BT-Drucksache 17/11821

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Vom 11. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11821
17. Wahlperiode 11. 12. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Dr. Dagmar Enkelmann, Jan Korte,
Agnes Alpers, Dr. Rosemarie Hein, Nicole Gohlke, Ulla Jelpke, Petra Pau,
Jens Petermann, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

A. Problem

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012
(2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11, 2 BvE 9/11) § 6 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2a des
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP am 29. Sep-
tember 2011 beschlossenen Bundeswahlgesetzes (BGBl. I S. 2313) für mit dem
Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt. Ebenso wurde § 6 Absatz 5 des
Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 für mit dem Grundgesetz unver-
einbar erklärt.

Die nächsten Bundestagswahlen könnten vor dem Hintergrund der Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichtes vom 3. Juli 2008 (BVerfGE 121, 266)
derzeit nur ohne gültiges Wahlrecht stattfinden. Dies ist ein für die Demokratie
unhaltbarer Zustand.

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. Juli 2012 hat es
ausgeführt: „Die Verteilung der Mandate auf die Parteien entsprechend dem
Verhältnis der Summen der Wählerstimmen darf im Grundsatz nicht dazu füh-
ren, dass die Sitzzahl einer Partei erwartungswidrig mit der auf diese oder eine
konkurrierende Partei entfallenden Stimmenzahl korreliert (Effekt des negati-
ven Stimmgewichts).“ Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
„Überhangmandate sind nur in eng begrenztem Umfang mit dem Charakter der
Wahl als Verhältniswahl vereinbar. Fallen sie regelmäßig in größerer Zahl an,
widerspricht dies der Grundentscheidung des Gesetzgebers. […] Vor diesem
Hintergrund sieht der Senat einen angemessenen Ausgleich zwischen dem An-
liegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses im
Bundestag und dem mit der Personenwahl verbundenen Belang uneinge-
schränkten Erhalts von Wahlkreismandaten dann nicht mehr für gewahrt an,
wenn die Zahl der Überhangmandate etwa die Hälfte der für die Bildung einer
Fraktion erforderlichen Zahl von Abgeordneten überschreitet.“
B. Lösung

Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richtes aus dem Urteil vom 25. Juli 2012 zum negativen Stimmgewicht und dem
Umgang mit Überhangmandaten erfolgt die Anrechnung von Direktmandaten
auf das Zweitstimmenergebnis einer Partei auf der Bundesebene (sog. Ober-
zuteilung). Soweit dennoch – im Ausnahmefall – Überhangmandate entstehen,

Drucksache 17/11821 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

erfolgt ein Ausgleich, der sich nach den auf der Bundesebene erzielten Zweit-
stimmenanteilen der Parteien richtet. Dieses Modell führt in der Regel zu keiner
Vergrößerung des Bundestages.

C. Alternativen

Es bestünde durch verschiedene andere Wahlverfahren die Möglichkeit, das
Problem des negativen Stimmgewichts und der Überhangmandate nach den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu regeln.

Das hier vorgelegte Modell führt ebenso wie das Modell der direktmandats-
orientierten Proporzanpassung (vgl. DVBl. 2012, 725 ff., sog. Pukelsheim-
III-Modell), welches Gegenstand der Allparteiengespräche zur Wahlrechts-
änderung war und zunächst von den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und SPD favorisiert wurde, nur in Ausnahmefällen zu einer Vergrößerung des
Bundestages. Es genügt den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes.

Ein Modell, nach dem zweistufig eine Sitzverteilung nach Sitzkontingenten der
Länder (entsprechend der Bevölkerungszahl) mit Ausgleich von Überhangman-
daten durch Vergrößerung der Gesamtzahl der Sitze erfolgt, hätte nach vorlie-
genden Berechnungen seit dem Jahr 1994 immer zu einer Vergrößerung des
Bundestages geführt.

D. Kosten

Die finanziellen Auswirkungen sind nicht genau bezifferbar.

ist, nicht berücksichtigt. der Parteien im Wahlgebiet zu gewährleisten (Aus-
(3) Die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze im
Sinne der nachfolgenden Vorschriften entspricht der in
§ 1 Absatz 1 Satz 1 genannten Zahl. Dies gilt nicht in
den in Absatz 2 genannten Fällen. In diesen Fällen ist die
Zahl der danach erfolgreichen Wahlbewerber zur Ermitt-

gleichsmandate).

