BT-Drucksache 17/12314

Unwägbarkeiten des Leistungsschutzrechts für Presseverlage

Vom 7. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12314
17. Wahlperiode 07. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Kathrin Senger-Schäfer,
Agnes Alpers, Herbert Behrens, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia
Jochimsen, Jens Petermann und der Fraktion DIE LINKE.

Unwägbarkeiten des Leistungsschutzrechts für Presseverlage

Die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 30. Januar 2013 zum Entwurf
eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Leistungs-
schutzrecht für Presseverlage) hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.
Das macht erneut Nachfragen erforderlich.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen verstößt das Leistungsschutzrecht für Presseverlage
nach Auffassung der Bundesregierung nicht gegen die Haftungsprivilegie-
rungen von Diensteanbietern der Informationsgesellschaft nach Artikel 12,
Artikel 13 und Artikel 14 der Richtlinie über den elektronischen Geschäfts-
verkehr (2000/31/EG), wie von Rechtsanwalt Thomas Stadler in seiner Stel-
lungnahme zur öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss dargelegt?

2. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass den Presseverlagen mit dem
Leistungsschutzrecht nicht nur ein wettbewerbsrechtlicher Schutz geboten
wird, sondern mit ihm auch ein ordnungspolitisch und verfassungsrechtlich
begründeter Schutz der Pressevielfalt einhergehe, wie von Prof. Dr. Rolf
Schwartmann in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Rechts-
ausschuss dargelegt?

Wenn ja, wie begründet sie dies?

3. Aus welchen Gründen würde nach Auffassung der Bundesregierung mit Ein-
führung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage keine Beeinträchti-
gung der Informationsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grund-
gesetzes (GG) erfolgen, da einerseits eine Linksetzung stets mit Anzeige
eines Snippets einhergeht und es anderseits Suchmaschinennutzern nicht
ersichtlich wäre, was sich inhaltlich hinter dem angezeigten Link verbirgt?

4. Aus welchen Gründen würde nach Auffassung der Bundesregierung mit
Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage der Schutz des
Urhebers nach Artikel 14 GG sowie Artikel 2 Absatz 1 GG nicht geringer

wiegen als das Investitionsinteresse der Verlage, da in Folge Journalisten als
Urheber gegenüber gewerblichen Anbietern von Suchmaschinen oder ge-
werblichen Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten,
keine Ansprüche zustünden, wenn sie Inhalte im Internet veröffentlichen,
Presseverlagen hingegen sehr wohl?

Drucksache 17/12314 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Kann das Leistungsschutzrecht für Presseverleger als Immaterialgüterrecht
im Falle negativer Folgen für die Medienvielfalt oder die Volkswirtschaft
wieder rückgängig gemacht werden, oder stehen dem verfassungsrechtliche
Erwägungen (Artikel 14 GG) entgegen, wie von Rechtsanwalt Dr. Till
Kreutzer in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Rechts-
ausschuss des Deutschen Bundestages dargelegt?

6. Wie ist der Hinweis auf die Zitierfreiheit (§ 51 des Urheberrechtsgesetzes –
UrhG), die laut Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich erhalten
bleibe, rechtssystematisch zu verstehen, wenn nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08) automati-
siert arbeitende Dienste nicht zitieren und entsprechende Diensteanbieter
sich nicht auf § 51 UrhG berufen können?

7. In welchem Verhältnis steht das Leistungsschutzrecht für Presseverlage,
nach dem die Schrankenregelungen erhalten bleiben sollen (§ 87g Absatz 4
des Gesetzentwurfs), zur Schranke nach § 49 UrhG, und welche Rechts-
materie ist vorrangig?

8. Aus welchen Gründen erfolgt eine unterschiedliche gesetzliche Behand-
lung derselben Werkmittlerkategorie, und weshalb sollen nicht auch andere
Verlage neben den Presseverlagen ebenfalls in das geplante Leistungs-
schutzrecht einbezogen werden?

9. Wie begründet die Bundesregierung, dass mit dem geplanten Leistungs-
schutzrecht für Presseverlage ein Recht geschaffen werden soll, mit dem
über die Auffindbarkeit von Werken im Internet verfügt werden kann,
dieses Recht aber nicht den genuinen Werkschaffenden (Urhebern), son-
dern den Presseverlagen zusteht?

10. In welchem Verhältnis steht der im Gesetzentwurf vorgeschlagene § 87h
zu § 63a UrhG, und welche Rechtsmaterie ist vorrangig?

11. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse dahingehend, dass die Adressaten
des Leistungsschutzrechtes – nämlich Suchmaschinenbetreiber und ver-
gleichbare Diensteanbieter – die einzigen sind, die verlegerische Leistun-
gen im Internet gewerblich in Anspruch nehmen?

Wenn nein, warum wurden nur die vorgenannten in den Gesetzentwurf
aufgenommen?

12. Aus welchen Gründen wurde das neu zu schaffende Leistungsschutzrecht
für Presseverlage nur auf die öffentliche Zugänglichmachung beschränkt
und umfasst nicht auch die Vervielfältigung?

