BT-Drucksache 17/128

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -17/39, 17/111(neu)- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 2. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/128
17. Wahlperiode 02. 12. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Paul Schäfer (Köln), Christine
Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge
Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord,
Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/39, 17/111 (neu) –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz
der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan
(International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf
Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt
Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Krieg der NATO in Afghanistan ist militärisch gescheitert. Trotzdem setzt
die NATO weiter auf die militärische Eskalation. Die ausländischen Truppen
werden kontinuierlich aufgestockt. Inzwischen befinden sich mehr als 100 000
Soldatinnen und Soldaten im afghanischen Kriegssumpf – soviel, wie die
UdSSR zur Hochzeit ihres Krieges in Afghanistan dort stationiert hatte. Das
deutsche Kontingent hat sich seit Dezember 2001 fast vervierfacht – von 1 200
auf inzwischen 4 500. Die Bundeswehr ist immer tiefer in diesen Krieg verstrickt
und regelmäßig an Kampfhandlungen beteiligt. Damit trägt auch Deutschland
eine Mitschuld an der Verschlechterung der Sicherheitslage und der wachsenden
Zahl ziviler Opfer. Heute ist die Erkenntnis, dass der Krieg in Afghanistan militä-
risch nicht zu gewinnen und moralisch nicht zu begründen ist, unausweichlich.

Immer größere Teile der afghanischen Bevölkerung nehmen die Präsenz des aus-
ländischen Militärs als Besatzung wahr. Dies hat, ebenso wie die wachsende Zahl
der zivilen Opfer, dazu geführt, dass die aufständischen bewaffneten Gruppie-
rungen (Opposing Militant Forces) nicht geschwächt, sondern gestärkt wurden
und beständig neue Kämpfer rekrutieren konnten. Es steht fest: Der „Krieg gegen

den Terrorismus“ in Afghanistan ist gescheitert. Der Kampf gegen den Terroris-
mus kann nur gewonnen werden, wenn dessen Ursachen wirksam bekämpft
werden.

Die Regierung Karsai hat nach den großangelegten Wahlfälschungen keine Legi-
timation mehr. Alle Versuche, funktionierende politische, wirtschaftliche und
polizeiliche Strukturen in Afghanistan auf- und auszubauen sind im Sumpf von
Korruption und Gewalt erstickt.

Drucksache 17/128 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Kanada und Australien ziehen ihre Soldaten aus Afghanistan ab, Japan stellt die
militärischen Unterstützungsleistungen ein und in den Niederlanden hat das Par-
lament die Regierung aufgefordert, die Soldaten zurückzuziehen. Auch für
Deutschland ist ein grundlegender Strategiewechsel unausweichlich. Die große
Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland lehnt den Kriegseinsatz am
Hindukusch ab. Die Kopf- und Ziellosigkeit der deutschen Afghanistanpolitik
zeigt sich deutlich in der aktuellen Debatte: einerseits spricht die Bundesregie-
rung über eine mögliche Truppenerhöhung, während sie andererseits laut über
Abzugsoptionen nachdenkt. Einerseits wird die Verschlechterung der Sicher-
heitslage in Afghanistan zum Argument für mehr Truppen angeführt, gleich-
zeitig sollen afghanische Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben werden.

Der Abzug der internationalen Truppen und ein Waffenstillstand zwischen den
Konfliktparteien sind die Voraussetzung für den Beginn einer nationalen Versöh-
nung und damit für einen Friedensprozess in Afghanistan. Die Friedensjirgas, die
sich in vielen Orten und Regionen gebildet haben, können zur nationalen Versöh-
nung beitragen. Ebenso notwendig ist es, die Nachbarstaaten Afghanistans in den
Friedensprozess einzubeziehen.

Der Verlauf der NATO-Intervention und die allgemeine Entwicklung in Afgha-
nistan zeigen deutlich: Es gibt keine Alternative zu einem Wiederaufbau Afgha-
nistans mit zivilen Instrumenten. Hierfür sind alle erforderlichen Mittel bereitzu-
stellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Mandat für den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen der ISAF nicht zu
verlängern und den Abzug der Soldatinnen und Soldaten unverzüglich und
bedingungslos einzuleiten;

2. in der NATO die bedingungslose und sofortige Beendigung des Afghanistan-
einsatzes herbeizuführen;

3. die Erhöhung der zivilen Aufbauhilfe um den Betrag, den sie bislang für den
internationalen Militäreinsatz ausgegeben hat, zu beschließen;

4. Waffenstillstandsverhandlungen zu unterstützen, regionale Sicherheitsstruk-
turen gezielt zu fördern und dabei auch die Nachbarstaaten einzubeziehen.
Darüber hinaus ist die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine Beendi-
gung der US-Militäreinsätze in Pakistan einzusetzen;

5. sich dafür einzusetzen, dass auf der für Anfang 2010 geplanten UN-Afghanis-
tankonferenz anstelle weiterer Truppenentsendungen die längst überfällige
Umsetzung des breiten Katalogs ziviler Maßnahmen für den Wiederaufbau
verbindlich vereinbart und entsprechende personelle und finanzielle Ressour-
cen dafür bereitgestellt werden. Zudem sollte die Konferenz nachprüfbare,
strikte Regeln zur Einhaltung von Menschenrechten und gegen Korruption
zum Beispiel bezüglich des Polizeiaufbaus vereinbaren.

Berlin, den 1. Dezember 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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