(7) Erhält eine Partei, auf die mehr als die Hälfte aller
zu berücksichtigenden Zweitstimmen entfallen, nicht
mehr als die Hälfte aller Sitze, so werden ihr so viele
weitere Sitze zugeteilt, bis sie über eine absolute Sitz-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11821

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bundeswahlgesetzes

Das Bundeswahlgesetz in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 23. Juli 1993 (BGBl. I S. 1288, 1594), das zu-
letzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Die Angabe zu § 6 wird wie folgt gefasst:

„§ 6 Allgemeines zur Verteilung im Verhältnis-
wahlsystem“.

b) Die Angabe zu § 7 wird wie folgt gefasst:

㤠7 Zuteilung der Sitze an die Parteien auf Bun-
desebene (Oberzuteilung)“.

c) Nach der Angabe zu § 7 wird folgende Angabe ein-
gefügt:

㤠7a Zuteilung der Sitze an die Landeslisten der
Parteien (Unterzuteilung)“.

2. § 4 wird wie folgt gefasst:

㤠4

Stimmen

Die Wahlberechtigten haben zwei Stimmen, eine Erst-
stimme für die Wahl des Abgeordneten im Wahlkreis
nach den Wahlkreisvorschlägen und eine Zweitstimme
für die Wahl nach Landeslisten, die zugleich für das
Nachrücken bei Überhang- und Ausgleichsmandaten he-
ranzuziehen sind.“

3. § 6 wird wie folgt gefasst:

㤠6

Allgemeines zur Verteilung im Verhältniswahlsystem

(1) Die Sitze sind zunächst auf die Parteien (§ 7) und
sodann auf die Landeslisten der Parteien (§ 7a) zu vertei-
len.

(2) Bei der Berechnung werden die Zweitstimmen
derjenigen Wähler, die ihre Erststimme einem erfolgrei-
chen Wahlkreisbewerber im Sinne des § 20 Absatz 3
oder einem erfolgreichen Parteibewerber gegeben ha-
ben, für den in dem Land keine Landesliste zugelassen

(4) Soweit in den nachfolgenden Vorschriften eine
Rundung vorgesehen ist, werden Zahlenbruchteile unter
0,5 auf die darunter liegende ganze Zahl abgerundet,
Zahlenbruchteile über 0,5 auf die darüber liegende ganze
Zahl aufgerundet. Zahlenbruchteile, die gleich 0,5 sind,
werden so auf- oder abgerundet, dass die Gesamtzahl der
zu vergebenden Sitze eingehalten wird. Ergeben sich da-
bei mehrere Sitzzuteilungen, entscheidet das vom Bun-
deswahlleiter zu ziehende Los.“

4. Nach § 6 wird folgender § 7 eingefügt:

㤠7

Zuteilung der Sitze an die Parteien auf Bundesebene
(Oberzuteilung)

(1) Zwischen den Parteien erfolgt die Verteilung der
Sitze im Verhältnis der zu berücksichtigenden Zweit-
stimmen, die sie im Wahlgebiet erhalten haben.

(2) Hierzu werden alle zu berücksichtigenden Zweit-
stimmen durch die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze
geteilt (Bundesdivisor). Der Bundesdivisor gibt an, wie
viele Zweitstimmen notwendig sind, um nach dem Er-
gebnis der Zweitstimmen einen Sitz im Deutschen Bun-
destag zu erlangen.

(3) Anschließend werden für jede Partei die nach Ab-
satz 1 zu berücksichtigenden Zweitstimmen zusammen-
gezählt. Die Stimmensummen werden jeweils durch den
Bundesdivisor geteilt. Jedes Teilungsergebnis wird ge-
rundet.

(4) Entspricht die Summe der nach Absatz 3 für die
Parteien ermittelten Sitze nicht der Gesamtzahl der zu
vergebenden Sitze, ist der Bundesdivisor so herauf- oder
herabzusetzen, dass die Gesamtzahl der zu vergebenden
Sitze erreicht wird.

