BT-Drucksache 17/12062

Privatkundengeschäft der Finanzagentur Deutschland GmbH fortsetzen

Vom 15. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12062
17. Wahlperiode 15. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Carsten Schneider (Erfurt), Uwe Beckmeyer, Klaus Brandner,
Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Petra Ernstberger, Dr. Peter Danckert,
Martin Gerster, Iris Gleicke, Bettina Hagedorn, Klaus Hagemann, Johannes Kahrs,
Ute Kumpf, Petra Merkel (Berlin), Thomas Oppermann, Ewald Schurer,
Rolf Schwanitz, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Privatkundengeschäft der Finanzagentur Deutschland GmbH fortsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH (Finanzagentur) ist
der zentrale Dienstleister für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement
des Bundes. Ihre Aufgaben sind vielfältig und umfassen Dienstleistungen bei
der Emission von Bundeswertpapieren, die Kreditaufnahme mittels Schuld-
scheindarlehen, den Einsatz derivativer Finanzinstrumente und die Geldmarkt-
geschäfte. Mit der Auflösung der Bundeswertpapierverwaltung am 31. Juli 2006
hat die Finanzagentur auch das Privatkundengeschäft für Bundeswertpapiere
und das Führen des Bundesschuldbuchs übernommen.

Die Bundesregierung hat nunmehr entschieden, das Privatkundengeschäft zum
Jahresende 2012 einzustellen. Über die konkreten Instrumente der Kreditauf-
nahme entscheidet das Bundesministerium der Finanzen im Rahmen der beste-
henden Gesetze in eigener Verantwortung. Grundlage seien Wirtschaftlichkeits-
betrachtungen, die auf der Basis der Entwicklung seit dem Jahr 2006 und der
geschätzten Entwicklung über die kommenden fünf Jahre hinweg durchgeführt
worden seien. Ergebnis sei, dass das Privatkundengeschäft etwa 50 bis 70 Mio.
Euro Mehrkosten verursache als das institutionelle Geschäft. Unter wirtschaft-
lichen Gesichtspunkten wäre ein Fortführen nur sinnvoll, wenn in den Jahren
2012 und 2014 neue Produkte mit sehr hohem Absatzerfolg eingeführt würden
und ein jährliches Bestandswachstum von 2,3 Mrd. Euro erfolgen würde, das
die bisherigen Ergebnisse der Tagesanleihe weit übersteigen würde. Das Wert-
papierangebot der Finanzagentur an private Kunden stehe im Wettbewerb mit
preisgünstigen Angeboten von Banken, und zudem könnten Anleger, die aus
Sicherheitsgründen in Bundeswertpapiere investieren wollten, hierfür komfor-
tablere und preisgünstigere Erwerbswege wählen. Auf diesen Umstand habe
auch der Bundesrechnungshof hingewiesen.
Die Finanzmarktkrise hat seit dem Jahr 2008 gerade bei Privatanlegern zu star-
ker Verunsicherung und Angst um die Sicherheit des Ersparten geführt. Der
Trend, Gelder und Vermögenswerte allein unter Renditegesichtspunkten anzu-
legen und dafür auch höhere Risiken in Kauf zu nehmen, der die Jahre vor Aus-
bruch der Finanzmarktkrise prägte, ist zumindest im vergangenen Umfang
nicht länger zu beobachten. Private Anleger wünschen die Sicherheit des Kapi-
talerhalts und eine Verzinsung, die wenigstens die Inflationsrate auffängt. Der

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kontinuierlich niedrige Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank, die über-
wiegend kurzfristige Refinanzierung von Geschäftsbanken, die zu einem Über-
angebot für Kurzfristeinlagen und -anlagen führt, und Zweifel an der Sicherheit
mancher Geschäftsbanken führen heute dazu, dass es den „sicheren Hafen“ für
Private nicht gibt.

