BT-Drucksache 17/12121

Transparenz und Ethik im Sport

Vom 16. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12121
17. Wahlperiode 16. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martin Gerster, Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Gabriele Fograscher, Ute Kumpf, Christine
Lambrecht, Caren Marks, Thomas Oppermann, Axel Schäfer (Bochum), Ute Vogt,
Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Transparenz und Ethik im Sport

Korruption sowohl im aktiven Sport (z. B. Spielmanipulationen) als auch in der
Führung spielt in den letzten Jahren – vom Spitzensport bis hinunter zum Brei-
tensport in den Vereinen – eine immer größere Rolle in den deutschen und inter-
nationalen Medien. Für die Bekämpfung von unethischen Verhaltensweisen, die
die Integrität des Sports und seine positiven Wirkungsmöglichkeiten bedrohen
sowie von kriminellen Strukturen sind zwei Punkte von elementarer Wichtig-
keit. Der Ausbau und die Etablierung von Mechanismen im Bereich guter Re-
gierungsführung (Good Governance) und das konsequente Vorgehen gegen
Spielmanipulation (Match-Fixing). Doch was heißt das für die Sportpolitik des
Bundes?

Auf der Ebene der Europäischen Union wurden diese Themen bereits in den
„EU-Arbeitsplan für die Entwicklung der europäischen Dimension des Sports“
aufgenommen. Die gilt vor allem für die Wahrung der „Integrität von Sportwett-
kämpfen; […] die Bekämpfung von Spielabsprachen, Korruption, Geldwäsche
und anderer Formen der Finanzkriminalität“ (http://eur-lex.europa.eu/Lex
UriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2011:162:0001:0005:DE:PDF). Aufgrund
dessen wurde eine Expertengruppe „Good Governance im Sport“ einberufen,
die zur Entwicklung einer europäischen Dimension im Bereich der Integrität des
Sports zunächst unter besonderer Berücksichtigung der Bekämpfung von
Spielabsprachen und der Entwicklung von Grundsätzen der Transparenz im
Sinne von Good Governance bis zum Ende 2012 beitragen soll.

Außerdem haben Spielmanipulationen in den letzten Jahren auch die Aufmerk-
samkeit der europäischen Institutionen auf sich gezogen. Das Europäischen
Parlament (EP) verabschiedete im Jahr 2009 die Resolution über „Die Integrität
von Online-Glücksspielen“, in der ebenfalls zum Schutz der Integrität von
Sportwettbewerben im Zusammenhang mit Wetten aufgerufen wurde. Eine
weitere Resolution, die auch im Zusammenhang mit Online-Glücksspielen
stand, wurde Ende 2011 auf den Weg gebracht. In dieser Resolution drückt das
EP Bedenken über die Verbindungen zwischen kriminellen Organisationen und

der Entwicklung von Spielmanipulationen in Bezug auf Online-Wetten aus. Sie
konzentriert sich hauptsächlich auf operative Inhalte, wie z. B. Instrumente,
welche die grenzüberschreitende polizeiliche und justiziable Zusammenarbeit
erhöhen und den Amateursport im Kampf gegen Betrug, insbesondere Spiel-
manipulationen, stärken. Ähnliche Bedenken sind in der letzten Resolution des
EP zur „Europäischen Dimension des Sports“ niedergeschrieben, in der die
Mitgliedstaaten aufgefordert werden, alle erforderlichen Maßnahmen zur Ver-

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hütung und Bestrafung illegaler Aktivitäten zu treffen, die die Integrität des
Sports gefährden. Die Europäische Kommission bestärkt die Bekämpfung von
Spielmanipulationen durch die geplante Festlegung von Mindestvorschriften,
die diese Manipulationen als Straftaten definieren.

Der Kampf gegen Match-Fixing kann keinen Erfolg haben ohne Good
Governance. Nur wenn die Führung des Sports mit gutem Beispiel vorangeht,
hat sie die nötige Glaubwürdigkeit, um Aktive, Schiedsrichterinnen und
Schiedsrichter und sonstige Offizielle zu ethischem Verhalten anzuhalten. In
den Sportorganisationen, d. h. in Verbänden und Vereinen, ist eine Kultur der
Transparenz und Verantwortlichkeit nötig, die das Unrechtsbewusstsein stärkt
und Fair Play zu einem nicht nur propagierten, sondern gelebten Prinzip macht.

Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung zur „Entwicklung der euro-
päischen Dimension des Sports“ vom 18. Januar 2011 unter 4.1 „Förderung von
Good Governance im Sport“ festgestellt, dass Good Governance „eine Voraus-
setzung für die Autonomie und die Selbstregulierung von Sportverbänden“ ist.

Das grundsätzlich positive Image von Sport und Ehrenamt führt oft zu dem
Trugschluss, es gäbe keine oder nur geringe Risiken von unethischen Verhal-
tensweisen, Machtmissbrauch und kriminellen Einflüssen im Sportgeschehen,
Vorsichtsmaßnahmen und Prävention seien deshalb nicht notwendig. Doch ge-
nau das Gegenteil ist der Fall. Dies hat uns nicht nur die Vergangenheit aufge-
zeigt – fehlende Abstimmungen zwischen Haupt- und Ehrenamt, zeitliche
Überlastung, unklare Zuständigkeiten und unübersichtliche Entscheidungs-
strukturen, verbunden mit einem oft „legeren“ Umgang mit Bargeldzahlungen,
machen anfällig für Fehler.

Die Vorbildrolle des Sports bzw. der Sportorganisationen, insbesondere für die
Jugend, darf nicht unterschätzt werden. Good Governance und ein konsequen-
tes Vorgehen gegen Match-Fixing sind unerlässlich nicht nur für die Zukunft
eines sauberen und fairen Sports, sondern auch für Integrität in der Gesellschaft
insgesamt.

Wir fragen die Bundesregierung:

Good Governance

1. Wann wurden die Kriterien für die Vergabe und Abrechnung von Bundes-
mitteln im Sport zuletzt überarbeitet, und entsprechen diese den heutigen
Standards von Transparenz und Verantwortlichkeit im Sinne von Good
Governance?

2. Plant die Bundesregierung, entsprechend den Initiativen in anderen Ländern,
die Vergabe von Bundesmitteln an den Aufbau einer zeitgemäßen Good-
Governance-Struktur bei den Empfängern zu knüpfen?

3. Sind der Bundesregierung mögliche Modellinitiativen aus England bekannt,
wie das „TTTA Self-help-tool“, das im Internet frei zur Verfügung gestellt
wird und sich in Hauptbereiche wie Governance, strategische Planung,
Finanzmanagement, Organisationspolitik oder Risikomanagement gliedert?

4. Wie schätzt die Bundesregierung solche Modellinitiativen ein, deren
Schwerpunkte definiert, inhaltlich ausdifferenziert und mit nützlichen Links,
wie z. B. mit Planungsmodellen, versehen sind?

5. Plant die Bundesregierung, Projekte zu Good Governance im Sport beispiel-
haft zu unterstützen?

6. Wie werden Transparenz und Good Governance innerhalb der beteiligten
Bundesbehörden (Bundesministerium des Inneren – BMI –, Bundesverwal-

tungsamt, Bundesministerium der Verteidigung) umgesetzt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12121

7. Warum verweigert die Bundesregierung bislang die Offenlegung der Ziel-
vereinbarungen mit den Spitzenverbänden?

8. Wie passt die bisherige Weigerung des BMI, die Zielvereinbarungen zu
veröffentlichen, zu den heutigen Standards von Transparenz und Good
Governance?

9. Beabsichtigt die Bundesregierung, in Zukunft die Zielvereinbarungen ins-
gesamt (nicht lediglich die Medaillenziele) zu veröffentlichen?

10. Wie wurde und wird bei der Erarbeitung dieser Zielvereinbarungen bzw.
vergleichbarer Regelungen für die Zukunft die Beteiligung wesentlicher
Stakeholder (Athletinnen und Athleten, Trainerinnen und Trainer) als ein
Element von Good Governance sichergestellt?

11. Wie steht die Bundesregierung zu Initiativen, die für mehr Transparenz und
Verantwortlichkeit insbesondere im Profisport sorgen (vergleichbar z. B.
einer Corporate-Governance-Kommission)?

