BT-Drucksache 17/11407

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10038, 17/10251, 17/11395 - Entwurf eines Gesetzes zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz)

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11407
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Harald Koch, Dr. Barbara Höll, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10038, 17/10251, 17/11395 –

Entwurf eines Gesetzes zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012
zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen
für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung
(EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Branche der Lebensversicherungsunternehmen hat ihre Gewinne in den
vergangenen zehn Jahren von 9 Mrd. Euro auf 12 Mrd. Euro steigern können
(DIE ZEIT, 9. August 2012). Zugelegt haben die Unternehmen beispielsweise
bei den Risikogewinnen. Das sind die Gelder, die auf der Grundlage der Kalku-
lation der Lebenserwartung der Kundinnen und Kunden erzielt werden und den
Unternehmen Beträge in Höhe von rund 6,5 Mrd. Euro einbrachten. Doch trotz
der soliden Ertragslage beklagen Versicherer schwere Zeiten. Für erheblichen
Druck sorgen die niedrigen Zinsen an den Finanzmärkten. Sofern die Niedrig-
zinsphase länger anhält, wird es für die Versicherungsunternehmen künftig
schwieriger, die Kundengelder gewinnbringend anzulegen.

Die Bundesregierung reagiert auf diese wirtschaftlich schwierige Situation im
Rahmen der Regelungen des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Versicherungs-
aufsichtsgesetzes (Bundestagsdrucksache 17/9342), die dem Gesetzentwurf eines
SEPA-Begleitgesetzes teilweise angefügt sind, im Interesse der Versicherungs-
wirtschaft. Die Änderungen im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) gehen zu
Lasten der Versicherungsnehmer und kommen einem massiven Eingriff in er-
worbene Ansprüche gleich. Vorgesehen sind die Herabsetzung der Beteiligung
an den Bewertungsreserven sowie die Herabsetzung weiterer Teile der Über-
schussbeteiligung. Eine verbindliche Verteilung der freien, ungebundenen Rück-
stellungen für Beitragsrückerstattung (freie RfB) an die Versicherten ist jedoch
immer noch nicht vorgesehen. Freie Mittel der RfB sind neben der laufenden

Überschussbeteiligung und dem Schlussüberschussanteilfonds die Bestandteile
der gesamten Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen, die aus dem Roh-
überschuss entsprechend der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) den
Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zufließen. Der Überzins aus dem
Kapitalanlageergebnis, das Risikoergebnis und das Kostenergebnis sowie sons-
tige Ergebnisse bilden diesen Rohüberschuss.

Drucksache 17/11407 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bewertungsreserven ergeben sich dagegen aus der Differenz zwischen den
nach dem Niederstwertprinzip angesetzten Buchwerten und den höheren
Marktwerten von Kapitalanlagen (Zeitwert). An sich werden sie erst durch Ver-
äußerung der Kapitalanlagen realisiert, sollen aber auch vor der Veräußerung
den Kunden zugutekommen. Die Berechnung der Bewertungsreserven und
deren Zuordnung erfolgt jährlich. Zum Vertragsende werden die Bewertungs-
reserven zu 50 Prozent zugeteilt, wobei die letzte Wertberechnung durch den
Versicherer relevant ist.

Mit der Neuregelung sollen die Versicherten abhängig von der jeweiligen Um-
laufrendite nur noch Anspruch auf bestimmte Teile der Bewertungsreserven aus
festverzinslichen Wertpapieren haben. Für alle Verträge im Bestand eines Un-
ternehmens, bei denen der Rechnungszins oberhalb der Umlaufrendite zum
Zeitpunkt der Berechnung der Bewertungsreserven liegt, soll die Beteiligung
an den Bewertungsreserven ausgeschlossen werden. Eine solche Regelung
schafft Versicherern die Möglichkeit, die Überschussansprüche insbesondere
ausscheidender Altkunden zu reduzieren und möglichst viel von den Bewer-
tungsreserven aus den festverzinslichen Wertpapieren einzuhalten, um weniger
Nachreservierungen vornehmen zu müssen. In der Praxis wird damit das Ge-
schäftsmodell der Versicherer auf dem Rücken der bereits Versicherten, aber
auch zum Nachteil derjenigen, die einen Vertrag kündigen, gestützt. Zugleich
wird es den Versicherungsunternehmen ermöglicht, das lahmende Neugeschäft
anzukurbeln, indem potenziellen Neukunden wieder renditestarke Angebote
auf Basis gerade dieser Bewertungsreserven gemacht werden. Versicherer kön-
nen hierdurch „die Ansprüche aus bestehenden Verträgen reduzieren, um dafür
künftigen Kunden mehr versprechen zu können“, stellt der Ökonomieprofessor
Dr. Dieter Rückle heraus (Stiftung Warentest, Finanztest, 05/2012).

