BT-Drucksache 17/10936

Medienberichte über mögliche Zusammenarbeit der Bundeswehr-Reservistengruppe "Marschgruppe Hürtgenwald" mit Rechtsextremisten

Vom 8. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10936
17. Wahlperiode 08. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Annette Groth, Andrej Hunko,
Stefan Liebich, Niema Movassat, Petra Pau, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der
Fraktion DIE LINKE.

Medienberichte über mögliche Zusammenarbeit der Bundeswehr-
Reservistengruppe „Marschgruppe Hürtgenwald“ mit Rechtsextremisten

Der „Hessische Rundfunk“ (HR) hat Mitte September 2012 berichtet, dass ein
Rechtsextremist mit Kontakten zur militanten Naziszene an Veranstaltungen der
Reservistengruppe der Bundeswehr „Marschgruppe Hürtgenwald“ teilgenom-
men hat und von der Bundeswehr nach Afghanistan entsandt worden ist
(www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?key=
standard_document_46081275&jmpage=1&type=v&rubrik=36086&jm=1&
mediakey=fs/defacto/rechte_4268).

Der mutmaßliche Neonazi, Hauptmann M. L., habe 2008 einen Aufnahmeantrag
bei der NPD gestellt, der von der Nazipartei allerdings mit der Maßgabe abge-
lehnt worden sei, er solle zunächst aus der CDU austreten. Dies ist dem „HR“
zufolge mittlerweile geschehen. Der Hauptmann sei Mitglied in der Reservisten-
kameradschaft „Kaufunger Wald“, bestätigt ein Bericht auf HNA.de unter Beru-
fung auf „Marschgruppen-Leiter“ O. B. (www.hna.de/nachrichten/kreis-kassel/
nieste/reservisten-marschgruppe-huertgenwald-wehren-sich-gegen-vorwurf-
rechtsextremismus-2512316.html). Vertreter der Marschgruppe geben an, sie
hätten über den rechtsextremen Hintergrund des Hauptmanns, der auch enge
Kontakte zum sogenannten Freien Widerstand Kassel haben soll, nichts ge-
wusst. Allerdings weist der „HR“ darauf hin, dass der Verfassungsschutz schon
seit Längerem die Reservistenkameradschaften entsprechend unterrichte.

Zudem ist es nicht das erste Mal, dass die hessische Reservistenkameradschaft
unter Verdacht steht, mit Neonazis zu tun zu haben. Im Dezember 2011 hatte der
„HR“ berichtet, ein Rechtsextremist, der beschuldigt werde, das Holocaust-
mahnmal in Kassel mit Parolen beschmiert zu haben, sei Mitglied der „Marsch-
gruppe Hürtgenwald“. Deren Leiter O. B. gibt zwar an, auch davon nichts
gewusst zu haben, jedoch hat er seinerzeit die anwaltliche Vertretung des be-
schuldigten Neonazis übernommen. Dass ein Anwalt nicht wisse, was seinem
Mandanten vorgeworfen werde, bezeichnet der „HR“ als unglaubwürdig.

Der mutmaßliche Rechtsextremist, Hauptmann M. L., soll mittlerweile beim
deutschen Kontingent der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in

Afghanistan (ISAF) Dienst tun.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die geschilderten Vor-
fälle, und inwiefern treffen diese zu?

Drucksache 17/10936 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Trifft es zu, dass der genannte Hauptmann M. L. zum deutschen ISAF-Kon-
tingent nach Afghanistan abkommandiert wurde bzw. abkommandiert wor-
den war, und wenn ja, für welchen Zeitraum, und in welcher Funktion?

3. Wann hat die Bundesregierung Kenntnis von den Vorwürfen gegen den
Hauptmann M. L. erhalten?

4. Hat sich der Militärische Abschirmdienst (MAD) mit dem Fall beschäftigt,
und wenn ja, seit wann ist der MAD über die Vorwürfe gegen Hauptmann
M. L. unterrichtet?

5. Inwiefern treffen die Vorwürfe gegen Hauptmann M. L. zu?

6. Trifft es zu, dass M. L. eine Mitgliedschaft in der NPD beantragt hatte, und
welche Angaben kann die Bundesregierung darüber machen, ob er mittler-
weile einen erneuten Aufnahmeantrag eingereicht hat, und mit welchem Er-
folg?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum „Freien Widerstand
Kassel“, und in welcher Beziehung steht Hauptmann M. L. zu dieser Verei-
nigung?

8. Welche Regelungen gelten in der Bundeswehr für Angehörige des „Freien
Widerstands Kassel“?

Ist deren Aufnahme in den Wehrdienst bzw. in Reserveübungen sowie deren
Entsendung zum deutschen ISAF-Kontingent ausgeschlossen?

9. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorfall?

10. In welcher Beziehung stehen die „Marschgruppe Hürtgenwald“ sowie die
Reservistenkameradschaft „Kaufunger Wald“ zueinander sowie zur Bun-
deswehr?

Sind beide Mitglieder des Verbandes der Reservisten der deutschen Bundes-
wehr?

11. Inwiefern erhält die „Marschgruppe Hürtgenwald“ sowie die Reservisten-
kameradschaft „Kaufunger Wald“ Förderungen durch die Bundeswehr
(bitte gegebenenfalls Umfang und Art der Förderung für die Jahre 2010 und
2011 sowie 2012 angeben)?

12. Inwiefern trifft es zu, dass der hessische Verfassungsschutz Reservisten-
verbänden Hintergrundgespräche zur möglichen Teilnahme von Rechts-
extremisten an Veranstaltungen der Verbände anbietet, und inwiefern gibt es
hierzu eine Absprache mit dem MAD sowie dem Reservistenverband?

a) Gibt es Angebote zu solchen Gesprächen auch in anderen Bundesländern,
und wenn ja, in welchen?

b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Bedarf an solchen Gesprächen,
mithin die Gefahr einer rechtsextremen Unterwanderung der Reservis-
tenorganisationen, ein?

c) Welche Reservistenkameradschaften haben bislang Gebrauch vom An-
gebot zu Hintergrundgesprächen gemacht (bitte vollständig auflisten)?

d) Woher bezieht der Verfassungsschutz seine diesbezüglichen Informatio-
nen, und inwiefern bezieht er sie vom MAD?

e) Inwiefern ist es dem Verfassungsschutz erlaubt, bei solchen Gesprächen
auch konkrete Namen von Rechtsextremisten zu erwähnen?

13. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass ein anderer
Rechtsextremist, dem die Beschädigung des Holocaustmahnmals in Kassel

vorgeworfen wird, an einer Reservistenübung der „Marschgruppe Hürtgen-
wald“ teilgenommen hat?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10936

14. Trifft es zu, dass dieser Rechtsextremist zeitweise vom Vorsitzenden der
„Marschgruppe Hürtgenwald“, O. B., anwaltlich vertreten wurde, und wenn
ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass
O. B. dennoch öffentlich aussagt, er habe von den Vorwürfen gegen diesen
Rechtsextremisten nichts gewusst?

15. Welche Position nimmt die Bundesregierung zur Entsendung des Haupt-
manns M. L. nach Afghanistan ein?

Berlin, den 8. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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