(5) Die so für jede Partei ermittelte Zahl ist die Zahl
der ihr zur Verfügung stehenden Sitze (Gesamtsitzzahl).

(6) In den Wahlkreisen errungene Sitze verbleiben ei-
ner Partei auch dann, wenn sie die nach Absatz 5 ermit-
telte Gesamtsitzzahl dieser Partei übersteigen (Über-
hangmandate). In diesem Falle erhöht sich die Gesamt-
zahl der Sitze nach § 1 Absatz 1 um so viele Sitze, wie
erforderlich sind, um unter Einbeziehung der Überhang-
mandate die Sitzverteilung im gesamten Wahlgebiet
nach dem Verhältnis der gesamten Zweitstimmenzahl
lung der Gesamtzahl von der in § 1 Absatz 1 Satz 1 ge-
nannten Zahl abzuziehen.

mehrheit verfügt. Die Verteilung unter den anderen Par-
teien findet ohne Berücksichtigung dieser Sitze statt.“

Drucksache 17/11821 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Nach § 7 wird folgender § 7a eingefügt:

㤠7a

Zuteilung der Sitze an die Landeslisten der Parteien
(Unterzuteilung)

(1) Die Verteilung der Sitze, die einer Partei nach § 7
zustehen, auf deren Landeslisten erfolgt nach dem Ver-
hältnis der Zweistimmenergebnisse dieser Listen.

(2) Hierzu wird die Summe der zu berücksichtigenden
Zweitstimmen, die eine Partei im Wahlgebiet errungen
hat, durch die für diese Partei nach § 7 Absatz 1 bis 4

gesetzt werden, dass die Zahl der dieser Partei zustehen-
den Sitze unter Berücksichtigung der zu ihren Gunsten
errungenen Direktmandate der für diese Partei ermittel-
ten Gesamtsitzzahl (§ 7 Absatz 5) entspricht. Absatz 6
gilt entsprechend.

(8) Im Falle des § 7 Absatz 6 erfolgt die Zuteilung der
auf Bundesebene anfallenden Ausgleichsmandate an die
Landeslisten entsprechend dem Verfahren nach den Ab-
sätzen 2 bis 4.“

6. In § 46 Absatz 2 wird die Angabe „§ 6 Abs. 4 Satz 3“
durch die Wörter „§ 7a Absatz 6 Satz 2“ ersetzt.
und 7 bestimmte Gesamtzahl der ihr zustehenden Sitze
geteilt (Parteidivisor). Der Parteidivisor gibt jeweils an,
wie viele Zweitstimmen eine Partei benötigt, um nach
dem Ergebnis ihrer Zweistimmen einen Sitz im Deut-
schen Bundestag zu erlangen.

(3) Anschließend werden die zu berücksichtigenden
Zweistimmen einer Partei in jedem Land zusammenge-
zählt. Die Stimmensummen werden jeweils durch den
für diese Partei ermittelten Parteidivisor (Absatz 2) ge-
teilt. Jedes Teilungsergebnis wird gerundet. Das so er-
mittelte Ergebnis gibt vorbehaltlich der Absätze 4 bis 7
die Zahl der Mandate an, die eine Partei in einem Land
insgesamt errungen hat.

(4) Entspricht die Summe der nach Absatz 3 ermittel-
ten Sitze einer Partei in allen Ländern nicht der für die
betreffende Partei nach § 7 Absatz 1 bis 4 errechneten
Gesamtzahl, ist der Parteidivisor so herauf- und herabzu-
setzen, dass die Gesamtsitzzahl erreicht wird.

(5) Vor der nach den vorstehenden Absätzen für die
Landesliste einer Partei ermittelten Abgeordnetenzahl
wird die Zahl der von der betreffenden Partei in den
Wahlkreisen des betreffenden Landes errungenen Man-
date abgezogen (Sitzzahl einer Landesliste).