Deutschland profitiert bislang von der Finanzmarktkrise und der Refinanzie-
rungskrise einiger Euro-Staaten dadurch, dass Schuldtitel des Bundes, weltweit
weiterhin als sehr sicher beurteilt, stark nachgefragt werden. Dadurch sanken
die Zinsen auf ein historisches Tief. Bundesschatzbriefe der Typen A und B
sowie die ein- und zweijährigen Finanzierungsschätze, die das „traditionelle“
Privatkundengeschäft der Finanzagentur bilden, sind ökonomisch unattraktiv
geworden. Der Anteil des Privatkundengeschäfts an der Kreditaufnahme des
Bundes liegt derzeit unter 1 Prozent. Dies erklärt sich aber vorwiegend aus
einer ökonomischen Betrachtung, der auch mit Hilfe von Werbung und anderen
Anstrengungen der Finanzagentur kaum entgegengewirkt werden kann – und
die auf Dauer nicht so bleiben wird.

Politisch bedeutsam ist die Frage, welche Wege dem Bund zur Verfügung ste-
hen, um seine Refinanzierung stets sicherzustellen. Die Finanzagentur leistet
sehr erfolgreiche Arbeit. Die Refinanzierungskrise im Euro-Raum hat aber ge-
zeigt, welchen Risiken ein Schuldenmanagement ausgesetzt ist, wenn es ganz
oder überwiegend auf institutionelle Investoren auf den Geld- und Kapitalmärk-
ten aufbaut. Auch die Entwicklung zu immer kürzeren Refinanzierungsinstru-
menten am Geldmarkt birgt das erhebliche Risiko von Zinsänderungen, das sich
auch kurzfristig niederschlagen kann. Auch vor diesem Hintergrund wurde im
Rahmen der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebietes dis-
kutiert, wie die Mobilisierung privaten Kapitals, vor allem Spareinlagen der
Bürgerinnen und Bürger, zur Refinanzierung der in Not geratenen Staaten
gestärkt werden könne. Am Beispiel Griechenlands und Spaniens könnte ein
stärkeres Engagement privater Vermögender eine deutliche Entspannung der
Refinanzierungssituation bringen, weil sie mehr Unabhängigkeit gegenüber den
Finanzmarktakteuren ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Bundesregierung, das Privat-
kundengeschäft der Finanzagentur einzustellen, nicht tragbar. Auch wenn
zurzeit oder in den nächsten Jahren keine ökonomischen Gründe bestehen, das
Privatkundengeschäft der Finanzagentur fortzuführen, muss privaten Investo-
ren ein direkter Zugang zu Staatsschuldtiteln des Bundes weiter offenstehen.
Der Zugang allein über Geschäftsbanken ist zudem meist mit Gebühren- oder
Provisionszahlungen verbunden. Das private Nettovermögen in Deutschland
im Jahr 2012 beträgt nach Zahlen der Deutschen Bundesbank insgesamt
10 Bio. Euro, davon knapp 4 Bio. Euro Geldvermögen. Aus Sicht des Bundes
muss Ziel bleiben, dieses Sparvermögen auch und gerade für die Refinan-
zierung des Bundes zu gewinnen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Privatkundengeschäft der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur
GmbH über den 31. Dezember 2012 hinaus fortzuführen und umgehend zu
prüfen, wie andere, auch längerfristige Wertpapiere zusätzlich zu den tradi-
tionellen Privatkundenprodukten der Bundesschatzbriefe und der Finanzie-
rungsschätze angeboten werden können;

2. gemeinsam mit dem Bundesrechnungshof Möglichkeiten zu erarbeiten, wie
die Kosten, die durch die Bereitstellung der Infrastruktur für Private ent-
stehen, minimiert werden können und ggf. anfallende Verluste im Privatkun-
dengeschäft an anderer Stelle kompensiert werden können. Zudem hat die

Bundesregierung alle Möglichkeiten auszuschöpfen, für ein stärkeres Enga-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12062

gement Privater beim Erwerb von Schuldtiteln des Bundes zu sorgen. Dabei
ist hinzunehmen, dass ein gewisses, vertretbares Defizit über die nächsten
Jahre auftreten kann;

3. gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes
Möglichkeiten und Instrumente zu erörtern, das Engagement Privater an der
Refinanzierung der Euro-Mitgliedstaaten generell zu erhöhen und lukrativer
zu gestalten, um dadurch mehr Unabhängigkeit gegenüber institutionellen
Investoren des Finanzmarktes zu gewinnen.

Berlin, den 15. Januar 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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