BT-Drucksache 17/12970

Mögliche Einschränkung der kommunalen Daseinsvorsorge im Bereich Wasser durch die geplante Konzessionsrichtlinie der Europäischen Union

Vom 28. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12970
17. Wahlperiode 28. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ralph Lenkert, Eva Bulling-Schröter, Dr. Dagmar Enkelmann,
Katrin Kunert, Dorothee Menzner, Jens Petermann, Sabine Stüber und der Fraktion
DIE LINKE.

Mögliche Einschränkung der kommunalen Daseinsvorsorge im Bereich Wasser
durch die geplante Konzessionsrichtlinie der Europäischen Union

Im November 2011 wurden die Entwürfe der Kommission der Europäischen
Union (EU) zu einer Vergabe- und Konzessionsrichtlinie vorgestellt. Kommu-
nale Spitzenverbände, Gewerkschaften, Umweltorganisationen, weitere Nicht-
regierungsorganisationen aber auch viele Bürger der EU befürchten seitdem
eine weitere Öffnung für die Privatisierung von Bestandteilen staatlicher Da-
seinsvorsorge.

Die europäische Bürgerinitiative „right2water“ hat aktuell rund 1,3 Millionen
Unterschriften gegen die Pläne der EU zur Wasserprivatisierung gesammelt und
damit die für eine Bürgerbeteiligung vorgeschriebene Zahl von 1 Million Stim-
men bereits übertroffen. Die Bürgerinitiative sieht Trinkwasser als Menschen-
recht und fordert, dass Wasser für alle bezahlbar sein muss.

Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass durch die Troika aus der Europäischen
Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kom-
mission Ländern der Europäischen Union, die finanzielle Hilfen aus den
Rettungsfonds benötigen, Privatisierungen öffentlichen Eigentums auferlegt
werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann ist aus Sicht der Bundesregierung, mit einer Einigung im Rat der Euro-
päischen Union über die Konzessionsrichtlinie zu rechnen?

2. Fällt die Entscheidung über das Abstimmverhalten des deutschen Vertreters
im Rat der Europäischen Union im Bundeskabinett oder im Bundesministe-
rium für Wirtschaft und Technologie (BMWi)?

3. Wird die Bundesregierung im Rat der Europäischen Union die Konzessions-
richtlinie ablehnen?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?
4. Warum besteht die Bundesregierung nicht darauf, dass Trinkwasser aus dem
Anwendungsbereich der Richtlinie herausgenommen wird?

5. Hat sich die Bundesregierung in der EU für die Vorlage des Entwurfs der
Konzessionsrichtlinie eingesetzt?

Drucksache 17/12970 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Würde nach einem Inkrafttreten der Konzessionsrichtlinie in der aktuell
vorliegenden Fassung eine europaweite Ausschreibung einer Konzession
vollständig ausgeschlossen sein, wenn der kommunale Anteil an der Was-
serwirtschaft

a) 80 Prozent,

b) 70 Prozent bzw.

c) 50 Prozent + 1 Prozent beträgt

(bitte eine Angabe für jede Prozentzahl)?

7. Was unternimmt die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass der Wasser-
und Abwasserbereich aus dem Geltungsbereich der Konzessionsrichtlinie
herausgenommen wird?

8. Sollten nach Auffassung der Bundesregierung mit dem Lebensmittel Was-
ser bzw. diesem Bestandteil der Daseinsvorsorge Profite erwirtschaftet wer-
den dürfen?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

9. Wie wird in der Bundesrepublik Deutschland nach einer Konzessionsver-
gabe sichergestellt, dass notwendige Ersatzinvestitionen in die betroffene
Infrastruktur erfolgen?

10. Sind in dem Entwurf der Konzessionsrichtlinie Vorgaben enthalten, die den
Werterhalt der mit einer Konzession vergebenen Infrastruktur sicherstellen,
und wenn ja, welche?

Wenn nein, wie steht die Bundesregierung dazu?

11. Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit es nicht zur Ver-
gabe von Konzessionen auf Basis von Lohndumping durch Anbieter aus
anderen Ländern der EU kommt?

