BT-Drucksache 17/12061

CELAC-EU-Gipfel in Santiago de Chile - Neue Zusammenarbeit mit neuen Partnern

Vom 15. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12061
17. Wahlperiode 15. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord,
Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

CELAC-EU-Gipfel in Santiago de Chile – Neue Zusammenarbeit mit neuen
Partnern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Gründung des Staatenbündnisses CELAC (Gemeinschaft der latein-
amerikanischen und karibischen Staaten) im Dezember 2011 haben sich die
lateinamerikanischen und karibischen Staaten eine gemeinsame Organisation
geschaffen, der alle Staaten der Region, jedoch nicht die USA und Kanada an-
gehören. Auf dem Gründungsgipfel in der venezolanischen Hauptstadt Caracas
sprachen Teilnehmer von der „zweiten Unabhängigkeit Lateinamerikas“.

Die Staaten Lateinamerikas und der Karibik streben nach politischer, wirt-
schaftlicher, sozialer und kultureller Integration. Die Gründungsdokumente von
CELAC enthalten sozial-, wirtschafts- und finanzpolitische Zielstellungen, mit
denen das Bündnis die in vielen Mitgliedstaaten bereits begonnene Abkehr von
der bisherigen Dominanz neoliberaler Politik nachvollzieht.

Darin kommt das gewachsene politische Selbstbewusstsein zum Ausdruck, das
aus der vergleichsweise günstigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung
in Lateinamerika resultiert. Sie steht in deutlichem Gegensatz zu den Verwer-
fungen in der Europäischen Union (EU) im Zuge der Euro-Krise. Während
viele lateinamerikanische Staaten heute weitgehend unabhängig vom Internati-
onalen Währungsfonds und ohne von außen oktroyierte neoliberale Spardiktate
ihre Binnenmärkte entwickeln und soziale Programme umsetzen, werden Mit-
gliedstaaten der EU durch Sparzwang, Liberalisierung und Privatisierung in
den wirtschaftlichen Kollaps getrieben.

Ausdruck des neuen Selbstvertrauens der CELAC-Länder ist auch, dass regio-
nale Konflikte zunehmend unter Vermittlung durch regionale Partner verhandelt
und gelöst werden. Aktuelles Beispiel sind die Friedensverhandlungen zwischen
der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP in der kubanischen Haupt-
stadt Havanna. Lateinamerika kann ein Kontinent des Friedens werden. Er ist

bereits heute ein atomwaffenfreier Kontinent. EU-Waffenlieferungen in die
Region und Sicherheitsabkommen über die Ausbildung von Polizei und Militär
sind hingegen kontraproduktiv.

Unter diesen veränderten Vorzeichen findet am 26. und 27. Januar 2013 der
Gipfel von CELAC und EU statt. Erstmals steht der EU bei einem derartigen
Gipfeltreffen eine geeinte Organisation der lateinamerikanischen und karibi-

Drucksache 17/12061 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
schen Staaten gegenüber. Auch dies ist eine entscheidende Neuerung im Ver-
hältnis zwischen beiden Regionen.

Die EU hat ihre bisherige Strategie, ihre neoliberale Politik durch Handels-
abkommen in den Süden, auch nach Lateinamerika, zu exportieren und so Inves-
titionsfelder und Absatzmärkte für ihre Unternehmen zu erschließen, dennoch
nicht aufgegeben. Die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit Kolumbien
und Peru und des Assoziierungsabkommens mit Zentralamerika durch das
Europäische Parlament sind aktuelle Beispiele dafür, wie die EU regionale Inte-
gration durch subregionale Abkommen unterläuft.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– in der Europäischen Union für eine neue Zusammenarbeit mit Lateiname-
rika und der Karibik zu werben, die die regionale Integration unterstützt, die
sozialen und wirtschaftlichen Fortschritte sowie die vergleichsweise erfolg-
reiche Krisenreaktionspolitik in Lateinamerika anerkennt und diese zum An-
lass nimmt, die eigenen neoliberalen Wirtschaftsdogmen zu hinterfragen;

– darauf hinzuwirken, dass die EU und CELAC zu einer gemeinsamen Initia-
tive für eine strenge Regulierung der regionalen und internationalen Finanz-
märkte kommen, anstatt diese über bilaterale Freihandelsabkommen weiter
zu liberalisieren;

– sich in der EU dafür einzusetzen, dass der Handelsteil sowohl des Freihan-
delsabkommens mit Kolumbien und Peru als auch des Assoziierungs-
abkommens mit Zentralamerika solange ausgesetzt wird, bis die Gesamtab-
kommen in allen Mitgliedstaaten ratifiziert sind;

– sich unabhängig davon innerhalb der EU für ein strenges Sanktionsregime
gegenüber europäischen und multinationalen Konzernen einzusetzen, die für
Menschenrechtsverletzungen sowie für soziale und ökologische Schäden in
den CELAC-Ländern verantwortlich sind;

– die Initiative für einen „Solar-Fonds“ zu ergreifen, der einen umfassenden
Wissens- und Technologietransfer für den Ausbau und die Verbreitung rege-
nerativer Energien ermöglicht;

– sich dem Einsatz von CELAC gegen die wirtschaftliche Blockade Kubas
durch die USA anzuschließen und sich in der EU für die Aufnahme von Ver-
handlungen über ein bilaterales Abkommen mit Kuba einzusetzen;

– den Umstand, dass Lateinamerika ein atomwaffenfreier Kontinent ist, aus-
drücklich zu würdigen und darauf zu drängen, dass dieses positive Beispiel
durch Abrüstungsinitiativen der Atommächte beantwortet wird;

– sich in der EU für einen Rüstungsexportstopp in die CELAC-Staaten einzu-
setzen und mit eigenem Beispiel voranzugehen, die Planungen für ein
deutsch-mexikanisches Sicherheitsabkommen nicht weiterzuführen und die
kolumbianischen Friedensverhandlungen aktiv zu unterstützen;

– sich bei der chilenischen Regierung dafür einzusetzen, dass der zeitgleich
geplante Gegengipfel „Enlazando alternativas“ und die Demonstrationen in
Santiago de Chile ohne Repression stattfinden können.

Berlin, den 15. Januar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.