BT-Drucksache 17/10899

zu dem EU-Jahresbericht 2010 - Menschenrechte und Demokratie in der Welt -Ratsdok. 11501/2/11 REV 2 - Drucksache 17/7423 Nr.A.37 -

Vom 28. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10899
17. Wahlperiode 28. 09. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

zu dem EU-Jahresbericht 2010
– Menschenrechte und Demokratie in der Welt
Ratsdok. 11501/2/11 REV 2
– Drucksache 17/7423 Nr. A.37 –

A. Problem

Der EU-Jahresbericht 2010 zu Menschenrechten und Demokratie in der Welt er-
streckt sich über den Zeitraum des Kalenderjahres 2010 und unterscheidet sich
insofern von seinem Vorgängerbericht, der einen Zeitraum von 18 Monaten um-
fasst hatte. Der vorliegende Bericht informiert über Instrumente und Initiativen
der EU in Drittländern, setzt Themenschwerpunkte, wie zum Beispiel Todes-
strafe, Folter, Kinder und bewaffnete Konflikte, informiert über die Tätigkeit der
EU in internationalen Gremien und berichtet über länder- und regionenspezifi-
sche Themen. Abschließend informiert er über die Tätigkeit des Europäischen
Parlaments im Bereich der Menschenrechte. Der Bericht betont, dass die Men-
schenrechte das Herzstück der Werte der Europäischen Union seien und der Be-
richt deshalb so bedeutsam sei wie wohl kein anderer, da er aufzeige, was eine
gemeinsame europäische Außenpolitik leisten kann und aus welchen Gründen.
Die Veröffentlichung dieses Berichts erfolge zu einem historischen Zeitpunkt,
da 2010 das erste volle Jahr gewesen sei, in dem die EU nach dem Vertrag von
Lissabon gearbeitet habe. Bei ihrer bilateralen Arbeit habe die EU ihr langjähri-
ges politisches Engagement gegenüber anderen Staaten fortgesetzt, und zwar im
Rahmen ihrer nahezu 40 Menschenrechtsdialoge und -konsultationen und in den
zuständigen Unterausschüssen. Im Jahr 2010 sei es in erster Linie darum gegan-
gen, bestimmte Menschenrechtsdialoge, insbesondere die mit China und Russ-
land, zu bewerten, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen und sie auf die neuen
Herausforderungen in den jeweiligen Staaten abzustimmen. Diese Dialoge seien
kein Ersatz für die Einforderung der Achtung der Menschenrechte im Rahmen
anderer Foren des politischen Dialoges. Sie ermöglichten es der EU jedoch, mit
bestimmten Partnern ausführlicher über Menschenrechte zu sprechen, als dies
sonst möglich wäre. Generell, so der Bericht, sei im zweiten Halbjahr 2010 im
Rahmen der laufenden allgemeinen Überprüfung der Menschenrechtsstrategie
der EU damit begonnen worden, in Konsultation mit der Zivilgesellschaft die
Menschenrechtsdialoge der EU zu überprüfen und zu verbessern, um sie effi-

zienter zu gestalten und ihre Wirkung vor Ort zu verbessern. Zudem sei im Jahr
2010 Einvernehmen darüber erzielt worden, dass bei den von der EU weltweit
durchgeführten Maßnahmen für Kohärenz gesorgt werden müsse, dass gleich-
zeitig jedoch die Notwendigkeit bestehe, das Vorgehen der EU auf die jeweils
individuellen Situationen abzustimmen. Es sei beschlossen worden, für die ein-
zelnen Länder lokale Menschenrechtsstrategien auszuarbeiten und dabei sowohl

Drucksache 17/10899 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die Prioritäten der EU ständig zu überprüfen als auch ständig zu prüfen, ob die-
ser auf den Einzelfall abgestimmte Instrumentenmix optimal eingesetzt werde,
während man gleichzeitig den Partnern mit Respekt begegne.

B. Lösung

Annahme einer Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU und FDP mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme einer Entschließung der Fraktion der SPD.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Weitere Kosten

Keine.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10899

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

in Kenntnis der Unterrichtung auf Ratsdok. 11501/2/11 REV 2 folgende Ent-
schließung anzunehmen:

„Der Deutsche Bundestag wertet den vorgelegten Bericht als einen umfassenden
Überblick zu den vielfältigen internen und externen Aktivitäten der Europä-
ischen Union (EU) im Bereich ihrer Menschenrechtspolitik und ihrer Arbeit in
multilateralen Gremien. Der Bericht umfasst das erste volle Jahr, in dem die EU
auf der Grundlage des Vertrages von Lissabon arbeitete, der die geltenden
Grundsätze, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und
Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der
Menschenwürde, den Grundsatz der Gleichheit und den Grundsatz der Solidarität
sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des
Völkerrechts für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) fest-
legt.

Die Europäische Initiative für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) spielt
als unabhängiges Finanzierungsinstrument der EU auch weiterhin eine wichtige
Rolle. Das Ende des Zeitfensters des ersten Strategieprogrammes des EIDHR
für die Jahre 2007 bis 2010 fällt in den Zeitraum des vorliegenden Berichtes.
Mehr als 1 200 Zuschüsse wurden im Zusammenhang mit Maßnahmen in rund
140 Ländern weltweit und mit einem Finanzvolumen von über 331 Mio. Euro
gewährt. Projekte zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie waren zahlenmäßig
am stärksten vertreten. Die meisten Finanzmittel entfielen auf Projekte in den
Bereichen Bekämpfung der Todesstrafe und der Folter.

Im Jahr 2010 fand die Evaluierung von elf Projekten für Menschenrechtsvertei-
diger mit einem Finanzvolumen von 8 Mio. Euro statt. Dabei wurde die Re-
levanz, Effizienz und Wirksamkeit der aus dem EIDHR in mehreren Ländern
finanzierten Projekte bestätigt. Um die Unterstützung in diesem Bereich weiter
zu verbessern, wurde nach der Überarbeitung der „EU-Leitlinien zum Schutz
von Menschenrechtsverteidigern“ im Jahr 2008 unter anderem mit der Aus-
arbeitung lokaler Strategien der EU-Missionen unter Beteiligung von Men-
schenrechtsverteidigern begonnen. Bis Ende 2010 wurden 74 Treffen mit
Menschenrechtsverteidigern abgehalten, 70 lokale Strategien angenommen und
84 EU-Verbindungsbeamte ernannt. Die Unterstützung von Menschenrechtsver-
teidigern würdigt der Deutsche Bundestag als langjährigen Bestandteil der Men-
schenrechtspolitik der EU und ein wesentliches Element der Meinungsfreiheit.

Die EU-Leitlinien, die der Bericht zu den prioritären Themen Todesstrafe, Folter
und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
sowie zu den Themen Menschenrechtsdialoge, Kinder und bewaffnete Konflik-
te, Menschenrechtsverteidiger, Förderung und Schutz der Rechte des Kindes,
Gewalt gegen Frauen und Mädchen und Bekämpfung aller Formen der Diskri-
minierung von Frauen und Mädchen sowie Förderung der Einhaltung des huma-
nitären Völkerrechts benennt, sind praktische Instrumentarien, die den EU-Ver-
tretungen vor Ort wesentliche Unterstützung bieten, die Menschenrechtspolitik
der Europäischen Union besser zu vertreten.

Das seit vielen Jahren anhaltende Engagement der EU gegen die Todesstrafe ist
besonders hervorzuheben. Neben dem Einsatz diplomatischer Mittel und der
Zusammenarbeit bleibt die EU weiterhin der größte Geldgeber für die Bemü-
hungen von Organisationen der Zivilgesellschaft für die Abschaffung der Todes-
strafe weltweit. Die Abschaffung der Todesstrafe ist eine der thematischen Pri-

oritäten im Rahmen der EIDHR. Zu den Erfolgen des Engagements der EU
zählen das im Jahr 2010 angekündigte Moratorium für die Todesstrafe in der

Drucksache 17/10899 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mongolei sowie der Beitritt der Kirgisischen Republik zum Zweiten Fakultativ-
protokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte
(IPbpR) zur Abschaffung der Todesstrafe. Der Deutsche Bundestag bestärkt die
EU darin, in ihrem Kampf gegen die Todesstrafe nicht nachzulassen.

Auch in ihrem Bemühen, Folter und andere Formen der Misshandlung zu be-
kämpfen, nimmt die EU seit vielen Jahren eine Führungsrolle ein, die der Deut-
sche Bundestag ausdrücklich unterstützt. Im Einklang mit den EU-Leitlinien für
die Politik der Europäischen Union gegenüber Drittstaaten betreffend Folter und
andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe hat
die EU im Rahmen des politischen Dialogs und mittels Demarchen gegenüber
Drittländern weiterhin aktiv ihre Besorgnis über Folter zur Sprache gebracht,
wobei in den Kontakten neben allgemeinen Fragen auch Einzelfälle angeführt
wurden. Das Thema Folter und Misshandlung wurde auch in einer Reihe von Se-
minaren der Zivilgesellschaft näher gebracht, die ergänzend zu diesen Men-
schenrechtsdialogen durchgeführt wurden. Das EIDHR hat im Jahr 2010 rund
30 neue Maßnahmen der Zivilgesellschaft zur Verhütung von Folter und zur Re-
habilitation von Folteropfern unterstützt.

Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung existiert nach
wie vor auf allen Erdteilen. Personen, die bestimmten Religionsgemeinschaften
angehören, werden in vielen Ländern weiterhin ihre Menschenrechte verwei-
gert. Der Deutsche Bundestag bestärkt die EU ausdrücklich in ihrem Engage-
ment, die Freiheit der Religion oder Weltanschauung wirksam zu fördern und zu
schützen. Die Einrichtung der Ad-hoc-Task-Force der Gruppe „Menschenrech-
te“ zur Freiheit der Religion oder Weltanschauung hat die Durchführung der ver-
stärkten Maßnahmen der EU unterstützt und zur Ausarbeitung von Leitlinien für
die Diplomaten der EU beigetragen. Systematisch wurde in Beziehungen mit
Drittländern die Meinungs- und Religionsfreiheit vielfältig angesprochen. Die
EU hat sich bilateral mit verschiedenen Ländern über die Bedeutung dieses uni-
versellen Menschenrechts ausgetauscht und die Möglichkeiten für eine weitere
Zusammenarbeit unter anderem in multilateralen Gremien sondiert. Im Rahmen
dieser Dialoge hat die EU ihre Sorgen über die Umsetzung dieses Rechts und die
Lage der religiösen Minderheiten zum Ausdruck gebracht. Der Deutsche Bun-
destag lobt die aktive Rolle bei der Initiierung und Sicherstellung der einver-
nehmlichen Annahme einer Resolution zur Freiheit der Religion oder Weltan-
schauung und zum Mandat des Sonderberichterstatters über Religions- und
Weltanschauungsfreiheit des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt das Engagement der EU für die Verteidigung
von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Der Kampf gegen die
Ächtung und Diskriminierung von Homosexualität ist ein zentrales menschen-
rechtspolitisches Anliegen. Es geht hierbei um nichts weniger als um dieselben
universellen Rechte, die für alle Menschen gelten und in Artikel 1 der Allgemei-
nen Erklärung für Menschenrechte niedergelegt sind. Jeder Mensch hat das
Recht darauf, in seiner Würde geschützt zu werden.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die mit dem Vertrag von Lissabon erhöhte
Kontinuität der EU-Maßnahmen bei Unterstützung des Internationalen Strafge-
richtshofs (IStGH) sowie der Ad-hoc-Strafgerichtshöfe, etwa der Internationa-
len Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda, des Son-
dergerichtshofs für Sierra Leone, der Außerordentlichen Kammern in den
Gerichten Kambodschas und des Sondergerichtshofs für Libanon. Die Bekämp-
fung der Straflosigkeit bei schweren Verstößen gegen das internationale Recht
wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich Folter
und Kriegsverbrechen ist einer der Eckpfeiler des Konzepts der EU für den Auf-
bau und den Erhalt von dauerhaftem Frieden, internationaler Gerichtsbarkeit

und Rechtsstaatlichkeit. Die EU und das Engagement der Hohen Vertreterin der
Union für Außen- und Sicherheitspolitik haben dazu beigetragen, dass im Jahr

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10899

2010 mit Bangladesch, den Seychellen und der Republik Moldau drei weitere
Staaten dem Römischen Statut beigetreten sind.

Die Konferenz zur Revision des Römischen Statuts des IStGH im Juni 2010 hat
eine Reihe von Änderungen am Römischen Statut angenommen, mit denen das
Verbrechen der Aggression definiert wurde sowie die Bedingungen, unter denen
der IStGH die Gerichtsbarkeit in Bezug auf dieses Verbrechen ausüben könnte.

Die EU sagte anlässlich der Überprüfungskonferenz Maßnahmen 1. zur Förde-
rung der Universalität und Wahrung der Integrität des Römischen Statuts, 2. zur
Bekämpfung der Straflosigkeit als Grundwert, den sie beim Abschluss von
Übereinkünften mit Drittländern mit ihren Partnern teilt, 3. zur finanziellen Un-
terstützung des IStGH, der Zivilgesellschaft und der Partnerländer außerhalb der
EU und 4. zur Aktualisierung und gegebenenfalls Überprüfung der Instrumente
der EU zur Unterstützung des IStGH zu. Der Deutsche Bundestag wertschätzt
den damit zum Ausdruck gebrachten hohen Stellenwert des IStGH.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die EU bei der Terrorismusbekämpfung
der Gewährleistung eines wirksamen und umfassenden Menschenrechtsschutzes
eine große Bedeutung beimisst. Der Deutsche Bundestag stimmt mit dem Be-
richt überein, dass sich wirksame Terrorismusbekämpfung und der Schutz der
Menschenrechte nicht per se gegenseitig ausschließen. Terrorismusbekämpfung
darf nicht zu einer Einschränkung der universellen Gültigkeit von Menschen-
rechten führen.

Die Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels ist für die EU und die
Mitgliedstaaten ein vorrangiges Ziel, der Deutsche Bundestag bekräftigt dieses
Ziel insbesondere. Menschenhandel ist eine schwere Straftat, die häufig im Rah-
men der organisierten Kriminalität begangen wird und nach Artikel 5 der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verboten ist. Die im
Frühjahr 2010 neu ausgearbeitete Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des
Menschenhandels und zum Schutz der Opfer sieht ein integriertes, ganzheit-
liches und menschenrechtsbasiertes Vorgehen bei der Bekämpfung des Men-
schenhandels unter Berücksichtigung der Geschlechterperspektive vor. Kinder
und Frauen tragen ein höheres Risiko, Opfer des Menschenhandels zu werden.
Das Wohl des Kindes muss entsprechend der Charta der Grundrechte der Euro-
päischen Union und dem VN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes von
1989 eine vorrangige Erwägung sein. Der Deutsche Bundestag begrüßt vor-
nehmlich die Benennung des EU-Koordinators für die Bekämpfung des Men-
schenhandels im Dezember 2010, um eine weitere Bündelung der Maßnahmen
der EU auf diesem Gebiet zu erreichen. Die Ausarbeitung einer umfassenden
strategischen Ausrichtung im Bereich der Bekämpfung des Menschenhandels
auch für eine bessere Koordinierung und größere Kohärenz zwischen den EU-
Organen und EU-Einrichtungen sowie mit den Mitgliedstaaten und internationa-
len Akteuren ist die Hauptaufgabe des EU-Koordinators. Die Bekämpfung des
Menschenhandels ist Bestandteil mehrerer bilateraler Aktionspläne im Rahmen
der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) sowie der Stabilisierungs- und
Assoziierungsabkommen mit den Staaten des westlichen Balkans. Das Engage-
ment der EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels auf bilate-
raler und multilateraler Ebene schätzt der Deutsche Bundestag hoch und bestärkt
die EU in diesem wichtigen Anliegen nicht nachzulassen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt ferner, dass die EU die wirtschaftlichen, so-
zialen und kulturellen Rechte als gleichwertig mit bürgerlichen und politischen
Rechten ansieht.

Die EU-Menschenrechtspolitik beinhaltet auch eine genaue Beobachtung der
Entwicklung der Menschenrechte in den Bewerberländern und potentiellen Be-

werberländern. Der Beitritt zur EU setzt die Übernahme der europäischen
Rechtsvorschriften (Besitzstand) und die Einhaltung der „Kopenhagener Krite-

Drucksache 17/10899 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

rien“ voraus, welche die institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische
und rechtsstaatliche Ordnung sowie die Wahrung der Menschenrechte und die
Achtung und den Schutz von Minderheiten gewährleisten. Die Beurteilung der
Lage der Beitrittsländer beruht auf den jährlichen Fortschrittsberichten der
Kommission.

Die Lagebeurteilung für das Bewerberland Türkei beruht auf dem Fortschritts-
bericht der Kommission aus November 2010, der die türkische Verfassungs-
änderung als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung bewertet, jedoch
wiederholt Defizite im Bereich der Grundrechte, insbesondere bei der Gewähr-
leistung der freien Meinungsäußerung und Pressefreiheit, der Minderheitenrech-
te und der Religionsfreiheit, kritisiert. Der Deutsche Bundestag unterstützt das
wichtige Anliegen der EU, die Menschenrechtslage in allen Bewerberländern
weiterhin mit größter Aufmerksamkeit aufgrund der jährlichen Fortschritts-
berichte zu verfolgen und mit Nachdruck auf die Einhaltung der Menschenrech-
te zu drängen.

Die ENP eröffnet durch partnerschaftlich abgeschlossene Aktionspläne, welche
Menschenrechtsklauseln enthalten, Chancen für die Stärkung der Menschenrech-
te. Die EU hat im Jahr 2010 die Menschenrechtslage in den drei Südkaukasus-
Staaten Armenien, Aserbaidschan und Georgien aufmerksam verfolgt. Dabei hat
sie unablässig an die Regierungen dieser Länder, je nach deren spezifischer Situ-
ation, appelliert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Demokratie weiter
zu festigen, indem sie die staatlichen Institutionen reformieren und einen kon-
struktiven Dialog mit der Opposition führen, damit der Aufbau der Institutionen
breite Unterstützung findet. Der Deutsche Bundestag schätzt das Engagement der
EU im Rahmen der ENP, die politische Zusammenarbeit mit den Staaten der ENP
und einen engeren Dialog auf der Grundlage gemeinsamer Werte im Berichtszeit-
raum und darüber hinaus fortzuführen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich, dass die Menschenrechte ein
zentrales Anliegen der Europäischen Union sind, wie dies die Hohe Vertreterin
in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament am 16. Juni 2010 zum Ausdruck
brachte, in der sie ankündigte, einen Konsultationsprozess zur Überprüfung der
EU-Politik und zur Feststellung einer neuen Menschenrechtsstrategie einleiten
zu wollen. Der Deutsche Bundestag unterstützt besonders die Absicht, die zahl-
reichen EU-Instrumente noch besser einzusetzen und miteinander zu verknüp-
fen, um den „roten Faden“ Menschenrechte noch sichtbarer im gesamten aus-
wärtigen Handeln der EU werden zu lassen.“

Berlin, den 27. Juni 2012

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Tom Koenigs
Vorsitzender

Dr. Egon Jüttner
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Marina Schuster
Berichterstatterin

Annette Groth
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

prüfung der Menschenrechtsstrategie der EU damit begon-
nen worden, in Konsultation mit der Zivilgesellschaft die

sabon arbeitete, der die geltenden Grundsätze, Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbar-
Menschenrechtsdialoge der EU zu überprüfen und zu ver-
bessern, um sie effizienter zu gestalten und ihre Wirkung vor
Ort zu verbessern. Zudem sei im Jahr 2010 Einvernehmen
darüber erzielt worden, dass bei den von der EU weltweit

keit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung
der Menschenwürde, den Grundsatz der Gleichheit und den
Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze
der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts, für
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10899

Bericht der Abgeordneten Dr. Egon Jüttner, Christoph Strässer, Marina Schuster,
Annette Groth und Volker Beck (Köln)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den EU-Bericht auf Ratsdok.
11501/2/11 REV 2 mit Überweisungsdrucksache 17/7423
Nr. A.37 am 21. Oktober 2011 an den Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur federführenden
Beratung und an den Auswärtigen Ausschuss, den Innenaus-
schuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung, den Ausschuss
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und an
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der EU-Jahresbericht 2010 zu Menschenrechten und Demo-
kratie in der Welt erstreckt sich über den Zeitraum des Ka-
lenderjahres 2010 und unterscheidet sich insofern von sei-
nem Vorgängerbericht, der einen Zeitraum von 18 Monaten
umfasst hatte. Der vorliegende Bericht informiert über In-
strumente und Initiativen der EU in Drittländern, setzt The-
menschwerpunkte, wie zum Beispiel Todesstrafe, Folter,
Kinder und bewaffnete Konflikte, informiert über die Tätig-
keit der EU in internationalen Gremien und berichtet über
länder- und regionenspezifische Themen. Abschließend in-
formiert er über die Tätigkeit des Europäischen Parlaments
im Bereich der Menschenrechte. Der Bericht betont, dass die
Menschenrechte das Herzstück der Werte der Union seien
und der Bericht deshalb so bedeutsam sei wie wohl kein an-
derer, da er aufzeige, was eine gemeinsame europäische Au-
ßenpolitik leisten kann und aus welchen Gründen. Die Ver-
öffentlichung dieses Berichts erfolge zu einem historischen
Zeitpunkt, da 2010 das erste volle Jahr gewesen sei, in dem
die EU nach dem Vertrag von Lissabon gearbeitet habe. Bei
ihrer bilateralen Arbeit habe die EU ihr langjähriges politi-
schen Engagement gegenüber anderen Staaten fortgesetzt,
und zwar im Rahmen ihrer nahezu 40 Menschenrechtsdialo-
ge und -konsultationen und in den zuständigen Unteraus-
schüssen. Im Jahr 2010 sei es in erster Linie darum gegan-
gen, bestimmte Menschenrechtsdialoge, insbesondere die
mit China und Russland, zu bewerten, um ihre Wirksamkeit
sicherzustellen und sie auf die neuen Herausforderungen in
den jeweiligen Staaten abzustimmen. Diese Dialoge seien
kein Ersatz für die Einforderung der Achtung der Menschen-
rechte im Rahmen anderer Foren des politischen Dialoges.
Sie ermöglichten es der EU jedoch, mit bestimmten Partnern
ausführlicher über Menschenrechte zu sprechen, als dies
sonst möglich wäre. Generell, so der Bericht, sei im zweiten
Halbjahr 2010 im Rahmen der laufenden allgemeinen Über-

das Vorgehen der EU auf die jeweils individuellen Situatio-
nen abzustimmen. Es sei beschlossen worden, für die einzel-
nen Länder lokale Menschenrechtsstrategien auszuarbeiten
und dabei sowohl die Prioritäten der EU ständig zu überprü-
fen als auch ständig zu prüfen, ob dieser auf den Einzelfall
abgestimmte Instrumentenmix optimal eingesetzt werde,
während man gleichzeitig den Partnern mit Respekt begeg-
ne.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den EU-Bericht auf Rats-
dok. 11501/2/11 REV 2 in seiner 63. Sitzung, der Innenaus-
schuss in seiner 78. Sitzung, der Rechtsausschuss in seiner
89. Sitzung, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend in seiner 71. Sitzung, der Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in sei-
ner 80. Sitzung und der Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union in seiner 69. Sitzung am 27. Juni
2012 beraten. Alle mitberatenen Ausschüsse empfehlen
Kenntnisnahme.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den EU-Bericht auf Ratsdok. 11501/2/11
REV 2 in seiner 48. Sitzung am 9. November 2011 beraten
und empfiehlt ebenfalls Kenntnisnahme.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den EU-Bericht auf Ratsdok. 11501/2/11 REV 2 in seiner
64. Sitzung am 27. Juni 2012 beraten. Er empfiehlt mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, folgen-
de Entschließung auf Ausschussdrucksache 17(17)138 anzu-
nehmen:

„Der Deutsche Bundestag wolle in Kenntnis des Berichtes
„Menschenrechte und Demokratie in der Welt – Jahres-
bericht 2010“ (Ratsdokument-Nr. 11501/2/11 REV 2) be-
schließen:

Der Deutsche Bundestag wertet den vorgelegten Bericht als
einen umfassenden Überblick zu den vielfältigen internen
und externen Aktivitäten der Europäischen Union (EU) im
Bereich ihrer Menschenrechtspolitik und ihrer Arbeit in
multilateralen Gremien. Der Bericht umfasst das erste volle
Jahr, in dem die EU auf der Grundlage des Vertrages von Lis-
durchgeführten Maßnahmen für Kohärenz gesorgt werden
müsse, dass gleichzeitig jedoch die Notwendigkeit bestehe,

die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
festlegt.

Drucksache 17/10899 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Europäische Instrument für Demokratie und Menschen-
rechte (EIDHR) spielt als unabhängiges Finanzierungs-
instrument der EU auch weiterhin eine wichtige Rolle. Das
Ende des Zeitfensters des ersten Strategieprogrammes des
EIDHR für die Jahre 2007 bis 2010 fällt in den Zeitraum des
vorliegenden Berichtes. Mehr als 1200 Zuschüsse wurden
im Zusammenhang mit Maßnahmen in rund 140 Ländern
weltweit und mit einem Finanzvolumen von über 331 Milli-
onen Euro gewährt. Projekte zu Rechtsstaatlichkeit und De-
mokratie waren zahlenmäßig am stärksten vertreten. Die
meisten Finanzmittel entfielen auf Projekte in den Bereichen
Bekämpfung der Todesstrafe und der Folter.

2010 fand die Evaluierung von elf Projekten für Menschen-
rechtsverteidiger mit einem Finanzvolumen von 8 Millionen
Euro statt. Dabei wurde die Relevanz, Effizienz und Wirk-
samkeit der aus dem EIDHR in mehreren Ländern finanzier-
ten Projekte bestätigt. Um die Unterstützung in diesem Be-
reich weiter zu verbessern, wurde nach der Überarbeitung
der „EU-Leitlinien zu Menschenrechtsverteidigern“ im Jahr
2008 unter anderem mit der Ausarbeitung lokaler Strategien
der EU-Missionen unter Beteiligung von Menschenrechts-
verteidigern begonnen. Bis Ende 2010 wurden 74 Treffen
mit Menschenrechtsverteidigern abgehalten, 70 lokale
Strategien angenommen und 84 EU-Verbindungsbeamte er-
nannt. Die Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern
würdigt der Deutsche Bundestag als langjährigen Bestand-
teil der Menschenrechtspolitik der EU und ein wesentliches
Element der Meinungsfreiheit.

Die EU-Leitlinien, die der Bericht zu den prioritären The-
men Todesstrafe, Folter und andere grausame, unmenschli-
che oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie zu den
Themen Menschenrechtsdialoge, Kinder und bewaffnete
Konflikte, Menschenrechtsverteidiger, Förderung und
Schutz der Rechte des Kindes, Gewalt gegen Frauen und
Mädchen und Bekämpfung aller Formen der Diskriminie-
rung von Frauen und Mädchen sowie Förderung der Einhal-
tung des humanitären Völkerrechts benennt, sind praktische
Instrumentarien, die den EU-Vertretungen vor Ort wesent-
liche Unterstützung bieten, die Menschenrechtspolitik der
Europäischen Union besser zu vertreten.

