BT-Drucksache 17/12981

Ausbildung in Ländern des Arabischen Frühlings zu neuen Ermittlungstechniken, zur Internetüberwachung und zum Abhören von Telekommunikation

Vom 28. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12981
17. Wahlperiode 28. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Christine Buchholz, Annette Groth,
Ulla Jelpke, Harald Koch, Niema Movassat, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der
Fraktion DIE LINKE.

Ausbildung in Ländern des Arabischen Frühlings zu neuen Ermittlungstechniken,
zur Internetüberwachung und zum Abhören von Telekommunikation

Mehrere von der Europäischen Union geförderte Projekte sind an Polizeibe-
hörden arabischer und nordafrikanischer Länder zur Nutzung von „neuen Tech-
nologien und Ermittlungstechniken“ adressiert. Entsprechende Maßnahmen der
EU werden innerhalb des Programms „Europäische Nachbarschaft und Partner-
schaft” (ENPI) abgewickelt. Zur ENPI gehören Algerien, Ägypten, Israel, Jor-
danien, der Libanon, Marokko, Syrien, Tunesien und die palästinensische Au-
tonomiebehörde.

Mit 5 Mio. Euro wird bis 2014 ein Projekt „Euromed Police III“ unterstützt, das
die Polizeibehörden der ENPI-Staaten an die Strukturen der EU und ihrer Mit-
gliedstaaten heranführen soll. Abgedeckt werden „Cyberkriminalität und neue
kriminelle Bedrohungen“. Zu den 18 Seminaren von „Euromed Police III“ ge-
hören Einheiten zur „Finanzierung terroristischer Organisationen“ oder das
„Sammeln, Speichern, Sortieren, Bewerten“ von ermittlungsrelevanten Inhal-
ten. Hierzu gehört das Auswerten von Computern, Mobiltelefonen und USB-
Speichern. Thema sind auch eine „elektronische Überwachung“, das Erkennen
gefälschter Dokumente und DNA-Analysen. Weitere Trainings drehen sich um
„Cyberterrorismus“ und die Nutzung des Internet zur „Radikalisierung“, zur
Vorbereitung „terroristischer Akte“, „Rekrutierung“ oder „terroristischer Trai-
nings“. Im Workshop geht es laut einer früheren Ankündigung (www.andrej-
hunko.de/start/download/doc_download/299-euromed-police-iii) um hilfreiche
digitale Spionagewerkzeuge (investigation techniques, with a main focus on
new technologies, internet investigation, investigation concerning file sharing
websites (such as Youtube), investigation and interception of electronic com-
munications (such as those trough mobile phones or Skype-like communica-
tions), scientific and forensic evidence).

Die Fragesteller sehen die Unterstützung von Polizeien in Ländern des „Arabi-
schen Frühlings“ mit „neuen Ermittlungstechniken“ überaus kritisch. Innerhalb
der Bevölkerungen der betreffenden Staaten existiert vielfach eine berechtigte
Ablehnung des Sicherheitsapparates, die aus der elektronischen Überwachung

und Repression durch besagte Behörden unter früheren Regierungen resultiert.
Immer noch werden aus Ägypten, Libyen oder Tunesien Polizeiübergriffe be-
richtet. Zwar verweisen die Bundesregierung und die Europäische Kommission
häufig auf die Betonung auch bürger- und menschenrechtlicher geplanter Ko-
operationsprojekte. Es ist jedoch nicht hinreichend deutlich geworden, wie
diese in der Praxis umgesetzt werden oder welche Erfolge erzielt wurden.

Drucksache 17/12981 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Im Rahmen welcher Projekte, Abkommen oder sonstigen Vereinbarungen
sind die Europäische Union und die Bundesregierung an der Ausbildung
oder Unterstützung arabischer und nordafrikanischer Länder zu „neuen Er-
mittlungstechniken“, der Überwachung des Internets oder dem Abhören von
Telekommunikation beteiligt?

a) Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zu den Zielen der
Maßnahmen mitteilen?

b) Welche Stellen welcher Länder nehmen an den Maßnahmen jeweils als
durchführende Institution/Behörde sowie als Adressat teil?

c) Welche weiteren Institutionen/Behörden waren zu einzelnen Maßnahmen
der Vorhaben eingeladen?

2. Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zur Ausbildung oder
Unterstützung arabischer und nordafrikanischer Länder zu „neuen Ermitt-
lungstechniken“, der Überwachung des Internets oder dem Abhören von Te-
lekommunikation innerhalb der ENPI mitteilen?

3. Wie kam das Projekt „Euromed Police III“ nach Kenntnis der Bundesregie-
rung zustande?

a) Welche Kosten entstehen welchen Ländern und Institutionen im Rahmen
des Projekts, und aus welchen Ressourcen werden diese übernommen?

b) Welche Ziele werden hinsichtlich „neuer Ermittlungstechniken“ verfolgt?

4. Welche Themen werden in den 18 Workshops des Projekts „Euromed Po-
lice III“ behandelt?

a) Wer ist für die Durchführung der einzelnen Workshops jeweils verant-
wortlich?

b) Welche Länder nahmen bzw. nehmen (soweit bekannt) an den jeweiligen
Workshops als Adressaten bzw. Durchführende teil?

c) Welche weiteren Behörden, Private oder sonstige Einrichtungen nahmen
an einzelnen Workshops oder Maßnahmen darüber hinaus teil?

5. Inwieweit trifft es zu, dass sich „Euromed Police III“ nicht nur an Angehö-
rige von Polizeien richtet, sondern auch an Gendarmerien, die dem Militär
unterstellt sind bzw. unterstellt werden können?

a) Inwieweit haben nach Kenntnis der Bundesregierung Gendarmerien wel-
cher Länder an welchen Veranstaltungen von „Euromed Police III“ teil-
genommen bzw. nehmen daran zukünftig teil?

b) Zu welchen Gelegenheiten haben auch Angehörige welcher Spezialein-
heiten an „Euromed Police III“ teilgenommen bzw. nehmen daran zu-
künftig teil?

c) Welche auf Finanzermittlungen und Computerkriminalität speziali-
sierte Abteilungen welcher Länder nahmen bzw. nehmen an „Euromed
Police III“ teil?

6. Seit wann sind Libyen und Syrien aus dem Kreis der Länder, an den „Euro-
med Police III“ adressiert ist, ausgeschlossen?

a) Wer hat den Ausschluss beantragt, beraten und schließlich entschieden?

b) Welche Überlegungen oder Initiativen existieren, die Regierungen wieder
in den Kreis der ENPI-Staaten aufzunehmen, und wer treibt diese voran?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12981

c) Inwieweit und mit welchem Inhalt und Ziel haben welche Behörden bei-
der Länder bis zum Aussetzen der Zusammenarbeit an Vorläuferprojek-
ten von „Euromed Police III“ teilgenommen?

d) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Wiederaufnahme bei-
der Länder in „Euromed Police III“ bzw. in das ENPI-Programm?

7. Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zur Teilnahme von Is-
rael an „Euromed Police III“ mitteilen?

Welche eigenen Beiträge hat Israel in dem Projekt erbracht?

8. Inwieweit und mit welchen Zielen ist die EU-Polizeiagentur EUROPOL an
„Euromed Police III“ beteiligt?

a) Inwiefern ist auch das „Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cy-
berkriminalität“ (EC3) von EUROPOL in die Zusammenarbeit invol-
viert?

b) Welche Beiträge wurden von der Agentur für „Euromed Police III“ er-
bracht?

c) Welche weitere Zusammenarbeit ist hierzu auch nach Ende des Projekts
„Euromed Police III“ anvisiert?

