BT-Drucksache 17/12493

Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug nach erneuter Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/11661)

Vom 22. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12493
17. Wahlperiode 22. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Annette Groth, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Frank Tempel, Kathrin Vogler, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion
DIE LINKE.

Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug nach erneuter
Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 17/11661)

In seinem ersten Grundsatzurteil vom 30. März 2010 zu den Sprachanforderun-
gen beim Ehegattennachzug hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
derart hohe Vorgaben für Ausnahmefälle gemacht, dass sie in der Praxis kaum
zur Anwendung kommen können. Selbst wenn der Spracherwerb im Ausland
unverschuldet dauerhaft unmöglich ist, sei es demnach hier lebenden Drittstaats-
angehörigen mit unbefristeter Niederlassungserlaubnis zuzumuten, ihre gesamte
ökonomische und soziale Existenz und ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland auf-
zugeben, um die Ehe im Ausland zu führen. Die Bundesregierung erklärt ent-
sprechend: „Dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner sind
grundsätzlich Anstrengungen zumutbar, die familiäre Einheit durch Besuche
oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen“ (Bundestagsdrucksache
17/11661, Antwort zu Frage 3). Die Bundesregierung und das BVerwG über-
sehen dabei, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie der Europäischen
Union unter den dort genannten Bedingungen einen subjektiven Rechtsanspruch
auf Einreise und Familienzusammenführung in der Europäischen Union enthält
und dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, vgl.
Chakroun-Urteil vom 4. März 2010 – C-578/08) Handlungsspielräume der
Richtlinie nicht so genutzt werden dürfen, dass das Richtlinienziel einer Begüns-
tigung der Familienzusammenführung beeinträchtigt wird. Dass die deutsche
Rechtslage, die keine allgemeine Härtefallregelung oder Verhältnismäßigkeits-
prüfung kennt, mit EU-Recht unvereinbar sein könnte, musste später auch das
BVerwG einräumen (vgl. Beschluss vom 28. Oktober 2011 – 1 C 9.10).

Mit seiner zweiten Grundsatzentscheidung vom 4. September 2012 (10 C 12.12)
forderte das BVerwG – allerdings nur beim Nachzug zu deutschen Staatsange-
hörigen – eine von der Bundesregierung bislang stets abgelehnte Zumutbarkeits-
prüfung, die persönliche Gründe ebenso berücksichtigen müsse wie besondere
Umstände im Herkunftsland (vgl. Urteil, Rn. 28). Das BVerwG zog dabei eine
Grenze von einem Jahr Trennung der Eheleute, die nicht überschritten werden
dürfe, wenn zumutbare Bemühungen zum Spracherwerb im Ausland erfolglos
geblieben seien. Deutschkenntnisse müssten aber „von vornherein“ nicht im
Ausland erworben werden, wenn Betroffenen der Spracherwerb nicht zu-
zumuten sei, etwa wenn in dem betreffenden Land keine Sprachkurse angeboten
werden und auch sonst keine Erfolg versprechenden Alternativen zum Sprach-
erwerb bestehen. Weiter heißt es im Urteil: „Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind
insbesondere die Verfügbarkeit von Lernangeboten, deren Kosten, ihre Erreich-

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barkeit sowie persönliche Umstände zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung
von Lernangeboten entgegenstehen können, etwa Krankheit oder Unabkömm-
lichkeit“ (a. a. O.).

Es ist offenkundig, dass diese abstrakten höchstrichterlichen Vorgaben genaue-
rer Anwendungshinweise bedürfen, um in der Praxis wirksam zu werden. Auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. erklärte die Bundesregierung
Ende November 2012 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/11661, Antwort zu
Frage 7), dass das Auswärtige Amt die Auslandsvertretungen mit Runderlass
vom 10. September 2012 über das Urteil unterrichtet habe. Ein ergänzender
Runderlass mit einer Urteilsauswertung und Hinweisen zur praktischen An-
wendung solle „in Kürze folgen“. Die Informationen auf der Internetseite des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zum Ehegattennachzug
würden „baldmöglichst“ an die Rechtsprechung des BVerwG angepasst.