Das seit vielen Jahren anhaltende Engagement der EU gegen
die Todesstrafe ist besonders hervorzuheben. Neben dem
Einsatz diplomatischer Mittel und der Zusammenarbeit
bleibt die EU weiterhin der größte Geldgeber für die Bemü-
hungen von Organisationen der Zivilgesellschaft für die
Abschaffung der Todesstrafe weltweit. Die Abschaffung der
Todesstrafe ist eine der thematischen Prioritäten im Rahmen
des EIDHR. Zu den Erfolgen des Engagements der EU zäh-
len das 2010 angekündigte Moratorium für die Todesstrafe
in der Mongolei sowie der Beitritt der Kirgisischen Republik
zum Zweiten Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt
über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) zur Ab-
schaffung der Todesstrafe. Der Deutsche Bundestag bestärkt
die EU darin, in ihrem Kampf gegen die Todesstrafe nicht
nachzulassen.

Auch in ihrem Bemühen, Folter und andere Formen der
Misshandlung zu bekämpfen, nimmt die EU seit vielen Jah-
ren eine Führungsrolle ein, die der Deutsche Bundestag aus-
drücklich unterstützt. Im Einklang mit den EU-Leitlinien be-

terhin aktiv ihre Besorgnis über Folter zur Sprache gebracht,
wobei in den Kontakten neben allgemeinen Fragen auch Ein-
zelfälle angeführt wurden. Das Thema Folter und Misshand-
lung wurde auch in einer Reihe von Seminaren der Zivilge-
sellschaft näher gebracht, die ergänzend zu diesen
Menschenrechtsdialogen durchgeführt wurden. Das EIDHR
hat 2010 rund 30 neue Maßnahmen der Zivilgesellschaft zur
Verhütung von Folter und zur Rehabilitation von Folterop-
fern unterstützt.

Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Welt-
anschauung existiert nach wie vor auf allen Erdteilen. Perso-
nen, die bestimmten Religionsgemeinschaften angehören,
werden in vielen Ländern weiterhin ihre Menschenrechte
verweigert. Der Deutsche Bundestag bestärkt die EU aus-
drücklich in ihrem Engagement, die Freiheit der Religion
oder Weltanschauung wirksam zu fördern und zu schützen.
Die Einrichtung der Ad-hoc-Task-Force der Gruppe „Men-
schenrechte“ zur Freiheit der Religion oder Weltanschauung
hat die Durchführung der verstärkten Maßnahmen der EU
unterstützt und zur Ausarbeitung von Leitlinien für die Di-
plomaten der EU beigetragen. Systematisch wurde in Bezie-
hungen mit Drittländern die Meinungs- und Religionsfrei-
heit vielfältig angesprochen. Die EU hat sich bilateral mit
verschiedenen Ländern über die Bedeutung dieses universel-
len Menschenrechts ausgetauscht und die Möglichkeiten für
eine weitere Zusammenarbeit unter anderem in multilatera-
len Gremien sondiert. Im Rahmen dieser Dialoge hat die EU
ihre Sorgen über die Umsetzung dieses Rechts und die Lage
der religiösen Minderheiten zum Ausdruck gebracht. Der
Deutsche Bundestag lobt die aktive Rolle bei der Initiierung
und Sicherstellung der einvernehmlichen Annahme einer
Resolution zur Freiheit der Religion oder Weltanschauung
und zum Mandat des Sonderberichterstatters über Religions-
und Weltanschauungsfreiheit des Menschenrechtsrates der
Vereinten Nationen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt das Engagement der EU
für die Verteidigung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgender. Der Kampf gegen die Ächtung und Diskrimi-
nierung von Homosexualität ist ein zentrales menschen-
rechtspolitisches Anliegen. Es geht hierbei um nichts weni-
ger als um dieselben universellen Rechte, die für alle
Menschen gelten und in Artikel 1 der Allgemeinen Erklä-
rung für Menschenrechte niedergelegt sind. Jeder Mensch
hat das Recht darauf, in seiner Würde geschützt zu werden.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die mit dem Vertrag von
Lissabon erhöhte Kontinuität der EU-Maßnahmen bei Un-
terstützung des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH)
sowie der Ad-hoc-Strafgerichtshöfe, etwa der Internationa-
len Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für
Ruanda, des Sondergerichtshofs für Sierra Leone, der
Außerordentlichen Kammern in den Gerichten Kam-
bodschas und des Sondergerichtshofs für Libanon. Die
Bekämpfung der Straflosigkeit bei schweren Verstößen
gegen das internationale Recht wie Völkermord, Verbrechen
gegen die Menschlichkeit, einschließlich Folter und Kriegs-
verbrechen ist einer der Eckpfeiler des Konzepts der EU für
den Aufbau und den Erhalt von dauerhaftem Frieden, inter-
nationaler Gerichtsbarkeit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU
treffend Folter hat die EU im Rahmen des politischen
Dialogs und mittels Demarchen gegenüber Drittländern wei-

und das Engagement der Hohen Vertreterin haben dazu bei-
getragen, dass 2010 mit Bangladesch, den Seychellen und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/10899

der Republik Moldau drei weitere Staaten dem Römischen
Statut beigetreten sind.

Die Konferenz zur Revision des Römischen Statuts des
IStGH im Juni 2010 hat eine Reihe von Änderungen am Rö-
mischen Statut angenommen, mit denen das Verbrechen der
Aggression definiert wurde sowie die Bedingungen, unter
denen der IStGH die Gerichtsbarkeit in Bezug auf dieses
Verbrechen ausüben könnte.

Die EU sagte anlässlich der Überprüfungskonferenz Maß-
nahmen 1. zur Förderung der Universalität und Wahrung der
Integrität des Römischen Statuts, 2. zur Bekämpfung der
Straflosigkeit als Grundwert, den sie beim Abschluss von
Übereinkünften mit Drittländern mit ihren Partnern teilt,
3. zur finanziellen Unterstützung des IStGH, der Zivilgesell-
schaft und der Partnerländer außerhalb der EU und 4. zur
Aktualisierung und gegebenenfalls Überprüfung der Instru-
mente der EU zur Unterstützung des IStGH zu. Der Deutsche
Bundestag wertschätzt den damit zum Ausdruck gebrachten
hohen Stellenwert des IStGH.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die EU bei der Terro-
rismusbekämpfung der Gewährleistung eines wirksamen
und umfassenden Menschenrechtsschutzes eine große Be-
deutung beimisst. Der Deutsche Bundestag stimmt mit dem
Bericht überein, dass sich wirksame Terrorismusbekämp-
fung und der Schutz der Menschenrechte nicht per se gegen-
seitig ausschließen. Terrorismusbekämpfung darf nicht zu
einer Einschränkung der universellen Gültigkeit von Men-
schenrechten führen.

Die Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels ist
für die EU und die Mitgliedstaaten ein vorrangiges Ziel, der
Deutsche Bundestag bekräftigt dieses Ziel insbesondere.
Menschenhandel ist eine schwere Straftat, die häufig im
Rahmen der organisierten Kriminalität begangen wird und
nach Artikel 5 der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union ausdrücklich verboten ist. Die im Frühjahr 2010 neu
ausgearbeitete Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung
des Menschenhandels und zum Schutz der Opfer sieht ein in-
tegriertes, ganzheitliches und menschenrechtsbasiertes Vor-
gehen bei der Bekämpfung des Menschenhandels unter Be-
rücksichtigung der Geschlechterperspektive vor. Kinder und
Frauen tragen ein höheres Risiko, Opfer des Menschenhan-
dels zu werden. Das Wohl des Kindes muss entsprechend der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem
VN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989
eine vorrangige Erwägung sein. Der Deutsche Bundestag be-
grüßt vornehmlich die Benennung des EU-Koordinators für
die Bekämpfung des Menschenhandels im Dezember 2010,
um eine weitere Bündelung der Maßnahmen der EU auf die-
sem Gebiet zu erreichen. Die Ausarbeitung einer umfassen-
den strategischen Ausrichtung im Bereich der Bekämpfung
des Menschenhandels auch für eine bessere Koordinierung
und größere Kohärenz zwischen den EU-Organen und EU-
Einrichtungen sowie mit den Mitgliedstaaten und internatio-
nalen Akteuren ist die Hauptaufgabe des EU-Koordinators.
Die Bekämpfung des Menschenhandels ist Bestandteil meh-
rerer bilateraler Aktionspläne im Rahmen der Europäischen
Nachbarschaft (ENP) sowie der Stabilisierungs- und Assozi-
ierungsabkommen mit den Staaten des westlichen Balkans.

ne schätzt der Deutsche Bundestag hoch und bestärkt die EU
in diesem wichtigen Anliegen nicht nachzulassen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt ferner, dass die EU die
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten als
gleichwertig mit bürgerlichen und politischen Rechte an-
sieht.

Die EU-Menschenrechtspolitik beinhaltet auch eine genaue
Beobachtung der Entwicklung der Menschenrechte in den
Bewerberländern und potentiellen Bewerberländern. Der
Beitritt zur EU setzt die Übernahme der europäischen
Rechtsvorschriften (Besitzstand) und die Einhaltung der
„Kopenhagener Kriterien“ voraus, welche die institutionelle
Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche
Ordnung sowie die Wahrung der Menschenrechte und die
Achtung und den Schutz von Minderheiten gewährleisten.
Die Beurteilung der Lage der Beitrittsländer beruht auf den
jährlichen Fortschrittsberichten der Kommission.

Die Lagebeurteilung für das Bewerberland Türkei beruht auf
dem Fortschrittsbericht der Kommission aus November
2010, der die türkische Verfassungsänderung als einen wich-
tigen Schritt in die richtige Richtung bewertet, jedoch wie-
derholt Defizite im Bereich der Grundrechte, insbesondere
bei der Gewährleistung der freien Meinungsäußerung und
Pressefreiheit, der Minderheitenrechte und der Religions-
freiheit kritisiert. Der Deutsche Bundestag unterstützt das
wichtige Anliegen der EU, die Menschenrechtslage in allen
Bewerberländern weiterhin mit größter Aufmerksamkeit
aufgrund der jährlichen Fortschrittsberichte zu verfolgen
und mit Nachdruck auf die Einhaltung der Menschenrechte
zu drängen.

Die Nachbarschaftspolitik ENP eröffnet durch partnerschaft-
lich abgeschlossene Aktionspläne, welche Menschenrechts-
klauseln enthalten, Chancen für die Stärkung der Menschen-
rechte. Die EU hat 2010 die Menschenrechtslage in den drei
Südkaukasus-Staaten Armenien, Aserbaidschan und Georgi-
en aufmerksam verfolgt. Dabei hat sie unablässig an die Re-
gierungen dieser Länder, je nach deren spezifischer Situati-
on, appelliert, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die
Demokratie weiter zu festigen, indem sie die staatlichen In-
stitutionen reformieren und einen konstruktiven Dialog mit
der Opposition führen, damit der Aufbau der Institutionen
breite Unterstützung findet. Der Deutsche Bundestag schätzt
das Engagement der EU im Rahmen der ENP die politische
Zusammenarbeit mit den Staaten der ENP und einen engeren
Dialog auf der Grundlage gemeinsamer Werte im Berichts-
zeitraum und darüber hinaus fortzuführen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich, dass die
Menschenrechte ein zentrales Anliegen der Europäischen
Union sind, wie dies die Hohe Vertreterin in ihrer Rede vor
dem Europäischen Parlament am 16. Juni 2010 zum Aus-
druck brachte, in der sie ankündigte, einen Konsultations-
prozess zur Überprüfung der EU-Politik und zur Feststellung
einer neuen Menschenrechtsstrategie einleiten zu wollen.
Der Deutsche Bundestag unterstützt besonders die Absicht,
die zahlreichen EU-Instrumente noch besser einzusetzen und
miteinander zu verknüpfen, um den „roten Faden“ Men-
schenrechte noch sichtbarer im gesamten auswärtigen Han-
deln der EU werden zu lassen.
Das Engagement der EU zur Verhütung und Bekämpfung
des Menschenhandels auf bilateraler und multilateraler Ebe-

Die Fraktion der SPD betonte, es sei schade, dass der Be-
richt relativ schnell abgewickelt wird. Er habe so viele in-

Drucksache 17/10899 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

haltliche Aussagen, über die man lange diskutieren könne.
Insgesamt sei die Menschenrechtspolitik der EU auf einem
guten und intensiven Pfad und es seien viele neue Instrumen-
te eingeführt worden. Da der Bericht aus Sicht der Fraktion
der SPD so wichtig sei, sei es sinnvoll, ihn auch im Plenum
zu beraten. Dazu bedürfe es einer Stellungnahme zu dem Be-
richt, die im Ausschuss angenommen wird. Man glaube zwar
nicht, dass die Vorlage der Fraktion der SPD angenommen
werde, dennoch habe man sich die Mühe gemacht, ein paar
Dinge aufzuschreiben, die wichtig, beratungsbedürftig und
fortentwicklungsfähig seien. Am 25. Juni 2012 sei das
Grundsatzpapier „EU Strategic Framework and Action Plan
on Human Rights and Democracy“ verabschiedet worden.
Die Fraktion der SPD halte dies für einen positiven Ansatz,
den man unterstützen werde. Bei allen förmlichen Treffen
mit Drittländern solle künftig die EU-Menschenrechtspolitik
integraler Bestandteil sein. Das sei eine wichtige Aussage,
die man in dem vorliegenden Papier (Ausschussdrucksache
17(17)137 NEU) ergänzt habe (gegenüber dem Ursprungs-
papier). Ende des Jahres 2011 hätten bereits 130 Länderstra-
tegien vorgelegen, aufgrund derer man gezielter über Men-
schenrechtssituationen in den jeweiligen Ländern reden
könne. Diskutieren könne man darüber, dass die EU-Außen-
beauftragte die Einrichtung eines EU-Sonderbeauftragten
für Menschenrechte auf den Weg gebracht hat. Dies sei zwar
ein guter und vernünftiger Schritt. Nur stelle sich die Frage,
wie die Konkurrenzverhältnisse zu anderen Menschen-
rechtsinstitutionen im europäischen Rahmen gelöst würden.
Die Fraktion der SPD legte weiter dar, es gebe auch kritische
Punkte in dem Bericht der EU. Bei der Frage der praktischen
Umsetzung der Strategie für Menschenrechtsverteidiger ha-
be man noch keine ausreichende Lösung, nur Ansätze, die
durch die unterschiedlichen EU-Vorsitze und -Präsidentschaf-
ten weiterentwickelt worden seien. Es gebe aber immer noch
Schwierigkeiten, Menschenrechtsverteidiger unbürokratisch
aufzunehmen. Deshalb habe man ausdrücklich das Konzept
„Shelter City Initiative“ angesprochen, um Zugang zu euro-
päischen Kommunen zu schaffen.

Bei dem Antrag der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und
FDP zu dem EU-Bericht werde man sich enthalten, da in ihm
allein die Türkei kritisch hervorgehoben werde. Wenn es
aber um die Beitrittsländer der EU und die Fortschrittsbe-
richte gehe, sei die Türkei nicht das einzige erwähnenswerte
Land.

Die Fraktion der CDU/CSU legte dar, ihr Antrag sei detail-
lierter als der der Fraktion der SPD. Man spreche speziell die
Probleme an, also Menschenrechtsverteidiger, Diskriminie-
rung aufgrund der Religion/Weltanschauung, Folter usw.
Deshalb bitte man um Zustimmung für diesen Antrag.

Die Fraktion der FDP kritisierte, dass der Bericht erst zwei
Jahre nach seinem Erscheinen beraten werde. Er müsste aber
zeitnah behandelt werden, da man sonst der Entwicklung
hinterherlaufe. Man müsse diesen Bericht als Ausgangs-
punkt sehen, bestimmte Sachen noch einmal explizit zu be-
nennen. So seien die Aussagen zu den Menschenrechtsver-
teidigern sehr zu begrüßen. Hier brauche man Kohärenz,
auch wie die jeweiligen Botschaften vor Ort damit umgehen
und wie man die Menschenrechtsverteidiger besser schützen
könne. Die Fraktion der FDP habe immer wieder die Nach-

sen. Erst am Vortag habe die polnische Botschafterin erklärt,
sie werde dieses Programm in ihrem Land anregen. Sie habe
bisher nichts davon gewusst und halte es für eine sehr gute
Idee, wenn man europaweit solche Schutzmechanismen sel-
ber anpacke. Da könne man europaweit noch mehr tun, zum
Beispiel im Rahmen vom EP. Dies sei sehr wichtig. Die
grundsätzliche Frage sei, wie die verschiedenen Institutio-
nen miteinander umgingen, ob es eventuell zur Doppelung
von Strukturen kommt und wie eine sinnvolle Arbeitsauftei-
lung aussehen könnte. Insofern muss geprüft werden, wo die
jeweiligen Personen angesiedelt seien und welche Aufgaben
sie erhalten, um nicht Gefahr zu laufen, dass einer den ande-
ren schwächt oder der eine mehr Geld bekommt von den
Mitgliedstaaten als der andere. Es gehe schließlich auch um
finanzielle Ressourcen. Der dritte Punkt, so die Fraktion der
FDP, gehe zurück auf die Formulierung im Koalitionsver-
trag. Die Finanzierung und Unterstützung des IStGH in Den
Haag sei eine wichtige Aufgabe, da das Ziel ein lückenloser
Menschenrechtsschutz sei. Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) sei zwar eine Perle, die man habe,
aber wenn es um das Völkerstrafrecht gehe, sei der Inter-
nationale Strafgerichtshof ein Instrument, das man nicht nur
seitens der Mitgliedstaaten unterstützen solle, sondern wo
auch die EU sehr sinnvolle Aufgaben leisten könne. In den
Mitgliedstaaten müsse man zum Beispiel der Diskriminie-
rung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung
entschieden entgegen treten. Die EU könne daran arbeiten,
den Vorurteilen, die es hier immer noch gebe, entgegenzuar-
beiten und so einen guten Mehrwert zu leisten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, in bei-
den Anträgen stünden wichtige Dinge und dem Antrag der
Fraktion der SPD könne man uneingeschränkt zustimmen.
Bei dem Papier der Fraktionen der CDU/CSU und FDP habe
man aber ein Problem. So gebe es verschiedene Bewerber-
länder, die Mitglied der EU werden wollten: die Türkei,
Albanien, Mazedonien, Montenegro, Serbien. Aber auf der
letzten Seite der Beschlussempfehlung der Koalitionsfrak-
tionen werde ausschließlich die Türkei genannt. Ein einziges
Land herauszupicken, sei problematisch. Wenn man sich
darauf verständigen könnte, den Satz zur Türkei zu strei-
chen, könnte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der
Koalitionsempfehlung zustimmen.

Der Vorsitzende wies darauf hin, dass die Koalitionsfrak-
tionen signalisiert hätten, dass sie an ihrem Text nichts än-
dern wollten, so dass man über die beiden Entschließungsan-
träge abstimmen könne.

Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen, in Kenntnis des
„EU-Jahresberichts 2010 – Menschenrechte und Demokra-
tie in der Welt (Ratsdok-Nr. 11501/2/11 REV 2) folgende Ent-
schließung anzunehmen:

Der Deutsche Bundestag anerkennt die vielfältigen Aktivitä-
ten der EU zur Förderung der Menschenrechte und der De-
mokratie in der Welt. Dieser erste Bericht seit dem Vertrag
von Lissabon gibt einen umfangreichen Überblick über die
EU-Menschenrechtspolitik sowie über ihr Instrumentarium.
Positiv hervorzuheben sind insbesondere die Ausführungen
barstaaten Deutschlands auf das Instrument des Programmes
„Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (PSP) hingewie-

über Gewalt an Frauen bzw. die Umsetzung der UN-Resolu-
tion 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“.

als auch die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Menschenrechte berücksichtigt. Ende 2011 lagen bereits
130 Länderstrategien vor. Auf diese Weise kann es – gemein-
sam mit lokalen und internationalen Nichtregierungsorgani-
sationen – gelingen, gezielter als bisher die Menschenrechts-
situation in einem Land zu verbessern. Dies ist ein
erfolgversprechender Ansatz.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die aktuell von der EU-
Außenbeauftragten Catherine Ashton vorgeschlagene Ein-
richtung eines EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte.
Ein solches Amt könnte der EU-Menschenrechtspolitik nach
außen ein Gesicht geben und nach innen zu mehr menschen-
rechtlicher Kohärenz zwischen den einzelnen Politikberei-
chen beitragen.

Der Deutsche Bundestag hat über Jahre hinweg die Umset-
zung der menschenrechtlichen Leitlinien verfolgt. In großer
Sorge ist er in vielen Ländern um die Menschenrechtsvertei-
diger/innen, die schikaniert, bedroht oder sogar getötet wer-
den. Deshalb bittet er die EU, sich verstärkt für ihren Schutz
einzusetzen, lokale Schutzmechanismen zu entwickeln und in

beschränkungen unterliegen, so z. B. Elektroschock-Ärmel,
nägelbewehrte Schlagstöcke und Arzneimittel zur Vollstre-
ckung der Todesstrafe. Der Bundestag erwartet, dass sich
die EU-Kommission in ihrer für das 4. Quartal 2012 ange-
kündigten Überarbeitung der Verordnung strikt an men-
schenrechtlichen Kriterien orientiert und keinesfalls die
Liste der Güter lockert. Er fordert zugleich die Bundesregie-
rung auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass bei
Handelsgeschäften die Menschenrechte nicht verletzt wer-
den. Dies betrifft auch den Abschluss und die Umsetzung von
EU-Handelsabkommen mit Drittländern. Damit die EU-
Menschenrechtspolitik glaubwürdig ist, muss die Menschen-
rechtsklausel dieser Abkommen im Vertragsland restriktive
Maßnahmen auslösen, wenn die Menschenrechte schwer
verletzt werden. Deshalb sollten – entsprechend der Forde-
rung des EP – Benchmarks für das Monitoring der Klauseln
eingeführt werden.

wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. abgelehnt.

Berlin, den 27. Juni 2012

Dr. Egon Jüttner
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Marina Schuster
Berichterstatterin

Annette Groth
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/10899

Bedauerlich ist, dass der Jahresbericht rein deskriptiv ist.
Aus diesem Grund fordert das Europäische Parlament einen
systematischeren Ansatz des Berichts mit Benchmarks, die
eine Bewertung der Ziele und erreichten Ergebnisse ermög-
lichen. Solch ein prozessorientierter Ansatz würde nicht nur
die Wirksamkeit und Messbarkeit der Menschenrechtspolitik
verbessern, sondern auch die Aussagekraft des Berichts er-
höhen, da Entwicklungen dargestellt und analysiert werden
könnten. Der Bundestag würde dies sehr begrüßen. Er hofft,
dass das am 25. Juni 2012 verabschiedete Grundsatzpapier
„EU Strategic Framework and Action Plan on Human
Rights and Democracy“ diesen Ansatz befördern wird.

Eine qualitativ neue Herangehensweise der EU-Menschen-
rechtspolitik ist, dass der Dialog über Menschenrechte künf-
tig integraler Bestandteil aller förmlichen Treffen mit Dritt-
ländern werden soll. Eine wichtige Grundlage hierfür ist,
dass für jedes einzelne Drittland eine spezifische Strategie
entwickelt wird, die sowohl die politischen und bürgerlichen

allen EU-Missionen menschenrechtliche Ansprechpartner
zu schaffen. Darüber hinaus soll die Shelter City Initiative
aktiv vorangetrieben werden, damit gefährdete Menschen-
rechtsverteidiger/innen vorübergehend Zuflucht in einer eu-
ropäischen Kommune erhalten können. Der Deutsche Bun-
destag ermuntert auch die deutschen Kommunen, das
europäische Netz der engagierten Shelter Cities zu erwei-
tern.

