BT-Drucksache 17/11483

Geplante Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke Tihange 1 (Belgien) und Borssele (Niederlande)

Vom 13. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11483
17. Wahlperiode 13. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bettina Herlitzius, Oliver Krischer,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sven-Christian Kindler, Undine Kurth
(Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner,
Britta Haßelmann und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geplante Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke Tihange 1 (Belgien)
und Borssele (Niederlande)

Im Sommer 2012 beschloss die belgische Regierung im Zuge eines Konzepts für
die zukünftige Energieversorgung Belgiens eine zehnjährige Laufzeitverlänge-
rung für Tihange 1, den zweitältesten Reaktor des Landes. Dieser Beschluss ist
nicht nur aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller höchst bedenklich, er
trifft laut Medienberichten sogar auf den Widerstand des Betreibers (vgl. AFP-
Meldung „Belgische Regierung könnte Atommeiler notfalls ,beschlagnahmen‘“
vom 5. Juli 2012).

Bezüglich der beschlossenen Abschaltverschiebung von 2015 auf 2025 ist der-
zeit noch unklar, welchen grenzüberschreitenden Bekanntmachungen, Prüfun-
gen und Beteiligungen sie zu unterziehen ist. Hierfür wäre laut Bundesregie-
rung beispielsweise zu klären, ob es sich bei dem o. g. Konzept nach belgischer
Rechtslage um einen Plan oder ein Programm im Sinne der Richtlinie 2001/42/
EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Pro-
gramme (SUP-Richtlinie) oder des UN-ECE-Protokolls vom 21. Mai 2003 über
die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die Umweltver-
träglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (SEA-Protokoll) oder
um eine nationale Politik handelt. Ferner wäre zu klären, ob die Genehmigung
des Atomkraftwerks (AKW) Tihange 1 befristet war oder durch eine nachträg-
liche Änderung befristet wurde.1

Unabhängig von diesem belgischen Beschluss bereitet die niederländische
Regierung gerade eine zwanzigjährige Laufzeitverlängerung des letzten noch
betriebenen Atomkraftwerks des Landes vor. Auf den Webseiten des nieder-
ländischen Ministeriums für Wirtschaft, Landwirtschaft und Innovation findet
sich der Entwurf eines Erlasses zur Laufzeitverlängerung von Borssele bis zum
Jahr 2033 sowie der Hinweis, dass es am 7. November 2012 hierzu eine
Informationsveranstaltung im Kongresszentrum „De Stenge“ in Heinkenszand
gegeben haben soll und bis 5. Dezember 2012 eine Art Stellungnahmefrist läuft

(vgl. www.rijksoverheid.nl/documenten-en-publicaties/besluiten/2012/10/24/
ontwerpbesluit- verlenging-bedrijfsduur-kerncentrale-borssele.html und
www.rijksoverheid.nl/documenten-en- publicaties/vergunningen/2012/10/24/
inspraak-verlenging-bedrijfsduur-kerncentrale-borssele.html). Die genaueren Um-

1 Auskunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gegenüber
dem Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags im Sommer 2012.

Drucksache 17/11483 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

stände und der rechtliche Gehalt der Veranstaltung und der Frist sind jedoch
unklar, da es keine deutschsprachigen Erläuterungen dazu gibt.

Nun stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse der Bundesregierung im Zusam-
menhang mit diesen beiden geplanten Laufzeitverlängerungen vorliegen und
was sie unternommen hat, um entsprechende Erkenntnisse zu erlangen und die
deutsche Öffentlichkeit zu informieren. Dem soll hier nachgegangen werden.
Auch, um die deutsche Öffentlichkeit etwas besser zu informieren, denn die
Webseiten der Bundesregierung sind hierzu bislang wenig hilfreich.

Wir fragen die Bundesregierung:

Belgien, AKW Tihange 1

1. Ist es korrekt, dass es mit Belgien kein bilaterales Abkommen für eine Nuk-
learsicherheitskommission gibt, und falls ja, warum nicht?

2. Hat die Bundesregierung versucht, ein solches Abkommen mit Belgien zu
schließen?

Falls ja, (jeweils) wann, und mit welchem Ergebnis?

Falls nein, warum nicht?

3. Welche anderen Formen bilateraler Zusammenarbeit pflegt die Bundesregie-
rung auf dem Gebiet der Nuklearsicherheit und des Strahlenschutzes mit
Belgien?

4. Handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei dem in der Vorbe-
merkung der Fragesteller genannten Konzept vom 4. Juli 2012 nach belgi-
scher Rechtslage um einen Plan oder ein Programm im Sinne der Richtlinie
2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne
und Programme (SUP-Richtlinie) oder des UN-ECE-Protokolls vom 21. Mai
2003 über die strategische Umweltprüfung zum Übereinkommen über die
Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (SEA-
Protokoll) oder um eine nationale Politik (bitte mit Begründung)?

5. Welche Schritte hat die Bundesregierung in diesem Jahr wann genau (bitte
mit Datum) unternommen, um Informationen und Auskünfte im Zusammen-
hang mit der vorangegangenen Frage von belgischen Behörden zu erhalten,
oder, falls sie hierzu bislang nicht in Kontakt mit belgischen Behörden getre-
ten ist, warum nicht?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob die Genehmigung
von Tihange 1 befristet war oder sie durch eine nachträgliche Änderung be-
fristet wurde?

7. Welche Schritte hat die Bundesregierung in diesem Jahr wann genau (bitte
mit Datum) unternommen, um Informationen und Auskünfte im Zusammen-
hang mit der vorangegangenen Frage von belgischen Behörden zu erhalten,
oder, falls sie hierzu bislang nicht in Kontakt mit belgischen Behörden getre-
ten ist, warum nicht?

8. Welche grenzüberschreitenden Informationen, Prüfungen und Beteiligungen
ergeben sich nach jetzigem Erkenntnisstand der Bundesregierung bezüglich
der geplanten Laufzeitverlängerung für Tihange 1 und jeweils für wen (Bun-
des-/Landesbehörden, Öffentlichkeit) und wann?

9. Welche schriftlichen Informationen wurden welchen Bundesbehörden in
diesem Jahr im Zusammenhang mit einer Laufzeitverlängerung des belgi-
schen AKW Tihange 1 wann genau von belgischen Behörden übermittelt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11483

Niederlande, AKW Borssele

10. Ist die geplante Laufzeitverlängerung des niederländischen AKW Borssele
auf das Jahr 2033 nach Kenntnis der Bundesregierung ein umweltverträg-
lichkeitsprüfungspflichtiges (UVP-pflichtiges) Vorhaben?

11. Falls ja, ist dafür nach Kenntnis der Bundesregierung auch eine grenzüber-
schreitende Öffentlichkeitsbeteiligung vorzusehen?

12. Ergibt sich nach Kenntnis der Bundesregierung eine Beteiligung bzw.
Beteiligungsmöglichkeit – z. B. in Form einer Stellungnahme oder Anhö-
rung – der Bundesrepublik Deutschland oder der deutschen Öffentlichkeit
aus anderen Rechtsvorschriften (ggf. bitte aus welchen Vorschriften inwie-
fern darstellen)?

13. Welche Schritte hat die Bundesregierung in diesem Jahr wann genau (bitte
mit Datum) unternommen, um Informationen und Auskünfte im Zusam-
menhang mit den drei vorangegangenen Fragen von niederländischen Be-
hörden zu erhalten, oder, falls sie hierzu bislang nicht mit den niederländi-
schen Behörden in Kontakt getreten ist, warum nicht?

14. Welche schriftlichen Informationen wurden welchen Bundesbehörden in
diesem Jahr im Zusammenhang mit einer Laufzeitverlängerung des nieder-
ländischen AKW Borssele wann genau von niederländischen Behörden
übermittelt?

15. Wann genau (bitte mit Datum) und wo fand die letzte Sitzung der Deutsch-
Niederländischen Nuklearsicherheitskommission NDKK statt, und wann
genau (bitte mit Datum), und wo findet die nächste Sitzung der NDKK
statt?

Welche Fragen und Aspekte im direkten oder indirekten Zusammenhang
mit der Laufzeit von Borssele wurden auf dieser letzten NDKK-Sitzung be-
reits behandelt und mit jeweils welchem Ergebnis?

Welche derartigen Fragen und Aspekte sollen auf der kommenden NDKK-
Sitzung behandelt werden?

16. Welche offiziellen deutschsprachigen Unterlagen im Zusammenhang mit
der Laufzeitverlängerung von Borssele existieren nach Kenntnis der Bun-
desregierung bislang, und seit wann liegen sie der Bundesregierung jeweils
vor?

17. Ist das niederländische Verfahren aus Sicht der Bundesregierung bislang in
jeder Hinsicht definitiv und in vollem Umfang konform zu EU-weiten und
internationalen Regelungen für grenzüberschreitende Prüfungen und Betei-
ligungen?

Falls nein, in welcher Hinsicht nicht, und welche konkreten Konsequenzen
zieht die Bundesregierung daraus?

Berlin, den 13. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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