Fast drei Monate später lässt sich feststellen, dass die bisherige Anpassung der
Internetseite des BAMF sich in dem bloßen Hinweis erschöpft, wonach es ein
aktuelles Urteil des BVerwG zum Sprachnachweis für den Ehegattennachzug zu
Deutschen gebe, das verlinkt wird. Was das Urteil beinhaltet und zur Konse-
quenz hat, dazu findet sich auf der offiziellen Informationsseite des BAMF
nichts (www.bamf.de/DE/Migration/EhepartnerFamilie/ehepartnerfamilie-node.
html, abgerufen am 15. Februar 2013). Auch der angekündigte ergänzende
Runderlass des Auswärtigen Amts liegt nach Kenntnis der Fragesteller bis heute
nicht vor. Dies ist umso bedenklicher, als der Runderlass vom 10. September
2012 mit der Urteilsbegründung unvereinbar ist und dadurch eine im Einzelfall
verfassungswidrige Praxis amtlich vorgegeben wird. Demnach ist ein Visum
ausnahmsweise nur dann zu erteilen, „wenn unter Anwendung eines strengen
Maßstabes nachweisliche Bemühungen des ausländischen Ehegatten zum Er-
werb einfacher deutscher Sprachkenntnisse innerhalb eines Jahres nicht erfolg-
reich waren“, so die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/11661,
Antwort zu Frage 7. Von einem „strengen Maßstab“ ist im Urteil des BVerwG
aber nirgendwo die Rede. Zudem heißt es dort eindeutig, dass in bestimmten
Fällen die „Jahresfrist nicht abgewartet“ werden muss (Rn. 28 des Urteils) – was
nach dem Wortlaut des bisherigen Erlasses aber ausgeschlossen wird. Schließ-
lich erlegt die Formulierung „nachweislicher Bemühungen“ den Betroffenen
eine Beweislast auf, die dem Urteil ebenfalls nicht zu entnehmen ist. Eine Ver-
hältnismäßigkeitsprüfung ist bei entsprechend substantiiertem Vorbringen der
Betroffenen von Amts wegen vorzunehmen, um den durch Artikel 6 Absatz 1 des
Grundgesetzes geschützten Belangen der Ehegatten zu entsprechen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Weshalb liegt der auf Bundestagsdrucksache 17/11661, Antwort zu Frage 7
angekündigte ergänzende Runderlass des Auswärtigen Amts mit einer Aus-
wertung des Urteils des BVerwG vom 4. September 2012 und praktischen
Anwendungshinweisen hierzu immer noch nicht vor, und wann ist gegebe-
nenfalls mit ihm zu rechnen?

2. Falls der ergänzende Runderlass nunmehr vorliegen sollte, was genau bein-
haltet er (bitte beifügen oder im Wortlaut benennen oder so genau wie mög-
lich ausführen)?

3. Falls der ergänzende Runderlass immer noch nicht vorliegen sollte, inwie-
weit ist dies verantwortbar angesichts der mit einem verzögerten oder verwei-
gerten Ehegattennachzug verbundenen erheblichen Eingriffe in die Grund-
rechte der Betroffenen, nachdem das BVerwG die Verfassungswidrigkeit der
geltenden Gesetzeslage unter bestimmten Umständen eindeutig festgestellt
hat (bitte ausführlich begründen)?

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4. Wie ist es angesichts der schwerwiegenden und grundrechtsrelevanten Aus-
wirkungen der konkreten Auslegung und Anwendung des Urteils des
BVerwG vom 4. September 2012 insbesondere zu verantworten, dass mit
dem Erlass des Auswärtigen Amts vom 10. September 2012 eine Umsetzung
des Urteils vorgegeben und bis heute nicht korrigiert wurde, die den Urteils-
gründen – und damit auch dem Grundgesetz – widerspricht (siehe Vorbemer-
kung der Fragesteller, bitte ausführen)?