Ein besonderes Anliegen ist dem Deutschen Bundestag die
konsequente Umsetzung der Leitlinien für die „Politik der
EU gegenüber Drittländern hinsichtlich Folter und anderer
grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behand-
lung oder Strafe“. Deshalb hat er – ebenso wie das Europa-
parlament und Menschenrechtsorganisationen wie amnesty
international – die Verordnung Nr. 1236/2005 kritisch gese-
hen, die den Handel mit Elektroschockgeräten zulässt. Er-
freulicherweise hat die Durchführungs-VO 1352/2011 dies
korrigiert und die Liste jener Güter ergänzt, die Handels-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/10899

RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION

Brüssel, den 26. September 2011 (28.09)
(OR. en)
11501/2/11
REV 2

LIMITE
COHOM 165
PESC 757
COSDP 584
FREMP 68
INF 103
JAI 415
RELEX 642
ÜBERMITTLUNGSVERMERK
des Generalsekretariats des Rates
für die Delegationen
Betr.: EU-Jahresbericht 2010 – Menschenrechte und Demokratie in der Welt
Die Delegationen erhalten als Anlage den EU-Jahresbericht 2010 – Menschenrechte und

Demokratie in der Welt.
______________________
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka
DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/10899

ANLAGE
EU-JAHRESBERICHT 2010

MENSCHENRECHTE UND DEMOKRATIE IN DER WELT

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 1
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Inhaltsverzeichnis
Vorwort ............................................................................................................................................................................. 6

1 Überblick.................................................................................................................................................................. 7

2 Instrumente und Initiativen der EU in Drittländern ......................................................................................... 13

Einleitung..................................................................................................................................................................... 13
2.1 EU-Leitlinien zu Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht ................................................................. 13
2.2 Menschenrechtsdialoge und -konsultationen ................................................................................................... 14
2.3 Beschlüsse des Rates und Krisenbewältigung.................................................................................................. 18
2.4 Erklärungen und Demarchen........................................................................................................................... 21
2.5 Menschenrechtsklauseln in Abkommen mit Drittländern................................................................................. 22
2.6 Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) ...................................................................................................... 23
2.7 Im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) finanzierte
Maßnahmen ................................................................................................................................................................. 25

2.7.1 Wichtigste Ergebnisse des Jahres 2010..................................................................................................... 26
2.7.2 Halbzeitevaluierung des EIDHR............................................................................................................... 27
2.7.3 Fallbeispiele .............................................................................................................................................. 28
2.7.4 Gewonnene Erkenntnisse.......................................................................................................................... 29

3 Themenschwerpunkte........................................................................................................................................... 30

3.1 Die Todesstrafe ................................................................................................................................................ 31
3.2 Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe............................ 34
3.3 Menschenrechtsverteidiger .............................................................................................................................. 36
3.4 Gedanken- und Gewissensfreiheit und Freiheit der Religion oder Weltanschauung....................................... 39
3.5 Freiheit der Meinungsäußerung, auch in den "neuen Medien" ....................................................................... 42
3.6 Rechte des Kindes ............................................................................................................................................ 44
3.7 Kinder und bewaffnete Konflikte...................................................................................................................... 47
3.8 Menschenrechte von Frauen............................................................................................................................ 48
3.9 Frauen, Frieden und Sicherheit ....................................................................................................................... 52
3.10 Der Internationale Strafgerichtshof und die Bekämpfung der Straflosigkeit ................................................... 56
3.11 Menschenrechte und Terrorismus.................................................................................................................... 59
3.12 Menschenrechte und Wirtschaft ....................................................................................................................... 61
3.13 Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ................................................................................................. 62
3.14 Asyl, Migration, Flüchtlinge und Vertriebene ................................................................................................. 64
3.15 Menschenhandel .............................................................................................................................................. 66
3.16 Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung ....................................................... 70
3.17 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und Intersexuelle.......................................................... 71
3.18 Rechte von Menschen mit Behinderungen ....................................................................................................... 73
3.19 Minderheitenrechte .......................................................................................................................................... 75
3.20 Indigene Völker................................................................................................................................................ 78
3.21 Demokratie und Wahlen................................................................................................................................... 80

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 2
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/10899

3.21.1 Unterstützung der Demokratie ............................................................................................................. 80
3.21.2 Wahlunterstützung ............................................................................................................................... 82
3.21.3 Wahlbeobachtung................................................................................................................................. 83
3.21.4 EU-Wahlbeobachtungsmissionen ........................................................................................................ 84
3.21.5 Wahlexpertenmissionen ....................................................................................................................... 86
3.21.6 Wahlhilfe.............................................................................................................................................. 86
3.21.7 Ausbau der Zusammenarbeit mit Parlamenten weltweit...................................................................... 88

4 Tätigkeit der EU in internationalen Gremien..................................................................................................... 89

4.1 65. Tagung der VN-Generalversammlung ....................................................................................................... 89
4.2 Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen.............................................................................................. 92
4.3 Der Europarat.................................................................................................................................................. 96
4.4 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)............................................................. 98

5 Länder- und regionenspezifische Themen ........................................................................................................ 100

5.1 EU-Bewerberländer und andere .................................................................................................................... 100
5.1.1 Türkei...................................................................................................................................................... 100
5.1.2 Westliche Balkanstaaten ......................................................................................................................... 101
5.1.3 Kroatien .................................................................................................................................................. 103
5.1.4 Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien.................................................................................... 104
5.1.5 Montenegro............................................................................................................................................. 106
5.1.6 Albanien.................................................................................................................................................. 107
5.1.7 Bosnien und Herzegowina ...................................................................................................................... 108
5.1.8 Serbien .................................................................................................................................................... 109
5.1.9 Das Kosovo (im Sinne der Resolution 1244 des VN-Sicherheitsrats) .................................................... 110

5.2 In die Europäische Nachbarschaftspolitik einbezogene Länder .................................................................... 112
5.2.1 Europäische Nachbarschaftspolitik......................................................................................................... 112
5.2.2 Östliche Partnerschaft ............................................................................................................................. 112
5.2.3 Südkaukasus (Region) ............................................................................................................................ 113
5.2.4 Armenien ................................................................................................................................................ 113
5.2.5 Aserbaidschan......................................................................................................................................... 114
5.2.6 Georgien ................................................................................................................................................. 116
5.2.7 Belarus .................................................................................................................................................... 118
5.2.8 Republik Moldau .................................................................................................................................... 120
5.2.9 Ukraine ................................................................................................................................................... 122
5.2.10 Union für den Mittelmeerraum .......................................................................................................... 124
5.2.11 Ägypten.............................................................................................................................................. 125
5.2.12 Israel................................................................................................................................................... 126
5.2.13 Besetzte palästinensische Gebiete...................................................................................................... 127
5.2.14 Jordanien ............................................................................................................................................ 130
5.2.15 Libanon .............................................................................................................................................. 131
5.2.16 Syrien ................................................................................................................................................. 132
5.2.17 Tunesien............................................................................................................................................. 134
5.2.18 Algerien.............................................................................................................................................. 135
5.2.19 Marokko............................................................................................................................................. 136
5.2.20 Westsahara ......................................................................................................................................... 137
5.2.21 Libyen ................................................................................................................................................ 137

5.3 Russland und Zentralasien............................................................................................................................. 138
5.3.1 Russland.................................................................................................................................................. 138
5.3.2 Zentralasien (Region) ............................................................................................................................. 141
5.3.3 Kasachstan .............................................................................................................................................. 143
5.3.4 Kirgisische Republik............................................................................................................................... 144
5.3.5 Tadschikistan .......................................................................................................................................... 145
5.3.6 Turkmenistan .......................................................................................................................................... 145
5.3.7 Usbekistan............................................................................................................................................... 147

5.4 Afrika ............................................................................................................................................................. 148
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 3
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.1 Afrikanische Union................................................................................................................................. 148
5.4.2 Angola..................................................................................................................................................... 150
5.4.3 Burundi ................................................................................................................................................... 151
5.4.4 Tschad..................................................................................................................................................... 152
5.4.5 Côte d'Ivoire............................................................................................................................................ 154
5.4.6 Demokratische Republik Kongo............................................................................................................. 156
5.4.7 Eritrea ..................................................................................................................................................... 157
5.4.8 Äthiopien ................................................................................................................................................ 158
5.4.9 Gambia.................................................................................................................................................... 159
5.4.10 Guinea ................................................................................................................................................ 160
5.4.11 Guinea-Bissau .................................................................................................................................... 161
5.4.12 Kenia .................................................................................................................................................. 162
5.4.13 Liberia ................................................................................................................................................ 163
5.4.14 Madagaskar ........................................................................................................................................ 164
5.4.15 Malawi ............................................................................................................................................... 165
5.4.16 Mauretanien ....................................................................................................................................... 166
5.4.17 Mosambik .......................................................................................................................................... 167
5.4.18 Niger .................................................................................................................................................. 167
5.4.19 Nigeria................................................................................................................................................ 169
5.4.20 Ruanda ............................................................................................................................................... 170
5.4.21 Senegal............................................................................................................................................... 171
5.4.22 Somalia .............................................................................................................................................. 172
5.4.23 Südafrika ............................................................................................................................................ 173
5.4.24 Sudan.................................................................................................................................................. 173
5.4.25 Togo ................................................................................................................................................... 175
5.4.26 Uganda ............................................................................................................................................... 176
5.4.27 Simbabwe........................................................................................................................................... 178

5.5 Naher und Mittlerer Osten und Arabische Halbinsel .................................................................................... 179
5.5.1 Bahrain.................................................................................................................................................... 179
5.5.2 Iran.......................................................................................................................................................... 180
5.5.3 Irak.......................................................................................................................................................... 182
5.5.4 Saudi-Arabien ......................................................................................................................................... 184
5.5.5 Jemen ...................................................................................................................................................... 185

5.6 Asien und Ozeanien........................................................................................................................................ 187
5.6.1 Afghanistan............................................................................................................................................. 187
5.6.2 Bangladesch............................................................................................................................................ 189
5.6.3 Birma/Myanmar...................................................................................................................................... 190
5.6.4 Kambodscha ........................................................................................................................................... 192
5.6.5 China....................................................................................................................................................... 194
5.6.6 Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK)....................................................................................... 196
5.6.7 Fidschi..................................................................................................................................................... 198
5.6.8 Indien ...................................................................................................................................................... 199
5.6.9 Indonesien............................................................................................................................................... 200
5.6.10 Japan .................................................................................................................................................. 202
5.6.11 Laos.................................................................................................................................................... 202
5.6.12 Malaysia ............................................................................................................................................. 203
5.6.13 Nepal .................................................................................................................................................. 204
5.6.14 Pakistan .............................................................................................................................................. 205
5.6.15 Philippinen ......................................................................................................................................... 207
5.6.16 Sri Lanka............................................................................................................................................ 209
5.6.17 Thailand ............................................................................................................................................. 210
5.6.18 Timor-Leste........................................................................................................................................ 211
5.6.19 Vietnam.............................................................................................................................................. 212

5.7 Die amerikanischen Kontinente ..................................................................................................................... 214
5.7.1 Kanada .................................................................................................................................................... 214
5.7.2 USA ........................................................................................................................................................ 214
5.7.3 Lateinamerika und Karibik ..................................................................................................................... 216
Lateinamerika...................................................................................................................................................... 218
5.7.4 Argentinien ............................................................................................................................................. 218
5.7.5 Bolivien................................................................................................................................................... 218

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/10899

5.7.6 Brasilien.................................................................................................................................................. 219
5.7.7 Chile........................................................................................................................................................ 220
5.7.8 Kolumbien .............................................................................................................................................. 220
5.7.9 Ecuador ................................................................................................................................................... 221
5.7.10 El Salvador......................................................................................................................................... 222
5.7.11 Guatemala .......................................................................................................................................... 222
5.7.12 Honduras ............................................................................................................................................ 223
5.7.13 Mexiko ............................................................................................................................................... 224
5.7.14 Nicaragua ........................................................................................................................................... 225
5.7.15 Paraguay............................................................................................................................................. 225
5.7.16 Peru .................................................................................................................................................... 226
5.7.17 Venezuela........................................................................................................................................... 226
5.7.18 Uruguay.............................................................................................................................................. 226
Karibik .................................................................................................................................................................. 227
5.7.19 Kuba................................................................................................................................................... 227
5.7.20 Haiti.................................................................................................................................................... 228
5.7.21 Jamaika .............................................................................................................................................. 229

6 Tätigkeit des Europäischen Parlaments im Bereich der Menschenrechte..................................................... 230

7 Abkürzungsverzeichnis....................................................................................................................................... 244
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Drucksache 17/10899 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Vorwort

Die Menschenrechte sind ein langer Weg und ein ständiges Bemühen, sowohl für die Union als
auch für ihre Partner überall in der Welt. Im vorliegenden EU-Jahresbericht über Menschenrechte
und Demokratie in der Welt wird die im Jahr 2010 zurückgelegte Wegstrecke beschrieben. Es wird
die Arbeit beschrieben, die die EU im Bereich der Menschenrechte in ihren Beziehungen zu ande-
ren Ländern sowohl im Rahmen des förmlichen Dialogs als auch bei der praktischen, unmittelbaren
Unterstützung geleistet hat. Ferner wird die Arbeit der Union in multilateralen Foren, insbesondere
in den Vereinten Nationen, aufgezeigt, in deren Rahmen versucht wurde, die Menschenrechte als
unteilbare und universell gültige Rechte zu verankern und zu stärken.

Wir sind weiterhin unbeirrbar entschlossen, diese Arbeit noch zu verstärken.

Wir haben dies im VN-Menschenrechtsrat unter Beweis gestellt, beispielsweise durch unseren
Standpunkt zu Belarus oder indem wir die Arbeit verschiedener VN-Sonderberichterstatter unter-
stützt und auf verschiedene Resolutionen zu Fragen wie der Religionsfreiheit gedrängt haben. In der
VN-Generalversammlung hat die EU eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass ein Moratorium
für die Todesstrafe erreicht wurde.

Die EU kann sich in ihren Beziehungen zu Ländern auf dem gesamten Globus jedoch noch wirk-
samer für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte einsetzen. Ich wünsche, dass der
Menschenrechtsdialog ein integraler Bestandteil unserer förmlichen Treffen mit Drittländern wird.
Unter diesen Ländern gibt es indessen eine Reihe anderer Wege, wie wir Unterstützung für
Menschenrechtsfragen anbieten können, und ich möchte, dass wir alle diese Wege nutzen. Deshalb
habe ich jede unserer EU-Delegationen beauftragt, eine eigene Länderstrategie für Menschenrechte
auszuarbeiten. Bis Ende 2011 werden über 150 Strategien entwickelt, 90 davon werden bereits
geprüft. Dabei werden nicht nur bürgerliche und politische Rechte berücksichtigt, sondern auch
soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte. Wir werden zeigen, dass wir nicht nur in unseren
eher traditionellen Bereichen wie Rechte von Frauen und Kindern tätig sind, sondern auch in
neueren Bereichen, beispielsweise Menschenrechte im Wirtschaftsbereich.

Die Menschenrechte sind das Herzstück der Werte der Union und deshalb ist der vorliegende
Bericht so bedeutsam wie wohl kein anderer, denn er zeigt, was eine gemeinsame europäische
Außenpolitik leisten kann und aus welchen Gründen. Ich möchte Ihnen diesen Bericht wärmstens
empfehlen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/10899

1 Überblick
Die Veröffentlichung dieses Berichts erfolgt zu einem historischen Zeitpunkt. Menschenrechte und

Demokratie sind infolge der Umwälzungen, die sie in Ländern bewirkt haben, in denen man sie

lange Zeit vergebens suchte, in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Dieser Bericht zeigt, wie die

EU im Jahr 2010 ihre langfristig angelegten Maßnahmen fortgeführt und damit umsichtig die

Voraussetzungen für eine Bewältigung dieser neu auftretenden Herausforderungen geschaffen hat.

2010 war das erste volle Jahr, in dem die EU nach dem Vertrag von Lissabon gearbeitet hat. In

diesem Vertrag sind die für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) geltenden

Grundsätze wie folgt festgelegt:

Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten, die

für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch

weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle

Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der

Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die

Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.

Dass die Menschenrechte ein zentrales Anliegen der Europäischen Union sind, hat die Hohe

Vertreterin in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament am 16. Juni 2010 zum Ausdruck

gebracht. Bei dieser Gelegenheit hat sie ihre Position in Bezug auf die Menschenrechte in den

Grundzügen dargelegt und zudem angekündigt, einen Konsultationsprozess zur Überprüfung der

EU-Politik und zur Festlegung einer neuen EU-Menschenrechtsstrategie einleiten zu wollen.

Die Hohe Vertreterin hat zu Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sehr deutlich

Stellung bezogen: "Sie werden sich wie ein roter Faden durch unser gesamtes auswärtiges Handeln

ziehen… Wir verfügen in der EU über zahlreiche Instrumente, mit denen wir dazu beitragen

können, die Welt lebenswerter zu machen. Diese Instrumente müssen wir besser einsetzen und

besser miteinander verknüpfen."

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Drucksache 17/10899 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die multilaterale Arbeit auf dem Gebiet der Menschenrechte wurde 2010 weiter ausgebaut, nicht

zuletzt aufgrund der umfangreichen Aktivitäten im Zuge der Vorbereitungen auf die (2011

anstehende) Überprüfung des VN-Menschenrechtsrats in Genf. Während noch über die Regeln und

Verfahren für die Tätigkeit des Menschenrechtsrats beraten wurde, gab es weitere Anzeichen dafür,

dass dieser beginnt, sein Potenzial auszuschöpfen und seinem Mandat zur "Förderung der

allgemeinen Achtung des Schutzes aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle" gerecht zu

werden, zu dem es ferner gehört, "sich (…) mit Situationen von Verletzungen der Menschenrechte,

namentlich groben und systematischen Verletzungen, (zu) befassen" und Empfehlungen abzugeben,

wie solchen Situationen wirksam begegnet werden kann.

Die EU konnte 2010 einige bemerkenswerte Erfolge im Menschenrechtsrat erzielen, in erster Linie

dank ihres aktiven Engagements in regionenübergreifenden Gruppierungen und der

Zusammenarbeit mit ihren wichtigsten Partnern. Die Mandate verschiedener VN-Sonder-

berichterstatter (für Birma/Myanmar, die DVRK, Sudan, Somalia, Kambodscha und Haiti) wurden

verlängert (wobei eine Mandatsverlängerung mitnichten eine ausgemachte Sache ist). Die EU hat

die Schaffung eines neuen Mandats für einen Sonderberichterstatter für Versammlungs- und

Vereinigungsfreiheit unterstützt. Ferner wurden Resolutionen zur Lage in der Demokratischen

Republik Kongo, Guinea, der Kirgisischen Republik und Afghanistan sowie zum Thema Religions-

und Weltanschauungsfreiheit verabschiedet.

Leider waren im Menschenrechtsrat auch einige negative Entwicklungen zu verzeichnen. Hierzu

zählen die beispiellosen Versuche, die Autorität des Präsidenten des Menschenrechtsrats einzu-

schränken, und die Kritik an der Art und Weise, wie die VN-Sonderberichterstatter ihr sehr

schwieriges Amt ausüben. Die EU hatte große Mühe, ihre Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung

ihrer Aufgaben entsprechend ihren jeweiligen Mandaten zu erhalten.

Generell wurde 2010 das Konzept des "Menschenrechtsverteidigers" erneut in Frage gestellt, ein

Konzept, das die EU - allen voran die Hohe Vertreterin - sehr energisch verteidigt hat. Die EU hat

die Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Politik

zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte in der Welt gemacht. Im Jahr 2010 intensivierte

sie diese Unterstützung, indem sie die Missionen der EU weltweit veranlasste, lokale Strategien für

eine Zusammenarbeit mit Menschenrechtsverteidigern zu entwickeln.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/10899

Im weiteren Verlauf des Jahres hat die EU all ihre wesentlichen Ziele im Dritten Ausschuss der

VN-Generalversammlung, der seinen Sitz in New York hat und sich unter anderem mit Menschen-

rechtsfragen befasst, erreicht. Infolge einer regionenübergreifenden Initiative wurde die Resolution

zu einem Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe mit überwältigender Mehrheit verab-

schiedet, zudem wurde eine Resolution gegen religiöse Intoleranz im Konsens angenommen. Über-

dies wurden länderspezifische Resolutionen betreffend die DVRK und Birma/Myanmar verab-

schiedet. Es konnte außerdem als Erfolg verbucht werden, dass die Bezugnahme auf Diskrimi-

nierung aufgrund des Geschlechts in der Resolution über außergerichtliche Hinrichtungen

beibehalten wurde.
Bei ihrer bilateralen Arbeit hat die EU ihr langjähriges politisches Engagement gegenüber anderen

Staaten fortgesetzt, und zwar im Rahmen ihrer nahezu 40 Menschrechtsdialoge und -konsultationen

und in den zuständigen Unterausschüssen. Im Jahr 2010 ging es in erster Linie darum, bestimmte

Menschenrechtsdialoge, insbesondere die Dialoge mit China und Russland, zu bewerten, um ihre

Wirksamkeit sicherzustellen und sie auf die neuen Herausforderungen in den jeweiligen Staaten

abzustimmen.
Am 26. April 2010 hat der Rat Schlussfolgerungen zur Verbesserung der Prävention im Kampf

gegen die Gewalt gegen Frauen angenommen. Darin betont er, dass sich die EU für die

Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen einsetzen wird, wobei dies nicht nur Straftaten

gegen Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit, sondern auch Ausübung von Zwang,

Drohungen und Angriffe auf die moralische Unversehrtheit einschließt. Auf diese Weise hat die EU

bekräftigt, wie sehr ihr daran gelegen ist, dass diese Fragen auf der Grundlage ihrer Leitlinien für

die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen umfassend behandelt werden.
Das Jahr 2010 stand ganz im Zeichen des zehnten Jahrestages der Resolution 1325 des Sicher-

heitsrates der Vereinten Nationen über Frauen und Frieden und Sicherheit, die dazu beigetragen hat,

dass das Interesse an diesem Themenkreis weltweit erheblich zugenommen hat. Der Jahrestag

lenkte die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die Defizite bei der Umsetzung

der Resolution 1325, insbesondere was den darin geforderten Schutz von Frauen vor sexueller

Gewalt in Situationen bewaffneter Konflikte betrifft. Als wichtige Maßnahme für mehr Kontrolle

und verbesserte Rechenschaftspflicht führte der Sicherheitsrat am 26. Oktober 2010 Beratungen auf

hoher Ebene, an deren Ende eine Reihe von Indikatoren gebilligt wurden, die der Entwicklungs-

fonds der Vereinten Nationen für die Frau (UNIFEM) ausgearbeitet hatte, um die Umsetzung der

Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrats zu überwachen.

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Drucksache 17/10899 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU verzeichnete in diesem Jubiläumsjahr mehrere wichtige interne Entwicklungen, darunter die
Annahme von 17 Indikatoren für die Überwachung der Umsetzung der EU-Politik zum Thema
Frauen, Frieden und Sicherheit, die Ausarbeitung des Berichts über Erfahrungen und bewährte
Verfahren zur durchgängigen Berücksichtigung von Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen bei
militärischen Operationen und zivilen Missionen im Rahmen der GSVP sowie die Ausarbeitung
von Standard-Ausbildungsmodulen zu Menschenrechten/Gleichstellung und Kinderschutz im
Kontext der GSVP.

Da die Auswirkungen der Globalisierung in jedem Sektor zu spüren sind, wurde der Kinderarbeit
im Jahr 2010 verstärkte Aufmerksamkeit zuteil. Der Rat hat anlässlich des Welttages gegen Kinder-
arbeit, der am 12. Juni begangen wird, weitreichende Schlussfolgerungen angenommen. Darin
vereinbarte er, die Bemühungen der EU um die Beseitigung der Kinderarbeit zu intensivieren und
hierfür die Instrumente der EU, einschließlich des politischen Dialogs, in Kombination mit
Anreizen für Entwicklungszusammenarbeit und Handel, wirksamer einzusetzen. Unter Bezugnahme
auf die Leitlinien der EU für die Rechte des Kindes forderte der Rat, dass die Kinderarbeit in den
Dialogen der EU mit Drittstaaten zur Sprache gebracht wird und dass dieses Thema in die Armuts-
bekämpfungsstrategien der EU und in alle sonstigen relevanten Bereiche einbezogen wird.

Besonders bezeichnend für das Jahr 2010 war die Wirkung der so genannten sozialen Medien
(social media). Einerseits bieten sie, wie das Beispiel Iran gezeigt hat, ein gewaltiges Potenzial für
die Organisation von Protest, andererseits haben sie die gewaltsame Unterdrückung der Meinungs-
freiheit durch die betreffenden verunsicherten Regime beschleunigt. Die EU hat die Probleme, mit
denen Menschenrechtsverteidiger und Journalisten konfrontiert waren, unverzüglich angesprochen.
Der Rat hat in seiner Erklärung vom 22. März 2010 erneut betont, dass das Recht auf freie Mei-
nungsäußerung überall auf der Welt ein universelles Recht ist, das auch das Recht des Einzelnen
umfasst, sich über alle Grenzen hinweg Informationen zu beschaffen, zu empfangen und weiter-
zugeben. Die EU hat alle Staaten aufgerufen, die Internetzensur und das Stören von Satelliten-
übertragungen einzustellen.

Als Demokratiebewegungen in verschiedenen Staaten zunehmend an Boden gewannen, insbe-
sondere gegen Ende des Jahres 2010, hat der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 13. Dezember
2010 die Unterstützung der Demokratie thematisiert. Die Schlussfolgerungen enthalten eine
Bestandsaufnahme der Fortschritte in diesem Bereich sowie eine Liste von Pilotländern für die
Umsetzung des EU-Aktionsplans: die Republik Moldau, die Kirgisische Republik, Libanon, Ghana,
Benin, die Salomonen, die Zentralafrikanische Republik, Bolivien, die Mongolei, die Philippinen,
Indonesien und die Malediven.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/10899

Bedauerlicherweise war im Jahr 2010 eine Zunahme repressiver Rechtsvorschriften gegen Lesben,

Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen festzustellen. Dies war besonders in einigen

afrikanischen Staaten zu beobachten. Der Rat beschloss, einen neuen Maßnahmenkatalog ("toolkit")

festzulegen, um gegen die gezielte Diskriminierung dieser Personengruppen vorzugehen. Die EU

hat zudem mehrere Erklärungen abgegeben, in denen sie Homophobie verurteilt und als Verletzung

der Menschenwürde bezeichnet. Sie hat zudem alle Staaten aufgefordert, dafür zu sorgen, dass

sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität keinen Straftatbestand mehr darstellen.
2010 erhielten die Themen Religions- und Weltanschauungsfreiheit zunehmend Aufmerksamkeit.

Für die EU bedeutete dies die praktische Umsetzung der Schlussfolgerungen des Rates vom

16. November 2009, in denen eine Bewertung der bestehenden EU-Initiativen und die Ausarbeitung

neuer Vorschläge vorgesehen war. Im Rahmen dieses Prozesses beschritt die EU den Weg einer

proaktiven Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern in dem langfristig angelegten Bemühen,

Brücken zu bauen und die Toleranz und die Harmonie zwischen den Religionsgemeinschaften zu

fördern.
Die Rolle privater Sicherheitsdienstleister rückte 2010 wieder in den Vordergrund, da abermals

Forderungen nach einer Regulierung dieses Sektors laut wurden. Hierdurch wurde eine Reihe wich-

tiger Fragen aufgeworfen, die mehrere Rechtsgebiete des Völkerrechts berühren, darunter das Recht

auf Gewaltanwendung, das humanitäre Völkerrecht, das internationale Strafrecht und das Staats-

haftungsrecht. Daher vertrat die EU den Standpunkt, dass die Prüfung dieser Fragen mit einer

eingehenden Untersuchung der bestehenden internationalen Rechtsrahmen beginnen sollte.
Nach der Annahme der Resolution 1894 (2009) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen über den

Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten begann die EU 2010 mit der Ausarbeitung

eines neuen "Entwurfs von überarbeiteten Leitlinien für den Schutz von Zivilpersonen bei

GSVP-Missionen und -Operationen." Hierbei sollten die Erfahrung aus GSVP-Missionen und

-Operationen für eine Aktualisierung der vorherigen Leitlinien aus dem Jahr 2003 genutzt werden.

Ziel war die Festlegung eines umfassenden Ansatzes der EU, der die verschiedenen Rollen der

humanitären und militärischen Akteure und Instrumente abdeckt. Nach Konsultationen mit den

Vereinten Nationen (dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) und

der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (DPKO)) und dem Internationalen Komitee vom

Roten Kreuz (IKRK) wurde eine Reihe detaillierter Bestimmungen für die Planung und Durch-

führung von GSVP-Missionen und -Operationen festgelegt.

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Drucksache 17/10899 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2010 wurde die Konferenz zur Revision des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichts-

hofs, die vom 31. Mai bis 11. Juni in Kampala abgehalten wurde, erfolgreich abgeschlossen; auf ihr

wurden das Verbrechen der Aggression definiert und die Bedingungen für die Ausübung der

Gerichtsbarkeit durch den Strafgerichtshof im Hinblick auf dieses Verbrechen festgelegt. Im

Vorfeld dieser Konferenz hatte der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 25. Mai 2010 bekräftigt,

dass die EU entschlossen ist, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu unterstützen und die

Straflosigkeit zu bekämpfen. Auf der Konferenz ging die EU vier Verpflichtungen ein und machte

damit deutlich, dass sie dem IStGH und den von ihm wahrgenommenen Aufgaben große Bedeutung

beimisst. Die EU verpflichtete sich, einen Katalog von Maßnahmen für Komplementarität auszu-

arbeiten, der dabei helfen soll, die besonderen Erfordernisse im Zusammenhang mit der

Bekämpfung der Straflosigkeit in den Programmen zur Förderung der Entwicklung und der

Rechtsstaatlichkeit besser zu berücksichtigen.

Die EU und das Engagement der Hohen Vertreterin haben dazu beigetragen, dass 2010 drei weitere

Staaten dem Römischen Statut beigetreten sind: Bangladesch, die Seychellen und die Republik

Moldau.

Die internationale Strafjustiz, die insbesondere durch den IStGH, die Internationalen Strafgerichts-

höfe für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) und für Ruanda (IStGHR) und den Sondergerichtshof

für Sierra Leone verkörpert wird, ist von entscheidender Bedeutung für die Wahrung des Friedens

und für die Stärkung der internationalen und der lokalen Sicherheit. Auf nationaler Ebene unter-

stützt die EU die Außerordentlichen Kammern in den Gerichten Kambodschas (ECCC) und den

Sondergerichtshof für Libanon.

Wie der Bericht zeigt, war das Jahr 2010 für die Europäische Union ein Jahr intensiver Tätigkeit auf

dem Gebiet der Menschenrechte und der Demokratie. Auch in einer Zeit, in der Europa mit eigenen

Problemen konfrontiert ist, sieht es sich doch entschieden dazu verpflichtet, weiter auf Drittländer

zuzugehen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/10899

2 Instrumente und Initiativen der EU in Drittländern

Einleitung
In den letzten zehn Jahren hat sich die EU mit einem umfassenden Instrumentarium für die

praktische Umsetzung ihrer Werte und Grundsätze ausgestattet. Dies steht im Einklang mit dem

Vertrag über die Europäische Union, der die EU verpflichtet, ihren Grundsätzen weltweit zu

stärkerer Geltung zu verhelfen. Hierzu führt die EU Gespräche, sucht nach Gemeinsamkeiten und

Möglichkeiten zur Überwindung von Trennendem. Dies kann im Rahmen von förmlichen

Menschenrechtsdialogen und -konsultationen oder bei diskreteren informellen Kontakten mit den

entsprechenden Stellen geschehen. In diesem Abschnitt wird die breite Palette von Instrumenten

beschrieben, die der EU zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte zur Verfügung stehen.

