BT-Drucksache 17/12255

Staatliche Prämien für V-Leute und die Anzeige- und Steuerpflicht

Vom 31. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12255
17. Wahlperiode 31. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Annette
Groth, Jens Petermann, Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Katrin Werner und der
Fraktion DIE LINKE.

Staatliche Prämien für V-Leute und die Anzeige- und Steuerpflicht

Das V-Leute-System der Nachrichtendienste und Polizeien des Bundes und der
Länder wirft nicht nur sicherheitspolitische, sondern durchaus auch haushälteri-
sche und steuerrechtliche Fragen auf.

Die Sicherheitsbehörden machen sich mit diesem V-Leute-System direkt
Dienstleistungen – Informationsbeschaffung – von „Szenemitgliedern“, auch
Straftätern, Kriminellen und Rechtsextremisten nutzbar; da das gegen Entgelt,
also für sogenannte Prämien geschieht, fließen nicht nur staatliche Gelder in un-
bekannter Höhe in den jeweiligen „Phänomenbereich“, sondern es stellt sich
auch die Frage, wer für diese Prämien steuerpflichtig ist, wie diese Pflicht wahr-
genommen werden und wie mit rechtlichen Vorschriften, wie der Anzeigen-
pflicht gegenüber Sozialbehörden oder der Bundesagentur für Arbeit, verfahren
wird. Da bisher dieser Bereich durchgängig der Geheimhaltung unterliegt, ist
der Verdacht durchaus berechtigt, dass die Sicherheitsbehörden nicht nur im
Einzelfall möglicherweise Beihilfe zu Steuer- und Sozialleistungsbetrug leisten.

Einen Einblick in die offizielle Darstellung dieser Zusammenarbeit erlaubte im
Jahr 2006 die damalige Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen,
B. H. Ihren Ausführungen zufolge müssen die Informanten von Verfassungs-
schutz und Bundesnachrichtendienst lediglich 10 Prozent ihrer Prämien an den
Fiskus abführen (www.focus.de/finanzen/steuern/geheimdienst-vorteil_aid_
22326.html). Zum Vergleich: Der Spitzensteuersatz lag damals bei 42 Prozent,
der Eingangssteuersatz bei 15 Prozent. Ob diese Bezugsgrößen aussagekräftig
sind, könnte nur eine konkrete Aussage über die Zahlungsmodalitäten der Si-
cherheitsbehörden klären.

Die V-Personen erhalten ihre Prämien netto, 10 Prozent ziehen die Behörden sel-
ber ab, und zwar, wie die Staatssekretärin weiter erklärt, im Rahmen der Einkom-
mensteuererhebung, die dann von den Bundesbehörden an die Finanzkassen der
Länder abgeführt wird (ebenda). Dann erfolgt „die Aufteilung des Betrags (…)
entsprechend dem prozentualen Anteil der jeweiligen Landesbevölkerung an der
Gesamtbevölkerung Deutschlands nach dem aktuellen Jahrbuch des Statisti-
schen Bundesamtes“.
Unklar bei diesem Verfahren ist, ob Arbeitslosengeld-, Sozial- und Unterstüt-
zungsempfängerinnen und -empfänger ihre Nettoprämien als Verdienste an-
geben oder angeben müssen bzw. auf wessen Anweisung sie das unterlassen.
Unklar ist darüber hinaus, wie mit Zusatzleistungen der Sicherheitsbehörden für
die Kooperateure umgegangen wird oder umgegangen werden soll und was mit
den Kosten für Telefon und Fahrten, für Verköstigung und andere Ausgaben für
Treffs und sonstige Beschaffungsaktivitäten geschieht.

Drucksache 17/12255 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Unklar ist schließlich aber auch, ob dies die einzige Form der Zahlung bezie-
hungsweise der Versteuerung ist. So hat zum Beispiel Wolfgang Frenz, ehemals
für das Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen V-Mann in der
NPD-Spitze und einer derjenigen V-Leute, die das letzte NPD-Verbot zu Fall ge-
bracht haben, behauptet, korrekt wie er sei, habe er die Einnahmen vom Verfas-
sungsschutz auch ordentlich in den Einkommensteuererklärungen beim Finanz-
amt angegeben, ebenso wie seine Spenden aus den Prämien für die NPD
(22. Dezember 2011, WAZ).

Die Zahlungen von Prämien an V-Leute – nicht nur im Bereich Rechtsextremis-
mus – dürften in Bund und Ländern pro Jahr in die Millionen Euro gehen, alle
anderen Zulagen wie Telefon, Computer, Autos oder „Dienstfahrten“ und ande-
res, deren Kosten ganz oder teilweise von den Diensten übernommen sind, dabei
noch nicht mitgerechnet.

