BT-Drucksache 17/12674

zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/11663 - Die Menschenwürde von Flüchtlingen ist migrationspolitisch nicht relativierbar - Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz ziehen

Vom 12. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12674
17. Wahlperiode 12. 03. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln),
Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/11663 –

Die Menschenwürde von Flüchtlingen ist migrationspolitisch nicht relativierbar –
Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum
Asylbewerberleistungsgesetz ziehen

A. Problem

Die Antragsteller verweisen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
18. Juli 2012, nach dem die gekürzten Leistungen aufgrund des Asylbewerber-
leistungsgesetzes (AsylbLG) gegen das Grundgesetz verstießen. Die im Grund-
gesetz garantierte Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren.

Vor diesem Hintergrund soll die Bundesregierung mit dem Antrag aufgefordert
werden, Gesetzentwürfe vorzulegen, um das AsylbLG aufzuheben und den
Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozial-
gesetzbuch insoweit zu ergänzen, um die sog. Residenzpflicht für Asylbewerber
und entsprechende Regelungen für Geduldete aufzuheben, um den Arbeits-
marktzugang für Asylbewerber zu erleichtern, um Asylsuchenden und Gedulde-
ten Zugang zu Integrationskursen zu eröffnen und um eine Regelunterbringung
von Asylsuchenden in Wohnungen zu ermöglichen. Schließlich sollen beim
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge organisatorische und personelle Vor-
aussetzungen geschaffen werden, damit faire und zügige Asylentscheidungen
für alle Antragsteller gewährleistet seien.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Weitere Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/12674 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/11663 abzulehnen.

Berlin, den 27. Februar 2013

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

darf hätten, z. B. Flüchtlinge, die auf Dauer in Deutschland unwürdig gewesen seien. Konsequenterweise müssten nun

blieben. Auch sei es nicht nachvollziehbar, gerade in Zeiten,
in denen die Kommunen gravierende Schwierigkeiten mit
der Unterbringung von Flüchtlingen hätten, die Abschaffung
von Gemeinschaftsunterkünften zu fordern. Das Sachleis-
tungsprinzip schließlich sei nach dem Urteil des BVerfG zu-

zügig auch alle anderen menschenrechtswidrigen Sonder-
regelungen gestrichen werden, wie die Nichtbehandlung bei
schwerwiegender Dauererkrankung, die Residenzpflicht, der
erschwerte Arbeitsmarktzugang, der Mindestaufenthalt als
Voraussetzung für den Zugang zu Integrationskursen etc.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12674

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Rüdiger Veit, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Ulla Jelpke und Josef Philip Winkler

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/11663 wurde in der 211. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 29. November 2012 an
den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss
für Arbeit und Soziales und den Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner
126. Sitzung am 27. Februar 2013 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD die Ablehnung
des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 78. Sitzung am 27. Februar 2013 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat den Antrag in seiner 94. Sitzung
am 27. Februar 2013 abschließend beraten und empfiehlt mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der
SPD die Ablehnung des Antrags.

Die Fraktion der CDU/CSU weist darauf hin, dass das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) keine Zeitvorgabe zur
Umsetzung des Urteils gemacht habe. Das Urteil beziehe
sich auch nicht auf Fragen der Residenzpflicht, des Arbeits-
marktzugangs oder der Öffnung der Integrationskurse. Wäh-
rend sich Kommunalpolitiker aller Parteien über die Folgen
ungesteuerter Zuwanderung beklagten, stelle die Opposition
im Bundestag Anträge, deren Inhalte die Kommunen noch
stärker unter Druck brächten. Zuwanderung müsse sinnvoll
gesteuert und eine unberechtigte Inanspruchnahme der deut-
schen Sozialsysteme verhindert werden. Die Residenzpflicht
sei gerade für die belasteten Kommunen von hohem Wert.
Bezüglich der Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs sei
nur eine europaweite Regelung sinnvoll. Die Integrations-
kurse seien für Personen gedacht, die einen Integrationsbe-