12. Plant die Bundesregierung die Konvention der Internationalen Arbeitsorga-
nisation (ILO) von 1949 mit der Forderung „des gleichen Lohns für gleiche
Arbeit am gleichen Ort“ zu ratifizieren, damit die Gefahr ausgeschlossen
ist, dass ausländische Unternehmen Arbeiter und Arbeiterinnen zu Kondi-
tionen des Herkunftslandes des Unternehmens einsetzen?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

13. Sind nach der Auffassung der Bundesregierung auch die Bereiche öffent-
licher Personennahverkehr (ÖPNV), Abwasser, öffentliche Bäder, kommu-
nale Immobilien (Schulen, Kindergärten, Rathäuser usw.) vom Geltungs-
bereich der Konzessionsrichtlinie erfasst (bitte alle Bereiche im Geltungs-
bereich der Konzessionsrichtlinie auflisten)?

14. Weshalb investieren die Kommission und die Bundesregierung Zeit und
Geld für die Erarbeitung dieser Richtlinie, wenn nach Aussage des Parla-
mentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie, Hans-Joachim Otto, in der Plenardebatte am 20. Februar 2013
(Plenarprotokoll 17/221) die Konzessionsrichtlinie nichts am geltenden
EU-Recht ändert, und worin besteht aus Sicht der Bundesregierung der
„Mehrwert“?

15. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob bei der Erarbeitung des
Richtlinienentwurfs externer Sachverstand einbezogen wurde?

Wurden externe Fachleute bzw. externe Beratungsunternehmen im Rahmen
der Verhandlungen zum RL-Entwurf auf EU-Ebene einbezogen (wenn ja,
bitte die Fachleute und Unternehmen auflisten)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12970

16. Wie gestaltete sich das Verfahren für die Einbeziehung externen Sachver-
stands von den in der Frage 15 genannten Leistungen?

17. Inwieweit waren an der Erarbeitung Lobbyisten beteiligt?

Inwieweit treffen Aussagen des ARD-Magazins „Monitor“ (Sendung vom
13. Dezember 2012) zu, dass die EU von der „Steering Group“ beraten
wurde?

18. Hat sich das zuständige Bundesministerium im Hinblick auf die Verhand-
lungen im Rat der EU über die Konzessionsrichtlinie beraten lassen, und
wenn ja, von welchen Beratungsunternehmen und Fachleuten?

19. Welche Abteilungen im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU) oder BMWi haben Zuarbeiten, Stellungnahmen
und Hinweise zum Entwurf der Konzessionsrichtlinie geleistet?

20. Welche Vertreter der Bundesregierung waren in der Europäischen Union in
die Verhandlungen um die Erarbeitung der Konzessionsrichtlinie eingebun-
den?

21. Inwieweit treffen Aussagen des Nachrichten-Magazins „DER SPIEGEL“
vom 25. Februar 2013 zu, dass sich der Bundeswirtschaftsminister Dr. Phi-
lipp Rösler bei den Verhandlungen über die umstrittene EU-Konzessions-
richtlinie über Proteste des Koalitionspartners hinweggesetzt hat und er
seine Beamten für die Gespräche in Brüssel mit einem Verhandlungsmandat
ausgestattet hat, das weit umfassender war, als es die zuständigen Parlamen-
tarier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ursprünglich vorgesehen hatten?

22. Was war Gegenstand dieses Verhandlungsmandats?

23. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die derzeit in Deutschland
überwiegend übliche Organisation der Trinkwasserversorgung durch kom-
munale Unternehmen für die Verbraucher in qualitativer oder preislicher
Hinsicht nachteilig ist?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung?

24. Geht die Bundesregierung davon aus, dass eine verstärkte Öffnung der
Trinkwasserversorgung für Private zu einer besseren Qualität und niedrige-
ren Preisen führt?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der bis-
herigen Erfahrungen, z. B. in Portugal, wo das Wasser seit der Privatisie-
rung 400 Prozent teurer und ungenießbar sein soll (vgl. DEUTSCHE
WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN vom 18. Januar 2013 „Knallhart: EU
treibt Privatisierung des Wassers in Europa voran“), ihre Einschätzung?

25. Wie wird aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt, dass die Kommunen
bei einem möglichen Inkrafttreten der geplanten Konzessionsrichtlinie aus-
reichend in ihrem Selbstverwaltungsrecht geschützt sind?

Berlin, den 26. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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