BT-Drucksache 17/10966

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: drittes Quartal 2012)

Vom 11. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10966
17. Wahlperiode 11. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat,
Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln),
Frank Tempel, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: drittes Quartal 2012)

Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten entwickeln sich
immer mehr zu einem Mittel deutscher und EU-Außenpolitik. Die Militärdok-
trin der Europäischen Union (EU), die Europäische Sicherheitsstrategie, sieht
ausdrücklich den kombinierten Einsatz militärischer und ziviler (das heißt auch
polizeilicher) Mittel vor, um „einen besonderen Mehrwert“ zu erzielen. Diese
Entwicklung ist aus mehreren Gründen besorgniserregend.

So leistet sie der Vermischung von polizeilichen und militärischen Zuständig-
keiten Vorschub. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär drohen zu ver-
schwimmen. Das gilt umso mehr, als gerade bei Einsätzen in Kriegs- und
Krisengebieten, Polizisten immer wieder in lebensbedrohliche Situationen kom-
men. Diese Situationen dienen dann wiederum als Legitimation für eine Aufrüs-
tung der Polizei bis hin zu Überlegungen, schwerbewaffnete Einheiten der Bun-
despolizei speziell für Auslandseinsätze aufzustellen.

Hinzu kommt, dass für polizeiliche Auslandseinsätze keinerlei parlamentarische
Zustimmung erforderlich ist. Je nach Rechtsgrundlage ist noch nicht einmal die
Information des Deutschen Bundestages vorgeschrieben. Damit wird ein wich-
tiger Bereich der Außenpolitik der parlamentarischen Kontrolle entzogen.
Bedenklich ist dies vor allem wegen der gerade bei Einsätzen in Kriegs- und
Krisengebieten stets vorhandenen Eskalationsgefahr. Bei Einsätzen aufgrund
des § 65 des Bundespolizeigesetzes (BPolG) hat der Deutsche Bundestag nicht
einmal ein verbrieftes Rückholrecht. Ähnliches gilt für Einsätze von Zollbeam-
tinnen und Zollbeamten.

Schließlich gewinnen internationale Einsätze innerhalb der EU zunehmend an
Bedeutung. Einsätze ausländischer Polizisten in Deutschland sowie deutscher
Polizisten im (EU-)Ausland auf der Grundlage des Prümer Vertrages oder bila-
teraler Abkommen unterliegen ebenfalls keiner parlamentarischen Kontrolle.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen Missionen auf Grundlage von § 8 Absatz 1 BPolG sind deutsche
Polizistinnen und Polizisten (bitte nach Bundesländern, Zugehörigkeit zur
Bundespolizei/zum BKA aufgliedern) sowie Zollbeamtinnen und Zollbe-
amte derzeit beteiligt?

Drucksache 17/10966 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles
Personal (bitte nach Zugehörigkeit zu Bundesländern, Bundespolizei,
BKA und anderen aufgliedern) sowie Zollbeamtinnen und Zollbeamte
sind dabei jeweils eingesetzt?

b) An welchen Orten und in welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen sind
sie tätig (bitte jeweils die einzelnen Personalzahlen angeben)?

c) Welche tatsächliche Gesamtstärke hat die Mission derzeit?

d) Welche Missionen mit deutscher Beteiligung sind im dritten Quartal 2012
neu hinzugekommen (bitte die rechtliche Grundlage sowie Mandatsgeber
und Missionsträger angeben, die Mandatsobergrenze nennen sowie den
Auftrag der eingesetzten deutschen Kräfte bezeichnen), und inwiefern hat
es Mandatsänderungen bei den bereits bestehenden Missionen gegeben?

e) Wann wird die Mission voraussichtlich beendet sein?

f) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung hinsicht-
lich der Art und/oder des Umfangs der deutschen Beteiligung, und bis
wann soll diese umgesetzt sein (bitte ggf. konkrete Angaben machen und
Zahlen zu den einzelnen Missionen bzw. Einsätzen nennen)?

2. An welchen Einsätzen auf der Grundlage von § 65 Absatz 2 BPolG (ohne
kurzfristige Ausbildungslehrgänge im Sinne nachfolgend aufgeführter Fra-
gen) waren bzw. sind deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie Zollbeam-
tinnen und Zollbeamte im dritten Quartal 2012 beteiligt (bitte nach Bundes-
ländern, Zugehörigkeit zur Bundespolizei und zum BKA aufgliedern)?

a) Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles
Personal (bitte nach Zugehörigkeit zu Bundesländern, Bundespolizei,
BKA und anderen aufgliedern) sowie Zollbeamtinnen und Zollbeamte
waren bzw. sind dabei jeweils eingesetzt?

b) An welchen Orten und in welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen wa-
ren bzw. sind sie tätig (bitte jeweils die einzelnen Personalzahlen ange-
ben?

c) Welche tatsächliche Gesamtstärke hat der Einsatz derzeit?

d) Welche Einsätze mit deutscher Beteiligung sind im dritten Quartal 2012
neu hinzugekommen, und inwiefern hat es relevante Änderungen (vor
allem Auftrag, Zweck, Durchführung und Kräfteansatz) bei den bereits
bestehenden Einsätzen gegeben?

3. Welche Informationen liegen der Bundesregierung bezüglich sicherheitsrele-
vanter Vorfälle vor, in die deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie Zoll-
beamtinnen und Zollbeamte im dritten Quartal 2012 involviert bzw. denen sie
ausgesetzt waren?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die politische und militärische Gefähr-
dungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten (bitte Veränderungen darstel-
len)?

