BT-Drucksache 17/12991

Steuergestaltungsmodell Goldfinger

Vom 4. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12991
17. Wahlperiode 04. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Zum sogenannten Goldfinger-Steuergestaltungsmodell

Das Steuergestaltungsmodell „Goldfinger“ findet in Öffentlichkeit und Politik
vermehrt Aufmerksamkeit. Dieses gehört zu den Steuergestaltungsmodellen, bei
denen der Progressionsvorbehalt nach § 32b des Einkommensteuergesetzes
(EStG) genutzt wird, um die persönliche Einkommensteuerlast nahezu auf
null Prozent zu reduzieren. Der Begriff „Goldfinger“ bezieht sich darauf, dass
diese Steuergestaltungsmodelle insbesondere durch den An- und Verkauf von
Gold über ausländische Personengesellschaften umgesetzt werden. Die Fraktion
DIE LINKE. hat wiederholt auf dieses Steuerschlupfloch bzw. die Notwendigkeit
von dessen Beseitigung hingewiesen (vgl. z. B. Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. „Steuergestaltungsmodelle unter Nutzung des Progressionsvorbe-
haltes insbesondere bei Gold, auf Bundestagdrucksache 17/9685). Die Koalitions-
fraktionen hatten darauf reagiert und eine gesetzliche Änderung des § 32b EStG
im Jahressteuergesetz 2013 vorgesehen. Diese sollte ab dem Tag nach der Ver-
kündung die besagten Steuergestaltungen verhindern. Infolge der parlamentari-
schen Auseinandersetzungen um die steuerliche Gleichstellung der eingetrage-
nen Lebenspartnerschaft wurde das Jahressteuergesetz 2013 nicht verabschiedet.
Die Koalitionsfraktionen haben daraufhin die Änderung des § 32b EStG in das
Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz aufgenommen. Letzteres wurde augrund
zahlreich fehlender Maßnahmen aus dem ursprünglichen Jahressteuergesetz
2013 vom Bundesrat nicht angenommen, sondern in den Vermittlungsausschuss
überwiesen. Dadurch können die geschilderten Gestaltungen weiterhin in der
Praxis angewandt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Urteile von Finanzgerichten oder des Bundesfinanzhofes hat die
Bundesregierung zu der beschriebenen Gestaltung zur Kenntnis genommen
(bitte mit Darstellung der Urteile)?

2. Welche Fachartikel oder wissenschaftlichen Studien zu der geschilderten
Problematik hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen (bitte mit
Darstellung)?
3. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu den unter Frage 1 darge-
stellten Urteilen (bitte mit Begründung)?

4. Bezieht sich § 140 der Abgabenordnung und die dort angesprochenen „ande-
ren Gesetze“ auch auf ausländische Rechtsnormen, so dass sich bereits aus
der Buchführungspflicht im Ausland eine inländische Buchführungspflicht
verbunden mit einer Gewinnermittlung nach § 5 EStG ergibt (bitte mit Be-
gründung)?

Drucksache 17/12991 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Bezieht sich die Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 4 Absatz 3
Satz 4 EStG (Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen
und Rechte) auch auf den Handel mit Gold, ggf. abhängig von der Frage,
ob das Gold physisch vorgehalten wird bzw. verbrieft wird (bitte mit Be-
gründung)?

6. Sieht die Bundesregierung in der vermehrten Anwendung der genannten
Steuergestaltungsmodelle eine modellhafte Gestaltung im Sinne des § 15b
EStG (bitte mit Begründung und Darstellung, welche Kriterien nach An-
sicht der Bundesregierung für eine modellhafte Gestaltung sprechen)?

7. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass die Verlustverrechnungs-
beschränkung des § 15b EStG nicht im Rahmen des § 32b EStG anzuwen-
den ist (bitte mit Begründung)?

8. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf für eine Erweiterung des
§ 15b EStG auf Fälle des An- und Verkaufs von werthaltigen Wirtschafts-
gütern, so wie es die Bundesländer in der Bundesratsdrucksache 95/13 (B)
vorschlagen (bitte mit Begründung)?

9. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass der einmalige An- und Ver-
kauf von Gold abkommensrechtlich unter die private Vermögensverwaltung
gemäß Artikel 13 Absatz 5 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA)
fällt (bitte mit Begründung)?

10. Welche Intensität des Goldhandels bzw. welche weiteren Voraussetzungen
müssen nach Ansicht der Bundesregierung erreicht sein, damit die ge-
schilderten Fälle abkommensrechtlich nach Artikel 7 OECD-MA (Unter-
nehmensgewinne) eingeordnet werden können (bitte begründen)?

11. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass abkommensrechtlich für
die Qualifikation nach Artikel 7 OECD-MA die einkommensteuerlichen
Subsidaritätsregeln irrelevant sind, so dass originäre gewerbliche Einkünfte
vorliegen müssen (bitte mit Begründung)?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Anwendung der
geschilderten Steuergestaltungsmodelle durch Nutzung des Progressions-
vorbehalts, die nicht mittels des An- und Verkaufs von Gold vorgenommen
werden (bitte mit Darstellung, welche anderen Vermögensgegenstände
außer Gold genutzt werden)?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Vorkommen der
geschilderten Modelle in einzelnen Bundesländern (bitte differenziert nach
Bundesländern, Anzahl der Fälle und Veranlagungszeitraum angeben)?

14. Hat die Bundesregierung die geschilderten Modelle hinsichtlich ihrer
Häufigkeit bei den Landesfinanzbehörden abgefragt (wenn nein, warum
nicht)?

15. Wurde das Thema nach der Sitzung der Einkommensteuerreferatsleiter/-in-
nen des Bundes und der Länder (ESt II/12) vom 25. bis 27. April 2012 auf
Bund-Länder-Ebene erneut diskutiert (wenn ja, wann und mit welchem
Ergebnis)?

16. Welche Haushaltsauswirkungen treten nach Schätzung der Bundesregie-
rung durch die Nichtumsetzung der Änderung des § 32b EStG aufgrund
der Nichtverabschiedung des Jahressteuergesetzes 2013 ein (bitte mit Be-
gründung)?

17. Welche zusätzlichen Haushaltsauswirkungen treten nach Schätzung der
Bundesregierung durch die zeitliche Verzögerung der Umsetzung der Än-
derung des § 32b EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz

ein (bitte mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12991

18. Kann die zeitliche Verzögerung der Änderung des § 32b EStG nach Ein-
schätzung der Bundesregierung die Zahlung von Erstattungszinsen nach
§ 233a der Abgabenordnung zur Folge haben, und falls ja, in welchem Um-
fang rechnet die Bundesregierung mit dadurch verursachten Erstattungs-
zinsen (bitte mit Begründung)?

19. Ist es aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig, die geplante
Neuregelung des § 32b EStG bereits für Vorgänge zur Anwendung zu er-
klären, die nach dem Tag der zweiten und dritten Lesung zum Jahressteuer-
gesetz 2013 (Bundestagsdrucksache 17/10000) und nicht erst nach dem Tag
der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages zum Amtshilferichtlinie-
Umsetzungsgesetz stattfinden (bitte mit Begründung, warum im Amtshilfe-
richtlinie-Umsetzungsgesetz nicht so verfahren wurde)?

20. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass es durch die Ausweitung
der geplanten Neuregelung des § 32b EStG auf alle Wirtschaftsgüter des
Umlaufvermögens zu einer weiteren Verkomplizierung des Steuerrechts
kommt, zudem zusätzliche Befolgungskosten für die Aufzeichnung der An-
und Verkäufe anfallen (bitte mit Begründung)?

21. Welche ähnlichen nicht gewollten Steuergestaltungsmodelle sind der
Bundesregierung bekannt, bei denen es aufgrund der abkommensrecht-
lichen Qualifikation weder zu einer Besteuerung im In- noch im Ausland
kommt (bitte mit Darstellung und beabsichtigten Gegenmaßnahmen)?

22. Sieht die Bundesregierung in den Fällen, in denen das beschriebene Modell
abkommensrechtlich so qualifiziert wird, dass Deutschland das ausschließ-
liche Besteuerungsrecht hat, eine ungewollte Steuerstundung durch die er-
tragswirksame Berücksichtigung des Goldankaufs (bitte mit Begründung)?

23. Mit welchen Ländern wurden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ab-
geschlossen, in denen sich die Durchführung des Progressionsvorbehalts
nicht nach § 32b EStG richtet, so dass die geplante Neuregelung ins Leere
läuft (bitte mit Darstellung der DBA-Regelungen)?

24. Wie ist in Fällen zu verfahren, in denen abkommensrechtlich in den geschil-
derten Fällen nicht die Freistellungs-, sondern die Anrechnungsmethode
Anwendung findet (bitte mit Begründung)?

25. Wie ist in Fällen zu verfahren, in denen die Goldan- und -verkäufe über ein
ausländisches Spezial-Investmentvermögen gemäß § 16 des Investment-
steuergesetzes erfolgen (bitte mit Begründung)?

Berlin, den 4. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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