BT-Drucksache 17/11898

Uranmunition ächten

Vom 12. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11898
17. Wahlperiode 12. 12. 2012

Antrag
der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel,
Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord,
Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Uranmunition ächten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Einsatz von DU-Munition (Depleted Uranium = abgereichertes Uran) kann
gravierende langfristige Folgen für die Menschen und die Umwelt haben. Da-
rauf haben bereits sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr
2003 als auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in den
Jahren 2001 und 2010 hingewiesen. Nach dem Einschlag von DU-Munition
werden aufgrund der dabei entstehenden hohen Temperaturen Uran- und Uran-
oxid-Partikel freigesetzt, die sich weiträumig in der Umgebung verbreiten. Die
Partikel werden auf verschiedenen Wegen – Atmung, Nahrungsaufnahme oder
Hautkontakt – vom menschlichen Organismus aufgenommen und können in der
Folge erhebliche Gesundheitsschäden, die durch Weitervererbung auch noch
künftige Generationen betreffen, verursachen. In vielen Konflikten, in denen
DU-Munition eingesetzt worden ist, wie z. B. im Golf-Krieg im Jahr 1991, im
ehemaligen Jugoslawien in den Jahren 1995 bis 1999, in Afghanistan seit dem
Jahr 2001 oder im Irak-Krieg im Jahr 2003, wurden im Nachhinein medizinische
Auffälligkeiten festgestellt, die sich in einen direkten Zusammenhang zur Ver-
wendung von DU-Munition bringen lassen (wie z. B. ein Anstieg der Krebsraten
und der Miss- und Totgeburten oder Trinkwasserverseuchung). In einigen Fällen
wurde die Kausalität auch durch Gerichte festgestellt: Ein schottisches Gericht
hat mit der Zuerkennung einer Kriegsrente für den Golfkriegsveteranen Kenny
Duncan im Jahr 2004 die Korrelation zwischen der Verwendung von DU-Muni-
tionen und besonderen Erkrankungen anerkannt. In Italien wurde den Hinter-
bliebenen eines verstorbenen Soldaten im Jahr 2004 eine Entschädigung zuer-
kannt, da er „durch die Einwirkung von radioaktiven und krebserregenden
Substanzen“ gestorben sei. Mitte Oktober 2012 hat ein italienisches Zivilgericht
erneut Uranmunition als Todesursache für einen im Jahr 2000 an Leukämie ver-
storbenen italienischen Soldaten anerkannt.
Neben den lokalen Bevölkerungen sind auch internationale Entwicklungshelfe-
rinnen und -helfer den Gefahren von DU-Munition ausgesetzt.

Ungeachtet der bekannten Risiken eines DU-Einsatzes halten eine Reihe von
Staaten an der Verwendung von Depleted Uranium in ihrer Munition fest, allen
voran die USA, Großbritannien, Russland, China, die Türkei, Israel, Pakistan,
Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Kuweit. Im
Jahr 2011 haben die USA DU-Munition zu Beginn der Militärintervention in

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Libyen erneut eingesetzt. Aufgrund seiner sehr hohen Dichte – Uran ist 1,7-mal
dichter als Blei – wirkt es bunker- und panzerbrechend und hat eine sehr hohe
Durchschlagskraft. Außerdem ist abgereichertes Uran als „Abfallprodukt“ aus
der Herstellung nuklearen Brennmaterials mit Herstellungskosten von rund
2 US-Dollar pro Kilogramm sehr viel billiger als andere Schwermetalle, wie
z. B. Wolfram.

