BT-Drucksache 17/11839

Friedensdialog in Kolumbien aktiv unterstützen

Vom 12. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11839
17. Wahlperiode 12. 12. 2012

Antrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Inge Höger, Andrej
Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord, Paul Schäfer
(Köln), Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Friedensdialog in Kolumbien aktiv unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 17. Oktober 2012 begann in der norwegischen Hauptstadt Oslo die zweite
Etappe des Friedensdialogs zwischen der kolumbianischen Regierung und der
FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del
Pueblo) auf der Grundlage der „Allgemeinen Vereinbarung über die Beendigung
des Konflikts und den Aufbau eines stabilen und dauerhaften Friedens“, die un-
ter Vermittlung der Regierungen Norwegens und Kubas und begleitet durch die
Regierungen Chiles und Venezuelas am 27. August 2012 in Havanna/Kuba un-
terzeichnet worden war.

Damit besteht die Hoffnung, dass der seit einem halben Jahrhundert andauernde
bewaffnete Konflikt, der zahlloses Leid und mehr als 200 000 Opfer für die
kolumbianische Zivilbevölkerung bedeutet hat, endlich im Rahmen einer politi-
schen Lösung beigelegt werden kann.

Der Beginn der Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regie-
rung und der FARC-EP am 17.Oktober 2012 in Oslo ist zu begrüßen. Die Ver-
handlungen sind mit allen Kräften zu unterstützen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– sich im Rahmen der Europäischen Union für den Erfolg der Friedensver-
handlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP
einzusetzen;

– dafür einzutreten, dass Vertreterinnen und Vertreter von Opferverbänden,
Kleinbauernverbänden und anderen sozialen Organisationen der kolumbiani-
schen Gesellschaft an der Ausarbeitung des Friedensabkommens beteiligt
werden;
– dafür einzutreten, dass dem Recht der Opfer des internen bewaffneten kolum-
bianischen Konflikts auf Wahrheit, Wiedergutmachung, Gerechtigkeit und
Nichtwiederholung Geltung verschafft wird und dass es keine Amnestie für
Straftaten gegen die Menschlichkeit gibt;

– dafür einzutreten, dass auch die ELN (Ejército de Liberación Nacional) an
den Verhandlungen beteiligt wird, um eine umfassende Friedenslösung und
Beilegung aller bewaffneter Konflikte in Kolumbien zu erreichen;

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– anzuregen, dass die Streichung der FARC-EP und ELN von der „EU-Terror-
liste“ überprüft wird, schon um Verhandlungsreisen zu ermöglichen und zu
erleichtern;

– bei Gesprächen mit der kolumbianischen Regierung auf die Notwendigkeit
einer baldigen vorläufigen Vereinbarung hinzuweisen, die die allseitige Ein-
stellung der offensiven Operationen, die Bekanntgabe aller Minenstandorte,
die systematische Erfassung aller verschwundenen Personen durch die
Regierung und die Bekanntgabe der Identität der zivilen und militärischen
Personen durch die Guerillas, die in ihrer Gefangenschaft sind oder waren,
umfasst;

– sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit europäischer Unternehmen mit
paramilitärischen Strukturen in Kolumbien ausgeschlossen werden kann.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Nach fast 50 Jahren militärischer Auseinandersetzung mit vielen Toten und Ver-
treibungen setzen die Menschen in Kolumbien Hoffnung in einen neuen Frie-
densprozess. In der seit 1964 bestehenden Auseinandersetzung um die politisch-
militärische Macht gab es bisher drei gescheiterte Friedensprozesse. Mitte der
80er-Jahre wurde als Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Regierung
Belisario Betancur und der FARC-EP die legale politische Beteiligung der
FARC vereinbart. Daraufhin gründete sich die pluralistische und demokratische
Bewegung Union Patríotica, an der sich viele Kolumbianerinnen und Kolum-
bianer in der Hoffnung auf ein würdiges Leben, soziale Gerechtigkeit und das
Menschenrecht auf Frieden beteiligten.

Damals wie heute stieß der Friedensprozess auf den Widerstand von Kräften, die
sich, in Furcht um ihre Privilegien, der demokratischen, sozialen und kulturellen
Entwicklung entgegenstellten. Nach der Entstehung der Unión Patríotica wur-
den deren Mitglieder systematisch politisch verfolgt und 5 000 von ihnen ermor-
det. Auch heute besteht die Gefahr, dass der in Oslo beginnende Friedensdialog
von innen heraus zum Scheitern gebracht werden könnte. Eine breite Unterstüt-
zung des Friedensprozesses auf internationaler Ebene, insbesondere durch wirt-
schaftlich und politisch eng verbundene Partnerstaaten wie Deutschland, wäre
deshalb dringend notwendig.

Außerdem ist es wichtig, dass auch die zweitgrößte Guerillagruppe Kolumbiens,
die ELN, an den Verhandlungen beteiligt wird, die ihrerseits bereits öffentlich
Interesse bekundet hat. Ebenso wie die FARC-EP in früheren Stellungnahmen
betont die ELN die Notwendigkeit, „die Ursachen des Konflikts“ zu beseitigen.

Dem bewaffneten Konflikt in Kolumbien liegen auch soziale Ursachen, wie die
ungleiche Verteilung von Land und Einkommen, zugrunde, er war begleitet
durch massive Vertreibungen im Rahmen von großflächiger Landnahme. Soll
eine Friedenslösung dauerhaft Bestand haben, muss die deutsche und europä-
ische Politik vermeiden, durch ihre Handels- und Entwicklungspolitik einer wei-
teren Zuspitzung in der Verteilung ökonomischer Macht und Teilhabe Vorschub
zu leisten. In diesem Sinne muss das aktuelle Freihandelsabkommen zwischen
der EU, Kolumbien und Peru, das großflächige Plantagenwirtschaft zuunguns-

ten kleiner ländlicher Produzentinnen und Produzenten und die Produktion von

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11839

Exportgütern, wie Palmöl, zuungunsten der Nahrungsmittelproduktion fördert,
auf den Prüfstand gestellt werden.

Rechte paramilitärische Strukturen, die jahrelang im Auftrag von Großgrund-
besitzern gekämpft haben und sowohl mit der politischen Klasse als auch mit
dem Drogenhandel eng verbunden waren, stellen, trotz offizieller Demobilisie-
rung, weiterhin eine potenzielle Gefahr für den Friedensprozess dar. Vor dem
Hintergrund, dass Unternehmen aus den USA und der Schweiz mit paramilitä-
rischen Strukturen kooperierten, um gewerkschaftliche Arbeit in ihren kolum-
bianischen Fabriken zu behindern, muss die EU ausschließen, dass auch europä-
ische Konzerne in eine solche Kooperation verstrickt sind.

Nach aktuellen Berichten von Menschenrechtsorganisationen und Menschen-
rechtsverteidigerinnen und -verteidigern nehmen die Verfolgungen und Krimi-
nalisierung der sozialen Organisationen, die sich für den Frieden und eine
andere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung in Kolumbien ein-
setzen, zu. Ein abermaliges Scheitern des Friedensprozesses könnte die ohnehin
fortgeschrittene Militarisierung des Landes noch verstärken, verbunden mit
weiteren Vertreibungen und Verletzungen der Menschenrechte, und den seit
Jahrzehnten andauernden internen bewaffneten Konflikt weiter verschärfen.

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