5. Wie viele Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamte des BKA halten
sich derzeit in welchen Ländern auf (bitte jeweils die Einsatzländer und -orte
sowie die zugehörige Zahl von Beamtinnen/Beamten angeben)?

6. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden derzeit im Ausland als

a) Dokumentenberater,

b) Sicherheitsbeamte,

c) Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10966

d) Unterstützungskräfte sowie Berater in Fragen der Grenzsicherheit

eingesetzt (bitte jeweils, d. h. zu jedem Unterpunkt, Einsatzland und -ort
sowie die Zahl der eingesetzten Polizeibeamten nennen und angeben, ob
sie vom BKA, der Bundespolizei oder einer Länderpolizei gestellt wer-
den)?

e) In welche der durch Verordnung (EG) Nr. 377/2004 zur Schaffung eines
Netzes von Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen geschaffenen
örtlichen oder regionalen Kooperationsnetze der Verbindungsbeamten der
EU-Staaten für Einwanderungsfragen sind die in den Fragen 6c und 6d ge-
nannten Kräfte eingebunden?

7. Wie viele deutsche Polizeibeamte wurden im dritten Quartal 2012 im Rah-
men der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den
Außengrenzen (FRONTEX) eingesetzt

a) als Dokumentenberater im Rahmen welcher Operationen und an welchen
Standorten,

b) als Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der jeweiligen Funk-
tion auflisten),

c) als Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und Kontrolle der Au-
ßengrenzen, die deutsches Gerät aus dem FRONTEX-Ausrüstungspool
(CRATE) bedienen (bitte mit Einsatzstandorten und jeweiligem Tätig-
keitsprofil nennen),

d) als Mitglieder der „europäischen Grenzschutzteams“ im Rahmen von ge-
meinsamen Aktionen, Pilotprojekten oder für Soforteinsätze zu Grenz-
sicherungszwecken (bitte einzeln aufführen),

e) im Rahmen gemeinsamer Rückführungsmaßnahmen unter der Koordina-
tion von FRONTEX (bitte mit dem jeweiligen Zielstaat der Maßnahme,
teilnehmenden EU-Staaten, Gesamtkosten und deutschem Kostenanteil
auflisten) und

f) wie viele Erkenntnismeldungen oder sonstige Mitteilungen zu besonderen
Ereignissen gab es vonseiten der deutschen Kräfte an das Bundespolizei-
präsidium, und was war Inhalt dieser Meldungen?

8. An welchen weiteren internationalen Einsätzen auf der Grundlage des Prü-
mer Vertrages oder entsprechender bilateraler Abkommen (ausgenommen
die sogenannte Nacheile) haben deutsche Polizisten – soweit die Bundes-
regierung Kenntnis davon hat – im dritten Quartal 2012 teilgenommen?

a) Wann und wo fanden diese Einsätze jeweils statt (bitte angeben, in wel-
chen Einheiten bzw. in welchen Stäben/Dienststellen usw. die deutschen
Polizeikräfte eingesetzt waren)?

b) Was waren Anlass und Zweck der Einsätze?

c) Wie viele deutsche Polizisten waren daran beteiligt (bitte die Herkunft
nach Länderpolizeien/Bundespolizei/BKA angeben)?

d) Von wem ging das Ersuchen aus?

e) Inwiefern haben die deutschen Polizisten von ihrer Befugnis zur Anwen-
dung unmittelbaren Zwangs Gebrauch gemacht?

f) Welche Einsatzmittel und Fahrzeuge aus deutschen Beständen wurden je-
weils mitgeführt?

Drucksache 17/10966 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
9. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte haben
deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im dritten Quartal 2012
durchgeführt, bzw. an welchen waren sie beteiligt (bitte sowohl bereits ab-
geschlossene als auch aktuell stattfindende sowie fortgesetzte Maßnahmen
angeben)?

a) Wie lauten die Bezeichnungen der Maßnahmen, und wo fanden bzw. fin-
den sie statt?

b) Was sind die Ziele der Maßnahmen, und über welchen Zeitraum er-
strecken sie sich?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wurde bzw.
wird welche Art der Ausbildung gewährt?

d) Worin bestanden bzw. bestehen die Aufgaben und Tätigkeiten der deut-
schen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, und in welchen Stäben,
Einrichtungen und sonstigen Stellen waren bzw. sind sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte waren jeweils
an den Maßnahmen beteiligt (bitte für die einzelnen Maßnahmen detail-
liert ausweisen)?

f) Welche Kosten entstanden bzw. entstehen der Bundesrepublik Deutsch-
land für die Ausbildungsmaßnahmen, und aus welchen Haushaltstiteln
wurden diese bestritten?

10. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte sind für
die nächste Zukunft geplant, welche Kosten werden dem Bund dafür ent-
stehen, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese bestritten werden (bitte
nach dem Schema der Fragen 9a bis 9f beantworten)?

11. In welchem Rahmen sind außerdem noch deutsche Polizistinnen und Poli-
zisten bzw. Zollbeamtinnen und Zollbeamte im Ausland eingesetzt, und
welche Tätigkeiten verrichten sie dort (bitte nach Einsatzländern und -orten
sowie der Zugehörigkeit zu Bundesländern/BKA/Bundespolizei aufglie-
dern)?

12. Welche materiellen Ausstattungshilfen sind ausländischen Sicherheitsbe-
hörden in diesem Jahr bislang geliefert sowie zum gegenwärtigen Zeitpunkt
zugesagt, aber noch nicht geliefert worden (bitte konkreten Empfänger, je-
weilige Ausstattung und deren Wert angeben)?

Berlin, den 11. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.