BT-Drucksache 17/12146

Umstrukturierung der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin

Vom 22. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12146
17. Wahlperiode 22. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, Ulla Jelpke,
Petra Pau, Kathrin Senger-Schäfer und der Fraktion DIE LINKE.

Umstrukturierung der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin

Die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) mit Standorten in Köln
und Bonn ist die größte medizinische Fachbibliothek in Europa und die größte
lebenswissenschaftliche Fachbibliothek weltweit. Die zur Wissenschaftsge-
meinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V. (WGL) gehörende Landeseinrich-
tung von Nordrhein-Westfalen wird zu 70 Prozent vom Land Nordrhein-West-
falen und zu 30 Prozent vom Bund getragen. Nach der Empfehlung des Senats
der WGL vom 14. März 2012 soll sie nunmehr in eine rechtlich eigenständige
Einrichtung umgewandelt werden. Die Aufsicht durch die öffentliche Hand
würde sich danach auf die Rechtsaufsicht beschränken, inhaltliche und organi-
sationale Detailsteuerung wäre dann nicht mehr möglich. Derzeit wird dafür die
Form einer Stiftung des öffentlichen Rechts favorisiert, wenngleich der Bera-
tungsprozess noch nicht abgeschlossen ist.

Der Senat der WGL hält eine institutionelle Umstrukturierung für notwendig,
um den zugleich geforderten Ausbau des Forschungsprofils der ZB MED mit
mehr Gestaltungsfreiheit seitens der Einrichtung umsetzen zu können. Eine
deutliche Ausweitung der in der Satzung der Bibliothek festgeschriebenen
Forschungsaufgabe ist demnach die zweite wichtige strukturelle Änderung,
die auf die ZB MED zukommt. Die bisherigen, erfolgreich evaluierten For-
schungsleistungen sollen in einer neuen übergeordneten Gesamtstrategie auf-
gehen, die u. a. „eine Anpassung des Dienstleistungsangebotes an neue Infor-
mationsbedarfe und neue Formen der Informationsvermittlung“ vorsieht, so die
Stellungnahme des WGL-Senats. Zur Vorbereitung werden überregionale Be-
darfs-, Nutzungs- und Zielgruppenanalysen empfohlen. Forschungsprojekte
sollen zudem verstärkt im Rahmen von Kooperationen mit Hochschulen erfol-
gen.

Gleichzeitig weist der Senat darauf hin, dass „geprüft werden sollte, inwieweit
zusätzliche Haushaltsmittel für weiteres Personal in diesem Bereich vorgesehen
werden können“. Die ZB MED schätzt selbst ein, dass die Personalsituation be-
reits jetzt „als sehr eng angesehen“ und „für neue Produkte, die ihr Dienstleis-
tungsangebot ergänzen, zusätzliches Personal“ vorgesehen werden müsse. In
den letzten Jahren ist der Stellenplan bereits vollständig flexibilisiert worden

(bis auf Beamte), sodass keine weiteren Spielräume für die Umverteilung der
Tätigkeiten gesehen werden. Auch der Hauptpersonalrat legte in einer Stellung-
nahme seine Sorge darüber dar, dass die neuen Forschungsaufgaben auf Kosten
der Qualität und der Weiterentwicklung der Dienstleistungen und damit des
Kerngeschäfts einer Bibliothek gehen, wenn sie nicht mit Haushaltsmitteln für
zusätzliches Personal untersetzt werden. Die vielfach ausgezeichnete Qualität
hänge direkt mit einer ausreichenden Anzahl von Beschäftigten zusammen, die

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ein kontinuierliches Erfahrungswissen aufbauen können. Ein Abzug von Perso-
nal, Kompensation durch zeitlich befristete Drittmittelstellen oder weitere Ar-
beitsverdichtung werden die exzellente Qualität der Dienstleistungssparte der
Bibliothek gefährden. Zudem ist unklar, ob die erfolgreiche Qualifizierungs-
strategie der Beschäftigten, deren Leistungen bislang vom Land Nordrhein-
Westfalen zur Verfügung gestellt werden, auch in neuer Rechtsform so fort-
geführt werden kann.