(6) Verbleiben nach der Berechnung gemäß Absatz 5
Sitze, so werden diese aus der Landesliste in der dort
festgelegten Reihenfolge besetzt. Bewerber, die in einem
Wahlkreis gewählt sind, werden dabei nicht berücksich-
tigt. Ist die Liste erschöpft, so wird der Sitz aus der Lan-
desliste besetzt, auf die er bei erneuter Anwendung der
Absätze 2 bis 4 entfällt. Sind alle Landeslisten dieser
Partei erschöpft, so bleibt der Sitz unbesetzt.

(7) Ergibt sich bei der Berechnung gemäß Absatz 5
eine negative Zahl, so muss der Parteidivisor so herauf-

7. § 48 Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Wenn ein gewählter Bewerber stirbt oder dem
Landeswahlleiter schriftlich die Ablehnung des Erwerbs
der Mitgliedschaft erklärt oder wenn ein Abgeordneter
stirbt oder sonst nachträglich aus dem Deutschen Bun-
destag ausscheidet, so wird der Sitz aus der Landesliste
derjenigen Partei besetzt, für die der gewählte Bewerber
oder ausgeschiedene Abgeordnete bei der Wahl aufge-
treten ist. Dies gilt auch für Überhang- und Ausgleichs-
mandate. Wurde der gewählte Bewerber oder ausge-
schiedene Abgeordnete über eine Landesliste gewählt,
wird der Sitz aus der Landesliste besetzt, auf die er bei
erneuter Anwendung von § 7a Absatz 2 bis 7 entfällt.
Bei der Nachfolge bleiben diejenigen Listenbewerber
unberücksichtigt, die seit dem Zeitpunkt der Aufstellung
der Landesliste aus der Partei ausgeschieden oder Mit-
glied einer anderen Partei geworden sind. Unberücksich-
tigt bleiben ebenso Listenbewerber, die als gewählte Be-
werber im Wahlkreis den Erwerb der Mitgliedschaft ab-
gelehnt oder später auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag verzichtet haben. Ist die Liste erschöpft, so
wird der Sitz aus der Landesliste besetzt, auf die er bei
erneuter Anwendung von § 7a Absatz 2 bis 4 entfällt.
Sind alle Landeslisten dieser Partei erschöpft, so bleibt
der Sitz unbesetzt. Die Feststellung, wer als Listennach-
folger eintritt, trifft der Bundeswahlleiter. Er benachrich-
tigt den Listennachfolger und fordert ihn auf, binnen ei-
ner Woche schriftlich zu erklären, ob er die Nachfolge
annimmt.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 11. Dezember 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

teln. Berechnung nach dem Divisorverfahren mit Standardrun-

Absatz 2 regelt die Nichtberücksichtigung von Zweitstim-
men von erfolgreichen Einzelbewerberinnen und -bewer-
bern um Direktmandate sowie von erfolgreichen Parteien-

dungen nach Sainte-Laguë/Schepers verwendet wird, heißt
hier Parteidivisor. Die nach der Berechnung für ein Bundes-
land ermittelte Zahl gibt die Anzahl der nach dem Zweit-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11821

Begründung

A. Allgemeines

Das Bundesverfassungsgericht hat das vom Bundestag am
29. September 2011 beschlossene Wahlrecht für mit dem
Grundgesetz unvereinbar erklärt. Die nächste Bundestags-
wahl kann deshalb derzeit nicht mit einem gültigen Wahl-
recht durchgeführt werden.

Nachdem Allparteiengespräche zur Änderung des Wahl-
rechts stattgefunden haben, haben sich die Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf ein
Wahlrecht verständigt, welches nach vorliegenden Berech-
nungen seit dem Jahr 1994 immer zu einer Vergrößerung
des Bundestages geführt hätte.

Der vorliegende Gesetzentwurf hingegen hätte nach vorlie-
genden Berechnungen lediglich im Jahr 2009 zu einer Ver-
größerung des Bundestages geführt. Er erfüllt die Kriterien
des Bundesverfassungsgerichtes hinsichtlich des negativen
Stimmgewichts, welches nicht auftritt, und diejenigen zu
den Überhangmandaten. Er ist mithin eine verfassungsge-
mäße Alternative, die den Steuerzahler und die Steuerzahle-
rin nicht zusätzlich belastet.

Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf werden zunächst im
Rahmen der sog. Oberverteilung die von einer Partei bun-
desweit errungenen Direktmandate von den dieser Partei zu-
stehenden Gesamtmandaten abgezogen. Danach erfolgt im
Rahmen der Unterverteilung die Zuordnung der einer Partei
zustehenden Mandate auf die Landeslisten. Im Regelfall
entstehen keine Überhangmandate. Soweit Ausnahmsweise
doch Überhangmandate entstehen, werden diese ausgegli-
chen.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundeswahlgesetzes)

Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung.

Zu Nummer 2 (Änderung des § 4)

Durch die Änderung wird klargestellt, dass das Zweitstim-
menergebnis auch für das Nachrücken bei Überhang- und
Ausgleichsmandaten heranzuziehen ist.

Zu Nummer 3 (Änderung des § 6)

§ 6 stellt allgemeine Regelungen über die Verteilung im
Verhältniswahlsystem auf. Mit der Neuregelung entfällt die
5-Prozent-Hürde.

Nach Absatz 1 sind die Sitze nach dem Ergebnis der Zweit-
stimmen zunächst auf Bundesebene (Oberzuteilung) und
anschließend auf Landesebene (Unterzuteilung) zu ermit-

währleistet, dass alle Stimmen die gleichen Erfolgschancen
haben.

Absatz 3 legt durch Verweisung auf § 1 Absatz 1 Satz 1 die
Gesamtzahl der Sitze auf 598 fest, vermindert diese aber in
den Fällen des Absatzes 2.

Absatz 4 enthält die Rundungsregelungen für das zur An-
wendung kommende Divisorverfahren mit Standardrundun-
gen nach Sainte-Laguë/Schepers. Die Rundungsregelungen
gelten für die §§ 7 und 7a.

Zu Nummer 4 (§ 7 – neu)

Die Vorschrift gibt vor, wie die Berechnung der einer Partei
nach ihrem Zweitstimmenergebnis auf Bundesebene insge-
samt zustehenden Sitze erfolgt (Oberverteilung). Grund-
sätzlich werden 598 Sitze verteilt. Die Neuregelung geht da-
von aus, dass die Landeslisten einer Partei verbunden sind.

Absatz 1 verweist darauf, dass die Verteilung nach dem Ver-
hältnis der Zweitstimmen erfolgt.

Die Absätze 2 bis 4 enthalten die Berechnungsschritte nach
dem Divisorverfahren mit Standardrundungen nach Sainte-
Laguë/Schepers. In Abgrenzung zur Unterzuteilung wird
der Divisor hierbei als Bundesdivisor bezeichnet. Aufgrund
der Teilung der Stimmensummen für jede Partei durch den
Bundesdivisor und der anschließenden Anwendung der
Rundungsregelungen ist es möglich, dass die Summe der
für die einzelnen Parteien ermittelten Sitze nicht der Anzahl
der zu vergebenden Sitze entspricht. In solchen Fällen ist
der Bundesdivisor so anzupassen, dass die zu vergebende
Sitzzahl erreicht wird.

Absatz 6 regelt den seltenen Fall, dass nach der Berechnung
nach § 7 einer Partei weniger Sitze zustehen würden, als sie
Direktmandate gewonnen hat. Dies könnte insbesondere die
CSU betreffen. Die Differenz zwischen Direktmandaten
und Listenmandaten sind die Überhangmandate. Für diesen
seltenen Fall schlägt der Gesetzentwurf vor, die Anzahl der
Sitze um so viele zu erhöhen, wie erforderlich sind um unter
Einbeziehung der erzielten Überhangmandate das Verhält-
nis nach dem Zweistimmenanteil der Parteien auf der Bun-
desebene zu gewährleisten. Mithin sieht der Gesetzentwurf
Ausgleichsmandate vor.

Absatz 7 enthält die Mehrheitsklausel, die schon im gelten-
den Wahlrecht existiert.