5. Stimmt die Bundesregierung zu, dass der Erlass vom 10. September 2012 mit
den Urteilsgründen unvereinbar ist, insoweit damit vorgegeben wird, dass

a) in jedem Fall zunächst ein Jahr abgewartet werden muss („Bemühungen
[…] nicht erfolgreich waren“), während das Urteil ausdrücklich vorgibt,
dass in bestimmten Fällen die „Jahresfrist nicht abgewartet“ werden muss
(siehe Vorbemerkung der Fragesteller),

b) ein „strenger Maßstab“ bei der Prüfung der Zumutbarkeit des Sprach-
erwerbs anzuwenden sei, wofür es im Urteil jedoch keinerlei Grundlage
gibt, zumal – ganz im Gegenteil – die Anwendung eines strengen Maß-
stabs der Grundrechtsrelevanz der Verhältnismäßigkeitsprüfung wider-
sprechen dürfte,

c) die Beweislast für die Unzumutbarkeit des Spracherwerbs einseitig den
Betroffenen auferlegt wird („nachweisliche Bemühungen“), während es
im Urteil hierfür keinerlei Anhaltspunkte gibt und die Verhältnismäßig-
keitsprüfung bei entsprechend nachvollziehbaren Hinweisen oder einem
schlüssigen Vorbringen von Amts wegen erfolgen muss,

und wenn nein, wie genau begründet sie ihre Auffassung in der Auseinander-
setzung mit den Urteilsgründen (bitte nach Unterfragen getrennt beantwor-
ten)?

6. Wieso kann die Bundesregierung keine Angaben dazu machen, in welchen
Ländern derzeit keine Sprachkurse angeboten werden (Nachfrage zu Frage 8a
auf Bundestagsdrucksache 17/11661), obwohl sie noch auf Bundestags-
drucksache 17/5732 zu Frage 8 durch Verweis auf ihre vorliegenden detail-
lierten Listen umfangreiche Angaben hierzu machen konnte, und wie lautet
also die Antwort auf die gestellte Frage, wobei sie auf Sprachkurse der Goe-
the-Institute bzw. lizensierter Partner zur Vorbereitung der Sprachtests beim
Ehegattennachzug abzielt?

7. Wieso kann die Bundesregierung keine näheren Angaben dazu machen, wel-
che Wegezeiten zum Erreichen eines Sprachkurses im Ausland im Rahmen
des Ehegattennachzugs zu Deutschen für zumutbar gehalten werden (Nach-
frage zu Frage 8b auf Bundestagsdrucksache 17/11661), obwohl es für die
Zumutbarkeit eines Sprachkursbesuchs in Deutschland entsprechende allge-
meine Vorgaben und Bewertungen gibt, und welche Wegezeiten werden in
Deutschland beim obligatorischen Sprachkursbesuch für zumutbar gehalten?

8. Hält die Bundesregierung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung beim Ehegat-
tennachzug zu Deutschen insbesondere die Begründung zur Integrations-
kursverordnung für übertragbar, wonach bei der Frage der zumutbaren
Erreichbarkeit von Kursen von den ortsüblichen räumlich-zeitlichen Entfer-
nungen und Fahrtkosten auszugehen ist, d. h. von Entfernungen, die bei der
Bewältigung des Alltags im Rahmen von üblichen beruflichen und familiären
Verpflichtungen, von Behördengängen, Einkäufen und sonstigen Erledigun-
gen zurückgelegt werden und auf die Betroffenen grundsätzlich eingestellt
sein müssen, wobei unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, etwa
einer körperlichen Behinderung oder auch berufliche oder familiäre Ver-
pflichtungen im Einzelfall ein Kurs trotz ortsüblicher Entfernung nicht zu-
mutbar erreichbar sein kann, und wenn nein, warum nicht?

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9. Stimmt die Bundesregierung zu, dass es vor dem Hintergrund des Urteils
des BVerwG Betroffenen beim Ehegattennachzug zu Deutschen nicht zuge-
mutet werden kann, einen Sprachkurs in einer entfernten Stadt zu belegen,
insbesondere wenn dies mit zusätzlichen Kosten, einer zusätzlichen Woh-
nungsnahme und/oder dem hierdurch bedingten Verzicht auf Einkommen
verbunden ist, und wenn nein, wie ist dies zu begründen angesichts der Vor-
gabe des BVerwG, dass Kosten und Erreichbarkeit der Sprachkurse bei der
Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden müssen, was nicht der
Fall ist, wenn alle zusätzlichen Kosten solange für zumutbar erachtet wer-
den, wie sie nur dem „Preisniveau für entsprechende Leistungen in dem
Herkunftsland entsprechen“, wie die Bundesregierung auf Bundestags-
drucksache 17/11661 zu Frage 8e antwortete (bitte ausführlich begründen)?