Die internationale Staatengemeinschaft erkennt zunehmend die verhängnisvol-
len Auswirkungen von DU-Munition an sowie die damit verbundenen mögli-
chen Verletzungen des humanitären Völkerrechts, z. B. die Frage der Verhältnis-
mäßigkeit, da aufgrund der Nach- und Nebenwirkungen der Einsatz nicht
unbedingt als „gegen ein bestimmtes militärisches Ziel“ gerichtet betrachtet
werden kann (Artikel 22 der Haager Landkriegsordnung). Außerdem ist nach
dem Völkerrecht ebenfalls der Gebrauch von Waffen, Geschossen und Materia-
lien rechtswidrig, die exzessive Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen
(Genfer Konvention, Zusatzprotokoll I, Artikel 35 und 36). Die Parlamente Bel-
giens und Costa Ricas haben im Jahr 2007 bzw. im Jahr 2011 die Verwendung
von DU-Munition geächtet. Das Europäische Parlament seinerseits hat in einer
Entschließung vom 22. Mai 2008 ein weltweites Moratorium für die Herstellung
und Produktion von DU-Munition gefordert. Aber auch die Organisation der
Vereinten Nationen (UNO) hat sich bereits mehrfach mit diesem Thema befasst.
Die UN-Resolutionen 63/54 vom 2. Dezember 2008, 62/30 vom 5. Dezember
2007 und 65/55 vom 8. Dezember 2010 betonen die potenziellen schädlichen
Effekte des Einsatzes von Uranmunition für Gesundheit und Umwelt. Sie for-
dern alle Staaten auf, weitere medizinische Untersuchungen zu diesem Thema
durchzuführen und den UN-Generalsekretär über ihre Erkenntnisse zu unter-
richten. Anfang November 2012 hat die Bundesregierung im 1. Ausschuss der
UN-Vollversammlung einem Resolutionsentwurf von Indonesien und anderen
Staaten der nichtpaktgebundenen Bewegung zugestimmt, der auf das Vorsorge-
prinzip (precautionary approach) Bezug nimmt (Effects of the use of armaments
and ammunitions containing depleted uranium). Angewandt auf uranhaltige
Waffen müsste der Verwender deren Ungefährlichkeit für Umwelt und Zivilbe-
völkerung vor einem Einsatz nachweisen.

In Deutschland betrachtet auch der aus Soldatinnen, Soldaten und zivilen Mit-
gliedern der Bundeswehr bestehende Arbeiterkreis „Darmstädter Signal“ den
Einsatz von DU-Munition als völkerrechtswidrig und befürwortet unmissver-
ständlich ihre Ächtung. International setzt sich die „International Coalition to
Ban Unranium Weapons (ICBUW)“ für die Ächtung von Uranwaffen ein; sie
hat dafür einen entsprechenden Entwurf für einen internationalen Vertrag vorge-
legt. Vertreterinnen und Vertreter von ICBUW und anderen Organisationen
haben Ende September 2012 in Berlin ein Aktionsbündnis gegen Umweltzerstö-
rung durch Krieg aus der Taufe gehoben, das die Anti-DU-Kampagne in
Deutschland fortführt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für den sofortigen Stopp des Einsatzes von DU-Munition einzusetzen,
gestützt auf den Vorsorgeansatz (precautionary approach);

2. die Herstellung, den Besitz, den Einsatz, den Verkauf und die Lieferung von
Waffen, die abgereichertes Uran enthalten, in Deutschland zu untersagen und
auch auf die in Deutschland stationierten Streitkräfte der NATO-Verbündeten
(NATO = North Atlantic Treaty Organization) einzuwirken, keine DU-Muni-
tion in Deutschland einzusetzen, zu lagern oder über Deutschland weiter zu
transportieren;

3. sich im Rahmen der Vereinten Nationen für eine weltweite Ächtung von DU-

Munition einzusetzen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11898

4. einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die finanzielle Unterstützung von
Herstellern von DU-Munition durch deutsche Banken oder Investitionsfonds
verboten wird;

5. sich dafür einzusetzen, dass die Gebiete, in denen DU-Munition eingesetzt
worden ist, ausgewiesen werden, die Bevölkerung über die Risiken infor-
miert wird und gegebenenfalls medizinische und finanzielle Unterstützung
für die Opfer bereitgestellt und Projekte zur Dekontaminierung initiiert wer-
den;

6. sich für die Einrichtung einer entsprechenden Stiftung und die Einsetzung
eines UN-Sonderbeauftragten mit ausreichenden Kompetenzen zu enga-
gieren.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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