BT-Drucksache 17/12388

Rüstungsexporte nach Algerien - Kooperation, Finanzierung und Waffenausfuhrkontrolle

Vom 18. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12388
17. Wahlperiode 18. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim
Dag˘delen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Inge Höger, Stefan Liebich, Niema
Movassat, Paul Schäfer (Köln), Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion
DIE LINKE.

Rüstungsexporte nach Algerien – Kooperation, Finanzierung und
Waffenausfuhrkontrolle

Der aktuelle Rüstungsexportbericht der Bundesregierung (Berichtsjahr 2011)
führt Algerien mit einem Genehmigungsvolumen von 481 Mio. Euro als den
achtgrößten Importeur deutscher Rüstungsgüter auf. Algerien bezieht aus
Deutschland unter anderem Produktionslinien und Komponenten für Militär-
fahrzeuge, wie dem Transportpanzer Fuchs, ein Grenzsicherungssystem und
Fregatten bzw. wird diese in den nächsten Jahren beziehen.

Algerien liegt in einer höchst instabilen Region. Die Lage im Nachbarland
Libyen ist nach dem Sturz von Muammar al Gaddafi weiterhin durch Gewalt,
fragile Waffenruhen und fehlende Sicherheit geprägt, der Ausgang des politi-
schen Übergangsprozesses ist ungewiss. Die Situation in Mali ist nach der
Machtübernahme islamistischer Gruppierungen im Norden des Landes und
dem Eingreifen des französischen Militärs auf Seiten der Putschregierung in
Bamako katastrophal. Diese Konflikte strahlen auf angrenzende Staaten aus
und drohen die Gesamtregion weiter zu destabilisieren.

Die Geiselnahme Hunderter Arbeiter auf dem Gasfeld bei In Amenas Mitte
Januar 2013 im Grenzgebiet Algeriens zu Libyen durch die Terrorgruppe
Al Qaida im Maghreb (AQIM), die damit nach eigenen Angaben auf das
Eingreifen französischer Truppen in Mali reagierte, verdeutlicht das Eskalations-
potential in der Region.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gehört Algerien zu denjenigen Staaten, die es im Sinne der von der Bundes-
kanzlerin, Dr. Angela Merkel, bei der Akademie der Bundeswehr am
22. Oktober 2012 gehaltenen Rede zu befähigen gilt, durch „Unterstützung
und Ausrüstung“, in ihrer jeweiligen Region „Sicherheit und Frieden“
durchzusetzen?
2. Welche Staaten zählen weiterhin zu dieser Kategorie?

3. Welche Kriterien müssen die Staaten erfüllen, die es nach der Bundeskanzle-
rin, Dr. Angela Merkel, mit Rüstungsexporten zu „ertüchtigen“ gilt?

Drucksache 17/12388 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, wie der von
der algerischen Regierung kommunizierte Stückzahlbedarf von 1 200 Fuchs-
Radpanzern angesichts der derzeitigen Sicherheitslage Algeriens errechnet
wurde, und beabsichtigt die Bundesregierung, diese Stückzahl freizugeben?

5. Sieht die Bundesregierung das Risiko, dass die in Algerien produzierten
Fuchs-Radpanzer auch zu repressiven Zwecken gegen die eigene Be-
völkerung, wie zur Niederschlagung von Demonstrationen und zur Auf-
standsbekämpfung, eingesetzt werden könnten (bitte begründen)?

6. Sieht die Bundesregierung die Einhaltung und Achtung der Menschen-
rechte durch die algerischen Streitkräfte und die algerische Polizei gewahrt
(bitte begründen)?

7. Für welche militärischen hauptsächlichen Aufgaben sind die für Algerien
bestimmten Meko-Fregatten geeignet, deren geplante Lieferung bereits
durch eine Hermesbürgschaft abgesichert wurde (siehe Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/11286)?

8. Wie viele Hubschrauber welchen Typs sollen nach Kenntnis der Bundes-
regierung als Teil des Meko-Fregatten-Geschäfts, so wie es durch die
Exportbürgschaft abgesichert worden ist, nach Algerien geliefert werden?

9. Welche außen-, sicherheits-, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Fak-
toren haben jeweils für eine Genehmigung des Exports von Fregatten nach
Algerien den Ausschlag gegeben?

10. Hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit der vereinbarten Liefe-
rung von Fregatten mit der algerischen Seite Gespräche über Ausbildungs-
maßnahmen geführt, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

a) Sofern bereits eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen worden ist,
wie viel Bundeswehrpersonal soll in welchen Zeitraum diese Aus-
bildungshilfe leisten?

b) Welchen finanziellen Gesamtwert wird diese Ausbildungshilfe nach
Einschätzung der Bundesregierung haben, und wie werden die Kosten
zwischen Bundesregierung, dem exportierenden Unternehmen und der
algerischen Seite aufgeteilt?

11. Aus welchen Gründen deckt die Exportbürgschaft der Bundesregierung
auch das Training von Personal für die Meko-Fregatten ab (siehe Antwort
der Bundesregierung zu Frage 6 auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 17/11286)?

12. Wann und im Rahmen welcher Veranstaltungen haben sich seit dem Jahr
2008 Delegationen der algerischen Regierung (Militärdelegationen bzw.
Delegationen, die auf Sicherheitskooperation, Rüstungskooperation o. Ä.
ausgerichtet waren) auf Einladung der Bundesregierung bzw. von Bundes-
ministerien und anderer Bundesbehörden und Dienststellen in Deutschland
aufgehalten, und welche Rüstungsgüter wurden den Angehörigen der jewei-
ligen Delegationen dabei von der Bundeswehr oder anderen Sicherheits-
organen der Bundesrepublik Deutschland vorgeführt?

13. Welche Delegationen der algerischen Regierung, die Rüstungsunternehmen
in Deutschland besichtigten, wurden von welchen Vertretern der Bundes-
regierung empfangen (bitte mit Angabe des Datums der Delegationsreisen,
des Orts des Treffens mit den Vertretern und der Bezeichnung des Vertreters –
Bundesministerium, Rang)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12388

14. Welche Maßnahmen im Rahmen der Ausbildungskooperationen der Bundes-
wehr, der Bundespolizei und anderer Sicherheitsorgane der Bundesrepublik
Deutschland für algerische Sicherheitskräfte hat die Bundesregierung mit
der algerischen Regierung vereinbart, bzw. welche werden gegenwärtig ver-
handelt?

15. Wie viele Konsultationen wurden im Jahr 2011 auf Grundlage der
Bestimmungen im Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates
zwischen den EU-Staaten wegen möglicher Rüstungsgeschäfte mit Algerien
durchgeführt?

16. Aufgrund welcher Genehmigungsanträge für Rüstungsexporte nach
Algerien hat die Bunderegierung Konsultationen mit welchen Ländern auf-
genommen?

Welche EU-Länder haben Deutschland betreffend welcher Rüstungs-
geschäfte mit Algerien konsultiert, und was waren jeweils die Ergebnisse
dieser Konsultationen?

17. In welchen Fällen hat die Bundesregierung trotz Verweigerung einer
Genehmigung durch einen anderen EU-Mitgliedstaat die Genehmigung
„für eine im Wesentlichen gleichartige Transaktion“ (Gemeinsamer Stand-
punkt 2008/944/GASP des Rates) erteilt?

18. Was ist der Bundesregierung über Lieferungen von Ausrüstung oder Fahr-
zeugen zur Grenzüberwachung an Algerien durch andere Mitgliedstaaten
der Europäischen Union bekannt (bitte für die letzten drei Jahre ausführen)?

19. Welche Projekte betreiben welche Institutionen der Europäischen Union
hinsichtlich einer Unterstützung der Grenzsicherung in Algerien?

20. Inwieweit ist Algerien in die politische und operative Zusammenarbeit zur
Migrationsabwehr der Europäischen Union eingebunden?

21. Inwieweit stehen diese Projekte im Zusammenhang mit ähnlichen Vorhaben
in Libyen, wo die Europäische Agentur für operative Zusammenarbeit an
den Außengrenzen (FRONTEX) erstmals eingebettet in einen militärisch
kontrollierten Ausnahmezustand in einigen Regionen an der Grenze zur Sa-
hara tätig werden soll?