13. Aus welchen Gründen wurde das Recht der Presseverleger nicht an eine
Verwertungsgesellschaftspflicht geknüpft?

14. Aus welchen Gründen erscheint die Schutzdauer von einem Jahr seit Ver-
öffentlichung als angemessen und ausreichend?

15. Aus welchen Gründen wurde der Vergütungsanspruch der Urheber nicht
näher definiert, und warum wurde nicht, wie von Urheberverbänden ge-
fordert, die Hälfte der eventuell anfallenden Einnahmen als Anspruch fest-
gelegt?

16. Aus welchen Gründen wurde der Vergütungsanspruch der Urheber nicht
daran gekoppelt, dass er nur durch eine zuständige Verwertungsgesellschaft
geltend gemacht und im Voraus nur an sie abgetreten werden kann?

17. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung ein Inkrafttreten des ge-
planten Gesetzes am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden

Kalendermonats für eine ausreichende Übergangsfrist, um den potentiellen
Vertragspartnern die Umstellung auf die neue Rechtslage zu ermöglichen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12314

18. Aus welchen Gründen sind nach Auffassung der Bundesregierung die im
Gesetzentwurf definierten Schutzgegenstände des Leistungsschutzrechts
nicht bereits durch andere Gesetze (Urheberrecht, Datenbankhersteller-
recht, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG) geschützt?

19. Verstößt das öffentliche Zugänglichmachen von Hyperlinks, die im Pfad
der URL die Überschrift eines Beitrags aus einem Presseerzeugnis ent-
halten, gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, wenn dies durch
gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von
Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten, erfolgt?

20. Verstößt das öffentliche Zugänglichmachen von Hyperlinks in Form von
Kurz-URLs, die im Pfad der Original-URL die Überschrift eines Beitrags
aus einem Presseerzeugnis enthalten, gegen das Leistungsschutzrecht für
Presseverlage, wenn dies durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen
oder gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend auf-
bereiten, erfolgt?

21. Aus welchen Gründen bildet eine gesetzlich festzuschreibende Rechts-
verbindlichkeit des Standards robots.txt keinen Ersatz für das Leistungs-
schutzrecht für Presseverleger?

22. Warum können bestehende technische Schutzmaßnahmen gegen den Zu-
griff von Suchmaschinen und ähnlichen Diensten, die nach höchstrichter-
licher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08)
von demjenigen zu ergreifen sind, der seine Inhalte im Internet entgeltlich
verwerten will, Presseverlagen nicht zugemutet werden?

23. Wie kann das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage mit seinem
nationalen Anwendungsbereich einen Schutz vor dem Zugreifen auf und
das Zueigenmachen von Presseerzeugnissen durch ausländische Aggrega-
toren entfalten, die laut den Äußerungen des Sachverständigen Christoph
Keese (BDZV/VDZ) in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses
des Deutschen Bundestages eines der Hauptprobleme deutscher Pressever-
lage im Internet bilden?

24. Müssten – insofern Lizenzverhandlungen scheiterten oder Lizenzen aus
anderen Gründen nicht abgeschlossen werden sollten – nach Auffassung
der Bundesregierung gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder ge-
werbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten,
mit Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage technische
Sperren gegenüber deutschen Nutzerinnen und Nutzern einrichten, da auf-
grund des Schutzlandprinzips das ausschließliche Recht zur öffentlichen
Zugänglichmachung nur in Bezug auf Deutschland gelten würde?

25. Aus welchen Gründen wirkt nach Auffassung der Bundesregierung das
Leistungsschutzrecht nicht innovationshemmend, insbesondere in Hinsicht
auf neue Geschäftsmodelle junger Start-up-Unternehmen?

26. Aus welchen Gründen geht die Bundesregierung davon aus, dass insbeson-
dere für kleinere Verlage die entstehenden Kosten und der Aufwand der
Lizenzierung angemessen sein werden und somit auch diese im Online-
bereich nicht schlechter gestellt sein werden als große Presseverlage?

27. Wie wird nach Auffassung der Bundesregierung sichergestellt, dass ins-
besondere für kleinere Suchmaschinenanbieter sowie Onlineanbieter, die
eine in ihr Angebot integrierte Suchfunktion anbieten, aber auch für
kleinere Informationsdienstleister und Aggregatoren die entstehenden
Kosten und der Aufwand der Lizenzierung angemessen sein werden und
das Leistungsschutzrecht nicht innovationshemmend für diesen Bereich

wirkt?

Drucksache 17/12314 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
28. Wie und auf Basis wessen Aussagen begründet die Bundesregierung, dass
gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen und suchmaschinenähnlichen
Diensten für – wie es im Gesetzentwurf heißt – die eigene Wertschöpfung
in besonderer Weise auf die Leistung von Presseverlagen zugreifen, wenn
der Bundesregierung dazu selbst keine belastbaren statistischen Daten be-
kannt sind (Bundestagsdrucksache 17/11792)?

Berlin, den 7. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.