2.1 EU-Leitlinien zu Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht
Die acht sogenannten "Leitlinien" bilden das Rückgrat der Menschenrechtspolitik der EU. Sie sind

zwar nicht rechtsverbindlich, doch sie wurden vom Rat der EU einstimmig angenommen und

stellen daher eine klare politische Aussage über die Prioritäten der EU dar. Sie bilden außerdem ein

praktisches Instrumentarium, das den Vertretern der EU überall auf der Welt hilft, unserer

Menschenrechtspolitik Geltung zu verschaffen. Die Leitlinien stärken also die Kohärenz und

Kontinuität der Menschenrechtspolitik der EU.

Die EU verfügt nun über Menschenrechtsleitlinien zu den folgenden Themen:

• Todesstrafe (1998 angenommen, 2008 aktualisiert)

• Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (2001
angenommen, 2008 aktualisiert)

• Dialoge im Bereich der Menschenrechte (2001 angenommen, 2009 aktualisiert)

• Kinder und bewaffnete Konflikte (2003 angenommen, 2008 aktualisiert)

• Menschenrechtsverteidiger (2004 angenommen, 2008 aktualisiert)

• Förderung und Schutz der Rechte des Kindes (2007 angenommen)

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Drucksache 17/10899 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

• Gewalt gegen Frauen und Mädchen und Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von
Frauen (2008 angenommen)

• Verstärkte Beachtung des humanitären Völkerrechts (2005 angenommen, 2009 aktualisiert)

Weitere Informationen über die Leitlinien sind einer im März 2009 veröffentlichten Broschüre zu

entnehmen. Sie können auch auf der Website des Rates in allen Amtssprachen der EU sowie in

Russisch, Chinesisch, Arabisch und Persisch (Farsi) abgerufen werden.

2010 wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass bei den von der EU weltweit durchgeführten Maß-

nahmen für Kohärenz gesorgt werden muss, dass gleichzeitig jedoch die Notwendigkeit besteht, das

Vorgehen der EU auf die jeweils individuellen Situationen abzustimmen. Zu diesem Zweck wurde

beschlossen, für die einzelnen Länder lokale Menschenrechtsstrategien auszuarbeiten und dabei

sowohl unsere Prioritäten ständig zu überprüfen als auch ständig zu prüfen, ob unser auf den Einzel-

fall abgestimmter Instrumenten-Mix optimal eingesetzt wird, während wir gleichzeitig unseren

Partnern mit Respekt begegnen.

2.2 Menschenrechtsdialoge und -konsultationen
Die Europäische Union hat 2010 politische Dialoge speziell zum Thema Menschenrechte mit

nahezu 40 Staaten sowie mit der Afrikanischen Union geführt. Diese Dialoge haben sich als ein

nützliches Instrument der EU-Menschenrechtspolitik erwiesen. Sie bieten die Möglichkeit,

Menschenrechtsanliegen, gerade auch im Zusammenhang mit Einzelfällen, zur Sprache zu bringen

und sich gleichzeitig über bewährte Vorgehensweisen auszutauschen, Partnerschaften aufzubauen

und strittige Punkte zu klären. Durch die Dialoge konnten zudem zahlreiche konkrete Ergebnisse

erzielt werden, die ihre Wirkung immer dann am stärksten entfalten, wenn die Dialoge intensiv

begleitet werden und an konkrete Aktionspläne, legislative Reformen und Projekte gekoppelt sind,

die von der EU im Rahmen ihrer anderen Instrumente, einschließlich der Instrumente der

Entwicklungshilfe, gefördert werden können. Die Dialoge sind kein Ersatz für die Einforderung der

Achtung der Menschenrechte im Rahmen anderer Foren des politischen Dialogs; sie ermöglichen es

der EU jedoch, mit bestimmten Partnern ausführlicher über Menschenrechte zu sprechen, als dies

sonst möglich wäre.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/10899

2010 wurde die externe Überprüfung des Dialogs mit China - des ältesten der von der EU geführten

Menschenrechtsdialoge - zum Abschluss gebracht. Auf der Grundlage der anlässlich dieser

Überprüfung ausgesprochenen Empfehlungen führt die EU derzeit mit der chinesischen Regierung

Gespräche über eine Verbesserung der Modalitäten und des Inhalts des Dialogs. Eine vergleichbare

Evaluierung des Menschenrechtsdialogs mit Russland wurde 2010 eingeleitet.

Generell wurde im zweiten Halbjahr 2010 - im Rahmen der seit Mitte 2010 laufenden allgemeinen

Überprüfung der Menschenrechtsstrategie der EU - insbesondere in der Ratsgruppe

"Menschenrechte" damit begonnen, in Konsultation mit der Zivilgesellschaft die Menschen-

rechtsdialoge der EU zu überprüfen und zu verbessern, um sie effizienter zu gestalten und ihre

Wirkung vor Ort zu verbessern. Derzeit werden innerhalb des Spektrums an Dialogen, die

gegenwärtig geführt werden, bewährte Verfahren ermittelt. Dieses Spektrum umfasst Dialoge in

folgenden Formaten:

(a) Strukturierte Menschenrechtsdialoge:
• Afrikanische Union

• Armenien

• Belarus

• China

• Georgien

• Indonesien

• Iran (seit 2006 ausgesetzt)

• Kasachstan

• Kirgisische Republik

• Republik Moldau

• Tadschikistan

• Turkmenistan

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Drucksache 17/10899 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(b) Dialoge in speziellen Unterausschüssen im Rahmen von Assoziierungsabkommen,

Partnerschafts- und Kooperationsabkommen oder Kooperationsabkommen, insbesondere im

Kontext der Europäischen Nachbarschaftspolitik:
• Kambodscha

• Ägypten

• Jordanien

• Laos

• Libanon

• Marokko

• Pakistan

• Palästinensische Behörde

• Tunesien

• Usbekistan

• Vietnam
(c) Lokale Menschenrechtsdialoge:
• Argentinien

• Brasilien

• Chile

• Kolumbien

• Indien

• Mexiko

• Sri Lanka

• Vietnam

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/10899

(d) Konsultationen zu Menschenrechtsfragen:
• Kanada

• Israel

• Japan

• Neuseeland

• Russland

• USA

• Bewerberländer: Kroatien, Island, Türkei und ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien
Darüber hinaus führen beinahe alle 79 Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen

Ozean, die Vertragsparteien des Cotonou-Abkommens sind, auf der Grundlage von Artikel 8 des

Abkommens einen Dialog mit der EU, der eine regelmäßige Bewertung der Entwicklungen bei der

Achtung der Menschenrechte, der demokratischen Grundsätze und des Rechtsstaatsprinzips sowie

der verantwortungsvollen Staatsführung einschließt.

Sollten Probleme festgestellt werden, so kann ein intensivierter politischer Dialog vorgesehen

werden, zu dem es auch gehört, Referenzwerte, Zielwerte und korrigierende Maßnahmen zu

vereinbaren. Laut Artikel 9 des Cotonou-Abkommens stellen die Achtung der Menschenrechte, der

demokratischen Grundsätze und des Rechtsstaatsprinzips dessen wesentliche Elemente dar. Nach

Artikel 96 kann eine Vertragspartei bei Verletzung eines dieser wesentlichen Elemente die andere

Vertragspartei um Konsultationen ersuchen mit dem Ziel, eine für beide Vertragsparteien annehm-

bare Lösung zu finden. Wird keine Lösung gefunden, liegt ein besonders dringender Fall vor oder

werden Konsultationen von einer Vertragspartei abgelehnt, so können geeignete Maßnahmen

getroffen werden, zu denen (als letztes Mittel) die Aussetzung der Anwendung des Abkommens auf

das betreffende Land gehört.

2010 wurden Konsultationen nach Artikel 96 mit Guinea-Bissau eingeleitet. Gegenüber fünf

weiteren Ländern, nämlich Simbabwe, Fidschi, Guinea, Niger und Madagaskar, wurden geeignete

Maßnahmen ergriffen.

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Drucksache 17/10899 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2.3 Beschlüsse des Rates und Krisenbewältigung

Die EU hat 2010 ihre speziell auf Menschenrechte und Geschlechtergleichstellung ausgerichtete
Politik innerhalb der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiter umgesetzt und
konsolidiert und darüber hinaus den Besitzstand hinsichtlich des Schutzes von Zivilpersonen
weiterentwickelt. Die einschlägigen Arbeitsgruppen des Rates berieten regelmäßig über die
durchgängige Berücksichtigung von Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen in der GSVP.

2010 wurde eine Operation (die EUTM Somalia) eingeleitet. Während der Grundausbildung werden
die somalischen Soldaten nicht nur in rein militärischen Techniken ausgebildet, sondern erhalten
auch Unterweisung in Menschenrechten, im humanitären Völkerrecht, im Flüchtlingsrecht, in
Gleichstellungsfragen und in Fragen des Schutzes von Zivilpersonen, insbesondere von Frauen und
Kindern, in Konflikten.

Eines der wichtigsten Ergebnisse in diesem Bereich war die Billigung des Dokuments "Erfahrungen
und bewährte Verfahren zur durchgängigen Berücksichtigung von Menschenrechts- und Gleich-
stellungsfragen bei militärischen Operationen und zivilen Missionen im Rahmen der GSVP" durch
den Rat auf seiner Tagung im Dezember 20101. Seit die EU im Jahr 2003 ihre erste Krisen-
bewältigungsoperation eingeleitet hat, konnten in Bezug auf die Frage, wie die tatsächliche
Berücksichtigung von Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen bei der Planung und Durch-
führung von Missionen und Operationen zum Erfolg der Missionen und Operationen und zur
Steigerung ihrer Einsatzeffizienz beitragen, zahlreiche Erfahrungen gewonnen und bewährte
Verfahren ermittelt werden. Der vom Rat gebilligte Bericht enthält eine Reihe von Empfehlungen:
− Die Berichterstattung über die durchgängige Berücksichtigung von Menschenrechts- und

Gleichstellungsfragen samt einschlägiger Beurteilungen und Erkenntnisse sollte in die
künftigen Erfahrungsberichte und die sechsmonatigen Fortschrittsberichte zu den
Operationen und Missionen aufgenommen werden. Es sollte erwogen werden, spezifische
Evaluierungen der durchgängigen Berücksichtigung von Menschenrechts- und
Gleichstellungsfragen bei GSVP-Operationen und -Missionen durchzuführen.

− Es sollte dafür gesorgt werden, dass Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen bei den
operations- und missionsbezogenen Zielvorgaben, Planungen und Evaluierungen
berücksichtigt werden. Die Umsetzung der Verpflichtungen des Aufnahmelands sollte bei
der Überwachung und Evaluierung der Operation bzw. Mission auf politischer und
operativer Ebene genau verfolgt werden.
1 Umfassende Angaben sind dem Dokument 17138/1/10 REV 1 zu entnehmen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 18
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/10899

− Es sollte hervorgehoben werden, dass die Gesamtverantwortung für die durchgängige
Berücksichtigung von Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen bei den mit der Führung
der Operation oder Mission betrauten Führungskräften im Hauptquartier/Stab und vor Ort
liegt.

− Der Berater/die Anlaufstelle für Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen sollte im

Organigramm strategisch so positioniert werden, dass er/sie in der Nähe der Operations-

oder Missionsführung platziert ist und an den strategischen Sitzungen teilnimmt, um so

Zugang zu den Informationen zu haben, die für eine durchgängige Berücksichtigung der

Gleichstellungs- und Menschenrechtsfragen innerhalb der Operation oder Mission

erforderlich sind, und über den Rückhalt zu verfügen, der es ihm/ihr erlaubt, seine/ihre

Aufgabe auch übergreifend über die unterschiedlichen Komponenten der Operation oder

Mission hinweg wahrzunehmen.

− Gegebenenfalls sollte die Entwicklung von Rechenschaftsmechanismen für den Fall von

Verletzungen des Verhaltenskodex durch Operations- oder Missionspersonal erwogen

werden.

− Es sollte erwogen werden, ein standardisiertes "Begrüßungspaket" zu entwickeln, das jeder

Mitarbeiter einer Operation oder Mission bei der Aufnahme seiner Tätigkeit erhält.

− Es sollten Synergien zwischen der GSVP und anderen außenpolitischen Instrumenten der

EU erkundet und Möglichkeiten zur Steigerung der kombinierten Wirksamkeit ermittelt

werden, auch zwischen Erfahrungsprozessen in den Bereichen GSVP und

Entwicklungszusammenarbeit sowie durch einen breiteren Austausch der jeweiligen

bewährten Verfahren.

− Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit sollte ausgeweitet werden, um einerseits die

Prävention von Menschenrechtsverletzungen zu verstärken und andererseits die GSVP ins

Bewusstsein der Öffentlichkeit inner- und außerhalb der EU zu rücken und ihre

Unterstützung für die GSVP zu gewinnen; zudem sollte eine Kontaktstelle für die lokale

Bevölkerung eingerichtet werden, um die Öffentlichkeitsarbeit zu intensivieren.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 19
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ein weiteres wichtiges im Jahr 2010 zu verzeichnendes Ergebnis war die Ausarbeitung von

Standard-Ausbildungsmodulen zu Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen und Kinderschutz.

Als Folgemaßnahme zu dem Ratsdokument "Implementation of UNSCR 1325 and UNSCR 1820 in

the context of training for the ESDP missions and operations - recommendations on the way

forward"2 hat der Rat im Dezember 2010 das Konzept für EU-Standard-Ausbildungsmodule zu

Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen angenommen. Im Laufe des Jahres 2011 werden daraus

vollständige Module entwickelt. Zudem hat Finnland 2010 ein "Human Rights and Crisis

Management Handbook for Members of CSDP missions"3 erstellt, das den Mitarbeitern einer

Mission oder Operation nun als Rüstzeug für die Praxis dient.
Die EU hat das Networking zwischen den im Rahmen von GSVP-Missionen und -Operationen der

EU tätigen Beratern und Anlaufstellen für Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen weiter

gefördert. Dies geschah in Fortführung einer vom Ratssekretariat im November 2009 ergriffenen

Initiative zur Unterstützung regelmäßiger Treffen zwischen den Beratern und Anlaufstellen für

Gleichstellungsfragen, die im Rahmen von GSVP-Operationen und -Missionen tätig sind. Das

zweite Treffen in diesem Rahmen fand im Juli 2010 in Verbindung mit einer ersten Übung zu

thematischen Erfahrungen als kombiniertes Treffen von Beratern und Anlaufstellen für

Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen statt.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis war die Billigung der "Überarbeiteten Leitlinien für den Schutz

von Zivilpersonen bei GSVP-Missionen und -Operationen" durch den Rat4; sie waren von der EU

in Abstimmung mit den Vereinten Nationen (insbesondere dem Amt für die Koordinierung

humanitärer Angelegenheiten und der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze) und dem

Internationalen Komitee vom Roten Kreuz ausgearbeitet worden. Dieses neue Dokument liefert

neben einer Beschreibung des aktuellen Sachstands betreffend den Schutz von Zivilpersonen auch

konkrete praktische Leitlinien für die Planung und Durchführung von GSVP-Missionen und

-Operationen und die anschließenden Erfahrungsauswertungsprozesse; zudem wird darin

hervorgehoben, dass es für die EU/GSVP unerlässlich ist, ihre enge Zusammenarbeit mit den

Vereinten Nationen und anderen einschlägigen Organisationen beim Thema Schutz von

Zivilpersonen fortzusetzen und den von diesen hierzu ermittelten bewährten Verfahren Rechnung

zu tragen.
2 Dok. 13899/09.
3 "Human Rights and Crisis Management - a handbook for members of CSDP missions",

ISSN 0358-1489 ISBN: 978-951-724-886-0, PDF ISBN: 978-951-724-887-7
4 Dok. 15091/10
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 20
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/10899

2.4 Erklärungen und Demarchen
Die EU legt großen Wert darauf, dass Menschenrechtsfragen im Blickpunkt der Öffentlichkeit

bleiben. Deshalb macht sie häufig Gebrauch von öffentlichen Erklärungen, um ihrer Besorgnis

Ausdruck zu verleihen oder positive Entwicklungen zu begrüßen. Diese Erklärungen werden

einstimmig angenommen.

In anderen Fällen zieht die EU unter Umständen Demarchen vor, wenn sie sich davon größere

Wirksamkeit verspricht. Demarchen oder förmliche diplomatische Schritte sind wichtige

Instrumente einer jeden Außenpolitik und werden von der EU genutzt, um Menschenrechtsanliegen

bei den Behörden von Drittländern vorzubringen. Die EU nutzt Demarchen in der ganzen Welt

regelmäßig auch zur Förderung der Grundsätze der Allgemeingeltung und Integrität des Römischen

Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs. Demarchen werden normalerweise vertraulich von den

EU-Vertretern vor Ort durchgeführt.

Am häufigsten werden die folgenden Themen auf diese Weise behandelt: Schutz von Menschen-

rechtsverteidigern, illegale Inhaftierung, gewaltsames Verschwinden von Personen, Todesstrafe,

Folter, Schutz von Kindern, Flüchtlinge und Asylbewerber, außergerichtliche Hinrichtungen, Recht

auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit, Recht auf einen gerechten Prozess und

Abhaltung von Wahlen.

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Drucksache 17/10899 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2.5 Menschenrechtsklauseln in Abkommen mit Drittländern
Die EU strebt an, dass eine Menschenrechtsklausel in alle mit Drittländern geschlossenen

politischen Rahmenabkommen, wie beispielsweise Assoziierungsabkommen und Partnerschafts-

und Kooperationsabkommen, aufgenommen wird. In dieser Klausel wird festgelegt, dass sich die

Vertragsparteien in ihrer Innen- und Außenpolitik von den in der Allgemeinen Erklärung der

Menschenrechte festgeschriebenen Menschenrechten leiten lassen und dass die Menschenrechte ein

wesentliches Element des Abkommens sind. Die Klausel verdeutlicht, dass die Menschenrechte ein

zentraler Bestandteil des politischen Dialogs zwischen den Vertragsparteien sind; zudem bildet sie

die Grundlage für die Durchführung positiver Maßnahmen und ist anderen wesentlichen

Bestimmungen eines Abkommens gleichgestellt. Ferner berechtigt sie eine Vertragspartei des

Abkommens, im Falle schwerwiegender und anhaltender Menschenrechtsverletzungen ent-

sprechend dem Schweregrad der Verletzung restriktive Maßnahmen gegen die Partei zu ergreifen,

die den Verstoß begeht.

2010 traten mehrere neue Abkommen in Kraft, die eine Menschenrechtsklausel enthalten, nämlich

ein Interimsabkommen über Handel und handelsbezogene Fragen mit der Republik Serbien (am

1. Februar 2010), ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der Republik Tadschikistan

(am 1. Januar 2010), ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Montenegro (am 1. Mai

2010) sowie ein Interimsabkommen mit Turkmenistan über Handel und handelsbezogene Fragen

(am 1. August 2010). Zudem unterzeichnete die EU am 10. Mai 2010 ein Rahmenabkommen mit

der Republik Korea, das eine Menschenrechtsklausel enthält.

Das Europäische Parlament betonte in seiner Entschließung vom 16. Dezember 2010 zu den

Menschenrechten in der Welt, wie wichtig und unverzichtbar die Aufnahme von Menschenrechts-

und Demokratieklauseln in Abkommen zwischen der EU und Nicht-EU-Staaten ist. In der

Resolution wird eine wirksamere Durchführung der Menschenrechtsklauseln gefordert, unter

anderem durch die Schaffung eines Durchsetzungsmechanismus in Verbindung mit der Festlegung

von Zielvorgaben, durch die geprüft werden kann, inwieweit den Menschenrechtsverpflichtungen

nachgekommen wurde.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 37 – Drucksache 17/10899

2.6 Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP)
Im Jahr 2010 waren ENP-Aktionspläne mit Ägypten, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Israel,

Jordanien, Libanon, Marokko, der Republik Moldau, der Palästinensischen Behörde und Tunesien

in Kraft, während die Beziehungen zur Ukraine durch die Assoziierungsagenda gestaltet wurden.

Mit Marokko wurde (und wird noch immer) über einen neuen Aktionsplan verhandelt. In allen

diesen Vereinbarungen, die auf bilateraler Ebene getroffen wurden, sind konkrete Ziele in den

Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte festgelegt, wobei von Land zu

Land unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt wurden. Durch die im Rahmen der Aktionspläne

festgelegten Verpflichtungen sollen Reformen in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit

und Menschenrechte unterstützt werden. Die Aktionspläne enthalten jeweils eine Agenda

politischer und wirtschaftlicher Reformen mit kurz- und mittelfristigen Prioritäten. Menschen-

rechtsfragen und Fragen der Demokratisierung stehen deshalb weiterhin im Mittelpunkt der

Beziehungen der EU zu den Partnerländern der Europäischen Nachbarschaftspolitik, nicht zuletzt

im Hinblick auf eine förmliche Aufwertung der Beziehungen.

Über den politischen Dialog hinaus, der in Form von Treffen auf allen Ebenen stattfindet, bieten

spezielle Unterausschüsse oder Menschenrechtsdialoge die Möglichkeit, einen regelmäßigen

Austausch über diesbezügliche Fragen zu pflegen und gemeinsam zu prüfen, inwieweit die

Verpflichtungen umgesetzt werden. Vor und nach diesen Treffen wird die Zivilgesellschaft

konsultiert.

2010 fanden verschiedene Treffen der Unterausschüsse für Menschenrechte mit den Partnern im

Süden statt, konkret mit Marokko (11. Oktober 2010), der Palästinensischen Behörde (26. Februar

2010), Tunesien (25. Februar 2010) und Libanon (3. Mai 2010). Die informelle Arbeitsgruppe EU-

Israel zu Menschenrechtsfragen trat am 2. September 2010 zusammen. Im Falle Ägyptens wurden

die Menschenrechtsverpflichtungen nach dem ENP-Aktionsplan am 10. und 11. März 2010 im

Unterausschuss für politische Fragen, Menschenrechte und Demokratie, internationale und

regionale Angelegenheiten erörtert. Mit Algerien wurden Verhandlungen im Hinblick auf die

Einsetzung eines Unterausschusses für politische Fragen, Sicherheit und Menschenrechte

aufgenommen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 23
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Drucksache 17/10899 – 38 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Was die Partner im Osten betrifft, so fanden im Oktober 2010 mit der Republik Moldau und im

April 2010 mit der Ukraine Treffen der jeweiligen Unterausschüsse "Recht, Freiheit und Sicherheit"

statt. Über den im März 2010 zwischen der EU und der Republik Moldau aufgenommenen

Menschenrechtsdialog hinaus nahmen die Kommissions- und Ratsdienststellen im Oktober 2010

am vierten "informellen Treffen der Menschenrechtsexperten" mit der Republik Moldau teil, bei

dem über die Fortschritte mit Blick auf die Menschenrechtsverpflichtungen im Aktionsplan Bilanz

gezogen wurde; Vertreter der VN, der OSZE und des Europarats waren aktiv beteiligt. Mit

Armenien wurde ein neuer Unterausschuss "Recht, Freiheit und Sicherheit" eingerichtet, der im

Juli 2010 zu einem ersten Treffen zusammenkam.

Menschenrechtsdialoge fanden im Juli 2010 mit Georgien und im Dezember 2010 mit Armenien

statt. Ergänzend zu dem von der EU mit Armenien geführten Dialog wurde im November 2010 in

Eriwan ein auf die Zivilgesellschaft ausgerichtetes Seminar zum Recht auf ein faires Verfahren und

zur Unabhängigkeit der Justiz veranstaltet. Im November 2010 kam der Unterausschuss

EU-Aserbaidschan für Recht, Freiheit und Sicherheit, Menschenrechte und Demokratie zum ersten

Mal zu einem Treffen zusammen.

Auf dem Gebiet der Justizreform wurde weiter darauf hingearbeitet, die Kapazitäten und die

Effizienz des Justizwesens im Einklang mit den jeweiligen nationalen Reformstrategien auszubauen

bzw. zu verbessern. Die Bemühungen um größere Unabhängigkeit, Effizienz und Unparteilichkeit

der Justiz gerieten in mehreren Partnerländern (Armenien, Aserbaidschan, der Republik Moldau

und der Ukraine) ins Stocken, wohingegen in anderen Partnerländern (Georgien und Jordanien)

gewisse Fortschritte zu verzeichnen waren. Auf dem Gebiet der Reform des Strafvollzugs ging es

in Ägypten, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Marokko, der Republik Moldau, der Ukraine und

Tunesien nur schleppend voran, während in Jordanien die Reform in Zusammenarbeit mit

internationalen Partnern vorangetrieben werden konnte. In den meisten Partnerländern der

Europäischen Nachbarschaftspolitik stellen die Überfüllung der Haftanstalten, die Anwendung von

Misshandlung und Folter sowie der mangelnde Zugang von Menschenrechtsbeobachtern und

internationalen Beobachtern zu Hafteinrichtungen noch immer große unbewältigte Probleme dar.

Auf dem Gebiet der Jugendgerichtsbarkeit wurde mit Georgien, Jordanien, Marokko und der

Ukraine ein Dialog über die Ausarbeitung geeigneter Maßnahmen geführt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 24
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39 – Drucksache 17/10899

Mit der Unterstützung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht nahmen Ägypten,

Algerien, Libanon, Jordanien, Marokko und Tunesien an der Richterkonferenz zum Thema

grenzüberschreitendes Familienrecht, dem sogenannten Malta-Prozess, teil, durch den der Dialog

auf Expertenebene über Fragen des Kinderschutzes und des Familienrechts auf internationaler

Ebene gefördert werden soll. Der Malta-Prozess wird von diesen Partnerländern der Europäischen

Nachbarschaftspolitik als Bezugsrahmen für die Beratung über grenzüberschreitende Streitfälle im

Bereich des Familienrechts und ihre Beilegung anerkannt; den Strafvollzugsbehörden dient er als

Bezugspunkt für Schutzmaßnahmen für jugendliche Straffällige. Die regionale Zusammenarbeit im

Rahmen des Europa-Mittelmeer-Justizprogramms, an der alle ENP-Partnerländer des Mittel-

meerraums, einschließlich Algerien und Syrien, teilnehmen, wurde 2010 fortgesetzt; in diesem

Rahmen wurden Themen wie der Zugang zur Justiz und zu Prozesskostenhilfe, die Beilegung

grenzüberschreitender Streitfälle im Bereich des Familienrechts sowie strafrechtliche und

strafvollzugsrechtliche Fragen behandelt.

2.7 Im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und
Menschenrechte (EIDHR) finanzierte Maßnahmen

Menschenrechtsverteidigern Anerkennung zollen
"Die Anwesenheit außenstehender Beobachter bei Gericht hat sich als äußerst wirksam erwiesen

und sollte in stärkerem Maß als Schutzmechanismus angewendet werden."
Zitat aus einem Interview, das Floribert Chebeya, ein führender Menschenrechtsaktivist in der

Demokratischen Republik Kongo, gab, kurz bevor er im Juni 2010 in Kinshasa tot aufgefunden

wurde.

