BT-Drucksache 17/11974

Psychische Belastungen aufgrund flexibler und atypischer Arbeitszeiten

Vom 20. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11974
17. Wahlperiode 20. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, Herbert
Behrens, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Klaus Ernst, Katja
Kipping, Yvonne Ploetz, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Psychische Belastungen aufgrund flexibler und atypischer Arbeitszeiten

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat im März 2012 Ergebnisse einer
Umfrage unter Beschäftigten präsentiert; zwei Drittel der Beschäftigten leisten
Überstunden. Jede und jeder Fünfte sogar mehr als zehn Überstunden pro
Woche. Es ist eine Entgrenzung von Arbeit zu beobachten. Viele Beschäftigte
arbeiten häufig in der Freizeit (15 Prozent), noch mehr Beschäftigte müssen oft
in der Freizeit erreichbar sein (27 Prozent). Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage
für psychische und Verhaltensstörungen stieg laut Bundesregierung von
33,6 Millionen im Jahr 2001 auf 53,5 Millionen im Jahr 2010 (DGB: Arbeits-
hetze, Arbeitsintensivierung, Entgrenzung).

Das Wissenschaftliche Institut der AOK hat für den aktuellen Fehlzeiten-Report
eine Befragung durchgeführt, deren Ergebnisse ebenso alarmierend sind. Knapp
34 Prozent der Erwerbstätigen haben in den vier Wochen vor der Befragung häu-
fig Anrufe oder E-Mails außerhalb der Arbeitszeit erhalten. Mehr als 32 Prozent
haben in diesem Zeitraum Überstunden geleistet, 12 Prozent nahmen Arbeit mit
nach Hause und knapp 11 Prozent haben an Sonn- und Feiertagen gearbeitet.
Weitere 13 Prozent geben an, Probleme mit der Vereinbarkeit von Arbeit und
Freizeit zu haben.

Diese Belastungen führen nach Ansicht der AOK zu mehr psychischen Be-
schwerden bei den Betroffenen. Die Befragten klagen über Erschöpfung, Pro-
bleme beim Abschalten, Kopfschmerzen und Niedergeschlagenheit. Die Unter-
suchung der AOK kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass Pendlerinnen
und Pendler mit großen Strecken, ein 20 Prozent höheres Risiko haben, psy-
chisch zu erkranken.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich die Zahl der Überstunden in den vergangenen zehn Jahren ent-
wickelt?

Wie viele Beschäftigte leisten regelmäßig Überstunden?
Wie hoch ist der Anteil der Beschäftigten, die regelmäßig Überstunden leis-
ten?

Wie werden die Überstunden abgegolten (Freizeitausgleich, Bezahlung, gar
nicht)?

Drucksache 17/11974 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Welche Berufsgruppen leisten in der Summe die höchste Zahl von Überstun-
den, und welche Berufsgruppen weisen den höchsten Anteil an Beschäftigten
auf, die Überstunden leisten (bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

2. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die ein Arbeitszeit-
konto führen, in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Wie hoch ist das Arbeitszeitvolumen, das sich derzeit auf den Arbeitszeitkon-
ten befindet?

Welche Berufsgruppen weisen in der Summe die höchste Zahl an Beschäftig-
ten auf, die ein Arbeitszeitkonto führen, und welche Berufsgruppen den
höchsten Anteil von Beschäftigten (bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

3. Wie haben sich Zahl und Anteil der Beschäftigten, die regelmäßig überlange
Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden pro Woche haben, in den vergangenen
zehn Jahren entwickelt?

Welche Berufsgruppen weisen die höchste Zahl an Beschäftigten mit über-
langen Arbeitszeiten auf, und welche Berufsgruppen den höchsten Anteil
(bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

4. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Zusammenhang
von Überstunden bzw. überlangen Arbeitszeiten und psychischen Belastun-
gen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kommen
sie?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Auswirkungen
von Überstunden bzw. überlangen Arbeitszeiten auf die Gesundheit der Be-
troffenen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kommen
sie?

6. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die am Wochen-
ende arbeiten, in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Welche Berufsgruppen weisen in der Summe die höchste Zahl an Beschäftig-
ten auf, die regelmäßig am Wochenende arbeiten, und welche Berufsgruppen
den höchsten Anteil (bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

7. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die regelmäßig am
Abend (18 bis 23 Uhr) oder in der Nacht (23 bis 6 Uhr) arbeiten, in den ver-
gangenen zehn Jahren entwickelt?

