BT-Drucksache 17/12987

Satellitenüberwachung durch den Bund und andere

Vom 4. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12987
17. Wahlperiode 04. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Jan van Aken, Herbert Behrens, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Harald Koch, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Jens Petermann, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel,
Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Satellitenüberwachung durch den Bund und andere

Das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) ist am 1. Januar
2013 in den Regelbetrieb gestartet und bietet über ein Kooperationsprojekt
zwischen dem Bundesministerium des Innern (BMI) und dem Deutschen Zen-
trum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) Dienstleistungen für die Geschäfts-
bereichsbehörden des BMI an (vgl. hierzu die Bekanntmachung des BMI
vom 2. Januar 2013: www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2013/
01/zentrum-fuer-satellitengestuetzte-kriseninformation.html).

Die Aufgabe des Zentrums besteht in der „Bereitstellung eines Services für die
schnelle Beschaffung, Aufbereitung und Analyse von Satellitendaten bei Natur-
und Umweltkatastrophen, für humanitäre Hilfsaktivitäten und für die zivile
Sicherheit weltweit“. Um den stetigen Bedarf an aktuellen Geoinformationen
für Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung abzudecken, sollen die Nut-
zer des Kooperationsvorhabens nun rund um die Uhr hochaktuelle Satelliten-
bildkarten beispielsweise für den Einsatz im Bevölkerungsschutz anfordern
können. Dabei würden die „Produkte nach den spezifischen Bedürfnissen für
nationale und internationale politische Entscheidungsträger, Lagezentren sowie
Hilfsorganisationen erstellt und auch der Öffentlichkeit frei zugänglich ge-
macht“. Das BMI verweist darauf, dass die Kooperation auch für die Beteili-
gung weiterer Organisationen offen sei und dass bereits das Deutsche Rote
Kreuz als erste Institution als Nutzer der Kooperation beigetreten ist. Damit
Bundesbehörden und andere berechtigte Nutzer Produkte des ZKI anfordern
können, hat das BMI einen Rahmenvertrag entworfen.

Das ZKI, das in seiner Selbstbeschreibung kein Wort über eine „Fernerkun-
dung“ auch für polizeiliche und militärische Zwecke verliert, hat diesbezüglich
durchaus Erfahrung vorzuweisen: Bereits zum G8-Gipfel 2007 in Heiligen-
damm und zum Nato-Gipfel 2009 in Strasbourg hatte das ZKI Polizeien mit
Daten aus der Satellitenaufklärung versorgt (vgl. netzpolitik.org vom
24.1.2013). Der zunehmende Einsatz von Satellitenaufklärung für polizeiliche
Zwecke geht laut netzpolitik.org auf das EU-Projekt „Global Monitoring of

Environment and Security“ (GMES) zurück, an dessen „polizeilichen Vorläu-
ferprojekten“ und Forschungsprogrammen bereits sowohl das Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als auch das Bundeskrimi-
nalamt (BKA) beteiligt waren.

Mit SAR-Lupe besitzt die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus ein
Satellitenaufklärungssystem mit Synthetic-Aperture-Radartechnik, welches un-

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abhängig von Wetter und Tageszeit hochauflösende Bilder von jedem Punkt der
Erde liefern kann. SAR-Lupe besteht aus fünf identischen Kleinsatelliten und
einer Bodenstation zur Satellitenkontrolle und zur Bildauswertung. Die für den
Betrieb neugegründete „Abteilung satellitengestützte Aufklärung“ des Kom-
mandos Strategische Aufklärung der Bundeswehr betreibt das Nutzerbodenseg-
ment und stellt dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr, dem Füh-
rungskommandos der Teilstreitkräfte und dem Amt für Geoinformationswesen
der Bundeswehr die gewonnenen Daten zur Verfügung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Institutionen, Einrichtungen und Unternehmen sind in welcher
Form an dem am 1. Januar 2013 in Betrieb gegangenen ZKI beteiligt?

2. Welchen Inhalt haben die Kooperationsverträge und andere Vereinbarun-
gen zum Kooperationsprojekt zwischen dem BMI und dem DLR betref-
fend das ZKI?

3. Welche Kosten sind bei der Vorbereitung, Einrichtung und dem laufenden
Betrieb des ZKI bislang entstanden, und mit welchen weiteren Kosten
rechnet die Bundesregierung in den kommenden Jahren (bitte aufschlüs-
seln)?

4. Welche Bundes- und Landesbehörden sowie „andere berechtigte Nutzer“
können Zugriff auf welche Daten und welche Dienstleistungen des ZKI er-
halten (bitte aufschlüsseln)?

5. Auf welchen technischen Fähigkeiten basieren die vom ZKI bereitgestell-
ten Satellitenbilder, wie z. B. Auflösung der Bilder, Aktualität der Bilder,
technische Arten der Beobachtung (Radar, Infrarot-, Ultraviolett- oder
sichtbarer Bereich des Lichtwellenspektrums), etwaige vorhandene Fähig-
keiten zur Ortung und/oder Tracking von Personen und Objekten?

6. Gab und gibt das ZKI auch an Polizeien und Geheimdienste (Bundesnach-
richtendienst – BND, Bundesamt für Verfassungsschutz – BfV, Amt für
den Militärischen Abschirmdienst – MAD) Informationen zu Zwecken der
Aufklärung oder Vorfeldermittlung heraus, und wenn ja, in wie vielen Fäl-
len, und auf welcher Rechtsgrundlage geschah dies jeweils bisher (bitte
aufschlüsseln)?

7. Gab und gibt das ZKI auch an Polizeien und Geheimdienste (BND, BfV,
MAD) Informationen zu Zwecken der Prävention von Straftaten heraus,
und wenn ja, in wie vielen Fällen, und auf welcher Rechtsgrundlage ge-
schah dies jeweils bisher (bitte aufschlüsseln)?