22. Welchen Fortschritt dieser CSDP-Mission (CSDP=Common Security and
Defence Policy) an der libyschen Grenze kann die Bundesregierung nach
ihrer Kenntnis mitteilen, und inwiefern wird über eine militärische Siche-
rung der FRONTEX-Beamten oder anderer, ziviler Teilnehmer der Mission
nachgedacht?

23. Bilden deutsche oder europäische Sicherheitskräfte algerische Sicherheits-
kräfte für Aufgaben der Grenzüberwachung und Grenzsicherung aus?

24. Erhält Algerien aus Mitteln der Europäischen Union finanzielle Unter-
stützung für den Aufbau eines Grenzsicherungssystems?

25. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine geplante Nutzung
der durch das algerische Grenzsicherungssystem zukünftig gewonnenen
Daten durch die Europäische Union, wie z. B. beim EUROSUR (Europä-
ischen Grenzkontrollsystem)?

26. Hat die Bundesregierung Kenntnis über laufende Verhandlungen der Euro-
päischen Union mit der algerischen Regierung über das in der Frage 22
genannte Vorhaben?

27. Welche außen-, sicherheits-, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Fak-
toren haben jeweils für eine Genehmigung des Exports eines Grenz-

sicherungssystems nach Algerien den Ausschlag gegeben?

Drucksache 17/12388 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
28. Was ist der Bundesregierung über die Gründe und den Verlauf der Grenz-
schließungen Algeriens zum Nachbarland Mali bekannt, die bereits einige
Wochen vor der Geiselnahme in der Erdgasanlage bei In Amenas vollzogen
wurde?

29. Inwiefern waren von den Grenzschließungen auch Maßnahmen der Euro-
päischen Union oder ihrer Mitgliedstaaten betroffen?

30. Über welche aktuellen, belastbaren Erkenntnisse verfügt die Bundesregie-
rung hinsichtlich der aktuellen Aufenthaltsorte von Kämpfern der Gruppen
AQIM oder Ansar Dine, die nach den Auseinandersetzungen in Mali nach
Algerien geflohen sein könnten?

31. Inwiefern sind welche Institutionen der Europäischen Union oder ihrer Mit-
gliedstaaten nach Kenntnis der Bundesregierung hierzu mit der algerischen
Regierung in Kontakt, und womit befassen sich etwaige gemeinsame
Unterrichtungen oder Maßnahmen?

32. Welche Maßnahmen oder Projekte betreiben welche Institutionen der Euro-
päischen Union hinsichtlich einer Unterstützung der Grenzsicherung in
Mauretanien und Niger, und auf welche Weise sind welche Mitgliedstaaten
daran beteiligt?

33. Wie häufig hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2008 die Ausfuhr von
Rüstungsgütern und Dual-Use-Gütern, insbesondere von sicherheitsrele-
vanter Aufklärungs- und Kommunikationstechnologie, nach Italien mit
dem Endempfängerland Algerien genehmigt?

34. Welche Gründe haben dazu geführt, dass Algerien gemäß des EU-Rats-
beschlusses 2009/1012/GASP in die Gruppe von Ländern aufgenommen
wurde, die technische Unterstützung der EU erhalten sollten, um „ihre
Normen und Praktiken auf dem Gebiet der Kontrolle der Ausfuhr von
Militärtechnologie und Militärgütern zu verbessern“?

35. Welche Defizite der algerischen Ausfuhrkontrolle machten aus Sicht der
EU diese „technische Unterstützung“ notwendig?

36. Nahmen an den von der EU bzw. unter Mitwirkung des Bundesamtes für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) durchgeführten Seminare für
Waffenausfuhrkontrolle in Algier/Algerien außer den Mitarbeitern des
BAFA weitere deutsche bzw. europäische Vertreter teil, und falls ja, welche
Institution vertraten sie jeweils?

37. Hat die algerische Regierung in der Folge des Ratsbeschlusses bzw. nach
der technischen Unterstützung durch Beauftragte der EU Änderungen an
der nationalen Ausfuhrkontrolle vorgenommen, und wenn ja, welche?

Wenn nein, sieht die Bundesregierung die Wirksamkeit der algerischen
Ausfuhrkontrolle insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Algerien
deutsche Rüstungsgüter in Lizenz hergestellt werden bzw. hergestellt wer-
den sollen, gewahrt (bitte begründen)?

Berlin, den 18. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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