10. Stimmt die Bundesregierung zu, dass es unzulässig wäre, Betroffene aus
Ländern, in denen es keine Sprachkursangebote des Goethe-Instituts bzw.
lizensierter Partner gibt, oder denen kein solcher Sprachkurs in zumutbarer
Nähe und/oder zu zumutbaren Kosten zur Verfügung steht, auf die – prak-
tisch immer bestehende – Möglichkeit des eigenständigen Spracherwerbs
mittels CD, Radio, Internet usw. zu verweisen, weil ansonsten die Vorgabe
des BVerwG, es müsse berücksichtigt werden, ob Sprachkurse in dem be-
troffenen Land angeboten werden, was sie kosten und wie sie zu erreichen
sind, sinnlos wäre (wenn nein, bitte ausführlich begründen)?

11. Stimmt die Bundesregierung zu, dass es bei der Prüfung, was „erfolgver-
sprechende Alternativen“ zum Spracherwerb mittels eines Sprachkurses
sein könnten, nach Maßgabe der Gründe des BVerwG-Urteils vom 4. Sep-
tember 2012 darauf ankommt, ob diese Alternativen unter Berücksichtigung
aller persönlichen und örtlichen Umstände auch zum Erwerb von schrift-
lichen und mündlichen Deutschkenntnissen des Niveaus A1 GER innerhalb
eines Jahres befähigen (wenn nein, bitte ausführlich und in Auseinanderset-
zung mit dem Urteil begründen)?

12. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen hat die Bundesregierung vor
dem Hintergrund des Urteils des BVerwG vom 4. September 2012 dazu, un-
ter welchen Bedingungen der Eigenerwerb von schriftlichen und mündli-
chen Deutschkenntnissen des Niveaus A1 GER im Ausland innerhalb eines
Jahres mittels CD, Radio oder Internet im „Selbststudium“ möglich ist, ins-
besondere für

a) (primäre bzw. sekundäre – bitte differenzieren) Analphabeten/Analpha-
betinnen,

b) lernungewohnte und/oder bildungsbenachteiligte Personen,

c) alleinstehende Eltern von Kleinkindern und

d) Erwerbstätige (Lohnarbeit, Selbständige, Arbeit im Familienbetrieb
usw.)?

13. Stimmt die Bundesregierung zu, dass primäre Analphabeten/Analphabetin-
nen nicht auf die Möglichkeit des Spracherwerbs (mit dem Ziel mündlicher
und schriftlicher Deutschkenntnisse des Niveaus A1 GER) im „Selbst-
studium“ verwiesen werden können, nachdem die Unmöglichkeit eines
solchen Unterfangens auf Bundestagsdrucksache 16/11997, Antwort zu
Frage 8e bereits eingestanden wurde („Aufgrund der erforderlichen Umset-
zungen von gesprochener in geschriebene Sprache und der dafür zu er-
lernenden motorischen Fähigkeiten im Zuge der Alphabetisierung können
primäre Analphabeten die lateinische Schrift nicht im Wege des Selbststu-
diums erlernen“), und wenn nein, warum nicht?

14. Ist der „vergleichsweise hohe Aufwand beim Spracherwerb“ für Analpha-
beten und Analphabetinnen (so die Bundesregierung in ihrer Antwort auf

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Bundestagsdrucksache 16/11997 zu Frage 8a) Betroffenen im Rahmen des
Ehegattennachzugs zu Deutschen nach dem BVerwG-Urteil vom 4. Septem-
ber 2012 überhaupt noch zuzumuten (bitte begründen)?

15. In welchen Ländern bzw. Städten werden von den Goethe-Instituten oder
lizensierten Partnern spezielle Sprachkurse zum Erwerb des Niveaus A1
GER für Analphabeten angeboten, in welchem Turnus werden diese an-
geboten, wie lange dauern sie, welchen Zeitraum nehmen sie in Anspruch,
was kosten diese Kurse, und was ist über entsprechende Bestehensquoten
bei Sprachtests für den Ehegattennachzug nach dem Besuch solcher Kurse
bekannt?

16. Wie lange benötigen (primäre bzw. sekundäre – bitte differenzieren) Analpha-
beten/Analphabetinnen in Integrationskursen in Deutschland durchschnitt-
lich, um das Niveau A1 GER (schriftlich und mündlich) zu erreichen, und
wie sind die diesbezüglichen Erfahrungen mit entsprechenden A-Kursen in
Deutschland?