Das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) ist ein unabhängiges

Finanzierungsinstrument der EU, mit dem im Rahmen der einschlägigen Politik der EU Demokratie

und Rechtsstaatlichkeit gefördert und die Menschenrechte und Grundfreiheiten weltweit gefördert

und geschützt werden sollen; es wurde speziell dafür eingerichtet, die im Rahmen der bilateralen

Entwicklungszusammenarbeit und des politischen Dialogs mit Partnerländern über Menschenrechte

und Demokratie gewährte Unterstützung der EU zu ergänzen. Weitere Informationen sind der

Website des EIDHR zu entnehmen: www.eidhr.eu

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Drucksache 17/10899 – 40 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2.7.1 Wichtigste Ergebnisse des Jahres 2010
93 EU-Delegationen haben im Rahmen des "länderspezifischen Förderprogramms" lokale
Ausschreibungen durchgeführt.
Eine weltweite Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen zur Unterstützung von
Menschenrechtsverteidigern wurde eingeleitet.
465 neue Zuschussverträge wurden vereinbart.
Es wurde ein Krisenreaktionsmechanismus eingerichtet, über den gezielte Sofortmaßnahmen zum
Schutz von Menschenrechtsverteidigern ergriffen werden können.

Dringender Schutzbedarf

Die EU kann Menschenrechtsverteidiger, insbesondere diejenigen unter ihnen, die gefährdet oder dringend
schutzbedürftig sind, auf unterschiedliche Art und Weise unterstützen:
– im Wege der direkten Unterstützung im Rahmen von Projekten, die von darauf spezialisierten

internationalen Nichtregierungsorganisationen (NRO) durchgeführt werden und die im Wege
öffentlicher Ausschreibungen ausgewählt wurden;

– im Wege der "Kaskaden"-Vergabe von Zuschüssen, wobei Zuschüsse durch die obengenannten
(internationalen) NRO an lokale NRO oder direkt an Einzelpersonen vergeben werden;

– in bestimmten Fällen im Wege direkter finanzieller Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger
gemäß Artikel 9 Absatz 155 der EIDHR-Verordnung; hierbei werden kleine Zuschüsse von bis zu je
10 000 EUR von den EU-Delegationen oder -Hauptquartieren als Ad-hoc-Leistung an dringend
schutz- oder hilfsbedürftige Menschenrechtsverteidiger vergeben.
Nach dem Staatsstreich in Honduras wurden 30 000 EUR über drei lokale NRO geleitet, um damit die
Ausgaben für die rechtlichen Belange sowie für die medizinischen und sonstigen dringenden Bedürfnisse
von über 30 gefährdeten Menschenrechts- und Pro-Demokratie-Aktivisten zu decken. 2010 konnten durch
diesen Mechanismus außerdem die Kosten für den Rechtsbeistand für acht Menschenrechtsverteidiger in
Indien gedeckt werden, die strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt waren, weil sie Folter und Straflosigkeit
anprangerten.

Beiträge und Reaktionen zivilgesellschaftlicher Organisationen sind wichtig, um die im Rahmen des
EIDHR geplanten Programme und deren Durchführung im Detail weiterzuentwickeln und noch stärker
auf die jeweiligen Bedürfnisse abzustellen.
2010 fanden im Kontext des strukturierten Dialogs zwischen der EU und der Zivilgesellschaft, dem
sogenannten Palermo-II-Prozess, mehrere Seminare statt, an denen Organisationen der Zivilgesellschaft
aus EU-Ländern und Drittländern teilnahmen. Im Juni 2010 wurde in Amman (Jordanien) ein regionales
Seminar veranstaltet, bei dem mehr als 160 Teilnehmer aus den Partnerländern der Europäischen
Nachbarschaftspolitik, den EU-Ländern und deren Einrichtungen einen Gedankenaustausch über die
Menschenrechtspolitik der EU führten und sich dabei speziell mit den Hilfsinstrumenten befassten. Das
Seminar bot eine gute Gelegenheit, aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen und
Empfehlungen für die Zukunft zu erarbeiten.
5 Artikel 9 Absatz 1 der EIDHR-Verordnung lautet wie folgt: "[Die Kommission] kann […]

kleine Ad-hoc-Zuschüsse auf Grund von dringenden Schutzerfordernissen für [einzelne]
Menschenrechtsverteidiger gewähren."
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41 – Drucksache 17/10899
Die drei wichtigsten Empfehlungen, die bei dem Seminar in Amman ausgesprochen wurden:

1. Empfehlung an die EU als politisches Organ:
Es sollte für Kohärenz zwischen den eingegangenen politischen Verpflichtungen und den zur
Umsetzung dieser Verpflichtungen zugewiesenen Finanzmitteln gesorgt werden.

2. Empfehlung an die EU als Geldgeber:
Es sollten flexiblere Projektmanagement-Verfahren ausgearbeitet werden.

3. Empfehlung an die zivilgesellschaftlichen Organisationen:
Es sollten echte und auf lange Sicht angelegte Netzwerke auf nationaler, regionaler und
internationaler Ebene aufgebaut werden.

2.7.2 Halbzeitevaluierung des EIDHR

2010 endete der Umsetzungszeitraum des ersten Strategieprogramms des EIDHR, das die Jahre
2007 bis 2010 abdeckte. Während dieses Zeitraums wurden mehr als 1200 Zuschüsse im
Zusammenhang mit Maßnahmen in rund 140 Ländern in allen Teilen der Welt mit einem
Finanzvolumen von über 331 Mio. EUR gewährt. Hierin nicht enthalten sind sensible Projekte, die
vertraulich behandelt werden, sowie Maßnahmen im Zusammenhang mit
Wahlbeobachtungsmissionen.

Zahlenmäßig am stärksten vertreten waren Projekte zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie,
wohingegen die meisten Finanzmittel auf Projekte im Zusammenhang mit Folter und Todesstrafe
entfielen.
1 Starkes Engagement der Zivilgesellschaft weltweit
2 Länder mit mehr als 25 Projekten
3 Länder mit 15 bis 24 Projekten
4 Länder mit 5 bis 14 Projekten
5 Länder mit 1 bis 4 Projekten
6 Länder ohne Projekte bzw. mit nicht-öffentlichen Projekten
7 EU-Wahlbeobachtungsmissionen

1

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3
4
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6
7

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Drucksache 17/10899 – 42 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Darüber hinaus wurden im Rahmen von Ziel 5 des EIDHR Wahlbeobachtungsmissionen durch-

geführt. Diese haben sich zu einem zentralen Mittel zur Förderung des Demokratisierungsprozesses

in den betreffenden Ländern entwickelt. Im Zeitraum von 2007 bis 2010 wurden 37 Wahlbeobach-

tungsmissionen durchgeführt. Allein im Jahr 2010 wurden sieben Wahlbeobachtungsmissionen

(nach Côte d'Ivoire, Tansania, Guinea, Burundi, Äthiopien, Sudan und Togo), eine Wahlexperten-

mission (nach Nicaragua) und zwei Wahlbeurteilungsteams (nach Afghanistan und Irak) entsandt.

2.7.3 Fallbeispiele
Unterstützung der Einheimischen in Haiti

2010 wurde in Haiti ein umfangreiches Programm aus dem EIDHR finanziert, um im Vorfeld der
anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen einheimische Wahlüberwacher und Wahlbeobachter zu
schulen; die Wahlen wurden aufgrund des schweren Erdbebens im Januar verschoben. In der Vergangenheit
sind die Wahlen in Haiti durch Gewaltanwendung, Manipulationen und Einschüchterungen beeinträchtigt
worden, nach Auffassung der EU sind jedoch politische Stabilität und der Übergang zur Demokratie die
Grundvoraussetzungen für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Erholung Haitis. Am Anfang des
Projekts stand die Ausbildung von 130 Hauptwahlüberwachern, die auf Bezirksebene und auf kommunaler
Ebene tätig werden. Weitere 3000 junge Menschen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden darin
geschult, landesweit die Stimmabgabe am Wahltag zu beobachten. Der erste Wahlgang fand am
28. November 2010 statt.

Gefährdete Kinder in allen Teilen der Welt
Zahlreiche im Rahmen des EIDHR in allen Regionen der Welt durchgeführte Projekte haben die Rechte des
Kindes und die Rehabilitation von Kindersoldaten in der Konfliktfolgezeit zum Gegenstand.

Der brasilianische Bundesstaat Pará ist eine der Gegenden im Amazonasgebiet Brasiliens, in denen es am
häufigsten zu Verletzungen der Kinderrechte kommt. Kinder in Pflegeeinrichtungen oder staatlichen Heimen
werden oft misshandelt, Folter und andere Formen von Gewalt und fehlender Fürsorge sind gang und gäbe.
Im Rahmen des EIDHR wird ein auf drei Jahre angelegtes Projekt finanziert, bei dem 800 Kinder und
600 Familien darin geschult werden, ihre Rechte zu verteidigen und Verstöße dagegen anzuzeigen. Das
Projekt richtet sich außerdem an 1 200 Fachleute, deren Aufgabe es ist, die Rechte von Kindern in
Pflegeeinrichtungen und Institutionen der Justiz zu schützen.

Im westlichen Mittelland Nepals wird im Rahmen eines EIDHR-Projekts die Reintegration von 4 000
ehemaligen Kindersoldaten und anderen jungen Menschen beiderlei Geschlechts, die unter den zehn Jahre
andauernden Kriegshandlungen im Land gelitten haben, unterstützt. Dabei lernen sie Lesen und Schreiben
und andere lebenswichtige Fertigkeiten. Außerdem erhalten sie psycho-soziale Betreuung, durch die erreicht
werden soll, dass ein geringerer Anteil dieser jungen Menschen in Kriminalität, Drogensucht oder
Depressionen abgleitet oder Selbstmord begeht.

Die Zwillingsschwestern Naomi und Fuhara aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo wurden
im Alter von 15 Jahren entführt und waren danach drei Jahre lang Kindersoldaten. Danach konnten sie sich
800 Mädchen und jungen Frauen anschließen, die im Rahmen eines EIDHR-Projekts betreut werden, das auf
die gesundheitliche Wiederherstellung und Rehabilitation von Mädchen abzielt, die von dem mit
Waffengewalt ausgetragenen Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo betroffen waren. Für viele
dieser Mädchen wäre die Alternative ein Leben in Armut oder der Zwang zur Prostitution, um ihren
Lebensunterhalt zu verdienen. Die Mädchen und jungen Frauen wurden im Rahmen des Projekts nicht nur in
Lesen und Schreiben unterrichtet, sie erhielten auch Ausbildungen in Berufen wie Schneiderin, Köchin oder
Friseurin.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 43 – Drucksache 17/10899

Integration von Roma in der Ukraine und der Republik Moldau
Aus dem EIDHR wird ein Projekt des Europarates unterstützt, durch das den Regierungen der Ukraine und
der Republik Moldau dabei geholfen werden soll, die Roma-Minderheiten zu integrieren und das
interkulturelle und interethnische Verständnis zu verbessern. Die Zahl der Roma in beiden Ländern wird auf
270 000 bis 650 000 veranschlagt, die offiziellen Zahlen allerdings sind niedriger.

In der Ukraine wurde im Rahmen dieses auf 15 Monate angelegten Projekts ein Pool von der Volksgruppe
der Roma angehörenden Gesundheitsmediatoren geschaffen. 20 Roma-Frauen aus verschiedenen Regionen
der Ukraine wurden durch erfahrene ebenfalls dieser Volksgruppe angehörende Gesundheitsmediatoren aus
Rumänien ausgebildet. In der Republik Moldau wurde im Rahmen des Projekts ein Modell entwickelt, das
Roma-Hilfslehrkräfte für Schulen vorsieht; an den entsprechenden Programmen nahmen moldauische
Lehrkräften, Hochschullehrer und Regierungsvertreter teil.
2.7.4 Gewonnene Erkenntnisse

Das EIDHR wird regelmäßigen Evaluierungen unterzogen6, die die Bedeutung dieses Instruments
deutlich machen. Immer wieder werden dabei unter anderem folgende Empfehlungen
ausgesprochen:

• Für die Maßnahmen der EU müssen länderspezifische und thematische Strategien vorliegen.
• Wichtig sind Kombinationen verschiedener Arbeitsstrategien und -methoden, Verbindungen

zwischen lokalen und globalen Prozessen, zwischen Sensibilisierungs- und
Schulungsmaßnahmen, zwischen politischen Demarchen und konkreten Menschenrechts-
projekten, zwischen Politikern und Journalisten usw., damit die im Rahmen des EIDHR
bereitgestellten Finanzmittel auf den jeweiligen Gebieten noch wirkungsvoller eingesetzt
werden können.

• Es muss für mehr Kohärenz zwischen den erklärten Strategien und den Maßnahmen vor Ort
gesorgt werden.

• Schwächen in der Konzeption und Überwachung der Projekte müssen behoben werden.

2010 wurde eine Evaluierung der Menschenrechtsverteidigern gewährten Unterstützung vorge-
nommen; dabei wurden elf Projekte mit einem Finanzvolumen von 8 Mio. EUR bewertet. Die
Evaluierung bestätigte die Relevanz, Effizienz und Wirksamkeit der aus dem EIDHR in mehreren
Ländern finanzierten Projekte. Als empfehlenswert wurde dabei die direkte Unterstützung für
Schutz-/Notfallmaßnahmen hervorgehoben, um Rechts- und Arztkosten zu begleichen, für Büros
von Menschenrechtsverteidigern Mobiltelefone/IT-Ausrüstung anzuschaffen, zeitweilig die Arbeit
bestimmter Organisationen zu unterstützen oder beim Verlassen des Landes zu helfen; als weitere
Maßnahmen wurden beispielsweise Rechtsbegleitung, Ermittlungsmissionen, Schulungen,
Sensibilisierungskampagnen usw. genannt. Die in Bezug auf das Management des Instruments
ausgesprochenen Empfehlungen wurden in den 2010 durchgeführten Aufruf zur Einreichung von
Vorschlägen eingearbeitet.
6 Siehe Website http://ec.europa.eu/europeaid/what/human-rights/studies_evaluations_en.htm
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Drucksache 17/10899 – 44 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2011 sollen weitere Evaluierungsergebnisse vorgestellt werden, so beispielsweise für das länder-
spezifische Förderprogramm des EIDHR, für Projekte in Ländern, in denen die Menschenrechte am
stärksten gefährdet sind, sowie für den europäischen Master-Studiengang "Menschenrechte" und
die entsprechenden regionalen Master-Studiengänge.
Im zweiten Halbjahr 2011 wird eine Gesamtevaluierung der Förderung von Menschenrechten und

Demokratie durch die EU von 2000 bis 2009 zum Abschluss gebracht, bei der alle auf diesem

Gebiet durchgeführten Maßnahmen bewertet werden. Das Finanzvolumen der bewerteten Projekte

beläuft sich auf 5,4 Mrd. EUR, darin enthalten sind das EIDHR sowie weitere thematische und

geographische Haushaltslinien und darüber hinaus Finanzmittel, die von internationalen Organi-

sationen vorrangig für Budgethilfe und Maßnahmen zur Einbeziehung der Thematik in alle

relevanten Politikbereiche bereitgestellt wurden. Dem vorläufigen Ergebnis zufolge werden

lediglich 17 % aller Projekte im Zusammenhang mit Menschenrechten und Demokratie aus dem

EIDHR finanziert.

3 Themenschwerpunkte
Die EU hat ihre konzeptionelle Arbeit im Bereich der Menschenrechte in einem breiten Themen-

spektrum fortgeführt. Ihr Ansatz stellt darauf ab, positive Gesprächsbedingungen zu schaffen. Die

EU bemüht sich, Standards eher nach dem größten gemeinsamen Teiler als nach dem kleinsten

gemeinsamen Nenner festzulegen und diese dann zu erfüllen zu suchen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45 – Drucksache 17/10899

Bei ihrer thematischen Menschenrechtsarbeit stützt sich die EU auf vielfältige Hilfsmittel. Für

einige Themenschwerpunkte, die als besondere Prioritäten der Union eingestuft sind, verfügt die

EU über ein praktisches Instrumentarium, das den EU-Vertretungen vor Ort helfen soll, die

Menschenrechtspolitik der Union besser zu vertreten: die EU-Leitlinien zu den Menschenrechten.

Diese erstrecken sich auf folgende Themen:

• Todesstrafe

• Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

• Menschenrechtsdialoge

• Kinder und bewaffnete Konflikte

• Menschenrechtsverteidiger

• Förderung und Schutz der Rechte des Kindes

• Gewalt gegen Frauen und Mädchen und Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von

Frauen und Mädchen

• Förderung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts.

3.1 Die Todesstrafe
Die EU ist entschieden und grundsätzlich gegen die Todesstrafe und ist weltweit einer der

wichtigsten Akteure im Kampf gegen die Todesstrafe. Die EU ist der Ansicht, dass die Abschaffung

der Todesstrafe zur Förderung der menschlichen Würde und zur fortschreitenden Entwicklung der

Menschenrechte beiträgt. Sie betrachtet die Todesstrafe als eine grausame und unmenschliche

Strafe, die nicht zur Abschreckung vor strafbarem Verhalten beiträgt. Justizirrtümer, die in jedem

Rechtssystem unvermeidlich sind, können nicht mehr korrigiert werden.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 31
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Drucksache 17/10899 – 46 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Da die Tätigkeit in diesem Bereich zu den wichtigsten Prioritäten ihrer auswärtigen Menschen-

rechtspolitik zählt, hat die EU sich weiter mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln der

Diplomatie und der Zusammenarbeit für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt7. Länder, in

denen die Todesstrafe noch besteht, ruft die EU auf, ihre Anwendung schrittweise einzuschränken,

und sie drängt darauf, dass bei ihrer Vollstreckung die internationalen Mindeststandards eingehalten

werden. Die Leitlinien für die Politik der EU betreffend die Todesstrafe8, die 2008 überarbeitet

wurden, bilden auch weiterhin das wichtigste Instrument für systematische Maßnahmen gegenüber

Drittländern.

2010 begrüßte die EU das am 14. Januar 2010 angekündigte Moratorium für die Todesstrafe in der

Mongolei. Sie beglückwünschte die Kirgisische Republik zu ihrem Beitritt zum Zweiten Fakultativ-

protokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) zur Abschaf-

fung der Todesstrafe am 11. Februar 2010 als einen Schritt zur unwiderruflichen Abschaffung der

Todesstrafe.

Hingegen bedauerte die EU die weitere umfangreiche Anwendung der Todesstrafe in einigen

anderen Ländern. Iran und die USA waren dabei besonders im Fokus, aber auch in vielen anderen

Ländern wurden auf der Grundlage der im Völkerrecht und in den EU-Leitlinien zur Todesstrafe

festgelegten Mindeststandards Erklärungen abgegeben und Demarchen unternommen.

Die EU hat dieses Problem weiterhin in allen relevanten Gremien, insbesondere in den VN, der

OSZE und im Europarat, zur Sprache gebracht. So beteiligte sie sich aktiv an der überregionalen

Allianz für die Resolution 65/206 der VN-Generalversammlung (21. Dezember 2010), in der der

Aufruf zu einem Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe bekräftigt wurde. Die Resolution

wurde bei 41 Gegenstimmen und 35 Enthaltungen mit 109 Stimmen angenommen und 2007 und

2008 folgten ähnliche Resolutionen. Dies war das beste Abstimmungsergebnis, das je erzielt wurde:

Bezeichnend war dabei – neben der leichten Zunahme der Zustimmung – vor allem der deutliche

Rückgang der Ablehnung, was die zunehmende Konsolidierung der Ablehnung der Todesstrafe

weltweit bestätigt.
7 Weitere Informationen über die Politik der EU hinsichtlich der Todesstrafe:
http://eeas.europa.eu/human_rights/adp/index_de.htm.
8 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/10015.de08.pdf
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 47 – Drucksache 17/10899

Anlässlich des Europäischen Tages gegen die Todesstrafe und des Welttages gegen die Todesstrafe

gaben die Europäische Union und der Europarat am 10. Oktober 2010 eine gemeinsame Erklärung

ab, in der sie bekräftigten, dass sie die Todesstrafe unter allen Umständen ablehnen und für ihre

weltweite Abschaffung eintreten. Die Hohe Vertreterin veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der

sie es als ermutigend bezeichnete, dass die große Mehrheit der Staaten die Todesstrafe de lege oder

aber de facto abgeschafft haben. Man dürfe sich damit aber nicht zufriedengeben – jede Hinrichtung

sei eine zuviel. Deshalb habe sie die Arbeit zur Abschaffung der Todesstrafe zu ihrer persönlichen

Priorität erklärt. EU-Delegationen überall in der Welt führten aus diesem Anlass zahlreiche

Seminare, Pressekonferenzen, Ausstellungen und Veranstaltungen durch.

Die EU bleibt der größte Geldgeber für die Bemühungen von Organisationen der Zivilgesellschaft

um die Abschaffung der Todesstrafe weltweit. Die Abschaffung der Todesstrafe ist eine der

thematischen Prioritäten im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und

Menschenrechte (EIDHR).

Gestützt auf solide Leistungen in den Vorjahren hat das EIDHR im Jahr 2010 mehr als

8,5 Millionen EUR für 16 Projekte zur Abschaffung der Todesstrafe überall auf der Welt bereit-

gestellt. Die Projekte dienen dazu, zu beobachten, unter welchen Bedingungen die Todesstrafe

angewandt wird und ob die internationalen Mindeststandards beachtet werden. Dabei unterstützen

sie Rechts- und Verfassungsreformen zur Einschränkung oder Abschaffung der Todesstrafe und

stellen Hilfe für zum Tode verurteilte Gefangene sowie Ausbildungsmaßnahmen für Richter und

Anwälte bereit. Auf internationaler Ebene fördern einige der Maßnahmen die Unterzeichnung,

Ratifizierung und Durchführung des Zweiten Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über

bürgerliche und politische Rechte (oder ähnlicher regionaler Instrumente) und die Anwendung der

VN-Resolution über ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe. Außerdem stellen sie

Ausbildungsmaßnahmen, Forschungsmaßnahmen, Studien und Berichte über verschiedene Fragen

im Zusammenhang mit der Todesstrafe bereit, leisten Öffentlichkeitsarbeit und organisieren

Sensibilisierungskampagnen, tragen zum Kapazitätsaufbau bei und entwickeln wissenschaftliche

Ansätze für die Aufdeckung von Justizirrtümern und Mängeln der betreffenden Justizsysteme.

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Drucksache 17/10899 – 48 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3.2 Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung oder Strafe

Gemäß den (2001 angenommenen und 2008 aktualisierten) EU-Leitlinien betreffend Folter hat die

EU mit Initiativen in internationalen Gremien und mit bilateralen Demarchen in Drittländern

weiterhin ein Führungsrolle gespielt und sich weltweit gegen Folter und andere Formen grausamer,

unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe eingesetzt und vor Ort eine bessere

Anwendung der Leitlinien bewirkt und umfangreiche Unterstützung für entsprechende Projekte von

Organisationen der Zivilgesellschaft geleistet.

Auf der 65. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben die EU-Mitgliedstaaten

eine von Dänemark eingebrachte Resolution zu Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder

erniedrigender Behandlung oder Strafe, die – ebenso wie eine andere Resolution über mehr

Sitzungszeit für den VN-Ausschuss gegen Folter – einvernehmlich angenommen wurde, mit

eingebracht. In Erklärungen auf der VN-Generalversammlung hat die EU erneut auf das absolute

Verbot von Folter und anderen Formen der Misshandlung im Völkerrecht hingewiesen. Außerdem

haben die EU-Mitgliedstaaten auf der Tagung des VN-Menschenrechtsrates im März 2010 eine von

Dänemark eingebrachte Resolution zu Folter und Misshandlung mit eingebracht. In dieser

Resolution ging es um die Rolle der Rechtsberufe im Zusammenhang mit Folter.

In ihrer jährlichen Erklärung zum Internationalen Tag der Vereinten Nationen zur Unterstützung

von Folteropfern hat die EU am 26. Juni 2010 hervorgehoben, dass sie der weltweiten Abschaffung

der Folter sowie der vollständigen Rehabilitation von Folteropfern vorrangige Bedeutung beimisst,

wobei sie erneut darauf hinwies, dass die Staaten dauerhafte, entschlossene und effiziente Maß-

nahmen ergreifen müssen, um jede Form der Folter und andere grausame, unmenschliche oder

erniedrigende Behandlung oder Strafe zu verhindern und zu bekämpfen. Die EU betonte, dass sie

der Rolle der VN bei der Bekämpfung von Folter und der Unterstützung von Opfern herausragende

Bedeutung beimisst, und hob hervor, dass sie den VN-Sonderberichterstatter über Folter, den

freiwilligen Fonds der VN für Opfer der Folter, das OHCHR, das UNCAT sowie andere

Mechanismen, die wertvolle Beiträge auf diesem Gebiet leisten, wie das Europäische Komitee zur

Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) des

Europarats, unterstützt. Die Erklärung wurde gemeinsam mit der Afrikanischen Union abgegeben.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49 – Drucksache 17/10899

Im Einklang mit den EU-Leitlinien betreffend Folter hat die EU im Rahmen des politischen Dialogs

und mittels Demarchen gegenüber Drittländern weiterhin aktiv ihre Besorgnis über Folter zur

Sprache gebracht. Bei solchen Kontakten, die je nach Fall vertraulich oder öffentlich stattfinden,

werden sowohl das Thema Folter als auch Einzelfälle in bestimmten Ländern sowie allgemeinere

Fragen erörtert. Die EU hat auch 2010 in einer Reihe von Ländern Einzelfälle aufgegriffen. Sie

brachte die Lage in Bezug auf Folter und Misshandlung in ihren regelmäßigen Menschrechts-

dialogen mit Drittländern immer wieder zur Sprache. Das Thema Folter und Misshandlung wurde

auch in einer Reihe von Seminaren der Zivilgesellschaft, die ergänzend zu diesen Menschenrechts-

dialogen durchgeführt wurden, und in mehreren ENP-Unterausschüssen für Menschenrechte

behandelt. Die EU hat ihr System der regelmäßigen vertraulichen Berichterstattung durch ihre

Missionschefs in Drittländern über die Menschenrechte, einschließlich Folter, fortgeführt. Ferner

gab sie u.a. in multilateralen Gremien wie den VN und der OSZE eine Reihe von Erklärungen zu

Folter ab und prüfte Mittel und Wege für eine bessere Koordination mit dem UNCAT und dem

Unterausschuss zur Verhinderung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder

erniedrigender Behandlung oder Strafe.

Die EU hat in acht Staaten (Bangladesch, Ägypten, Irak, Kasachstan, Mexiko, der Republik

Moldau, den Philippinen und Usbekistan) ein Pilotprogramm zur Überwachung der lokalen

Umsetzung der Leitlinien durch die EU-Delegationen und die Vertretungen der Mitgliedstaaten

durchgeführt. Es wurde eine Reihe nützlicher Schlussfolgerungen zu den besten Verfahren für

künftige Maßnahmen gezogen.

Die Einhaltung von regionalen und internationalen Übereinkünften über Folter und grausame,

unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe durch die Mitgliedstaaten der EU

unterliegt einer strengen internationalen Kontrolle. Die Mitgliedstaaten der EU haben gemeinsam

eine ständige Einladung an die Sondermechanismen der VN zu den Menschenrechten, darunter

auch an den Sonderberichterstatter über Folter, gerichtet. 2010 hat es in keinem Mitgliedstaat der

EU einen Besuch des Sonderberichterstatters über Folter gegeben.

