BT-Drucksache 17/11896

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 17/11783, 17/11892 - Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen) sowie des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezember 2012

Vom 12. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11896
17. Wahlperiode 12. 12. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike
Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Thomas Nord, Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/11783, 17/11892 –

Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten
Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts
auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen)
sowie des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezember 2012

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Stationierung deutscher Patriot-Luftabwehrraketensysteme an der tür-
kisch-syrischen Grenze trägt zur weiteren Eskalation des syrisch-türkischen
Konfliktes bei. Deutschland würde zu einer Konfliktpartei in einem Konflikt,
der weit über das türkisch-syrische Grenzgebiet hinaus den gesamten Nahen
und Mittleren Osten betrifft. Statt eine diplomatische Mittlerrolle zur fried-
lichen Beendigung des innersyrischen Konflikts einzunehmen, geht die Bun-
desregierung einen weiteren Schritt, um diese Lage zu verschärfen. Zudem
erhöht sich das Risiko, dass deutsche Soldaten bei einer weiteren Eskalation
direkt in einen regionalen Nahostkrieg hineingezogen werden.

2. Es gibt keinen UN-Beschluss zur Patriot-Stationierung und der UN-Sicher-
heitsrat hat auch keine Bedrohung der Türkei nach Artikel 51 der Charta der
United Nations Organization (UNO) festgestellt. Er hat stattdessen seine Be-
mühungen zur Lösung des innersyrischen Konflikts verstärkt. Diese Friedens-
initiativen dürfen nicht durch die North Atlantic Treaty Organization (NATO)
untergraben werden. Eine Bedrohung der Türkei, wie jetzt als Begründung
für die Stationierung von Patriot-Raketen angeführt, existiert nicht. Eine
Pflicht zum Beistand besteht demnach selbst im Sinne des NATO-Vertrages

nicht. Weder hat die syrische Regierung der Türkei mit einem Angriff ge-
droht noch gab und gibt es solche Angriffe oder Vorbereitungen für solche
Angriffe. Der bisherige grenzüberschreitende Beschuss mit Mörsern und
Granaten durch syrische Artillerie, bei dem auch Zivilistinnen und Zivilisten
getötet wurden, wurde selbst von der türkischen Regierung als nicht vorsätz-
lich und nicht gegen die Türkei gerichtet bewertet. Die syrische Regierung
hat sich für die Vorkommnisse offiziell entschuldigt. Die zu beklagenden

Drucksache 17/11896 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Übergriffe könnten durch Patriot-Raketen ohnehin nicht abgewehrt werden –
deren Stationierung ist daher auch noch sinnlos.

3. Die türkische Regierung verfolgt in der Region eigene Machtinteressen, ins-
besondere die kurdischen Autonomiegebiete sind ihr ein Dorn im Auge. Sie
setzt auf eine Eskalation des Konfliktes, für die sie sich jetzt den Beistand der
NATO sichern möchte. Berichte über die Gewährung von Rückzugsräumen
und die militärische Ausbildung von syrischen Rebellen konnte die türkische
Regierung ebenso wenig glaubhaft entkräften wie den Vorwurf illegaler Waf-
fenlieferungen. Auf diese Weise trägt die türkische Regierung zur weiteren
Militarisierung des innersyrischen Konfliktes bei und erschwert damit die
Verhandlungen über notwendige diplomatische Kompromisse. Bereits am
4. Oktober 2012 genehmigte das Parlament eine militärische Intervention in
Syrien. Sollte die türkische Regierung diesen Beschluss zur Grundlage
machen, um in Syrien militärisch zu intervenieren, so wäre dies ein eindeuti-
ger Bruch des Gewaltverbotes der UNO-Charta (Artikel 2) und des NATO-
Statuts (Artikel 1). Bereits mehrfach hat die Türkei eine Schutzzone für
Flüchtlinge, die faktisch auch eine Flugverbotszone wäre, entlang der tür-
kisch-syrischen Grenze vorgeschlagen. Eine solche Schutz- und Flugverbots-
zone ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates wäre völkerrechtswidrig und
würde zu einer weiteren Gewaltverschärfung und damit zu noch mehr Leid
in der syrischen Bevölkerung führen. Die Stationierung der Patriot-Systeme
wirkt in diesem Zusammenhang nicht deeskalierend, wie behauptet, sondern
konfliktverschärfend.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

keine Patriot-Luftabwehrraketen und damit einhergehend kein Bundeswehrper-
sonal in die Türkei zu verlegen.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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