Bundesregierung und Sicherheitsbehörden tun bisher alles, um das Ausmaß der
direkten finanziellen Zuwendungen undurchschaubar zu machen, und lassen der
öffentlichen Spekulation über den Umfang der Prämienzahlungen freien Lauf,
wie zum Beispiel im Falle des Spitzenverdieners T. B. aus Thüringen, der im-
merhin in sieben Jahren Tätigkeit 200 000 DM erhalten haben soll (www.mdr.
de/thueringen/zwickauer-trio484.html).

Sie tun damit aber auch alles, um die politischen, moralischen und möglicher-
weise eben auch juristischen Folgekosten zu verschleiern.

Sie leisten bisher keinerlei Beitrag zur Aufklärung der Frage, in welchem Um-
fang und welcher Qualität durch das V-Leute-System Nazigruppen regelrecht
am Tropf staatlicher Zuwendungen hingen und hängen, ob manche Gruppen
überhaupt hätten wirkungsvoll über längere Zeit arbeiten können und wie tief
die Sicherheitsbehörden und einzelne Beamtinnen und Beamte in dieses halb-
und extralegale Zuwendungssystem verstrickt sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Zahlungs- beziehungsweise Einkommensarten werden von den deut-
schen Sicherheitsbehörden (einschließlich Zollkriminalamt) für V-Leute ge-
nerell praktiziert, und welche setzt das Bundesamt für Verfassungsschutz
(BfV) in welchem quantitativen Verhältnis ein (Prämien, Honorare, Erfolgs-
honorare, andere Einkommensarten – bitte diese verschiedenen Kategorien
bei den folgenden Fragen beachten und aufführen, soweit es möglich ist)?

2. Wie haben sich die für Prämien für V-Leute eingesetzten Haushaltsmittel im
Etat des BfV seit dem Jahr 2000 entwickelt (bitte nach Jahren auflisten und
für den Bereich Rechtsextremismus jeweils gesondert ausweisen)?

3. Entspricht die in der Vorbemerkung vom Bundesministerium der Finanzen
für das Jahr 2006 beschriebene Praxis noch der heutigen, wonach 10 Prozent
Steuern durch das BfV selbst abgeführt werden, so dass die V-Leute von
Steuerabgaben befreit wären?

Wenn ja, ist diese Regelung allgemeingültig?

Wenn nein, welche weiteren Regelungen gibt es für die Prämienzahlung?

4. Werden die Prämien in bar oder per Überweisung bezahlt?

5. In welcher Form werden die Prämienzahlungen quittiert, und auf welche
Weise werden die Ausgaben der Quellenführerinnen und -führer kontrolliert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12255

6. Wann werden die V-Leute nach welchen Vorschriften auf den Umgang mit
den gezahlten Prämien gegenüber Steuer- und anderen Behörden, vor denen
eine Anzeigepflicht besteht, hingewiesen, und welches Verhalten wird ihnen
vorgeschrieben bzw. empfohlen?

7. Wurden und werden V-Leute, die Arbeitslosengeld oder Leistungen nach
Hartz IV beantragen oder erhalten, aufgefordert, ihre Einkünfte aus der
V- Leute-Tätigkeit zu verschweigen?

Wenn ja, in welchen Vorschriften ist das wie konkret geregelt?

8. Sind entsprechende Erklärungen Teil der schriftlichen Verpflichtungserklä-
rung der V-Leute?

9. Wie kontrolliert/kontrollieren das BfV oder einzelne V-Leute-Führer die
Einhaltung der vorgeschriebenen und vereinbarten Verhaltensweisen durch
die V-Leute, und erheben das BfV bzw. der einzelne V-Leute-Führer dazu
auch eigene Informationen bei den Steuer- oder Sozialbehörden?

10. In welchem finanziellen Umfang wurden V-Leuten seit dem Jahr 2000 tech-
nische Geräte und Instrumente oder anderes auf Amtskosten zur Verfügung
gestellt, und zwar

a) Telefone/Handys/Smartphones usw.,

b) Computer/Laptops/Tablets usw.,

c) Fahrzeuge (hier bitte auch Reparaturkosten, Zahlungen für Straf- und
Ordnungsgelder aufführen) und

d) Wohnungen/Büros

(bitte pro Jahr auflisten und nach Anschaffungs- und laufenden Kosten un-
terscheiden)?

11. Welche sonstigen Ausgaben werden den V-Leuten erstattet, und in welcher
Höhe sind solche Kosten seit dem Jahr 2000 angefallen (bitte pro Jahr auf-
listen)?

Berlin, den 31. Januar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.