Die Fraktion der SPD teilt die Grundintention des Antrags,
die mangelnde Umsetzung des Urteils ins Gedächtnis zu ru-
fen. Es sei zu bedauern, dass die Bundesregierung so lange
für die Umsetzung des eindeutigen Urteils brauche. Insge-
samt mangele es in Deutschland an einer konsistenten Stra-
tegie für eine Flüchtlings-, Zuwanderungs- und Integrations-
politik. Man dürfe nie vergessen, dass Flüchtlinge Opfer und
nicht Täter seien, denen nicht vorzuwerfen sei, dass sie aus
ihrer elenden Lage ins „gelobte Deutschland“ fliehen woll-
ten. Als Rechtsstaat müsse Deutschland für alle Personen
gleichermaßen ein faires, wenn auch ggf. beschleunigtes
Verfahren bereithalten. Die Überlastung der Kommunen sei
dadurch verstärkt worden, dass sie – trotz Verpflichtung –
keine Vorratshaltung an Unterkünften betrieben hätten. Die
SPD-Fraktion wolle die Residenzpflicht nicht streichen. Die
Pflicht, an einem bestimmten Ort seinen Wohnsitz zu neh-
men, sei erforderlich. Die Bewegungsfreiheit dürfe aber
nicht unzulässig eingeschränkt werden.

Die Fraktion der FDP zeigt sich zuversichtlich, dass das
Urteil zügig umgesetzt werde. Dabei müssten auch Aspekte
der Finanzierung und der Entlastung der Kommunen be-
dacht werden. In diesem Kontext könne über eine schnelle
Arbeitsmöglichkeit für Asylbewerber und Flüchtlinge disku-
tiert werden. Ziel der Koalition sei es, bestmögliche Integra-
tionserfolge zu erzielen. Voraussetzung dafür sei es, darauf
zu achten, wie viele Personen mit welchen Maßnahmen inte-
griert werden könnten. Zu erinnern sei an die Aufwertung
der Integrationskurse und den nationalen Integrationsplan.
Es sei aber auch wichtig, die Integrationsbereitschaft der Be-
völkerung zu berücksichtigen und deren Sorgen ernst zu
nehmen.

Die Fraktion DIE LINKE. zweifelt daran, dass es noch in
dieser Legislaturperiode zu einer Umsetzung des BVerfG-
Urteils kommen werde. Das Bundesministerium des Innern
unternehme im Gegenteil immer wieder den Versuch, sogar
Sachleistungskürzungen vorzunehmen, insbesondere bei
Flüchtlingen aus angeblich sicheren Herkunftsländern. Da-
bei gebe es schon Urteile, die – gestützt auf das Urteil des
BVerfG – bestätigten, dass die Garantie des Existenzmini-
mums als Bestandteil der Menschenwürde migrationspoli-
tisch nicht eingeschränkt werden dürfe. Zudem gebe es ver-
schiedene Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisa-
tionen und mehreren Ländern, die das Sachleistungsprinzip
als nicht verfassungsgemäß ansähen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erinnert daran,
dass das Urteil bereits am 18. Juli 2012 ergangen sei. Das Ur-
teil habe festgestellt, dass die gewährten Leistungen unter
dem Existenzminimum gelegen hätten und damit menschen-
lässig. Es solle sicherstellen, dass die Leistung bei den Men-
schen und nicht bei den Schleusern ankomme.

Diese Regelungen seien nur zur Abschreckung geeignet, und
dies sei nach dem Urteil eindeutig nicht erlaubt. Die Einzel-

Drucksache 17/1267 destag – 17. Wahlperiode

Berlin, den 27. Februar 20

Reinhard Grindel
Berichterstatter

R
B

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Jo
B

H. Heene
ese
4 – 4 – Deutscher Bun

unterbringung, bei der sich die Flüchtlinge selbst eine Woh-
nung suchen könnten, sei für die Kommunen sogar kosten-
günstiger als die Unterbringung in Sammelunterkünften. Die
Fraktion fordere die Bundesregierung daher auf, einen ent-
sprechenden, umfassenden Gesetzentwurf vorzulegen.

13

üdiger Veit
erichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

sef Philip Winkler
erichterstatter
mann

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