BT-Drucksache 17/10963

Diskussion um die Kooperation der Bundeswehr mit der Jugendzeitschrift "BRAVO"

Vom 11. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10963
17. Wahlperiode 11. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Nicole Gohlke, Annette Groth,
Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord, Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Diskussion um die Kooperation der Bundeswehr mit der Jugendzeitschrift
„BRAVO“

Eine in Kooperation mit der Jugendzeitschrift „BRAVO“ durchgeführte Werbe-
kampagne der Bundeswehr hat heftige Kritik in der Öffentlichkeit auf sich ge-
zogen. Auf der Homepage von „BRAVO“ wirbt die Bundeswehr zur Teilnahme
an einem „Bw-Adventure Camp“. Inhalt und Aufmachung der Anzeige haben
allerdings nichts mit dem Auftrag der Bundeswehr zu tun, sondern versprechen
den Jugendlichen „jede Menge Fun und Party“ (www.bravo.de/specials/bw/
adventure-camps).

Teilnahmeberechtigt sind Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren. Diese kön-
nen angeben, ob sie lieber in ein Camp in den bayerischen Alpen oder in eines
auf Sardinien (deutscher Luftwaffenstützpunkt) wollen. Dort warten je nach-
dem „krasse Wasserwettkämpfe“ bzw. „schwindelerregend hohe Klippen.“

Die Jugendlichen müssen neben ihren persönlichen Daten auch Angaben zu
ihren sportlichen Fähigkeiten machen (neben einer Selbsteinschätzung wird
nach Sportnoten an der Schule gefragt und ob ein Sport- bzw. Schwimmabzei-
chen vorliegt).

Die Bundeswehr wird als hippe, coole Truppe vorgestellt, in der Jugendliche viel
Spaß haben können. Kritiker halten dagegen: „Diese irreführende Reklame in
Jugendmedien verletzt die Prinzipien der UNO-Kinderrechtskonvention und die
besonderen Schutzpflichten des Staates gegenüber Kindern“, so Ralf Willinger,
Kinderrechtsexperte von terre des hommes (SPIEGEL ONLINE, 18. September
2012). Roland Blach von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen Baden-Württemberg sagte dazu, die Werbeaktionen
suggerierten, dass es sich bei Bundeswehreinsätzen um Abenteuerausflüge han-
dele. „Was es bedeutet, in den Krieg ziehen zu müssen, darüber spricht die Bun-
deswehr mit den Jugendlichen nicht.“

Der Leiter des Dezernats Personalwerbung der Bundeswehr in Köln wird zwar
in „DIE WELT“ vom 21. September 2012 dahingehend zitiert, die Jugend-
lichen würden in den Camps von Soldaten „durchaus auch über Auslandsein-

sätze aufgeklärt.“ Allerdings gibt die Homepage der Bundeswehr unter der
Überschrift „Welcome to Sardegna“ selbst Auskunft darüber, wie solche
Camps ablaufen und wo die Schwerpunkte sind. Die Stichworte lauten: Bow-
ling, schönes Wetter, Grillabend, Sightseeing, Besichtigung, sportliche Aktivi-
täten und Strandaufenthalt, simuliertes Szenario eines Fallschirmabsprungs.
Dagegen findet sich nicht mit einem Wort ein Hinweis darauf, dass über die
Gefahren und Risiken aufgeklärt worden wäre, die ein Kriegseinsatz der Bun-

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deswehr wie in Afghanistan für die eigenen Soldaten und noch mehr für die af-
ghanische Bevölkerung mit sich bringt.

Die Bundeswehr setzt offenkundig darauf, Jugendliche mit den Versprechun-
gen von Sport und Party für die Bundeswehr zu interessieren. Das sind aller-
dings fragwürdige Kriterien für ein Interesse an der Bundeswehr – schließlich
sind die „Bundeswehr-Locations“ in Kunduz und Feyzabad nicht als „super-
cool“ bekannt, und das „Team Challenging“ oder die „krassen Wettbewerbe“,
die dort gefordert sind, unterscheiden sich erheblich von den Aktivitäten am
Strand von Sardinien.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann gibt es die beschriebene oder ähnliche Kooperationen mit der
Zeitschrift „BRAVO“, und inwiefern erstrecken sich diese auch auf den
Web-Auftritt?