9. Mit welchen Regierungen der Länder Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien,
der Libanon, Marokko, Syrien, Tunesien bzw. der palästinensischen Auto-
nomiebehörde hat EUROPOL welche Art von Abkommen geschlossen?

a) Für welche weiteren Abkommen wurde EUROPOL mit einem Verhand-
lungsmandat ausgestattet?

b) Hinsichtlich welcher Länder ist derzeit ein Verhandlungsmandat anvi-
siert?

c) Wie ist die Haltung der Bundesregierung hinsichtlich des geplanten Ab-
schlusses bzw. der Ausstattung mit einem Verhandlungsmandat mit den
in den Fragen 9a und 9b genannten Ländern?

10. Welche Inhalte bzw. welche Zielsetzung ist der Bundesregierung hinsicht-
lich des letzten von insgesamt 18 Trainings von „Euromed Police III“ be-
kannt, das nach Informationen der Fragesteller zusammen mit den Polizei-
behörden der 27 EU-Mitgliedstaaten abgehalten werden soll?

a) Welches Ziel verfolgt dieser letzte Workshop von „Euromed Police III“?

b) Inwieweit und mit welchen Erwartungen oder Vorschlägen wird die EU-
Polizeiagentur EUROPOL dabei ebenfalls anwesend sein?

c) Welche weiteren EU-Institutionen sollen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung eingeladen werden?

d) Inwieweit werden auch Verbindungsbeamte der Mitgliedstaaten daran
teilnehmen?

e) Mit welchen Abteilungen welcher Behörden wird die Bundesregierung
an dem besagten Workshop teilnehmen?

11. Inwieweit widmeten sich die Seminare zur „Finanzierung terroristischer
Organisationen“ auch der Nutzung internationaler Finanztransaktionen, die
über den belgischen Dienstleister SWIFT erhoben werden können?

a) Welche weiteren Techniken zur Ausforschung „verborgener Finanz-
transaktionen“ wurden behandelt?

b) Inwieweit war hierin auch EUROPOL eingebunden?

Drucksache 17/12981 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Sofern die Bundesregierung hierüber keine Kenntnis hat, welche eige-
nen Techniken zur Analyse „verborgener Finanztransaktionen“ werden
von ihren Behörden angewandt?

12. Welchen Inhalt hatte der Baustein innerhalb des Projekts „Euromed Police III“
zur Sammlung und Analyse von ermittlungsrelevanten Inhalten?

a) Welche Beiträge welcher Behörden wurden bzw. werden hierfür er-
bracht?

b) Inwiefern und mit welchem Inhalt wurden innerhalb von „Euromed Po-
lice III“ auch die elektronische Überwachung thematisiert?

c) Inwiefern und mit welchem Inhalt wurden innerhalb von „Euromed Po-
lice III“ auch die Analyse von Geräuschen und Stimmen sowie von Dro-
gen thematisiert?

d) Inwiefern und mit welchem Inhalt wurden innerhalb von „Euromed Po-
lice III“ auch das Auswerten von Computern, Mobiltelefonen und USB-
Speichern thematisiert?

13. Inwiefern ist das INTERPOL-Projekt (Bundestagsdrucksache 17/11986) in
Libyen mit dem ENPI bzw. „Euromed Police III“ abgestimmt oder baut
darauf auf?

a) Mit welchen Geldern aus welchen Ressourcen wird das INTERPOL-
Projekt seitens der EU finanziert?

b) Mit welchen Einrichtungen, Kapazitäten oder Maßnahmen sind welche
Bundesbehörden daran beteiligt?

14. Inwiefern haben sich welche Abteilungen welcher Behörden mit dem
ägyptischen Phänomen eines „Schwarzen Blocks“ beschäftigt, wie er in-
nerhalb der linken Fußballszene immer populärer wird, um sich vor der
Identifizierung und Verfolgung durch die Polizei und andere Sicherheitsbe-
hörden zu schützen?

a) Inwiefern und mit welchem Inhalt haben welche deutsche Behörden mit
welchen ägyptischen Stellen hierzu Informationen getauscht?

b) Welche anderen Regierungen von EU-Mitgliedstaaten sowie Einrich-
tungen der EU sind nach Kenntnis der Bundesregierung hiermit befasst?

Berlin, den 26. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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