunehmen. Dienstleistungsfreiheit wird
somit über den Schutz von sozialen Grundrechten gestellt.

Nach den aus Sicht der Fragesteller arbeitnehmerfeindlichen Urteilen des Euro-
päischen Gerichtshofes (Laval, Rüffert, Luxemburg) hat die Europäische Kom-
mission den Vorschlag für eine Richtlinie zur Durchsetzung der Richtlinie 96/
71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rah-
men der Erbringung von Dienstleistungen vorgelegt, mit dem Ziel, Sozialdum-
ping bei Entsendung besser zu bekämpfen. Die Verpflichtung jedes EU-Mit-
gliedslandes, effektive Kontrollen bei den Entsendeunternehmen durchzufüh-
ren, das Informations- und Beratungsangebot für entsandte Beschäftigte sowie
ihre eigene Datenlage zu verbessern, muss Bestandteil des am 31. März 2012
von der Europäischen Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlages sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Einschätzung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG

BAU), der zufolge eine chronische Unterbesetzung der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit (FKS) vorliegt (www.igbau.de vom 15. März 2013 „IG BAU
fordert mehr Fahnder bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit“)?

a) Wie viele Beschäftigte arbeiten derzeit bei der FKS, wie viele davon sind
im operativen Bereich tätig (bitte nach Standorten aufschlüsseln)?

b) Kam es im Jahr 2012 zu einer personellen und finanziellen Aufstockung
der zuständigen Kontrollbehörden, insbesondere bei der FKS (wenn ja,
bitte konkrete Zahlen angeben, wenn nicht, warum nicht, bitte begründen)?

Drucksache 17/13020 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Plant die Bundesregierung für die Jahre 2014 und 2015 eine Aufstockung
der personellen und finanziellen Mittel der zuständigen Kontrollbehörden,
insbesondere bei der FKS (bitte nach Standorten aufschlüsseln)?

Wenn ja, um wie viel Geld und um wie viele Stellen handelt es sich (bitte
operative Stellen gesondert ausweisen, und wenn nein, warum nicht, bitte
begründen)?

d) Wie hat sich die Anzahl der Beschäftigten bei der FKS in den letzten zehn
Jahren entwickelt, wie sieht dies speziell für die Beschäftigten im operati-
ven Bereich aus (bitte nach Planstellen und tatsächlich besetzten Stellen
sowie nach Standorten aufschlüsseln)?

e) Wie viele Stellen sind bei der FKS derzeit nicht besetzt (bitte nach Stand-
orten aufschlüsseln)?

Warum wurden diese Stellen nicht besetzt?

f) Wie viele Kontrollen zur Einhaltung von Mindestlöhnen und der Bestim-
mungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes wurden in den Jahren 2011,
2012 sowie bisher im Jahr 2013 durchgeführt (bitte nach Branchen und
Monaten differenzieren)?

g) Wie viele Verstöße gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz wurden dabei
aufgedeckt (bitte nach Branchen und Verstößen differenzieren)?

h) Wie viele Bußgeldverfahren wurden in diesem Zusammenhang eingeleitet
(bitte nach Branchen und Verstößen differenzieren)?

i) Wie hoch waren die von der FKS verhängten Bußgelder wegen Verstößen
gegen die Einhaltung von Mindestlöhnen und gegen Bestimmungen des
Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in den vergangenen zehn Jahren (bitte
nach Branchen und Monaten differenzieren)?

j) In wie vielen Fällen wurde gegen oben genannte Verstöße geklagt, in wie
vielen Fällen waren diese Klagen erfolgreich, und um welche Summe
haben sich die Bußgelder auf diese Weise reduziert?

k) Gegen wie viele Unternehmen wird momentan ermittelt?

Gibt es Unternehmen, gegen die in mehreren Fällen ermittelt wird, und
wenn ja, welche?

l) In wie vielen Fällen und in welchem Umfang werden Vertragsstrafen,
Kündigungen oder Auftragssperren geltend gemacht, und gegen welche
Unternehmen?

m)Waren oder sind solche Vertragsstrafen, Kündigungen oder Auftragssper-
ren nach Kenntnis der Bundesregierung Gegenstand gerichtlicher Verfah-
ren, und wenn ja, mit welchem Ausgang?

2. a) Liegt der Bundesregierung der Evaluationsbericht der Kooperationsver-
einbarung, die das Bundesministerium der Finanzen im Mai 2010 mit den
in den Ländern jeweils für den Arbeitsschutz zuständigen Ministerien und
Behörden abgeschlossen hat, mit der unter anderem die bundeseinheit-
liche praktische Zusammenarbeit zwischen der FKS und den Landes-
arbeitsschutzbehörden (Arbeitsschutzverwaltung/ASV) verstärkt werden
soll, und die im Jahr 2011 evaluiert werden sollte, vor?

Wenn ja, wo ist dieser erhältlich?

Wenn nein, warum nicht?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Evalua-
tionsbericht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13020

3. a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Etablierung detaillierter Meldever-
pflichtungen als effektive Möglichkeit, um die Auswirkungen der Entsen-
dung auf den Arbeitsmarkt und das Lohnniveau abschätzen und somit
Lohn- und Sozialdumping vermeiden zu können?

b) Plant die Bundesregierung die Auswertung der Daten, die die Entsende-
unternehmen in Deutschland bereits heute melden müssen, zu verändern?

Wenn ja, in welcher Form (wenn nicht, bitte begründen)?

c) Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen,
ein Konzept zu entwickeln, durch das die Datenbasis über entsandte Be-
schäftigte (Anzahl bitte nach Branchen, Dauer der Entsendung, geleisteten
Arbeitsstunden etc. aufschlüsseln) verbessert wird (wenn nein, bitte be-
gründen, warum nicht)?

d) Liegen der Bundesregierung aktuelle Daten über die Entsendung von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Deutschland vor, und wenn
ja, bitte angeben?

Wenn nein, warum nicht?

e) Hat die Bundesregierung seit dem Wegfall der Beschränkungen für die
Dienstleistungsfreiheit mit den MOE-8 am 1. Mai 2011 Studien erstellt
oder in Auftrag gegeben, die die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und
die Arbeitsbedingungen (inklusive Löhne) in Deutschland darstellen?

Wenn ja, welche (wenn nein, warum nicht, bitte begründen)?

4. a) Wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für die Forderung des Deut-
schen Gewerkschaftsbunds einsetzen, den Begriff „entsandte Beschäf-
tigte“ eindeutiger zu definieren, um Betrug zu vermeiden?

Falls ja, welche Kriterien hält sie für sinnvoll?

Wenn nein, warum nicht?

b) Wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür einsetzen, den Begriff
„grenzübergreifende Dienstleistung“ eindeutiger zu definieren, um zu ver-
hindern, dass Unternehmen die geltenden Gesetze und Standards mit
Briefkastenfirmen umgehen?

Falls ja, welche Kriterien hält sie für sinnvoll?

Wenn nein, warum nicht?

c) Wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür einsetzen, Kriterien
zur Ermittlung von Scheinselbständigkeit festzulegen, um den auf diese
Weise stattfindenden Betrug leichter feststellen zu können?

d) Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, auf EU-Ebene wirksame
Rechtsfolgen festzulegen, die greifen sollen, sobald es sich nicht um ent-
sandte Beschäftigte handelt?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 4. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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