8. Gab und gibt das ZKI auch an Polizeien und Geheimdienste (BND, BfV,
MAD) Informationen zu Zwecken der Aufklärung und Verfolgung von
Straftaten heraus, und wenn ja, in wie vielen Fällen, und auf welcher
Rechtsgrundlage geschah dies jeweils bisher (bitte aufschlüsseln)?

9. Wie sieht der geplante weitere Ausbau des Satellitensystems für den Ein-
satz durch das ZKI im Detail aus?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung den Nutzen von Bildern aus der Satelli-
tenaufklärung für das BKA, die das ZKI dem Amt „anlassbezogen zur Ob-
jektaufklärung, zur Vorbereitung von Exekutivmaßnahmen und zur Auf-
klärung von Tatorten beispielsweise bei Anschlägen gegen die Bundeswehr
oder Tötungsdelikten zum Nachteil deutscher Staatsangehöriger in Afgha-
nistan“ zur Verfügung stellte, für die jeweiligen Ermittlungen (Bundestags-
drucksache 17/11582)?
11. In welchen Einzelfällen wurden Satellitenbilder „zur Gefährdungs- und La-
geeinschätzung im Ausland herangezogen, wenn z. B. die Region aufgrund

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politischer oder topographischer Gegebenheiten außerhalb staatlicher Kon-
trolle liegt“ (Bundestagsdrucksache 17/11582)?

12. Welche Behörden und Institutionen waren und sind in welcher Form an
entsprechenden europäischen Programmen zur Satellitenaufklärung (z. B.
GMES oder Copernicus-Programm) beteiligt (bitte nach Zeitraum, Behör-
den, Institutionen, EU-Programmen, Art der Beteiligung, wie z. B. Kosten,
Personalaufwand, Konferenzbeteiligung, Publikationen, Datennutzung etc.
aufschlüsseln)?

13. Welche Behörden, Institutionen, Einrichtungen und Unternehmen sind
aktuell bei den Service- und Forschungsprojekten zum Thema Security
(G- Next und G-Sextant) in welcher Form beteiligt?

Welche konkreten Nutzungen sind diesbezüglich für den Europäischen
Auswärtigen Dienst, die Internationale Atomenergie-Organisation, das
Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, die
Kartographische Sektion der Vereinten Nationen sowie das Satellitenzent-
rum der Europäischen Union anvisiert?

14. Welche konkreten Beiträge werden von den teilnehmenden Institutionen
und Firmen erbracht?

15. Welche weiteren Vorhaben zur Nutzung von Satellitenaufklärung zu Zwe-
cken der inneren Sicherheit fördert die Europäische Union derzeit, und wo-
rum handelt es sich dabei?

16. Was hat die Anschaffung der SAR-Lupe-Satelliten mitsamt der dazuge-
hörigen Infrastruktur gekostet?

17. Welche jährlichen Kosten fallen durch den Betrieb und die Führung des
Satellitensystems SAR-Lupe an?

18. Wie hoch belaufen sich die Kosten zur Anschaffung und zum Betrieb von
Infrastruktur im Rahmen der Kooperation zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und Frankreich bezüglich der gemeinsamen Nutzung von
SAR-Lupe- und den Helios-Satelliten-Aufklärungssystemen, und um was
für Einrichtungen handelt es sich dabei im Einzelnen?

19. Wie häufig hat Frankreich bislang auf die Technik der SAR-Lupe-Satelli-
tenaufklärung zurückgegriffen, und in welchem Verhältnis steht diese Zu-
griffszahl zur Nutzung durch die Bundeswehr?

20. Haben neben der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich auch andere
Länder direkt oder indirekt Zugriff auf Daten oder Informationen aus der
SAR-Lupe-Satellitenaufklärung?

Falls ja, welche sind das, und auf welcher Rechtsgrundlage geschieht die-
ses?

21. In wie vielen beziehungsweise welchen Fällen hat das BKA Amtshilfeersu-
chen an die Bundeswehr zur Überlassung von Daten der SAR-Satelliten
gestellt, und wie wurden diese jeweils beschieden?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung den Nutzen der Daten für die jeweiligen
Ermittlungen?

23. Haben neben der Bundeswehr auch andere deutsche Behörden, Ämter oder
Institutionen Zugriff auf Ergebnisse oder gar auf Ausrichtung und Steue-
rung der SAR-Lupe?

Falls ja, welche sind das im Einzelnen, in welchem Umfang und zu wel-
chen Zwecken ist dieses im Einzelnen geschehen, und auf welcher Rechts-

grundlage basiert diese Zusammenarbeit?

Drucksache 17/12987 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
24. Wie lang ist die geschätzte Lebensdauer des derzeitigen SAR-Lupe-Sys-
tems?

25. Wie ist der konkrete Stand zu den Überlegungen oder Anstrengungen hin-
sichtlich einer Ergänzung oder einer Nachfolge zum SAR-Lupe-System?

a) In welchem Umfang gibt es bereits Vorfestlegungen hinsichtlich der
Konzeption eines Folgesystems?

b) Gab es diesbezüglich bereits Vorgespräche mit der Industrie und Wirt-
schaft, und wenn ja, wann fanden diese mit welchen Beteiligten statt?

26. Wie ist der aktuelle Stand der Bemühungen, einen gemeinsamen Aufklä-
rungsverbund für die Europäische Union zu schaffen?

27. In welchem Umfang wurde der Bundesbeauftragte für den Datenschutz
und die Informationsfreiheit bei Konzeption, Gestaltung und Einsatz des
SAR-Lupe-Systems eingebunden?

Berlin, den 4. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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