12. Ist es für die Bundesregierung vorstellbar, vergleichbare Anforderungen zu
stellen, wie sie im UK Bribery Act von 2011 formuliert sind, der eine ange-
messene Compliance-Organisation von allen Wirtschaftsunternehmen ver-
langt?

13. Welche Regelungen gelten für Bedienstete des Bundes, die qua Amt in
Sportorganisationen bzw. sportnahen Organisationen (z. B. Trägervereine
von Olympiastützpunkten, Nationale Anti Doping Agentur – NADA, Or-
ganisationskomitees) Verantwortung tragen, hinsichtlich des Umganges
mit Interessenkonflikten?

14. Welche Regelungen gelten bei möglichen Interessenkonflikten von Bun-
desbediensteten bei der Wahrnehmung ehrenamtlicher Funktionen im
Sport?

15. Wirken Bundesbedienstete, die qua Amt im Sport Funktionen übernehmen,
auf entsprechende Good-Governance-Strukturen und -Regelungen zum
Umgang mit Interessenkonflikten in dem jeweiligen Verantwortungsbe-
reich ein?

Match-Fixing

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation in Deutschland im Zusam-
menhang mit Manipulationen (Match-Fixing)

a) aus sportlichen Gründen, wie z. B. dem „Phänomen zum Saisonende“
auch auf unteren Ebenen zur Beeinflussung von Abschlusstabellen oder
als Hilfe gegen den Abstieg und

b) in Verbindung mit Wettmanipulationen?

17. Wie steht die Bundesregierung zu einer Initiative vergleichbar dem „Sports
Betting Integrity Panel“ in Großbritannien, bei der die Umsetzung einer in-
tegrativen Strategie zur Aufrechterhaltung der Integrität im Sport und der dazu-
gehörigen Sportwetten im Fokus steht (http://webarchive.nationalarchives.
gov.uk/+/http:/www.culture.gov.uk/reference_library/publications/6607.aspx)?

18. Plant die Bundesregierung entsprechende Schritte zur Umsetzung einer
vergleichbaren Initiative?

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19. Wie schätzt die Bundesregierung die vorgeschlagenen Lösungsmechanis-
men ein, die kurz- und mittelfristig umgesetzt werden sollten und sich in
drei Kernelemente, wie die Einführung von festen Regeln und Disziplinar-
verfahren, die Einführung von flächendeckenden Schulungsprogrammen
für alle Beteiligten (Spielerinnen und Spieler, Schiedsrichterinnen und
Schiedsrichter, Managerinnen und Manager, Sportwettenindustrie etc.) und
die Einführung einer Überwachungseinheit (kriminelle Vorgänge erfassen
und analysieren) aufteilt?

20. Wie schätzt die Bundesregierung den 10-Punkte-Kodex zum Schutz der
Integrität von Sport im Zusammenhang mit Sportwetten ein, der die
Initiative unterstützt?

21. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der EU-Studie (www.keanet.
eu/docs/study-sports-fraud-final-version_en.pdf), wonach zum Kampf ge-
gen Match-Fixing neue strafrechtliche Regelungen eher nicht erforderlich
sind, sondern mehr Augenmerk auf die Prävention gerichtet werden sollte?

22. Hält die Bundesregierung die geltenden strafrechtlichen Regelungen für
ausreichend, um die Integrität und die Werte des Sports zu schützen?

23. Welche Schlüsse hat die Bundesregierung aus den bisherigen Verfahren zu
Match-Fixing (insbesondere Hoyzer-Verfahren, Komplex Bochum) hin-
sichtlich der Vorgehensweise der Täter außerhalb des Sports und der
Risikofaktoren bei den Täterinnen und Tätern innerhalb des Sports gezo-
gen (Erstellung von Täterprofilen)?

24. Wie lässt sich daraus ein effektives Präventionsprogramm ableiten?

25. Werden die Informationen zu Täterprofilen auch den Sportorganisationen
zur Verfügung gestellt, um effektive Präventionsarbeit (Schulungen, Infor-
mationsmaterial) leisten zu können?