Der hohe Stellenwert, den die EU der Bekämpfung von Folter und Misshandlung einräumt, zeigt

sich an den erheblichen finanziellen Mitteln, die sie für Maßnahmen von Organisationen der

Zivilgesellschaft bereitstellt, die sich für die Abschaffung der Folter und ein Ende der Straflosigkeit

weltweit engagieren.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 35
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Drucksache 17/10899 – 50 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) hat 2010 rund 30 neue

Maßnahmen der Zivilgesellschaft zur Verhütung von Folter und zur Rehabilitation von Folteropfern

unterstützt. Die zu unterstützenden Maßnahmen wurden thematisch so ausgewählt, dass sie die

Politik der EU und insbesondere die Umsetzung der EU-Leitlinien betreffend Folter fördern. Die

Projekte zielen unter anderem auf eine Sensibilisierung für das Fakultativprotokoll zum Überein-

kommen gegen Folter in neun GUS-Staaten und auf die Ausarbeitung praktischer Instrumente für

die Erleichterung der Anwendung relevanter Menschenrechtsstandards im Menschenrechtssystem

Afrikas ab. Das EIDHR hat ferner beigetragen zum besseren Verständnis und zur verstärkten

Sensibilisierung dafür, auf welche besondere Art und Weise Folter und Misshandlung sich auf

Personen mit Behinderungen auswirken. Projekte zu dieser Thematik werden derzeit z.B. in Sri

Lanka und in Nigeria durchgeführt. Außerdem hat das EIDHR Maßnahmen zur Verbesserung der

Lebensqualität von Opfern von Folter und anderen Formen grausamer und erniedrigender Behand-

lung und zur besseren Verteidigung ihrer Rechte auf eine angemessene Entschädigung in der

Republik Moldau, ferner zur besseren Überzeugungsarbeit im Hinblick auf die Schaffung eines

nationalen Präventionsmechanismus in Argentinien und zur besseren Hilfe in rechtlichen Verfahren

in Fällen von Folter sowie zur besseren weltweiten Bekämpfung der Straflosigkeit finanziert.

Das EIDHR unterstützt auch die Weiterverfolgung der Arbeit des ehemaligen VN-

Sonderberichterstatters über Folter, Manfred Nowak, in bestimmten ausgewählten Ländern durch

die Finanzierung eines dreijährigen Projekts zur Unterstützung der Umsetzung seiner

Empfehlungen.

3.3 Menschenrechtsverteidiger
Für die EU ist die Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern ein wesentlicher Bestandteil ihrer

Politik für den weltweiten Schutz und die weltweite Förderung der Menschenrechte. Zur Unter-

mauerung der Maßnahmen der EU auf diesem Gebiet hat der Rat im Jahr 2004 die EU-Leitlinien

zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern angenommen, in denen aufgezeigt wird, wie

Menschenrechtsverteidiger, die in Drittländern tätig sind, praktisch unterstützt werden können.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 36
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 51 – Drucksache 17/10899

2010 zeigten sich verschiedene negative Trends für die Arbeit der Menschenrechtsverteidiger:

behördliche Schikanen, Schmutzkampagnen, willkürliche Verhaftungen, Erlass von Gesetzen, die

die Arbeit von Organisationen der Zivilgesellschaft behindern, und Einsatz neuer Technologien zur

Unterdrückung rechtmäßiger Tätigkeiten. Angesichts dieser besorgniserregenden Praktiken hat die

EU 2010 ihre entschiedene Unterstützung für die Arbeit der Menschenrechtsverteidiger bekräftigt.

Parallel dazu wurde die Lage der Menschenrechtsverteidiger in bilateralen Kontakten mit Partner-

ländern entweder im Rahmen der Menschenrechtsdialoge oder durch diplomatische Demarchen

immer wieder zur Sprache gebracht. Die EU hat die besonderen Verfahren des Menschenrechtsrates

der Vereinten Nationen, insbesondere den VN-Sonderbeauftragten für Menschenrechtsverteidiger

und entsprechende regionale Mechanismen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, schon

lange nachdrücklich öffentlich unterstützt. Die EU beteiligt sich auch an Koordinierungssitzungen

mit anderen internationalen Organisationen und Mandatsträgern, die sich mit dem Thema

Menschenrechtsverteidiger befassen, um die internationale Unterstützung für deren Arbeit zu

verstärken.

Nach einer geringfügigen Überarbeitung der EU-Leitlinien im Dezember 2008 sollen die EU-

Missionen jetzt unter Beteiligung der Menschenrechtsverteidiger lokale Strategien ausarbeiten.

Einmal jährlich sollte ein Treffen von Menschenrechtsverteidigern und Diplomaten organisiert

werden; Abstimmung und Informationsaustausch sollten verbessert werden und bei Bedarf sollte

ein Verbindungsbeamter für Menschenrechtsverteidiger ernannt werden. Diese Maßnahmen wurden

seit Februar 2010 – als die EU-Missionen weltweit beauftragt wurden, in enger Zusammenarbeit

mit den vor Ort tätigen Menschenrechtsaktivisten lokale Strategien für Menschenrechtsverteidiger

auszuarbeiten oder zu aktualisieren – noch intensiviert. So wurden bis Ende 2010 74 Treffen mit

Menschenrechtsverteidigern abgehalten, 70 lokale Strategien für Menschenrechtsverteidiger ange-

nommen und 84 EU-Verbindungsbeamte ernannt. Die lokalen Strategien enthalten eine Reihe

interessanter Vorschläge zur Verbesserung der konkreten Wirkung der Leitlinien und der

entsprechenden Ergebnisse. Die lokalen Strategien haben gezeigt, dass es verschiedene Möglich-

keiten für eine stärkere Unterstützung der Menschenrechtsverteidiger in der Praxis gibt und dass

Menschenrechtsverteidiger von den Diplomaten der EU in ihrer Arbeit auf dem Gebiet der

Menschenrechte zunehmend als entscheidende Gesprächspartner anerkannt werden. Es sind jedoch

noch Anstrengungen erforderlich, um politische oder logistische Zwänge, die manchmal einer

umfassenden Ausschöpfung des Potenzials der Leitlinien entgegenstehen, zu überwinden.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 37
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Drucksache 17/10899 – 52 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach anfänglichen Diskussionen im Jahr 2009 wurde die Arbeit an der europäischen Initiative

"Shelter Cities" Ende 2010 wieder aufgenommen. Das Ziel dieser Initiative besteht darin, ein Netz

europäischer Kommunen zu schaffen, die gefährdeten Menschenrechtsverteidigern – zur Erleich-

terung ihrer vorübergehenden Umsiedlung – zeitweilig Zuflucht an einem sicheren Ort in der EU

gewähren könnten, wenn keine andere Umsiedlungsmöglichkeit in ihrem Herkunftsland oder in der

Umgebung dieses Landes besteht. Parallel dazu wurden Anstrengungen unternommen, um die

Erteilung von Notvisa an gefährdete Menschenrechtsverteidiger, die vorübergehend umgesiedelt

werden müssen, zu erleichtern; zur Umsetzung dieser Bestimmung der Leitlinien bedarf es indes

noch weiterer Beratungen zwischen den Mitgliedstaaten und einer stärkeren Sensibilisierung der

Mitarbeiter der konsularischen Vertretungen der EU für die Bedürfnisse der Menschenrechts-

verteidiger.

Das politische Engagement der EU für die Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern geht mit

einer entsprechenden, insbesondere über das EIDHR geleisteten gezielten finanziellen Unter-

stützung einer Reihe von Organisationen einher, die die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern

schützen oder unterstützen. 2010 wurde – zusätzlich zu den derzeit laufenden Projekten – ein neuer

Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen zur Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern mit

einem Mittelumfang von über 10 Mio. EUR eingeleitet. Die 11 beim ersten Aufruf ausgewählten

Projekte werden sowohl von themenbezogenen als auch von regionalen NRO durchgeführt. Einige

dieser Projekte sehen Schnellreaktionsmechanismen zur Unterstützung dringend schutzbedürftiger

Menschenrechtsverteidiger vor, während andere auf die mittelfristige Unterstützung von Menschen-

rechtsverteidigern ausgerichtet sind. Zu den Maßnahmen zählen die Durchführung von Schulungen

zu Rechts- und Sicherheitsfragen, dringende Interventionen und Feldmissionen, um die Isolation

von schikanierten Menschenrechtsverteidigern zu durchbrechen und ihre Handlungsfähigkeit zu

unterstützen, eine Hotline zur Unterstützung unmittelbar gefährdeter Menschenrechtsverteidiger

und direkte Hilfe für bedürftige Menschenrechtsverteidiger (Bereitstellung von kugelsicheren

Westen und Helmen, Übersiedlung in andere Länder, Rechtsberatung, medizinische Hilfe usw.)

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 53 – Drucksache 17/10899

3.4 Gedanken- und Gewissensfreiheit und Freiheit der Religion oder
Weltanschauung

Die EU engagiert sich entschieden für die Förderung und den Schutz der Gedanken- und

Gewissensfreiheit und der Freiheit der Religion oder Weltanschauung für jeden Menschen

gleichermaßen. Diese Freiheit schützt das Recht auf theistische, nichttheistische und atheistische

Weltanschauungen wie auch das Recht, keinerlei religiöse Überzeugung zu haben. Sie schließt auch

das Recht ein, aus eigenem freiem Entschluss eine Religion oder Weltanschauung anzunehmen,

diese zu wechseln oder sie aufzugeben.

Äußerst beunruhigt über Meldungen von zunehmenden extrem gewaltsamen Übergriffen auf

Angehörige religiöser Minderheiten hat der Rat (Allgemeine Angelegenheiten) im November 2009

seine Sorge über die prekäre Lage dieser Menschen in vielen Teilen der Erde zum Ausdruck

gebracht. Der Rat unterstrich die strategische Bedeutung der Freiheit der Religion oder

Weltanschauung und des Widerstands gegen religiöse Intoleranz und bekräftigte, dass er diesen

Fragen als Teil der Menschenrechtspolitik der Union auch weiterhin Vorrang einräumen wird.

Ausgehend von einer Bewertung der bestehenden Initiativen in den letzten Jahren hat die EU ihr auf

den Menschenrechten beruhendes Konzept fortentwickelt und weitere praktische Maßnahmen zur

Bekämpfung religiöser Intoleranz und zur Förderung der Freiheit der Religion oder Weltan-

schauung weltweit ergriffen. Die Maßnahmen der EU gründen sich auf die Überzeugung, dass alle

Formen der Intoleranz gegen Personen aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung unannehmbar

und zu verurteilen sind.

Diskriminierungen aufgrund der Religion oder Weltanschauung gibt es nach wie vor in allen

Erdteilen, und Personen, die bestimmten Religionsgemeinschaften angehören, werden noch in

vielen Ländern weiterhin ihre Menschenrechte verweigert. Außerdem wurden Gesetze über die

Diffamierung von Religionen oft dazu benutzt, religiöse Minderheiten zu misshandeln und die

Meinungsfreiheit und die Freiheit der Religion oder Weltanschauung, die voneinander nicht zu

trennen sind, einzuschränken. Die Freiheit der Meinungsäußerung spielt auch im Kampf gegen

Intoleranz eine wichtige Rolle.

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Drucksache 17/10899 – 54 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2010 hat die EU auf bilateraler und multilateraler Ebene bestehende Instrumente genutzt, um die
Freiheit der Religion oder Weltanschauung wirksamer zu fördern und zu schützen. Eine Ad-hoc-
Task-Force der Gruppe "Menschenrechte" zur Freiheit der Religion oder Weltanschauung hat die
Durchführung der verstärkten Maßnahmen der EU unterstützt und zur Ausarbeitung von Leitlinien
für die Diplomaten der EU beigetragen. Das Thema wurde in die Menschenrechtsschulungen für
EU-Bedienstete aufgenommen, unter anderem in Form eines speziellen Kurses über die Freiheit der
Meinungsäußerung und der Religion oder Weltanschauung im Dezember 2010.
In den Beziehungen mit Drittländern wurde die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
gegenüber einer großen Zahl von Gesprächspartnern auf verschiedenen Ebenen des politischen
Dialogs, unter anderem in Menschenrechtsdialogen und -konsultationen – beispielsweise mit
Eritrea, Indien, Kasachstan, Marokko, Russland, den USA und der Afrikanischen Union –
systematisch zur Sprache gebracht. Die EU hat sich bilateral mit verschiedenen Ländern über die
Bedeutung dieses universellen Menschenrechts ausgetauscht und die Möglichkeiten für eine weitere
Zusammenarbeit unter anderem in multilateralen Gremien sondiert. Im Rahmen dieser Dialoge hat
die EU ihre Sorgen über die Umsetzung dieses Rechts und die Lage der religiösen Minderheiten
zum Ausdruck gebracht. Wann immer schwere Verletzungen der Religionsfreiheit und
entsprechende Intoleranz und Diskriminierungen stattfanden und Anlass zur Sorge bestand, hat die
EU ihre Auffassung über diplomatische Kanäle, durch öffentliche Erklärungen und in Schluss-
folgerungen des Rates zum Ausdruck gebracht, so im Fall Ägyptens, Irans, Iraks und Pakistans.
Dabei setzte sie sich wie zuvor für die uneingeschränkte Achtung der Gedanken- und Gewissens-
freiheit nach internationalen Standards ein.
Die Delegationen der EU und die diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten haben die Lage
hinsichtlich der Freiheit der Religion oder Weltanschauung genau verfolgt. Sie hatten regelmäßige
Kontakte mit Menschenrechtsverteidigern, deren Organisationen und anderen relevanten Akteuren
auf diesem Gebiet. Im Rahmen des EIDHR wurden umfangreichere Menschenrechtsprojekte zur
Förderung der Menschenrechte, der Bekämpfung von Diskriminierungen, der Rechte von
Angehörigen von Minderheiten und indigenen Bevölkerungsgruppen, der Toleranz und des
interkulturellen Verständnisses sowie der Behebung von Konfliktursachen und des Kampfs gegen
die Straflosigkeit durchgeführt, die ebenfalls zur Achtung der Freiheit der Religion oder Weltan-
schauung beigetragen haben. So wurde beispielsweise in der ehemaligen jugoslawischen Republik
Mazedonien mit einem EIDHR-Projekt der interreligiöse Dialog durch Kapazitätsaufbau bei den
Medien und Vertretern der religiösen Gruppen unterstützt. In Indonesien hat die EU verschiedene
kleinere Projekte zur Förderung der Toleranz und der Achtung der Freiheit der Religion oder
Weltanschauung unterstützt.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 55 – Drucksache 17/10899

Die EU hat sich im Rahmen überregionaler Vereinbarungen mit Partnern zusammengeschlossen,
um in verschiedenen Gremien der VN aktiv gegen Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der
Religion oder der Weltanschauung tätig zu werden. Auf der Märztagung des Menschenrechtsrates
hat die EU gegen die Resolution zur "Bekämpfung der Diffamierung von Religionen"
(A/HRC/RES/13/16) gestimmt. Die EU spielte eine aktive Rolle bei der Initiierung und Sicher-
stellung der einvernehmlichen Annahme einer Resolution zur Freiheit der Religion oder Welt-
anschauung und zum Mandat des Sonderberichterstatters über Religions- und Weltanschauungs-
freiheit (A/HRC/RES/14/11) im Juni.
Nachdem ihre übliche Resolution zur Beseitigung aller Formen der Intoleranz aufgrund der
Religion oder der Weltanschauung (A/RES/65/211) in den vorherigen Jahren immer angenommen
wurde, hat die EU diese auch auf der 65. Generalversammlung der Vereinten Nationen wieder
eingebracht. Sie wurde ohne Abstimmung angenommen. In dieser traditionellen Resolution der EU
wurde die Sorge über die immer wieder auftretenden Fälle von Intoleranz und Gewalt aufgrund der
Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck gebracht. Alle diese Vorkommnisse wurden
verurteilt, das Recht auf Gedanken- und Gewissensfreiheit und auf Freiheit der Religion oder
Weltanschauung wurde hervorgehoben und alle Staaten wurden aufgefordert, mehr zu tun, um diese
Rechte durch verschiedene Maßnahmen zu schützen und zu fördern. Ferner wurden die
Regierungen in der Resolution aufgerufen, in vollem Umfang mit dem VN-Sonderberichterstatter
über Religions- und Weltanschauungsfreiheit zusammenzuarbeiten, und der Generalsekretär wurde
ersucht, auf der 66. VN-Generalversammlung einen Zwischenbericht vorzulegen. Auch diesmal
standen im Zentrum der Resolution eindeutig Personen und nicht ganze Gruppen oder Religionen.
Nachdem die EU sich mit der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) über die Resolution
der VN-Generalversammlung zur Bekämpfung der Diffamierung von Religionen (A/RES/65/224)
verständigt hatte, musste die EU doch wieder eine Abstimmung verlangen, weil die an dem Text
vorgenommenen Änderungen insgesamt keine ausreichende inhaltliche Änderung der Resolution
bewirkt hatten. Die EU hat daher gegen die Resolution gestimmt, die dieses Mal noch weniger
Unterstützung fand. Die EU ist zutiefst der Überzeugung, dass das Konzept der "Diffamierung"
oder "Schmähung von Religionen" mit den internationalen Menschenrechtsnormen unvereinbar ist,
denn diese schützen den Einzelnen bei der Ausübung seiner Freiheiten; weder schützen sie
Religionen oder auf bestimmte Überzeugungen gegründete Systeme, noch sollten sie dies tun. Die
an der Resolution vorgenommenen Änderungen reichten nicht aus, die Bedenken der EU gegen die
angestrebte Einführung eines Menschenrechtskonzepts zum Schutz von Religionen statt von
Einzelpersonen zu zerstreuen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 41
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Drucksache 17/10899 – 56 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Darüber hinaus hat sich die EU im Rahmen verschiedener Initiativen für die Förderung religiöser
Toleranz und interkultureller Verständigung eingesetzt. So lautet ein erklärtes Ziel des ASEM-
Prozesses (Asien-Europa-Treffen), den Dialog zu fördern und Harmonie zwischen verschiedenen
Religionen und Glaubensrichtungen herzustellen. Vom 7. bis zum 9. April 2010 hat in Spanien die
sechste Tagung des interreligiösen Dialogs im ASEM-Rahmen stattgefunden. Ziel dieser Tagung
war es, die durch die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise verschärften Spannungen und
Missverständnisse abzubauen. Seit 2005 wurde bei den Zusammenkünften im Rahmen dieses
Dialogs eingehend über verschiedene Religionen, Glaubensrichtungen und Gesellschaften
gesprochen, um Differenzen zu überwinden und einen allgemeinen Konsens über kulturenübergrei-
fende gegenseitige Achtung und Verständigung herzustellen. Ein weiteres Beispiel ist die auf der
ersten Ministertagung der "Allianz der Zivilisationen" der VN in Malta am 8./9. November 2010
angenommene Regionalstrategie für den Mittelmeerraum, die in erster Linie auf die Verständigung
zwischen den Religionen und die Achtung der Diversität durch Einbeziehung ausgerichtet ist und
zu einer verantwortungsbewussten Staatsführung im Hinblick auf den Schutz der religiösen Freiheit
beiträgt.

Ende 2010 und Anfang 2011 gab eine zunehmende Zahl von Fällen religiöser Intoleranz und
Diskriminierung, wie die jüngsten, in verschiedenen Ländern auf Christen und ihre Kultstätten, auf
muslimische Pilger und auf andere Religionsgemeinschaften verübten gewalttätigen Übergriffe und
Terroranschläge, der EU Anlass zur Sorge. Der Rat begrüßte die laufenden Bemühungen um ein
verstärktes Engagement der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltan-
schauungsfreiheit, die mit den Schlussfolgerungen des Rates aus dem Jahr 2009 angestoßen
wurden. Er ersuchte die Hohe Vertreterin, über die ergriffenen Maßnahmen und konkrete
Vorschläge zur weiteren Intensivierung des Engagements der EU zu berichten.

3.5 Freiheit der Meinungsäußerung, auch in den "neuen Medien"
Die EU ist bestrebt, überall in der Welt für die Freiheit der Meinungsäußerung zu werben. Die
Meinungsfreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung ist nicht nur ein Grundrecht eines jeden
Menschen sondern auch ein Eckstein der Demokratie. Ferner ist sie unerlässlich für den freien Fluss
von Informationen, auf die jeder Mensch ein Recht hat. Das Recht auf freie Meinungsäußerung
schließt das Recht ein, Informationen und Ideen in allen Medien zu suchen, zu erhalten und weiter-
zugeben. Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung gelten auch für das Internet. Neue
Technologien bieten den Menschen in bisher ungekanntem Ausmaß Zugang zu Informationen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 57 – Drucksache 17/10899

Die EU hat 2010 ihre Position in ihrer Erklärung zum Welttag der Pressefreiheit noch einmal

bekräftigt. Sie hat ihre Besorgnis über unzulässige Einschränkungen der Freiheit der Meinungs-

äußerung und der Pluralität der Medien in den politischen Dialogen mit Drittländern wiederholt zur

Sprache gebracht. Und sie hat Beschränkungen des Zugangs zu Informationen öffentlich verurteilt.

So hat beispielsweise der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 3. März 2010 seiner tiefen Besorg-

nis darüber Ausdruck gegeben, dass die iranische Regierung Maßnahmen ergriffen hat, um ihre

Landsleute daran zu hindern, über Satellitenfernsehen und -rundfunk sowie über das Internet frei

Informationen zu erhalten und untereinander zu kommunizieren. Er unterstrich, dass Beschrän-

kungen der Nutzung der neuen Technologien in vielen Teilen der Welt zu einer der größten

Herausforderungen im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte geworden sind, da durch

diese Beschränkungen das Potenzial dieser Technologien zur Förderung der Meinungsfreiheit

untergraben wird.

Desgleichen verurteilte die EU Schikanen, Drohungen und Angriffe gegen Journalisten, wo immer

sie stattfinden. In einigen Fällen hat die EU ihrer Sorge in öffentlichen Erklärungen Ausdruck

verliehen, so beispielsweise in der Erklärung der Hohen Vertreterin vom 12. Februar 2010 nach der

Verurteilung von Liu Xiaobo zu 11 Jahren Haft wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staats-

gewalt" für seine Rolle als Autor der "Charta 08" und die Veröffentlichung von Artikeln zu den

Menschenrechten im Internet. Die Hohe Vertreterin betonte in ihrer Erklärung, dass dieses Urteil

mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vollkommen unvereinbar ist. Am 11. Juni 2010 hat die

EU nach der Verurteilung von Tan Zuoren durch das Höhere Volksgericht der Provinz Sichuan zu

fünf Jahren Gefängnis wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" eine ähnliche

Erklärung abgegeben.
Am 16. November 2010 hat die Hohe Vertreterin im Namen der EU eine Erklärung abgegeben, in

der die brutalen Überfälle auf den für die Zeitung Kommersant arbeitenden russischen Journalisten

Oleg Kaschin vom 6. November 2010 und auf den sich für den Erhalt des Chimki-Waldes ein-

setzenden Aktivisten Konstantin Fetisow vom 4. November 2010 verurteilt wurden. In dieser

Erklärung forderte die EU die russischen Behörden nachdrücklich auf, diese und weitere Übergriffe

auf Journalisten und Menschenrechtsverteidiger gründlich und wirksam zu untersuchen, den Schutz

dieser Personen mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln zu gewährleisten und die Verant-

wortlichen vor Gericht zu bringen. Ferner begrüßte sie die Ankündigung des Vorsitzenden des

Untersuchungsausschusses, dass bislang ungeklärte Fälle wie der Überfall auf den Journalisten

Michail Beketow von der Chimkinskaja Prawda im November 2008 wieder aufgenommen werden.

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Drucksache 17/10899 – 58 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU hat im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte eine

große Zahl von Projekten mit Organisationen der Zivilgesellschaft finanziell unterstützt, die die

Erweiterung der professionellen Fähigkeiten von Journalisten, dringend notwendige Schutzmaß-

nahmen und die Förderung der Freiheit der Meinungsäußerung de lege und de facto zum Ziel

haben. Außerdem bediente sie sich einer Diplomatie der Öffentlichkeit zur Förderung der Freiheit

der Meinungsäußerung und der Pluralität der Medien, beispielsweise im Fall des mit Vertretern der

Zivilgesellschaft der EU und Marokkos im September 2010 in Rabat organisierten Seminars zur

Medienfreiheit. Das vom Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte finanzierte

Seminar war in folgende Workshops eingeteilt: Pressekodex, Berufsethik, Justiz und Presse sowie

Zugang zu Informationen. Ziel des Seminars war es, die Teilnehmer mit den europäischen

Standards und Verfahren hinsichtlich der Pressefreiheit vertraut zu machen und zum Dialog über

Menschenrechte zwischen der EU und Marokko beizutragen. Es ergänzte den nationalen Dialog

zum Thema "Medien und Gesellschaft", der 2010 in Marokko stattfand. Die Empfehlungen des

Seminars wurden dem EU-Marokko-Unterausschuss für Menschenrechte auf seiner Tagung am 11.

Oktober 2010 in Rabat vorgelegt.

3.6 Rechte des Kindes
Das Hauptziel der auswärtigen Menschenrechtspolitik der EU hinsichtlich der Rechte des Kindes

besteht darin, in den Außenbeziehungen der EU kontinuierlich und systematisch so zu handeln,

dass – vorrangig – alle Rechte des Kindes gefördert und geschützt werden.

Die EU hat zahlreiche politische Instrumente zur Förderung und zum Schutz der Rechte des Kindes

in ihren Außenbeziehungen entwickelt. Im Oktober 2010 fand das jährliche Europäische Forum für

die Rechte des Kindes statt, auf dem es um eine Konsolidierung der Standpunkte aller relevanten

Akteure – einschließlich der Zivilgesellschaft – zum gewünschten Inhalt eines mehrjährigen

Aktionsplans zu den Rechten des Kindes ging.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 59 – Drucksache 17/10899

Die EU-Leitlinien für die Rechte des Kindes9 (2007) dienen der weltweiten Förderung der Rechte

des Kindes dadurch, dass sie auf die Umsetzung des VN-Übereinkommens über die Rechte des

Kindes und der zugehörigen Fakultativprotokolle und auf die Berücksichtigung der Rechte des

Kindes in allen Politikbereichen und bei allen Maßnahmen der EU ausgerichtet sind. 2007 und 2009

war als Schwerpunktbereich für die Umsetzung der Leitlinien die Bekämpfung von Gewalt gegen

Kinder ausgewählt worden. In enger Zusammenarbeit mit UNICEF und der Zivilgesellschaft

wurden folgende zehn Pilotländer ausgewählt: Armenien, Barbados, Brasilien, Ghana, Indien, Iran,

Jordanien, Kenia, Marokko und Russland. Nach der Lancierung der Durchführungsstrategien der

einzelnen Länder im Jahr 2009 fand 2010 eine Bestandsaufnahme statt, die – zur Erleichterung der

weiteren Durchführung – gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und anderen Beteiligten

vorgenommen wurde.

Die EU hat ihre Maßnahmen gegen Kinderarbeit 2010 erheblich erweitert. Im Anschluss an das

Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zur Bekämpfung von Kinderarbeit (2010) hat der

Rat im Juni 2010 Schlussfolgerungen zur Kinderarbeit angenommen, in denen hohe Maßstäbe

angelegt werden. In diesen Schlussfolgerungen wurde eine Reihe spezieller Initiativen angekündigt,

darunter ein erneuter Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Programms

"Investitionen in die Menschen" mit einem Mittelumfang von 11 Mio. EUR zur Bekämpfung der

Kinderarbeit, die Aufnahme der Kinderrechtsbelange in die überarbeitete APS-Verordnung, in die

Mitteilung der Kommission über die soziale Verantwortung von Unternehmen und in die Leitlinien

der Kommission für ein sozial verantwortbares Beschaffungswesen usw. Außerdem soll die

Kommission bis Ende 2011 eine neue Studie über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit im

Handelssektor vorlegen.