17. Inwieweit ist angesichts der Vorgabe des BVerwG, dass auch die Kosten von
Sprachlernangeboten bei der Zumutbarkeitsprüfung beim Ehegattennach-
zug zu Deutschen berücksichtigt werden müssen, bei der Verhältnismäßig-
keitsprüfung ebenso zu berücksichtigen, welche Kosten den Eheleuten da-
durch entstehen, dass mit einem verzögerten Nachzug Steuervorteile in
Höhe mehrerer Tausend Euro verloren gehen können, weil z. B. die erheb-
lichen Begünstigungen durch das Ehegattensplitting erst nach Einreise für
das jeweils laufende Jahr beantragt und damit wirksam werden können
(bitte ausführlich begründen)?

18. Welche Besprechungen und Vereinbarungen hat es inzwischen zu den Aus-
wirkungen des BVerwG-Urteils vom 4. September 2012 gegeben, etwa mit
den Bundesländern, Ausländerbehörden, Auslandsvertretungen, mit der In-
tegrationsbeauftragten oder auch zwischen unterschiedlichen Ministerien,
und was waren jeweils die maßgeblichen Ergebnisse dieser Besprechungen?

19. Wie viele Aufenthaltserlaubnisse nach § 16 Absatz 5 des Aufenthaltsgeset-
zes (AufenthG) wurden in den Jahren 2009 bis 2012 erteilt (bitte nach Jah-
ren und den 20 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren; bitte außerdem
gesondert aufführen, wie viele der jeweils erteilten Aufenthaltserlaubnisse
an Personen gingen, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit kein Visum zur
Einreise benötigten und soweit möglich zudem die Zahl der jeweiligen Per-
sonen über 18 Jahren nennen)?

20. Welche Kenntnisse oder Einschätzungen hat die Bundesregierung dazu, in
welchem Umfang ein Ehegattennachzug im Ausnahmefall entsprechend der
Vorgaben des Urteils des BVerwG vom 30. März 2010 für Härtefälle ermög-
licht wurde, auch vor dem Hintergrund der vorherigen Angaben zur Aufent-
haltserteilung nach § 16 Absatz 5 AufenthG an volljährige Personen aus
(nicht) visapflichtigen Ländern (bitte ausführen)?

21. Welche Kenntnisse oder Einschätzungen hat die Bundesregierung dazu, in
welchem Umfang infolge des BVerwG-Urteils vom 4. September 2012 ein
Visum für den Ehegattennachzug zu Deutschen im Ausnahmefall auch ohne
A1-Sprachnachweis erteilt bzw. trotz Vorbringens unzumutbaren Sprach-
erwerbs verweigert wurde, und welche Gerichtsverfahren sind nach Kennt-
nis der Bundesregierung diesbezüglich mit welchem Stand anhängig oder
schon entschieden worden?

22. Welche konkreten Anforderungen beim Ehegattennachzug zu Deutschen
stellen die deutschen Auslandsvertretungen an die zumutbaren Bemühun-
gen zum Spracherwerb des Niveaus A1 innerhalb eines Jahres, welche
Nachweise werden etwa in Bezug auf die Teilnahme an besuchten Sprach-

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kursen verlangt, und wie wird insbesondere beurteilt, ob es im Verschulden
der Betroffenen liegt, wenn ein Sprachkursbesuch über ein Jahr hinweg
nicht zum positiven Abschluss auf dem Niveau A1 führte (bitte so genau
wie möglich ausführen)?

23. Wie viele Visa zum Ehegattennachzug wurden im Jahr 2012 erteilt (bitte
auch nach den 15 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren und zudem
die jeweiligen prozentualen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr benen-
nen)?

a) Wie lautet die gesonderte Statistik des Auswärtigen Amts zum Sprach-
nachweis beim Ehegattennachzug für die zehn Hauptherkunftsländer für
das Jahr 2012?

b) Wie hoch war der Anteil „Externer“ an Sprachprüfungen „Start Deutsch 1“
der Goethe-Institute weltweit im Jahr 2012 bzw. zum letzten verfügbaren
Stand (bitte auch nach den 15 wichtigsten Herkunftsländern differenzie-
ren)?

c) Wie hoch waren die Bestehensquoten bei Sprachprüfungen „Start
Deutsch 1“ der Goethe-Institute weltweit im Jahr 2012 bzw. zum letzten
verfügbaren Stand (bitte auch nach externen und internen Prüfungsteil-
nehmenden sowie nach den 15 wichtigsten Herkunftsländern differen-
zieren und zudem die jeweils zehn Länder mit den höchsten bzw. nied-
rigsten Quoten mit einer Teilnehmendenzahl von über 100 angeben)?