Welche Berufsgruppen weisen in der Summe die höchste Zahl an Beschäftig-
ten auf, die regelmäßig am Abend und in der Nacht arbeiten, und welche Be-
rufsgruppen den höchsten Anteil (bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

8. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Zusammenhang
von Wochenendarbeit sowie Abend-/Nachtarbeit und psychischen Belastun-
gen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kommen
sie?

9. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Auswirkungen
von Wochenendarbeit sowie Abend-/Nachtarbeit auf die Gesundheit der Be-
troffenen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kommen
sie?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11974

10. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die in Schichtmo-
dellen arbeiten, in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Welche Berufsgruppen weisen in der Summe die höchste Zahl an Beschäf-
tigten auf, die in Schichtmodellen arbeiten, und welche Berufsgruppen den
höchsten Anteil von Beschäftigten (bitte nach Geschlechtern differenzie-
ren)?

11. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die stark schwan-
kende wöchentliche oder tägliche Arbeitszeiten haben, in den vergangenen
zehn Jahren entwickelt?

Welche Berufsgruppen weisen die höchste Zahl an Beschäftigten auf, die
stark schwankende Arbeitszeiten haben, und welche Berufsgruppen den
höchsten Anteil (bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

12. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Zusammenhang
von Schichtarbeit oder stark schwankenden Arbeitszeiten und psychischen
Belastungen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kom-
men sie?

13. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Auswirkungen
von Schichtarbeit oder stark schwankenden Arbeitszeiten auf die Gesund-
heit der Betroffenen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kom-
men sie?

14. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die auch außer-
halb ihrer regulären Arbeitszeit erreichbar sind, in den vergangenen zehn
Jahren entwickelt?

Welche Berufsgruppen weisen in der Summe die höchste Zahl an Beschäf-
tigten auf, die auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar sind, und welche
Berufsgruppen den höchsten Anteil (bitte nach Geschlechtern differenzie-
ren)?

15. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, die außerhalb ih-
rer regulären Arbeitszeit arbeiten, in den vergangenen zehn Jahren entwi-
ckelt?

Welche Berufsgruppen weisen die höchste Zahl an Beschäftigten auf, die
auch außerhalb ihrer Arbeitszeit arbeiten, und welche Berufsgruppen den
höchsten Anteil (bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

16. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Zusammenhang
von Erreichbarkeitsanforderungen sowie Arbeit außerhalb der Arbeitszeit
und psychischen Belastungen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kom-
men sie?

17. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Auswirkungen
von Erreichbarkeitsanforderungen und Arbeit außerhalb der Arbeitszeit auf
die Gesundheit der Betroffenen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kom-
men sie?

18. Welche Ursachen sind nach Ansicht der Bundesregierung maßgeblich für
die Zunahme atypischer Arbeitszeiten verantwortlich?

Drucksache 17/11974 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
19. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf hinsichtlich der Begrenzung
von atypischen Arbeitszeiten oder Erreichbarkeitsanforderungen?

Wenn ja, welche Schritte plant sie?

Wenn nein, warum nicht?

20. Wie haben sich die Zahl und der Anteil der Beschäftigten, deren Arbeitsweg
täglich für eine Strecke länger als 30, 60 oder mehr als 60 Minuten dauert,
in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte nach Geschlechtern diffe-
renzieren)?

21. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Zusammenhang
von langen Arbeitswegen und psychischen Belastungen vor?

Welche Untersuchungen gibt es hierzu, und zu welchen Ergebnissen kom-
men sie?

22. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu Ausfalltagen aufgrund
psychischer Erkrankungen und zum Eintritt in Erwerbsminderungsrenten
aufgrund psychischer Erkrankungen differenziert nach Arbeitszeiten vor
(Vollzeit, Teilzeit, geringfügige Beschäftigung)?

Wie haben sich diese Zahlen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt
(bitte nach Geschlechtern differenzieren)?

23. Wie hat sich die Kontrolltätigkeit der zuständigen Aufsichtsbehörden hin-
sichtlich der Kontrolle der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in den ver-
gangenen zehn Jahren entwickelt?

24. Wie viel Personal steht den Aufsichtsbehörden für diese Aufgabe zur Ver-
fügung, und wie hat sich diese Zahl in den vergangenen zehn Jahren ent-
wickelt?

Wie viele Kontrollen wurden in den vergangenen zehn Jahren jeweils
durchgeführt?

25. Wie viele Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz konnten jährlich in den ver-
gangenen zehn Jahren aufgedeckt werden?

Wie wurden diese Verstöße geahndet?

26. Wie haben sich in den vergangenen zehn Jahren die Zahl und die Reichweite
der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge entwickelt, die Rege-
lungen zur Arbeitszeit enthalten?

Berlin, den 20. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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