BT-Drucksache 17/11917

Mögliche Umsetzungsprobleme bei der Abwicklung des Erstattungspreises für neue Arzneimittel nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz

Vom 14. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11917
17. Wahlperiode 14. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg,
Maria Klein-Schmeink, Britta Haßelmann, Sven-Christian Kindler, Brigitte Pothmer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mögliche Umsetzungsprobleme bei der Abwicklung des Erstattungspreises
für neue Arzneimittel nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz

Bei rund dreißig neu auf den Markt gekommenen patentgeschützten Arzneimit-
teln ist eine frühe Nutzenbewertung nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetz-
buch (SGB V) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erfolgt. An-
fang Dezember 2012 waren elf Erstattungspreisverhandlungen nach § 130b
SGB V zwischen Herstellern und dem GKV-Spitzenverband abgeschlossen so-
wie eine weitere durch die Schiedsstelle entschieden. Diese ausgehandelten Er-
stattungsbeträge traten im Januar, April, Mai, Juli, August, September, Oktober
und Dezember 2012 in Kraft. Laut Presseberichten vom 5. Dezember 2012 (Han-
delsblatt: „Die blockierte Arzneireform“ und Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Apotheker blockieren Abrechnung von Millionenbeträgen“ ) warten die gesetz-
lichen Krankenkassen auf die aus der Differenz von Listen- und Erstattungspreis
resultierenden zweistelligen Millionenbeträge für das Jahr 2012. Für das Jahr
2013 werden niedrige dreistellige Millionenbeträge erwartet.

Als Grund dafür wird dargestellt, dass die Pharmahersteller die verhandelten
Preise bis heute nicht an die Datenbank der Informationsstelle für Arznei-
spezialitäten – IFA GmbH – gemeldet haben, über die diese Daten in die Wa-
renwirtschaftssysteme der Apotheken eingepflegt werden. Dies hat zur Kon-
sequenz, dass gegenüber den gesetzlichen Krankenversicherungen und privat
versicherten Bürgerinnen und Bürger weiterhin der höhere Herstellerpreis ab-
gerechnet wird. Daraus ergeben sich auch höhere Mehrwertsteuerbelastungen
und größere Verdienstspannen des Arzneimittelgroßhandels und der Apo-
theken. Mittelfristig gehe es dabei laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ für
Apotheken um zweistellige Millionenbeträge. Gesetzlich Versicherte sind von
höheren Zuzahlungen betroffen, da diese laut § 61 Satz 1 SGB V prozentual
vom Abgabepreis (begrenzt durch einen Mindest- und Höchstbetrag von 5 bzw.
10 Euro) berechnet werden.

Ziel der Pharmahersteller dürfte sein, entgegen der gesetzlichen Regelung eine
faktische Geheimhaltung der Erstattungspreise zu erzielen. Damit dürfte die
Hoffnung verbunden sein, Vorteile für die Preisfestsetzung im europäischen und

nichteuropäischen Ausland zu erlangen.

Laut Informationen des GKV-Spitzenverbandes gibt es unterschiedliche Auf-
fassungen darüber, wie die Regelung zur zwölfmonatigen freien Preisfestset-
zung zu interpretieren ist. Dabei steht die Auffassung des GKV-Spitzenverbandes
– einmalig mit Erstzulassung des Wirkstoffes – und der von Pharmaherstellern

Drucksache 17/11917 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– mehrfach auch bei jedem neuen Anwendungsgebiet – gegenüber. Letztere In-
terpretation könnte, strategisch genutzt, dazu führen, eine freie Preisbildung über
mehrere Jahre hinweg zu ermöglichen. Dies widerspricht der Intention des Ge-
setzgebers.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Mit welchen Beträgen rechnet die Bundesregierung in den Jahren 2012,
2013 und 2014, die aufgrund der Preisverhandlungen nach § 130b
SGB V von einerseits den gesetzlichen und andererseits den privaten
Krankenversicherungen im Vergleich zum vom Hersteller festgelegten
Preis eingespart werden können?

b) Welcher Anteil entfällt dabei auf die Hersteller, und welcher Anteil (in-
direkt) auf den Arzneimittelgroßhandel sowie die Apotheken?

2. Was hat das Bundesministerium für Gesundheit bisher unternommen, um
die Blockade der Pharmahersteller für eine gesetzeskonforme Umsetzung der
Regelungen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes – AMNOG (hier
§ 130b Absatz 1 Satz 2 bis 5 SGB V, „Der Erstattungsbetrag wird als Rabatt
auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers vereinbart. Der
pharmazeutische Unternehmer gewährt den Rabatt bei der Abgabe des Arz-
neimittels. Der Großhandel gewährt den Rabatt bei Abgabe an die Apotheken.
Die Apotheken gewähren den Krankenkassen den Rabatt bei der Abrech-
nung.“) zu beenden?

3. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet werden, dass
die im Jahr 2012 erfolgten und für 2013 (teilweise) zu erwartenden Fehl-
abrechnungen hinsichtlich der

a) Differenz zwischen Abgabe- und Erstattungspreis und

b) Großhandels- und Apothekenspannen

nachträglich korrigiert werden?

4. a) In welchem Umfang rechnet die Bundesregierung mit betroffenen gesetz-
lich Krankenversicherten, die aufgrund des geschilderten Verhaltens der
Pharmaunternehmen im Jahr 2012 und teilweise 2013 höhere Zuzahlun-
gen leisten mussten/müssen?

b) Welcher finanzielle Umfang ist damit individuell (Versicherte/Versicher-
ter pro Verordnung) sowie in der Gesamtbetrachtung (bezogen auf alle
gesetzlich Versicherten) verbunden?

c) Wie kann dieser Sachverhalt aus Sicht der Bundesregierung korrigiert
werden?

5. a) In welchem Umfang rechnet die Bundesregierung mit betroffenen privat
Krankenversicherten, die aufgrund des geschilderten Verhaltens der Phar-
maunternehmen im Jahr 2012 und teilweise 2013 höhere Arzneimittel-
preise leisten mussten/müssen?

b) Welcher finanzielle Umfang ist damit individuell (Versicherte/Versicher-
ter pro Verordnung) sowie in der Gesamtbetrachtung (bezogen auf alle
privat Versicherten) verbunden?

c) Wie kann dieser Sachverhalt aus Sicht der Bundesregierung korrigiert
werden?

6. Sind aus Sicht der Bundesregierung die bestehenden gesetzlichen Regelun-
gen zur 12-monatigen freien Preisfestsetzung der Pharmahersteller nach der
Markteinführung eines neuen Wirkstoffes eindeutig, oder sieht sie den Be-

darf für gesetzliche Klarstellungen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11917

Falls ja, wann will sie diese vorlegen?

Falls nein, hat sie dies gegenüber den Krankenkassen und den Arzneimittel-
herstellern kommuniziert, und falls ja, wie?

Berlin, den 14. Dezember 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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