Zu Nummer 5 (§ 7a – neu)

§ 7a regelt die Zuteilung der von einer Partei auf Bundes-
ebene insgesamt zustehenden Sitze auf die Länder. Er stellt
klar, dass die Verteilung anhand der Verhältnisse der Zweit-
stimmen der Partei in einem Land zu den Zweitstimmen der
Partei insgesamt erfolgt. Der Zuteilungsdivisor, der für die
bewerberinnen und -bewerbern um Direktmandate, für die
keine Landesliste zugelassen ist. Mit der Regelung wird ge-

stimmenergebnis berechneten, der betreffenden Partei in
diesem Bundesland insgesamt zustehenden Mandate an.

Drucksache 17/11821 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Unter Umständen muss aufgrund der Rundungsergebnisse
der Parteidivisor so angepasst werden, dass die Summe der
für die Länder errechneten Sitzzahlen der für die Bundes-
ebene ermittelten Gesamtsitzzahl der betreffenden Partei
wieder entspricht. Von der für eine Partei in einem Bundes-
land ermittelten Sitzzahl werden die für diese Partei in die-
sem Bundesland errungenen Direktmandate abgezogen. Ist
die Summe der Direktmandate kleiner als die errechnete
Sitzzahl, wird die Differenz aus der Landesliste besetzt.
Soweit keine Differenz besteht, erhält kein Listenbewerber
einen Sitz. Ist die Differenz kleiner als null – es wurden also
mehr Direktmandate erzielt als der betreffenden Partei in
dem Bundesland nach dem Ergebnis der Zweistimmen
eigentlich zustehen würde (sogenannter interner Überhang),
bleiben diese Direktmandate erhalten. Sie werden aber bei
der Berechnung der Gesamtsitzzahl nach § 7 Absatz 5 be-
rücksichtigt, ohne die Gesamtsitzzahl zu vergrößern. Für die
Berechnung sind somit die internen Überhänge von der Ge-
samtzahl abzuziehen. An die so errechnete Zahl ist die
Summe der der betreffenden Partei in allen Ländern zuste-
henden Sitzzahl anzupassen. Dies geschieht durch Herauf-
setzen des Parteidivisors. Bei der Besetzung aus den Lan-
deslisten kommt grundsätzlich derjenige Kandidat bzw. die-
jenige Kandidatin aus der Liste der betreffenden Partei in
dem betreffenden Land zum Zuge. Dies gilt nicht, wenn die
betreffende Liste erschöpft ist. Für diesen Fall wird auf die
Landesliste zurückgegriffen, die als nächste einen Anspruch

nach dem Verfahren der Absätze 2 bis 4 auf die Landeslisten
verteilt werden.

Zu Nummer 6 (Änderung des § 46)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.

Zu Nummer 7 (Änderung des § 48)

Es handelt sich im Wesentlichen um eine Folgeänderung.
Problematisch sind in Nachrücksituationen ausgeschiedene
Direktkandidaten, die einen Platz aufgrund des internen
Überhangs erhalten haben. Denn diesen Sitz musste eine an-
dere Landesliste bei der ursprünglichen Sitzverteilung abge-
ben. Für derartige Fälle wählt die Regelung den Weg, dass
eine neue Berechnung nach § 7a BWahlG (vgl. Nummer 4)
durchgeführt und dabei berücksichtigt wird, dass der interne
Überhang insoweit weggefallen ist. Der frei gewordene Sitz
wird also dergestalt besetzt, wie er – nach dem Zweistimmen-
ergebnis – besetzt worden wäre, hätte es die Anerkennung
des internen Überhangs insoweit nicht gegeben. Von der
Neufassung des § 48 Absatz 1 BWahlG erfasst ist ferner auch
das Nachrücken in Mandate aus externem Überhang. Dies ist
möglich, weil aufgrund der Kompensation von Überhang-
mandaten durch Ausgleichsmandate auch solche Überhang-
mandate letztlich von dem Zweitstimmenergebnis getragen
werden. Da es hierbei auch zu länderübergreifenden Verän-
auf einen Sitz hätte. Erst nach Erschöpfung aller Landes-
listen bleibt der Sitz unbesetzt.

In § 7a Absatz 8 wird festgehalten, dass die auf Bundes-
ebene in seltenen Fällen entstehenden Ausgleichsmandate

derungen kommen kann, ist für die Feststellung, wer Listen-
nachfolger ist, der Bundeswahlleiter zuständig.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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