26. Was sind die wesentlichen Punkte, die die Bundesregierung bei der Vorbe-
reitung der 5. UNESCO-Weltsportministerkonferenz 2013 (MINEPS V),
geplant vom 28. bis 30. Mai 2013 in Berlin, zum Thema „Preserving the
Integrity of Sport“ einbringen will?

27. Wird es dabei auch um die Bedeutung einer konsequenten Null-Toleranz-
Linie und dem „Tone of the Top“ gehen, d. h. wird die enge Verbindung
von Good Governance in den Sportorganisationen und einem effektiven
Kampf gegen Match-Fixing berücksichtigt?

28. Plant die Bundesregierung mit Bezug auf MINEPS V die Gründung einer
Weltagentur gegen Betrug und Korruption im Sport nach dem Vorbild der
Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zu initiieren?

29. Wenn eine solche Agentur geplant wird, wie stellt sich die Bundesregie-
rung den Aufbau vor (Struktur, finanzielle Ausstattung, Kompetenzen)?

30. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, das von der Deutschen
Fußball Liga GmbH und dem Deutschen Fußball-Bund zusammen mit
Transparency International Deutschland e. V. in Gang gesetzte Präventions-
projekt „Gemeinsam gegen Spielmanipulationen“ (https://bundesliga.de/
media/native/autosync/dfl_flyer_vorstellung_ombudsmann.pdf) zu unter-
stützen und dazu beizutragen, dass vergleichbare Initiativen auch in anderen
Sportarten ergriffen werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12121

31. Wie schätzt die Bundesregierung die zwei zentralen Mechanismen des Pro-
jektes „Gemeinsam gegen Spielmanipulationen“ ein, also einerseits einen
Ombudsmann, der als unabhängiger Ansprechpartner, als Anlaufstelle für
Hinweise auf Spielmanipulationen oder anderer Unregelmäßigkeiten dient
und eine beratende Funktion einnimmt und andererseits eine „Sportradar
AG“, die Sportwettenangebote bei bis zu 300 weltweit relevanten Wettan-
bietern erfasst?

Großveranstaltungen im Sport

32. Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, bei der Bewerbung und
Ausrichtung von internationalen Großveranstaltungen des Sports in
Deutschland, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden, Prinzipien
der Transparenz und Good Governance durchzusetzen, unter Berücksich-
tung der Tatsache, dass es bei der Bewerbung für die Olympischen Winter-
spiele und Paralympics in München 2018 weder einen Ethikcode noch spe-
zielle Vorgaben zur Good Governance gab?

33. Was lässt sich dabei aus dem Beispiel von Olympia und den Paralympics in
London 2012 lernen und anwenden, nachdem das dortige Organisations-
komitee LOCOG (London Organising Committee of the Olympic Games)
konsequent auf umfassende Nachhaltigkeit gesetzt hat?

34. Sieht die Bundesregierung aufgrund der umstrittenen Vergabe vieler Groß-
veranstaltungen im Sport (z. B. der Eishockey-Weltmeisterschaft 2013
nach Belarus, der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 nach Katar oder auch
der Formel 1 nach Bahrain) Handlungsbedarf, auf internationaler Ebene
eine Diskussion darüber anzustoßen, dass autoritäre Regime den Sport
nicht für ihre Propagandazwecke missbrauchen dürfen und „Gigantismus“
im Sportstättenbereich im Sinne der Nachhaltigkeit nicht zeitgemäß ist?

35. Wie steht die Bundesregierung zu einem international verbindlichen Anfor-
derungskatalog, um eine transparente und nachhaltige Vergabe zu gewähr-
leisten?

36. Plant die Bundesregierung auf MINEPS V die Erarbeitung eines verbind-
lichen Anforderungskatalogs?

37. Welche Eckpunkte könnte ein solcher Anforderungskatalog enthalten?

38. Wie steht die Bundesregierung zur Steuerbefreiung für Veranstalter, wie
dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) oder dem Fußball-Welt-
verband (FIFA)?

39. Sind Initiativen geplant, um eine Steuerbefreiung in Zukunft nicht mehr zu
gewähren?

Berlin, den 16. Januar 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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