Die Finanzplanung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) sieht
für die ZB MED für das Jahr 2013 eine Mittelaufstockung um 5 Prozent von
10,77 auf 11,31 Mio. Euro vor. Das entspricht der Vereinbarung im Pakt für
Forschung und Innovation der Bundesregierung mit den großen Forschungs-
gesellschaften. Mindestens 3 der vorgesehenen 5 Prozent sind für gestiegene
Energiekosten sowie tarifliche Mehraufwendungen vorgesehen, der Rest für in-
novative, von den Einrichtungen selbst gewählte Investitionsbereiche. Erfah-
rungsgemäß werden darüber aber auch weitere notwendige Mehrausgaben der
Forschungseinrichtungen gedeckt. Im Falle der ZB MED zeichnet sich ab, dass
die jährlichen Preissteigerungen für Medienerwerb und -lizenzen in Höhe von
8 Prozent absehbar nicht mehr alleine über das veranschlagte Sachmittelbudget
realisiert werden können. Zudem läuft der Pakt im Jahr 2015 aus.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was muss aus Sicht der Bundesregierung bei der geplanten Umstrukturie-
rung der ZB MED gewährleistet werden, damit auch zukünftig die hohe
Qualität des überregional bedeutenden Bibliotheksangebots aufrechterhalten
wird und zugleich der Ausbau einer ebenfalls exzellenten Forschungssparte
erfolgen kann?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung des Senats des WGL,
zukünftig eine rechtliche Eigenständigkeit gegenüber dem aktuellen Status
als Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen anzustreben?

3. Welche Vor- und Nachteile etwa eines Stiftungsmodells bzw. einer Anstalt
öffentlichen Rechts sieht die Bundesregierung für die ZB MED?

4. Ist oder wird die rechtliche Eigenständigkeit von Einrichtungen zum Krite-
rium für die Mitgliedschaft in der WGL?

Wenn ja, aus welchem Grund, mit welcher rechtlichen Bindekraft und ab
wann?

5. Welche Rolle haben bei den Verhandlungen der GWK über den Haushalt der
ZB MED für das laufende Haushaltsjahr die bevorstehenden Strukturverän-
derungen, insbesondere die Rechtsformänderung gespielt?

6. Wurde in den Haushaltsverhandlungen der auf allen Ebenen der Einrichtung
veranschlagte Mehrbedarf an Personal mit Forschungsaufgaben berücksich-
tigt?

7. Auf welcher finanziellen Basis sollen aus Sicht der Bundesregierung die
vom Senat der WGL empfohlenen zusätzlichen Aufgaben in Forschung und
Entwicklung umgesetzt werden?

8. Ist es in diesem Zusammenhang vorgesehen, einen Teil der Haushaltsmittel
aus dem Pakt für Forschung und Innovationen explizit für den Mehrbedarf
an Personal mit Forschungsaufgaben zu verwenden?

9. Wenn nein, auf welche Weise wird ansonsten finanziell sichergestellt, dass
die Forschungsaktivitäten und -kompetenzen der Einrichtung erweitert wer-
den, ohne dass der Dienstleistungs- und Produktbereich in Mitleidenschaft

gezogen wird?

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10. Welche tariflichen und arbeitsrechtlichen Veränderungen hätten die Be-
schäftigten der ZB MED im Fall einer Rechtsformänderung nach Informa-
tionen der Bundesregierung zu erwarten?

11. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung in rechtlicher oder in
finanzieller Hinsicht, die erfolgreiche Weiterbildungsstrategie der Einrich-
tung für ihr Dauerpersonal auch zukünftig aufrechtzuerhalten?

Berlin, den 22. Januar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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