24. Wie viele Aufenthaltserlaubnisse wurden im Jahr 2012 erstmalig im Rah-
men des Ehegattennachzugs erteilt (bitte auch nach den 20 wichtigsten
Herkunftsländern differenzieren)?

25. Welchen aktuellen Stand hat das „EU-Pilot“-Verfahren mit der Referenz-
nummer 3818/12/HOME (Anwendung der EU-Familienzusammenführungs-
richtlinie) in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland, und inwieweit
steht ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundes-
republik Deutschland oder nach Kenntnis der Bundesregierung andere
EU-Mitgliedstaaten bevor oder wurde bereits eingeleitet?

26. Was konkret wurde bislang in der am 10. September 2012 das erste Mal
tagenden Arbeitsgruppe aus Vertretern der Europäischen Kommission und
den Mitgliedstaaten im Rahmen der Grünbuch-Evaluierung der EU-Fami-
lienzusammenführungsrichtlinie besprochen, und wie und mit welchem
Ziel bringt sich die Bundesregierung hier ein?

27. Wie ist der Stand der Erarbeitung von Leitlinien zur Auslegung der EU-
Familienzusammenführungsrichtlinie durch die Europäische Kommission,
und was beinhalten die Leitlinien (gegebenenfalls im Entwurfsstadium)
insbesondere zum Punkt der Zulässigkeit von Sprachnachweisen eines
bestimmten Niveaus als Einreisebedingungen beim Ehegattennachzug (vgl.
Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie)?

28. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, nur ein Sprachtest im
Ausland könne den Erwerb von einfachen Sprachkenntnissen sicherstellen
und deshalb sei der damit verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Ehe-
und Familienzusammenleben verhältnismäßig (vgl. z. B. Bundestagsdruck-
sache 16/11997, Antwort zu Frage 8c), angesichts des Umstands, dass auch
diejenigen Personen, die den Test im Ausland bestanden haben, in ihrer
Mehrheit in Deutschland wieder im 1. Modul eines Integrationskurses an-
fangen müssen, weil ihre Sprachkenntnisse infolge der langen Übergangs-
und Wartezeiten im Visum- und Einreiseverfahren wieder verloren gehen
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/10221, S. 206 f), während zugleich bei
einem Integrationskursbesuch in Deutschland Prüfungsteilnehmende zu
92 Prozent sogar das höhere Niveau A2 aufweisen (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12493

29. Welche Erfahrungen wurden bislang mit der Regelung für syrische Staats-
angehörige gemacht, die beim Ehegattennachzug auch ohne vorherigen
Nachweis einfacher Deutschkenntnisse einreisen dürfen, wenn sie sich ver-
bindlich für einen Sprachkurs in Deutschland angemeldet haben, und wenn
es bislang zu keinen nennenswerten Problemen beim späteren Spracherwerb
und -nachweis in Deutschland gekommen ist, warum wird eine solche Ver-
fahrensweise nicht generell praktiziert, da sie einen minderschweren Ein-
griff in das grundrechtlich geschützte Ehe- und Familienleben darstellt als
das derzeitige, für viele Betroffene belastende Verfahren des Spracherwerbs
im Ausland (bitte ausführlich begründen)?

30. Wieso stellt die Aussage, das Sprachniveau B1 sei für gleiche Teilhabe-
chancen in der Gesellschaft erforderlich und deshalb dürften bei der Errei-
chung dieses Ziels keine Abstriche gemacht werden, nach Auffassung der
Bundesregierung eine Antwort auf die ganz anders gelagerte Frage dar, ob
es in sich schlüssig ist, sowohl für eine Einbürgerung als auch für eine mehr
als einjährige Aufenthaltserlaubnis dasselbe Sprachniveau zu fordern, wie
es seit der Neuregelung des § 8 Absatz 3 Satz 6 AufenthG der Fall ist (Nach-
frage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundes-
tagsdrucksache 17/11661, Frage 21)?

Berlin, den 21. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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