Begründet wird die Begrenzung der Beteiligung an den Bewertungsreserven
mit der Notwendigkeit, die Risikotragfähigkeit der Versicherer zu stärken. Es
werden zudem präventive Regelungen geschaffen, die es Versicherern erlau-
ben, auf noch nicht gut geschriebene Überschussanteile sowie auf die Beteili-
gung an den Bewertungsreserven zurückgreifen zu können, um im Notfall die
Solvabilität (Zahlungsfähigkeit) des Unternehmens zu sichern.

Allerdings besteht für die geplanten Notfallmaßnahmen keine zwingende Not-
wendigkeit. Um auf ungünstige Marktlagen zu reagieren und insbesondere eine
Gefährdung der dauernden Erfüllbarkeit der sich aus den Versicherungsverträ-
gen ergebenden Verpflichtungen auszuschließen, hat der Gesetzgeber bereits
vorgesorgt. So kann der Versicherer beispielsweise den Rückkaufswert nach
§ 169 Absatz 6 des Versicherungsvertragsgesetzes angemessen herabsetzen.
Diese Herabsetzung ist jeweils auf ein Jahr befristet. Für den Fall, dass ein ein-
zelnes Unternehmen in die Schieflage gerät, gibt es weitere Sicherungsmaßnah-
men. In diesem Fall kann die Beteiligung an den Bewertungsreserven schon jetzt
ganz unterbleiben, insofern die Bewertungsreserven benötigt werden, um das er-
forderliche Eigenkapital aufzuweisen (§ 53c VAG). Dies setzt aber einen kon-
kreten Missstand im betreffenden Unternehmen voraus und ist keine präventive
Maßnahme für alle Unternehmen, wie es die geplante Änderung des § 56a VAG
jetzt vorsieht.

Darüber hinaus ist mit den vorgesehenen Änderungsmaßnahmen eine weitere
Verschärfung der ohnehin intransparenten Regelungen zur Überschussbeteili-
gung verbunden. Wie Stiftung Warentest, Finanztest im Mai dieses Jahres in
einer Leserbefragung feststellte, wurden lediglich knapp die Hälfte der Ver-
sicherungskunden überhaupt eindeutig an den Bewertungsreserven beteiligt, in
53 Prozent aller Fälle war dagegen unklar, ob ein Teil der Auszahlungssumme
aus Bewertungsreserven resultiert (Stiftung Warentest, Finanztest 05/2012).

Hier nachzubessern, wird grundlegend versäumt. So wäre es zielführend, nicht
nur eine Regelung zu schaffen, ab welchem Höchstbetrag eine Ausschüttung der

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in der freien RfB geparkten Mittel auf die Verträge erfolgt, sondern auch wie die
Beteiligung noch nicht gutgeschriebener Überschüsse im Fall einer vorzeitigen
Vertragskündigung zu erfolgen hat. Seit Jahren besteht das Problem, dass Ver-
sicherungsunternehmen Mittel der freien RfB zurückhalten, weil sie als unbelas-
tete Eigenmittel angerechnet werden können.

Die Risikotragfähigkeit der Versicherer einseitig durch die Herabsetzung von
Ansprüchen der Versicherungsnehmer zu finanzieren, geht zu Lasten der Ver-
braucherinnen und Verbraucher und ist deshalb abzulehnen. Als Ausgleich für
den Verzicht auf einen Teil der Bewertungsreserven sollten Versicherungsneh-
mer wenigstens an den kapitalmarktunabhängigen Gewinnen, insbesondere den
Risiko- und Kostengewinnen, stärker beteiligt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Die Beteiligung der Versicherungsnehmer am gesamten Rohüberschuss ist
auf insgesamt 90 Prozent anzuheben. Hierfür muss die Mindestzuführungs-
verordnung entsprechend geändert werden.

2. Ebenfalls muss die Mindestzuführungsverordnung zur Schaffung einer ver-
bindlichen Beteiligung an den freien RfB und dem Schlussüberschussanteil-
fonds von mindestens 50 Prozent entsprechend ergänzt werden.

3. In diesem Sinne ist auch das Versicherungsvertragsgesetz anzupassen.

Berlin, den 6. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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