Die EU verfügt über eine Reihe von Instrumenten für ihre Kinderrechtspolitik. Der politische

Dialog bietet die Möglichkeit, die Ratifizierung und die effektive Durchführung der einschlägigen

internationalen Übereinkünfte über die Rechte des Kindes zu fördern. 2010 standen die Rechte des

Kindes regelmäßig auf der Tagesordnung des politischen Dialogs und des Menschenrechtsdialogs

mit Drittländern.
9 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/16031.de07.pdf
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Drucksache 17/10899 – 60 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auch bei der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit müssen die Rechte des Kindes

umfassend berücksichtigt werden. Die EU hat in verschiedenen VN-Gremien aktiv an der

Förderung der Rechte des Kindes mitgewirkt. Sie legte auf der 16. Tagung des Menschenrechtsrates

im März 2010 zusammen mit der Gruppe Lateinamerika und Karibik eine thematische Resolution

zur Teilhabe der Kinder vor und brachte auf der 65. Tagung der VN-Generalversammlung

Globalresolutionen ein. Abgesehen davon, dass über die Resolution weiterhin Konsens bestand,

wurde sie nun auch von mehreren neuen Ländern (USA, Indien, Katar, Israel) mit eingebracht.

Der Prozess der EU-Erweiterung ist ebenfalls ein starkes Instrument, das zur Förderung der Rechte

des Kindes und zur Förderung von Reformen im Bereich des Kinderschutzes in den

Bewerberländern und potenziellen Bewerberländern genutzt werden kann. Im November 2010

wurde in Zagreb, Kroatien, im Rahmen des TAIEX-Programms ein regionaler Workshop zur

Problematik von Kindern abgehalten, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind.

Die Entwicklungszusammenarbeit ist ein weiteres starkes Instrument, das zur Förderung und zum

Schutz der Rechte des Kindes eingesetzt wird. Im Rahmen des Aufrufs zur Einreichung von

Vorschlägen des EIDHR und im Rahmen des thematischen Programms "In Menschen investieren"

wurden im Jahr 2010 mehrere Projekte ausgewählt. Außerdem unterstützte die EU weitere Projekte

durch verschiedene geografische Mittelzuweisungen.

Da Kinder in Krisenzeiten besonders gefährdet und schutzbedürftig sind, sorgt die EU außerdem

dafür, dass die besonderen Bedürfnisse von Kindern im Rahmen der humanitären Hilfe umfassend

berücksichtigt werden; dies gilt insbesondere für unbegleitete Kinder bzw. für Kinder, die von ihren

Eltern getrennt wurden, und für Kinder, die der Rekrutierung durch Streitkräfte oder bewaffnete

Gruppen oder sexueller Gewalt zum Opfer gefallen oder von HIV betroffen sind.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61 – Drucksache 17/10899

3.7 Kinder und bewaffnete Konflikte
Die EU räumt der Hilfe für Kinder in bewaffneten Konflikten hohe Priorität ein. Mit den (im

Jahr 2003 angenommenen und im Jahr 2008 überarbeiteten) Leitlinien der EU zum Thema Kinder

und bewaffneten Konflikten verpflichtet sich die EU, die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf

Kinder umfassend anzugehen. Dies geschieht mittels Beobachtung und Berichterstattung durch die

Missionsleiter, militärischen Befehlshaber und Sonderbeauftragten der EU sowie im Rahmen

diplomatischer Initiativen, des politischen Dialogs, der multilateralen Zusammenarbeit und der

Krisenbewältigung. Die EU konzentriert sich bei der Umsetzung der Leitlinien auf die folgenden

19 vorrangigen Länder oder Gebiete: Afghanistan, Burundi, Côte d'Ivoire, Haiti, Irak, Israel,

Kolumbien, DR Kongo, Libanon, Liberia, Birma/Myanmar, Nepal, besetzte Palästinensische

Gebiete, Philippinen, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Tschad und Uganda.

Die Liste der für die EU vorrangigen Länder steht im Einklang mit der Prioritätenliste des VN-

Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte. 2010 hat die EU das ganze Jahr über in

Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen die Umsetzung der

EU-Leitlinien überprüft. Im Oktober 2010 hat eine Expertensitzung, an der die VN-Sonder-

beauftragte für Kinder und bewaffnete Konflikte, R. Coomaraswamy, teilgenommen hat, wesentlich

zu dieser Bewertung beigetragen. Der Rat der EU hat im Dezember 2010 eine überarbeitete

Durchführungsstrategie angenommen. Diese enthält 39 Maßnahmen zur verstärkten Umsetzung der

EU-Leitlinien. Die zur Unterstützung der Umsetzung der Leitlinien im Rahmen des thematischen

Programms "In Menschen investieren" im Jahr 2009 ausgewählten Projekte werden derzeit noch

durchgeführt. Außerdem wurde 2010 im Rahmen des EIDHR ein speziell auf die 19 vorrangigen

Länder ausgerichteter Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen eingeleitet. Vier Projekte zur

Unterstützung des Schutzes von Kindern in bewaffneten Konflikten wurden ausgewählt.

Wie in den vergangenen Jahren bemühte sich die EU um eine engere Zusammenarbeit mit den

Vereinten Nationen, insbesondere mit der Sonderbeauftragten des VN-Generalsekretärs für Kinder

und bewaffnete Konflikte, die 2010 eine Zusammenkunft mit dem Politischen und Sicherheits-

politischen Komitee der EU hatte, und der Arbeitsgruppe des VN-Sicherheitsrates für Kinder und

bewaffnete Konflikte sowie im Rahmen des Überwachungs- und Berichterstattungsmechanismus

nach der Resoluion 1612.

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Drucksache 17/10899 – 62 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3.8 Menschenrechte von Frauen
Die EU hat 2010 die Umsetzung ihrer Leitlinien vom Dezember 2008 betreffend Gewalt gegen

Frauen und die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von Frauen weiter vorangetrieben.

Bei der Umsetzung dieser Leitlinien, die die Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierungen

gegenüber Frauen und Mädchen eindeutig zu einem der Kernziele der auswärtigen Menschen-

rechtspolitik der EU erklären, spielen die EU-Delegationen und die Botschaften der Mitgliedstaaten

der EU in Drittländern eine wichtige Rolle. Bis Ende 2010 hatten mehr als 130 EU-Delegationen

weltweit über die Leitlinien Bericht erstattet, wobei die Mehrheit auch konkrete Maßnahmen

nannten, die in ihren Gastländern durchgeführt werden sollen.

Einige Beispiele solcher Maßnahmen:

• Unterstützung der Überarbeitung der nationalen staatlichen Politik zur Gleichstellung der

Geschlechter in Guatemala (siehe auch nachstehende Fallstudie);

• Entwicklung eines gemeinsamen konzeptuellen Rahmens – mit entsprechenden Über-

wachungsindikatoren – durch Regierungseinrichtungen und die Zivilgesellschaft in Bezug

auf geschlechtsbezogene Gewalt in Nicaragua;

• Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, die Gewaltopfern einen besseren Zugang

zu Dienstleistungen und Unterstützung anbieten, in Benin;

• Unterstützung der Ausarbeitung einer nationalen Strategie zur Bekämpfung von Gewalt

gegen Frauen in Marokko.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 63 – Drucksache 17/10899

Im Dezember 2010 hat die EU beschlossen, ihre Maßnahmen im Rahmen der obengenannten

Leitlinien durch eine Reihe regionaler thematischer Kampagnen zu verstärken. Diese Kampagnen

zu den Themen sexuelle Gewalt gegen Frauen in Konflikten, Zwangsheirat und Verheiratung von

Minderjährigen, Genitalverstümmelung und Beteiligung von Frauen an demokratischen Prozessen

werden im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 durchgeführt. Außerdem hat die EU beschlossen,

noch stärker auf individuelle Fälle von Gewalt gegen Frauen zu reagieren, in denen die Menschen-

rechtsverletzungen besonders schwer sind, systematisch begangen werden oder die Gefahr besteht,

dass sie ungeahndet bleiben. Ein Beispiel für eine solche Reaktion der EU auf einen Einzelfall war

die Erklärung der Missionsleiter der EU vom Dezember 2010 zur Ermordung der Aktivistin

Marisela Escobedo Ortíz in Chihuahua, Mexiko.

Die Hohe Vertreterin hat sich 2010 weiterhin intensiv für ein konsequenteres Vorgehen gegen

Gewalt gegen Frauen eingesetzt. Insbesondere hat sie mit dem für Entwicklungsfragen zuständigen

Mitglied der Kommission eine gemeinsame Erklärung zu sexueller Gewalt gegen Frauen und

Vergewaltigungen von Frauen in der Demokratischen Republik Kongo abgegeben. Sie hat auch

eine Erklärung zu Frauenmorden abgegeben, in der sie Frauenmorde scharf verurteilte und ihre

Sorge angesichts der Zunahme geschlechtsbezogener Gewalt in einigen Gebieten Lateinamerikas

zum Ausdruck brachte; sie betonte dabei die tiefe Beunruhigung der EU angesichts der wachsenden

Zahl von Morden an Frauen und Mädchen in Lateinamerika und erklärte, dass die EU die Arbeit

des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs in dieser Frage begrüße. Am Internationalen

Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, dem 25. November 2010, hat die Hohe

Vertreterin darauf hingewiesen, dass die Täter strafrechtlich verfolgt werden müssen, und alle

Staaten aufgerufen, ihren Kampf gegen Straflosigkeit zu verstärken und die Opfer von Gewalt zu

schützen und zu reintegrieren.

Die EU hat sich 2010 in ihren Menschenrechtsdialogen und -konsultationen mit Drittländern

weiterhin aktiv für die Menschenrechte von Frauen eingesetzt. So hat sie beispielsweise die

Menschenrechte von Frauen gegenüber der Afrikanischen Union, den EU-Bewerberländern,

Kanada, China, Indonesien, Japan, Moldau, Neuseeland, Südafrika, Turkmenistan und Usbekistan

zur Sprache gebracht.

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Drucksache 17/10899 – 64 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU hat sich in den Vereinten Nationen weiterhin aktiv für die Gleichstellung und Förderung

von Frauen eingesetzt; 2010 war diesbezüglich in den VN ein besonders wichtiges Jahr, denn es

war das Jahr des 30. Jahrestags des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi-

nierung der Frau, ferner des 15. Jahrestags der Pekinger Erklärung und Aktionsplattform sowie des

10. Jahrestags der Milleniumserklärung und der Resolution 1325 des Sicherheitsrates der Vereinten

Nationen über Frauen, Frieden und Sicherheit. Entsprechend ihrer bereits langjährigen Unter-

stützung für eine Reform und Verstärkung der multilateralen Gleichstellungsstruktur der VN

begrüßte die EU den Beschluss der Generalversammlung, UN Women (Einheit der Vereinten

Nationen für die Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen) zu schaffen, und sie äußerte die

Erwartung, dass diese neue Organisation maßgeblich zur Schließung der Lücke zwischen

normativer und praktischer Arbeit der VN auf dem Gebiet der Gleichstellung und Machtgleich-

stellung der Frauen beitragen und ein effektives, systemweites Gender-Mainstreaming sowie eine

verstärkte Rechenschaftspflicht bei dieser Arbeit im VN-System fördern wird. Die EU begrüßte die

Ernennung von Michelle Bachelet, der ehemaligen Präsidentin von Chile, zur Exekutivdirektorin

von UN Women und wird bei ihren Bemühungen, die Arbeit von UN Women zur Förderung der

Gleichstellung und Machtgleichstellung der Frauen voranzubringen, eng zusammenarbeiten.

Die EU hat sich 2010 aktiv an der Arbeit der Kommission für die Rechtsstellung der Frau beteiligt,

die die Umsetzung der Pekinger Erklärung und Aktionsplattform und das Ergebnis der 23. Sonder-

tagung der Generalversammlung prüfte. Des Weiteren hat die EU die Einsetzung einer neuen

Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrates mit dem Mandat, sich speziell mit dem Thema Diskrimi-

nierung von Frauen in Recht und Rechtspraxis zu befassen und die Mitgliedstaaten bei der

Umsetzung ihrer Zusagen auf diesem Gebiet zu unterstützen, sehr begrüßt.

Im März 2010 hat die Europäische Kommission ihr grundsätzliches Bekenntnis zur Gleichstellung

der Geschlechter in der Frauen-Charta erneut bekräftigt. Die fünf Themenbereiche der Charta

(gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit, gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit,

Gleichstellung in Entscheidungsprozessen, Schutz der Würde und Unversehrtheit und Ende der

Gewalt aufgrund des Geschlechts sowie Förderung der Geschlechtergleichstellung außerhalb

Europas) gingen in eine neue Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern ein, die am

21. September angenommen wurde. Die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter durch

Maßnahmen im Rahmen der Außenpolitik der EU ist eine der strategischen Prioritäten dieser

Strategie.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65 – Drucksache 17/10899

Im Juni 2010 hat die EU als Teil ihrer Strategie zur Verwirklichung der Milleniums-Entwicklungs-
ziele einen Aktionsplan für die Gleichstellung und die Machtgleichstellung der Frauen in der
Entwicklungszusammenarbeit (2010-2015) angenommen. Ziel dieses Aktionsplans sind eine
beschleunigte Verwirklichung der Milleniums-Entwicklungsziele (MDG), insbesondere MDG 3
und MDG 5, und die Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form
von Diskriminierung der Frau, der Aktionsplattform von Peking und des Aktionsprogramms von
Kairo. In dem Aktionsplan verpflichtet sich die EU, die Geschlechtergleichstellung systematisch in
den Dialog mit Partnerländern über strategische und konkrete Fragen einzubeziehen. Ferner wird
bei seiner Durchführung die Zivilgesellschaft einbezogen, insbesondere Frauenorganisationen in
den Partnerländern und in der EU. Der Aktionsplan enthält auch die Verpflichtung zum Ausbau der
technischen Kapazitäten für die durchgängige Einbeziehung des Gleichstellungsaspekts. Er soll
gewährleisten, dass die Gleichstellung der Geschlechter Teil des jährlichen und mehrjährigen
Planungsprozesses ist und dass international anerkannte Standards systematisch angewandt werden,
so dass verfolgt werden kann, wo welche Entwicklungshilfe hierfür geleistet wird.
FALLBEISPIEL:

Das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) trägt zur Stärkung der
Position von Frauen und Mädchen und zu ihrem Schutz bei, indem es Aktivisten, die sich für die
Menschenrechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen, sowie deren Netzwerke aktiv
darin unterstützt, sich effektiv in Entscheidungsprozesse einzubringen, ihre Rechte auf Entfaltung in allen
gesellschaftlichen Sphären zu formulieren, die Stärkung der Position von Frauen gegenüber allen Arten von
Diskriminierungen zu fördern und für Schutz und Entschädigung bei allen Formen geschlechtsbezogener
Gewalt und die strafrechtliche Verfolgung der Täter zu sorgen.

Dabei trägt das EIDHR zur Umsetzung der EU-Leitlinien betreffend Gewalt gegen Frauen und die
Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung von Frauen bei, die den Handlungsrahmen für die
Unterstützung aus dem EIDHR bilden und den eindeutigen politischen Willen der EU dokumentieren, die
Menschenrechte der Frauen als Priorität zu behandeln und langfristige Maßnahmen auf diesem Gebiet
durchzuführen.

Zwischen 2007 und 2010 waren weltweit rund 20 % EIDHR-Projekte speziell oder unter anderem auf die
Förderung und den Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen ausgerichtet (insgesamt rund 240 Projekte,
circa 40 Mio. EUR).

Beispiele:

• Beteiligung von Frauen am Wahlprozess – Ghana (4 auf die Teilhabe von Frauen und auf
Führungspositionen für Frauen ausgerichtete EIDHR-Projekte in verschiedenen Regionen
Ghanas; Beitrag insgesamt: 1 160 000 EUR);

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Drucksache 17/10899 – 66 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

• Stärkung der Stellung weiblicher Führer lokaler Gemeinschaften durch Verbesserung ihrer
Entscheidungs- und Verhandlungsfähigkeiten – Guatemala (Generando Governabilidad –
Derechos Humanos mujeres y jóvenes; Projekt der Fundación Mundubat; EU-Beitrag:
419 500 EUR);

• Verstärkung der politischen Vertretung und Teilnahme indigener marginalisierter Frauen

vom Lande an Wahlen – Sudan, Bundesstaat Süd-Kordofan (Towards active participation in

the election process; Projekt der Sudanese Development Call Organisation Association; EU-

Beitrag: 60 000 EUR, Schwerpunkt: Frauen der Bevölkerungsgruppe der Nuba);

• Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt durch Schulungen, Rechtsreformen, Hilfe und

Dialog – Mexiko (Living without violence in the State of Mexico: eradicating domestic

violence against women and children; Projekt von Mexico Unido Pro derechos Humanos;

EU-Beitrag: 81 080 EUR);

• Förderung der Arbeit von weiblichen Menschenrechtsverteidigern in Nepal durch

Kapazitätsaufbau und Schulungen auf dem Gebiet der Sicherheit und des Schutzes von

Menschenrechtsverteidigern (Promoting Rights of Human Rights Defenders in Nepal;

Projekt des Protection Desk Nepal; EU-Beitrag: 240 220 EUR).

3.9 Frauen, Frieden und Sicherheit
Seit 2008 wendet die EU eine spezielle Strategie für Frauen, Frieden und Sicherheit an, den

"Umfassenden Ansatz für die Umsetzung der Resolutionen 1325 und 1820 des Sicherheitsrates der

Vereinten Nationen betreffend Frauen, Frieden und Sicherheit durch die Europäische Union"

(Umfassender Ansatz) sowie eine überarbeitete praktische Anleitung für die Umsetzung dieser

Resolutionen speziell im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP).
Der Umfassende Ansatz war insofern bahnbrechend, als die bisherige Säulenstruktur überwunden

und eine enge Verbindung zwischen der GSVP und anderen außenpolitischen Instrumenten,

beispielsweise der Entwicklungszusammenarbeit, dem politischen Dialog oder dem Auftreten der

EU im Rahmen der VN, hergestellt wurde. Er zielt darauf ab, "vollständige Kohärenz zwischen den

EG-Mitgliedstaaten und innerhalb der EG und den GASP/ESVP-Instrumenten und eine ent-

sprechende Kontinuität in den Initiativen der EG zur Krisenbewältigung und bei den weiteren

Wiederaufbau- und Entwicklungstätigkeiten zu gewährleisten". Aufgrund seiner säulenüber-

greifenden Perspektive bleibt der Umfassende Ansatz auch nach Inkrafttreten des Lissabonner

Vertrags äußerst relevant.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 67 – Drucksache 17/10899

Damit den politischen Zusagen auch konkrete Taten folgen, wurde mit dem Umfassenden Ansatz

eine interinstitutionelle informelle Task Force "Frauen, Frieden und Sicherheit" eingesetzt, die die

Umsetzung überwachen soll. Diese Task Force ist 2010 viermal zusammengetreten und hat sich in

erster Linie mit der Ausarbeitung von Indikatoren für die weitere Umsetzung der Verpflichtungen

der EU in Bezug auf Frauen, Frieden und Sicherheit befasst. Anhand dieser Indikatoren, die am 27.

Juli 2010 vom Rat der EU angenommen wurden, kann die Umsetzung in allen Mitgliedstaaten und

Einrichtungen der EU sowie in den GSVP-Missionen verfolgt werden.

Die EU hat bei ihren politischen Dialogen, Menschenrechtsdialogen und -konsultationen mit

Ländern wie Kanada, Äthiopien, den Vereinigten Staaten, Nepal, Pakistan, Papua-Neuguinea,

Südafrika, Somalia, Sudan und Uganda besonderen Wert auf das Thema Frauen, Frieden und

Sicherheit gelegt. Auch auf einem im Oktober 2010 im Vorfeld des Menschenrechtsdialogs in

Addis Abeba gemeinsam von EU und AU veranstalteten Seminar mit Vertretern der Zivil-

gesellschaft wurde über dieses Thema diskutiert. Auf diesem Seminar wurden Vorschläge für

konkrete Ergebnisse gemacht, von denen dann mehrere im Rahmen des Dialogs angenommen

wurden. Die EU und die AU haben vereinbart, 2011 einen Workshop zur Bestandsaufnahme der

Umsetzung der Resolution 1325 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Europa und in

Afrika abzuhalten. Ferner haben die EU und die AU beschlossen, die Möglichkeiten für eine

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Drucksache 17/10899 – 68 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Schulung zu den Menschenrechten und zur Gleichstellung der

Geschlechter für die Friedenssicherungsmissionen der AU und die afrikanische Bereitschaftstruppe

(African Stand-by Force – ASF) zu sondieren. In ihrer gemeinsamen Erklärung nach dem Dialog

haben die AU und die EU gemeinsam ihre Entschlossenheit zur vollständigen Umsetzung der

Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates bekräftigt.

Im zehnten Jahr des Bestehens der Resolution 1325 hat die EU die Agenda für Frauen, Frieden und

Sicherheit des VN-Sicherheitsrates weiterhin systematisch gefördert, unter anderem durch Unter-

stützung der Einrichtung eines Mechanismus für die Überwachung und Berichterstattung im

Zusammenhang mit sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten durch die Resolution 1960 des

VN-Sicherheitsrates. Im Vorfeld des zehnten Jahrestages der Resolution 1325 haben die EU und

Belgien am 9. September 2010 in Brüssel eine Konferenz mit hochrangigen Vertretern zum Thema

"Zehn Jahre Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates: Beteiligung von Frauen an der Friedens- und

Sicherheitspolitik" veranstaltet. Gemeinsame Gastgeber waren die Hohe Vertreterin und der

belgische Außenminister, Steven Vanackere. Auf der Veranstaltung sprachen u.a. die Sonder-

beraterin des VN-Generalsekretärs für Gleichstellungsfragen und Frauenförderung, Rachel

Mayanja, und die Sonderbeauftragte des VN-Generalsekretärs für das Thema sexuelle Gewalt in

Konflikten, Margot Wallström, sowie weitere prominente Persönlichkeiten, wie der Leiter der VN-

Friedensmissionen, Alain Leroy, und die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2003, Shirin Ebadi.

Die EU hat den Informationsaustausch über ihre Strategie zu Frauen, Frieden und Sicherheit mit der

VN-Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (DPKO), der OSZE, der AU und der NATO

fortgesetzt. Am 27. Januar 2010 haben die damalige Vizepräsidentin der Kommission Margot

Wallström und der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen eine Konferenz zum Thema

Frauen, Frieden und Sicherheit veranstaltet, an der die ehemalige Außenministerin der Vereinigten

Staaten, Madeleine Albright, und die erste Vizepräsidentin Spaniens, Teresa Fernandez de la Vega,

teilgenommen haben. An dieser Konferenz haben um die 400 Personen teilgenommen, darunter

Vertreter von NRO, Militärs und politische Entscheidungsträger.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69 – Drucksache 17/10899

Die EU hat weiterhin besondere Finanzmittel für die Umsetzung der Resolution 1325 und der

Folgeresolutionen des VN-Sicherheitsrates bereitgestellt. Insbesondere hat die EU ein Projekt zur

Unterstützung des Programms UN Women bei der Durchführung eines Projekts unter dem Titel

"Women Connect Across Conflicts: Building Accountability for Implementation of UN Security

Council UNSCRs 1325, 1820, 1888, 1889" (Frauen über Konflikte hinweg verbinden: Rechenschaft

über die Umsetzung der Resolutionen 1325, 1820, 1888 und 1889 des VN-Sicherheitsrates

verlangen) eingeleitet. Diese durch das Europäische Instrument für Demokratie und

Menschenrechte (EIDHR) finanzierte Maßnahme soll die Umsetzung dieser Resolutionen in

Südasien (Pakistan und Afghanistan), im Südkaukasus (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) und

im Ferghanatal in Zentralasien (Tadschikistan, Usbekistan und der Kirgisischen Republik)

voranbringen.

Die EU hat 2010 einen speziellen Bericht zu den Erkenntnissen und bewährten Verfahrensweisen

bei der durchgängigen Berücksichtigung von Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen im

Rahmen der GSVP angenommen. Sie hat weiterhin – zur konkreten Umsetzung der von ihr

eingegangen Verpflichtungen – spezielle Berater und Anlaufstellen für Gleichstellungsfragen in den

militärischen Operationen und zivilen Missionen im Rahmen der GSVP eingesetzt. Aus Anlass des

10. Jahrestags der Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates haben die GSVP-Operationen und -

Missionen sowie die EU-Delegationen "Tage der offenen Tür" veranstaltet, um sich mit

Frauenorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft auszutauschen, die sich in ihren

jeweiligen Ländern Gleichstellungsfragen widmen. Im Rahmen der GSVP-Missionen wurden in

Bosnien und Herzegowina, Georgien, Irak und Kosovo Konferenzen veranstaltet.

Die Europäische Kommission hat die Ausarbeitung des Aktionsplans der EU für die Gleichstellung

und die Machtgleichstellung der Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit abgeschlossen; dieser

Aktionsplan enthält u.a. spezielle Ziele zur Förderung der EU-Strategie für Frauen, Frieden und

Sicherheit durch externe Hilfe.

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Drucksache 17/10899 – 70 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3.10 Der Internationale Strafgerichtshof und die Bekämpfung der
Straflosigkeit

Die Bekämpfung der Straflosigkeit bei schweren Verstößen gegen das internationale Recht wie
Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit – einschließlich Folter – und Kriegsverbrechen
ist einer der Ecksteine des Konzepts der EU für den Aufbau und Erhalt von dauerhaftem Frieden,
internationaler Gerichtsbarkeit und Rechtsstaatlichkeit. Die EU hat daher für eine effiziente Arbeit
des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und anderer Ad-hoc-Strafgerichtshöfe – bei-
spielsweise der Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda,
des Sondergerichtshofs für Sierra Leone, der Außerordentlichen Kammern in den Gerichten
Kambodschas und des Sondergerichtshofs für Libanon – weiterhin umfangreiche politische,
finanzielle und technische Unterstützung geleistet. Das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat
zu mehr Kontinuität bei den Maßnahmen auf diesem Gebiet beigetragen. Die Nichtregierungs-
organisationen waren weiterhin wertvolle Mitstreiter bei diesen Bemühungen.

2010 wurde die Konferenz zur Revision des Römischen Statuts des Internationalen Straf-
gerichtshofs (Kampala, 31. Mai bis 11. Juni 2010) erfolgreich abgeschlossen. Die Konferenz hat
eine Reihe von Änderungen am Römischen Statut angenommen, mit denen das Verbrechen der
Aggression definiert wurde und die Bedingungen, unter denen der IStGH die Gerichtsbarkeit in
Bezug auf dieses Verbrechen ausüben könnte, festgelegt wurden. Außerdem hat die Konferenz
Änderungen angenommen, mit denen die Gerichtsbarkeit des IStGH auf drei weitere Kriegs-
verbrechen in bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter haben, ausgedehnt
wird, und sie hat beschlossen, einstweilen die Übergangsbestimmung des Artikels 124 des Statuts
beizubehalten.