2. Welche Kosten sind seit Bestehen der Kooperation mit „BRAVO“ auf Seiten
der Bundeswehr entstanden (bitte Angaben pro Jahr und nach den wesent-
lichen Kostenpunkten aufschlüsseln)?

3. Welche Kosten entstehen der Bundeswehr darüber hinaus in Zusammenhang
mit den Camps (einschließlich Vorbereitung und Nachbereitung; bitte pro
Jahr und nach den wesentlichen Kostenpunkten aufschlüsseln)?

4. Wie viele Jugendliche haben seit Bestehen dieser Kooperation an den
„Camps“ der Bundeswehr teilgenommen, und wo fanden diese statt (bitte
Angaben pro Jahr)?

5. Wie viele Jugendliche haben sich pro Jahr zur Teilnahme an den Camps be-
worben (bitte pro Jahr und soweit möglich nach damaligem Alter und Ge-
schlecht der Jugendlichen aufschlüsseln)?

6. Inwiefern werden die Daten der Bewerberinnen und Bewerber für andere als
unmittelbar mit den Camps in Zusammenhang stehende Zwecke verwendet,
und welche Zwecke sind dies?

a) Für welchen Zeitraum werden die Daten gespeichert?

b) Inwiefern liegt der Bundeswehr eine entsprechende ausdrückliche Zu-
stimmung der Bewerberinnen und Bewerber vor?

c) Welchen Zwecken dient die Speicherung der Daten?

7. Nach welchen Kriterien hat die Bundeswehr nach Kenntnis der Bundes-
regierung entschieden, welche Bewerberinnen und Bewerber zur Teilnahme
am Adventure Camp ausgewählt wurden?

a) Wie gliedern sich die bislang ermittelten Teilnehmerinnen und Teilneh-
mer altersmäßig auf (bitte das derzeitige Alter aller Teilnehmer ange-
ben)?

b) Welche, über die schon bei der Bewerbung erhobenen Daten, hinaus-
gehenden Daten wurden von den ausgewählten Teilnehmerinnen und
Teilnehmern erhoben bzw. sollen noch erhoben werden (bitte vollständig
angeben)?

c) Welche Schulen bzw. Ausbildungsgänge besuchen die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer derzeit bzw. haben sie abgeschlossen (bitte vollständig
angeben)?

8. Über welche pädagogischen Qualifikationen verfügen die zur Beaufsichti-
gung des Adventure Camps eingesetzten Bundeswehrangehörigen?
9. Übt die Bundeswehr die Aufsichtspflicht über die minderjährigen Teilneh-
merinnen und Teilnehmer aus?

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10. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung über den personalwerb-
lichen Nutzen der Kooperation mit „BRAVO“ und des „Adventure
Camps“, und inwiefern stützt sie sich hierbei auf belastbares statistisches
Material?

11. Inwiefern ist die Verheißung von „Sport und Fun“ aus Sicht der Bundes-
regierung geeignet, Jugendlichen ein realistisches Bild der Bundeswehrein-
sätze bzw. der Anforderungen an Soldatinnen und Soldaten aufzuzeigen?

12. Inwiefern reagiert die Bundesregierung auf die Kritik an der Anzeigenkam-
pagne, insbesondere auf die von terre des hommes geäußerte Kritik an der
aus kinderrechtlicher Sicht unzulässigen Verharmlosung des militärischen
Auftrages?

13. Hat es nach Kenntnis der Bundesregierung aus der Bundeswehr selbst her-
aus Kritik an der Gestaltung der Werbekampagne gegeben, und wenn ja,
welchen Tenor hatte diese, inwiefern kann die Bundeswehr Angaben zum
Herkunftskreis der Kritik machen, und inwiefern will sie (ggf. bundes-
wehrintern) hierauf reagieren?

14. Welche Angaben kann die Bundesregierung dazu machen, warum der zu-
nächst auf „youtube“ einzusehende Werbespot zum „Adventure Camp“ (je-
denfalls zum Zeitpunkt der Fragestellung) nicht mehr zur Verfügung steht?

15. Mit welchen anderen Jugendmedien hat die Bundeswehr seit 2010 Koope-
rationen vereinbart (bitte Art der Kooperation darstellen und anfallende
Kosten schildern)?

Berlin, den 11. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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