Der Rat hat am 25. Mai 2010 Schlussfolgerungen zur Revisionskonferenz angenommen und
dabei das Engagement der EU zur Bekämpfung der Straflosigkeit und ihr Bekenntnis zum IStGH
im Vorfeld der Revisionskonferenz bekräftigt. Zudem hat das Parlament am 19. Mai 2010 eine
Entschließung zu diesem Thema verabschiedet.

Zusätzlich zu den Zusagen der Mitgliedstaaten der EU hat die EU auf der Konferenz zum Beweis
des hohen Stellenwerts, den sie dem IStGH und seinem Auftrag beimisst, Maßnahmen zu folgenden
vier Punkten zugesagt:

• Förderung der Universalität und Wahrung der Integrität des Römischen Statuts;

• Bekämpfung der Straflosigkeit als Grundwert, den wir beim Abschluss von Übereinkünften mit
Drittländern mit unseren Partnern teilen;

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71 – Drucksache 17/10899

• finanzielle Unterstützung des IStGH, der Zivilgesellschaft und der Partnerländer außerhalb der
EU und

• Aktualisierung und gegebenenfalls Überprüfung der Instrumente der EU zur Unterstützung des
IStGH.

Der IStGH stand auch 2010 weiterhin auf der Tagesordnung großer Gipfeltreffen und politischer

Dialoge mit Drittländern. Die EU hat in ihren Erklärungen immer wieder dazu aufgerufen, der

Straflosigkeit von Personen, die in der Welt die entsetzlichsten Verbrechen begangen haben, ein

Ende zu setzen, und sie hat alle Staaten aufgefordert, die Personen, gegen die Haftbefehl ausgestellt

worden ist, auszuliefern, damit die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen kann. Dabei wurde besonders

auf die Nichteinhaltung der Kooperationsverpflichtungen seitens einiger Vertragsstaaten

eingegangen, insbesondere was die Festnahme und Übergabe von Personen anbelangt, gegen die ein

Haftbefehl erlassen wurde.

Ein effizientes internationales Justizwesen stützt sich auf eine größtmögliche Beteiligung von

Staaten am Römischen Statut. Nachdem Bangladesch, die Seychellen, St. Lucia und die Republik

Moldau ratifiziert haben, beträgt die Zahl der Vertragsstaaten nun 114. Die EU als entschiedene

Verfechterin des Gerichtshofs wird sich auch weiterhin – durch diplomatische Demarchen, durch

persönlichen Einsatz der Hohen Vertreterin, durch die Aufnahme entsprechender Klauseln in

Übereinkommen der EU mit Drittländern sowie durch Unterstützung des Gerichtshofs und der

Zivilgesellschaft – für die Universalität des Statuts einsetzen. Die EU hat ihre Bemühungen

weiterhin mit Drittstaaten wie Kanada, Japan, Australien, Brasilien und Südafrika abgestimmt.

Dank dieser Partnerschaft konnte die EU den IStGH wirksamer und unter Nutzung von Synergien

fördern.

2010 hat die EU Maßnahmen zur Unterstützung der Universalität und der Anwendung des

Römischen Statuts in folgenden Ländern und im Rahmen regionaler Organisationen durchgeführt:

Kamerun, DRK, Mosambik, Seychellen, Swaziland, Tansania, Irak, Katar, Jemen, Armenien,

Aserbaidschan, Kasachstan, Republik Moldau, Türkei, Ukraine, Usbekistan, Bangladesch, Indien,

Laos, Malaysia, Nepal, Philippinen, Vietnam, Kiribati, Tuvalu, Vanuatu, Bahamas, Grenada,

Guatemala, Jamaika, Nicaragua, St. Lucia, Pacific Islands Forum und CARICOM.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 57
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Drucksache 17/10899 – 72 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bislang war das überarbeitete Cotonou-Abkommen von 2005, das für 76 Länder Afrikas, der

Karibik und des Pazifischen Raums10 sowie die EU gilt, das einzige verbindliche Rechtsinstrument

mit einer Klausel zum IStGH11. Inzwischen wurden auch im Rahmen von Partnerschafts- und

Kooperationsabkommen, in Abkommen über Handel, Zusammenarbeit und Entwicklung und in

Assoziationsabkommen mit Indonesien, Korea, Südafrika, der Andengemeinschaft, Libyen, Irak,

der Mongolei, den Philippinen, Vietnam und Zentralamerika IStGH-Klauseln vereinbart. Derzeit

wird über IStGH-Klauseln in Partnerschafts- und Kooperationsabkommen sowie Assoziations-

abkommen mit Thailand, Malaysia, China, Russland, der Ukraine, der Republik Moldau, Armenien,

Aserbaidschan und Georgien verhandelt.

Das Europäische Netz von Anlaufstellen betreffend Personen, die für Völkermord, Verbrechen

gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich sind, ist ein Netz von nationalen

Staatsanwälten, die auf die Bekämpfung dieser Verbrechen spezialisiert sind. 2010 hat es (im Mai)

seine achte und (im Oktober) seine neunte Tagung abgehalten. Auf diesen Tagungen ging es unter

anderem um die Zusammenarbeit zwischen Staaten sowie zwischen Staaten und Internationalen

Gerichtshöfen, die Anwendung der extraterritorialen Gerichtsbarkeit durch die Mitgliedstaaten, den

Zeugenschutz und die organisatorischen Probleme des Netzes im Zusammenhang mit der

Einrichtung des Netzsekretariats im Rahmen von Eurojust Anfang 2011.

Außerdem hat die EU im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschen-

rechte ihre Unterstützung für Maßnahmen zur Wiederherstellung und Stärkung der Rechtstaat-

lichkeit auf nationaler Ebene fortgesetzt und wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen

unterstützt, die sich für ein wirksames Funktionieren des IStGH einsetzen. Die weltweite Koalition

für den Internationalen Strafgerichtshof, Parliamentarians for Global Action, Anwälte ohne Grenzen

sowie die kenianische Sektion der International Commission of Jurists und viele Andere haben eng

mit der EU zusammengearbeitet. Der Europäische Entwicklungsfonds und das Stabilitätsinstrument

haben Projekte zur Strafjustiz und zur Übergangsjustiz in Afrika, Asien und Ozeanien finanziert.
10 Äquatorialguinea und Sudan haben das Abkommen nicht ratifiziert. Der Rat hat am

8. Dezember 2009 den Entwurf eines Schreibens an die Gruppe der AKP-Staaten gebilligt,
in dem dargelegt wird, welche Folgen es haben wird, falls das geänderte AKP-EG-Partner-
schaftsabkommen (Cotonou-Abkommen) nicht ratifiziert wird. Kuba hat das Abkommen
nicht unterzeichnet.

11 Artikel 11 des Cotonou-Abkommens (ABl. L 317 vom 15.12.2000, S. 3-353, geändert durch
ABl. L 209 vom 11.8.2005, S. 27-64).

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 58
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 73 – Drucksache 17/10899

3.11 Menschenrechte und Terrorismus
Die EU misst der Gewährleistung eines umfassenden und wirksamen Schutzes der Menschenrechte

und Grundfreiheiten bei der Terrorismusbekämpfung sowohl in Europa als auch in der übrigen Welt

große Bedeutung bei. Wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und der Schutz der

Menschenrechte sind Ziele, die einander nicht ausschließen, sondern sich ergänzen und gegenseitig

verstärken. Das strategische Engagement der Europäischen Union, das in ihrer Strategie zur

Terrorismusbekämpfung definiert ist, ist diesbezüglich sehr klar formuliert: "Terrorismus weltweit

bekämpfen und dabei die Menschenrechte achten, Europa sicherer machen und es seinen Bürgern

ermöglichen, in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu leben."

Die EU hat in Erklärungen vor verschiedenen Gremien der Vereinten Nationen bekräftigt, dass die

Achtung der Menschenrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus unbedingt gewährleistet werden

muss. Belgien hat im Namen der EU auf der zweiten Tagung zur Überprüfung der weltweiten

Strategie der VN zur Terrorismusbekämpfung am 8. September 2010 in New York festgestellt, dass

die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für die EU ein Kernprinzip

der Terrorismusbekämpfung ist. In diesem Zusammenhang begrüßte die EU die neuen Klauseln

zum Schutz der Rechte des Einzelnen, die durch die Resolution 1904 des Sicherheitsrates der

Vereinten Nationen in das System der Terroristenlisten eingeführt wurden.

Die EU hat einen ausführlichen Dialog mit dem Rechtsberater des US-Außenministeriums über

völkerrechtliche Aspekte der Terrorismusbekämpfung fortgesetzt. Am 3. Juni 2010 haben die

Europäische Union und die Vereinigten Staaten eine Erklärung zur Terrorismusbekämpfung

angenommen, in der sie unterstrichen, dass die Bemühungen um die Bekämpfung des Terrorismus

mit den Grundwerten und der Rechtsstaatlichkeit im Einklang stehen müssen. In der Erklärung

wurde festgestellt, dass die Maßnahmen der Staaten zur Terrorismusbekämpfung deren Verpflich-

tungen nach den Menschenrechtsnormen, dem internationalen humanitären Völkerrecht und dem

Flüchtlingsrecht entsprechen müssen. Das gemeinsame Engagement der EU und der USA für die

Umsetzung des Verbots der Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung

oder Strafe wurde unterstrichen. Die EU und die USA haben vereinbart, dass alle Gerichtsverfahren

gegen Personen, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden, in einem rechtlichen Rahmen

stattfinden sollen, der sicherstellt, dass die einschlägigen Verfahrensrechte geachtet werden und das

Verfahren fair, so weit wie möglich öffentlich und effizient durchgeführt wird.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 59
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Drucksache 17/10899 – 74 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU hat damit begonnen, Drittländern im Rahmen des Stabilitätsinstruments Unterstützung zum

Kapazitätsaufbau für die Terrorismusbekämpfung zu leisten. Die Projekte waren darauf aus-

gerichtet, beispielsweise in der Sahelzone und in Pakistan die Kapazität der Justiz- und Straf-

verfolgungsbehörden für die Terrorismusbekämpfung im Einklang mit rechtsstaatlichen Prinzipien

und den Menschenrechten zu verbessern. Durch das Stabilitätsinstrument hat die EU auch die

Vereinten Nationen bei der Umsetzung der weltweiten Strategie der VN zur Terrorismus-

bekämpfung – insbesondere in Zentralasien – unterstützt. Die Menschenrechte sind eine zentrale

Säule der Strategie und bildeten einen besonderen Schwerpunkt des Projekts.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 60
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 75 – Drucksache 17/10899

3.12 Menschenrechte und Wirtschaft
2010 hat es einige wichtige Entwicklungen in der EU-Politik zu Menschenrechten und Wirtschaft

sowohl innerhalb der EU als auch in ihren Außenbeziehungen gegeben.

Die Europäische Kommission hat mit den Vorarbeiten zu einer neuen Mitteilung zur sozialen Ver-

antwortung der Unternehmen begonnen. Zu den Zielen dieser Mitteilung gehört es, die Unter-

nehmen zu mahnen, weltweit die Menschenrechte zu achten und höhere Arbeitsrechts- und

Umweltstandards einzuhalten. Im Oktober 2010 hat die Kommission einen Bericht der Universität

Edinburgh veröffentlicht, in dem der geltende rechtliche Rahmen für Menschenrechte und

Umweltschutz in Bezug auf EU-Unternehmen, die außerhalb der EU tätig sind, klar erläutert wird12.

Am 29./30. November 2010 hat die Kommission in Brüssel das Europäische Stakeholderforum zur

sozialen Verantwortung der Unternehmen veranstaltet, bei dem Vertreter aus Wirtschaft, Gewerk-

schaften und Nichtregierungsorganisationen und andere Betroffene zusammenkamen. Es ging dabei

um einen Meinungsaustausch zu Umfang und Inhalt einer künftigen europäischen Politik auf dem

Gebiet der sozialen Verantwortung von Unternehmen; eine besondere Arbeitsgruppe befasste sich

mit der Umsetzung des VN-Rahmens für Unternehmenstätigkeit und Menschenrechte. Im

November 2010 hat die Kommission eine öffentliche Konsultation zur künftigen europäischen

Politik hinsichtlich der Weitergabe nicht-finanzieller Informationen durch Unternehmen eingeleitet,

die auch eine spezielle Frage zur Berichterstattung über Menschenrechte einschließt13. Im selben

Monat hat die Kommission einen Leitfaden zu den sozialen Erwägungen im öffentlichen

Beschaffungswesen14 verabschiedet, in der auf die Möglichkeit hingewiesen wird, den Schutz und

die Achtung der Menschenrechte in Auftragsspezifikationen und Vertragsbedingungen

aufzunehmen.
12 http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/files/business-human-

rights/101025_ec_study_final_report_de.pdf
13 http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2010/prospectus_en.htm
14 http://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=89&newsId=596&furtherNews=yes.
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Drucksache 17/10899 – 76 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auf internationaler Ebene hat die EU während des gesamten Jahres 2010 die Arbeit des VN-
Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte, Prof. Ruggie, zu den Leitprinzipien genau
verfolgt und zusammenfassende Kommentare zum Entwurf der Leitprinzipien abgegeben. In einem
interaktiven Dialog mit dem Sonderbeauftragten auf der 14. Tagung des Menschenrechtsrates im
Juni 2010 hat die EU die laufende Arbeit unterstützt und dabei auf die umfassenden laufenden
Arbeiten in Europa für eine bessere Verknüpfung von Wirtschafts- und Menschenrechtsfragen
hingewiesen. Im Oktober 2010 hat die EU sich auf der 65. Tagung der VN-Generalversammlung im
dritten Ausschuss an einer interaktiven Debatte mit Prof. Ruggie beteiligt und ihre Unterstützung
für den vom Sonderbeauftragten vorgelegten Rahmen für Unternehmenstätigkeit und Menschen-
rechte unter dem Titel "Schützen, achten, Rechtsschutz gewähren" zum Ausdruck gebracht. Die
Europäische Kommission hat gemeinsam mit 21 EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der OECD aktiv
zur Überarbeitung der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen beigetragen. Die
aktualisierten Leitlinien, die im Mai 2011 angenommen werden sollen, werden in einem neuen
Kapitel über die Menschenrechte und das Konzept der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette den VN-
Rahmen für Unternehmenstätigkeit und Menschenrechte einbeziehen. In einem überarbeiteten
Kapitel über die Verfahrensaspekte wird der Tätigkeitsbereich des Netzes nationaler Anlaufstellen
erweitert. Die EU hat außerdem weitere Initiativen auf multilateraler Ebene unterstützt, z.B. die von
dem damaligen VN-Generalsekretär Kofi Annan eingeführte VN-Wirtschaftsplattform "Global
Compact" (eine Vereinigung von Unternehmen, die ihre Tätigkeiten und Strategien an zehn
allgemein anerkannten Prinzipien im Bereich der Menschenrechte, der Arbeitnehmerrechte, des
Umweltschutzes und der Korruptionsbekämpfung ausrichten wollen).
3.13 Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Im Bewusstsein der 1993 in Wien auf der Weltkonferenz über Menschenrechte bekräftigten
Allgemeingültigkeit, Unteilbarkeit, wechselseitigen Abhängigkeit und Verknüpfung aller
Menschenrechte misst die EU den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten die gleiche
Bedeutung bei wie den bürgerlichen und politischen Rechten.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 77 – Drucksache 17/10899

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wurden im Rahmen der einzelnen Instrumente der
EU-Menschenrechtspolitik gegenüber anderen Ländern weiterhin eingefordert. So hat beispiels-
weise die Europäische Kommission im März 2010 eine Mittelung über den EU-Politikrahmen zur
Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Verbesserung der Ernährungssicherheit ver-
öffentlicht. Im Vorfeld dieser Mitteilung hat die Kommission eine Studie zur Untersuchung der
Auswirkungen des Rechts auf Nahrung und des Konzepts der Nahrungsmittelhoheit auf die
Entwicklungszusammenarbeit der EU eingeleitet. Zu diesem Thema fand im Dezember 2010 ein
Seminar in Brüssel statt.
Die EU veröffentlichte am 22. März 2010 eine Erklärung zum Weltwassertag, in der sie die auf den

Menschenrechten beruhende Verantwortung aller Staaten für den Zugang zu sauberem Trinkwasser

bekräftigte, welches verfügbar, physisch zugänglich, bezahlbar und von annehmbarer Qualität sein

muss.

Innerhalb des VN-Menschenrechtsrates unterstützte die EU weiterhin öffentlich eine Reihe von

Sonderverfahren zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten – etwa die Mandate für

Bildung, Wohnen, geistige und körperliche Gesundheit, Nahrung, extreme Armut und Zugang zu

Wasserversorgung und Abwasserentsorgung – und arbeitete mit den jeweiligen Mandatsträgern

zusammen.

Außerdem setzte sich die EU weiterhin für die Verstärkung des Überwachungssystems der

Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ein und wurde bei größeren Verstößen gegen Kern-

arbeitsnormen wieder regelmäßig auf IAO-Ebene in der Internationalen Arbeitskonferenz und im

Verwaltungsrat der Organisation tätig. Die EU unterstützt die IAO weiterhin, beispielsweise in den

Bereichen Handel und Beschäftigung, Statistiksysteme, Sozialschutz und Beschäftigungspolitik

sowie Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 63
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Drucksache 17/10899 – 78 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In ihren Beziehungen zu Ländern weltweit förderte und erleichterte die EU weiterhin die

Ratifizierung und Anwendung der IAO-Übereinkommen über Kernarbeitsnormen, unter anderem

durch technische Zusammenarbeit und enge Kooperation mit der IAO. In einigen Fällen brachte die

EU in ihren bilateralen Expertendialogen auch Fragen im Zusammenhang mit Beschäftigung,

Arbeitsrecht und Sozialschutz zur Sprache. Aussprachen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle

Rechte wurden ebenfalls im Rahmen der EU-Menschenrechtsdialoge und Konsultationen sowie bei

den entsprechenden Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft geführt.

Die EU setzt sich im Rahmen ihrer Handelspolitik nachdrücklich dafür ein, dass Kernarbeitsnormen

und menschenwürdige Arbeit für alle Menschen gefördert werden, und Initiativen für die

Zusammenarbeit sowie Anreize für bessere Arbeitsbedingungen sind fester Bestandteil der von ihr

ausgehandelten Handelsabkommen. Die Entwürfe dieser Abkommen der EU mit anderen Ländern

und Regionen werden im Hinblick auf ihre potenziellen Auswirkungen auf die gesellschaftliche

Entwicklung, darunter die Arbeitsnormen, sorgfältig geprüft. Nach dem Allgemeinen Präferenz-

system der EU werden Entwicklungsländern, die 27 internationale Übereinkommen, unter anderem

über die Kernarbeitsnormen, ratifiziert und eingeführt haben, im Rahmen des APS+-Schemas

zusätzliche Handelspräferenzen gewährt.

3.14 Asyl, Migration, Flüchtlinge und Vertriebene
Die Kommission nahm Berichte über die Bewertung der Durchführung der Richtlinie 2004/83/EG

des Rates ("Richtlinie über die Anerkennung") und der Richtlinie 2005/85/EG des Rates ("Asyl-

verfahrensrichtlinie") an. Ihnen zufolge wurden die Richtlinien alles in allem in den meisten

Mitgliedstaaten zufriedenstellend umgesetzt. Es wurde jedoch auch auf mehrere Fälle nicht

ordnungsgemäßer Umsetzung bzw. falscher Anwendung der Richtlinie hingewiesen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 64
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 79 – Drucksache 17/10899

Insbesondere aus dem Bericht über die Richtlinie über die Anerkennung ging hervor, dass sie in
einer ganzen Reihe von Bereichen hauptsächlich aufgrund von mehreren vagen und ungenauen
Begriffen wie "Akteure, die Schutz bieten können", "interner Schutz" und "Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe" einen großen Ermessensspielraum zulässt. Bei der Gewährung des
Schutzes und der Form des gewährten Schutzes bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede
zwischen den Mitgliedstaaten. Außerdem ergab der Bericht über die Asylverfahrensrichtlinie, dass
einige der optionalen Bestimmungen und Abweichklauseln der Richtlinie zur Zunahme voneinander
abweichender Regelungen in der EU geführt haben und dass sich die Verfahrensgarantien zwischen
den Mitgliedstaaten erheblich unterscheiden. Dies gilt vor allem für die Bestimmungen über
beschleunigte Verfahren, den "sicheren Herkunftsstaat", den "sicheren Drittstaat", persönliche
Anhörungen, Rechtsberatung und den Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf. Die Kommission
versprach, alle Fälle, in denen Probleme bei der Anwendung festgestellt wurden, zu untersuchen
und weiterzuverfolgen.

Die Kommission unterbreitete im Juli 2010 wichtige Vorschläge für die Weiterentwicklung des
Rechtsrahmens für Migration, nämlich einen Vorschlag für eine Richtlinie über Saisonarbeit-
nehmer15 sowie einen Vorschlag für eine Richtlinie über konzerninterne Entsendung16. Der
Vorschlag über Saisonarbeiternehmer umfasst ein beschleunigtes Verfahren für die Zulassung von
Saisonarbeitnehmern aus Drittstaaten. Um der Ausbeutung von Saisonarbeitnehmern vorzubeugen,
enthält er Bestimmungen über Arbeitsbedingungen, die Verpflichtung der potenziellen Arbeitgeber,
nachzuweisen, dass Saisonarbeitnehmern eine angemessene Unterkunft zur Verfügung steht, sowie
eine Bestimmung zur Erleichterung der Einreichung von Beschwerden. Mit dem Vorschlag für eine
Richtlinie über konzernintere Entsendung wird die vorübergehende Entsendung von qualifizierten
Arbeitnehmern aus Drittstaaten (z.B. Führungs- und Fachkräfte, Trainees) aus Unternehmen mit
Sitz außerhalb der EU in Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften in EU-Mitgliedstaaten
erleichtert. Konzernintern entsandte Arbeitnehmer genießen größere Mobilität innerhalb der EU
und die gleichen Arbeitsbedingungen wie entsandte Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber im EU-Gebiet
niedergelassen sind. Die Beratungen über die beiden Richtlinien wurden im Rat und im Parlament
bereits aufgenommen.

Die Beratungen über den Richtlinienvorschlag für eine einzige Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis und
beschäftigungsrelevante Rechte von Einwanderern wurden fortgesetzt, doch das Europäische
Parlament und der Rat konnten sich 2010 noch nicht einigen.
15 KOM(2010) 379 endg.
16 KOM(2010) 378 endg.
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 65
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Drucksache 17/10899 – 80 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Kommission unterbreitete im Oktober einen Bericht über die Anwendung der Richt-

linie 2004/81/EG über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des

Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit

den zuständigen Behörden kooperieren. Laut Bericht wurde das Potenzial dieser Richtlinie nicht

voll ausgeschöpft; es gab Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Gewährung von

Aufenthaltstiteln, strengere Kriterien für die Ausgabe von Aufenthaltstiteln (deren Erfüllung den

Opfern eventuell nicht möglich ist) oder überzogene Formalitäten für die Beurteilung der Absicht

des Opfers, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten.

Die Kommission legte überdies den ersten Jahresbericht im Bereich Migration und Asyl vor,

nämlich eine Mitteilung über die "Methode zur Verfolgung der Umsetzung des Europäischen Pakts

zu Einwanderung und Asyl" im Jahr 2009. Er enthält eine kurze Zusammenfassung der

wesentlichen Entwicklungen sowie die auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten geplanten

zentralen Vorhaben und ausführlichere Informationen über die wichtigsten durchgeführten

Maßnahmen.

3.15 Menschenhandel
Menschenhandel ist eine schwere Straftat, die häufig im Rahmen der organisierten Kriminalität

begangen wird und nach Artikel 5 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus-

drücklich verboten ist. Die Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels ist für die EU und

die Mitgliedstaaten ein vorrangiges Ziel.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 81 – Drucksache 17/10899

Auf der Grundlage eines Kommissionsvorschlags vom März 2010 wurde eine neue Richtlinie

2011/36 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer

ausgearbeitet (und im März 2011 vom Rat und dem Europäischen Parlament angenommen). Diese

Richtlinie sieht ein integriertes, ganzheitliches und menschenrechtsbasiertes Vorgehen bei der

Bekämpfung des Menschenhandels unter Berücksichtigung der Geschlechterperspektive vor.

Kinder und Frauen tragen ein höheres Risiko, Opfer des Menschenhandels zu werden. Das Wohl

des Kindes muss entsprechend der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem VN-

Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989 eine vorrangige Erwägung sein.

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte (Januar 2010) in der

Rechtssache Rantsev gegen Zypern und Russland stellt der Menschenhandel einen Verstoß gegen

Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention dar, der ein Verbot von Sklaverei und

Zwangsarbeit enthält. Der Gerichtshof befand, dass die Mitgliedstaaten die positive "Verpflichtung"

haben, einen geeigneten rechtlichen und administrativen Rahmen zur Bekämpfung des Menschen-

handels zu schaffen, dass die Polizei operative Maßnahmen zum Schutz von Menschenhandels-

opfern und zur Ermittlung der an der Rekrutierung beteiligten Personen bzw. der angewendeten

Rekrutierungsmethode ergreifen sollte, außerdem sollte sie ermitteln, wie und wo ein Opfer

rekrutiert wurde. Die EU und alle ihre Mitgliedstaaten sind an diese Entscheidung gebunden.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 67
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Drucksache 17/10899 – 82 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Außerdem ist die Bekämpfung des Menschenhandels eine Priorität der EU-Politik in den Bereichen
Gleichstellung und Rechte der Kinder. Der Menschenhandel im Kontext geschlechtsspezifischer
Gewalt wird im Rahmen der Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015
und der Strategie für die Gleichstellung und die Machtgleichstellung der Frauen thematisiert.

2010 wurden zwei informelle Treffen der Nationalen Berichterstatter bzw. von Vertretern gleich-
wertiger Mechanismen zum Thema Menschenhandel organisiert. Dabei wurden verschiedene
Themen erörtert: Datenerhebung, Prävention, bessere Identifizierung der Opfer, Strafverfolgung
(einschließlich Rechtsprechung), Nutzung der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der
Unterstützung von Opfern aus Drittländern.

Um die Maßnahmen der EU zur Bekämpfung des Menschenhandels weiter zu bündeln, hat die
Kommission im Dezember 2010 einen EU-Koordinator für die Bekämpfung des Menschenhandels
benannt, dessen Hauptaufgabe in der Ausarbeitung einer umfassenden strategischen Ausrichtung im
Bereich der Bekämpfung des Menschenhandels besteht, auch im Hinblick auf die bessere
Koordinierung und größere Kohärenz zwischen den EU-Organen und den EU-Einrichtungen sowie
mit den Mitgliedstaaten und internationalen Akteuren.

Ebenfalls im Dezember 2010 richtete die Kommission eine neue Website über die Bekämpfung des
Menschenhandels ein, die Informationen über die EU-Politik und -Rechtsvorschriften, nationale
Informationsseiten über alle EU-Mitgliedstaaten, von der Kommission finanzierte Projekte sowie
Veröffentlichungen verschiedener Akteure enthält, unter anderem auch über den Zusammenhang
zwischen Menschenrechten und Menschenhandel17.

Die EU finanziert viele Projekte zur Bekämpfung des Menschenhandels. Die Bekämpfung des
Menschenhandels in Europa zählt zu den Prioritäten des Förderprogramms "Kriminalprävention
und Kriminalitätsbekämpfung", das Teil des Rahmenprogramms "Sicherheit und Schutz der
Freiheitsrechte" (2007-2013) ist. Eine gezielte Ausschreibung für Projekte (4 Mio. EUR) zur
Bekämpfung des Menschenhandels wurde im Juni 2010 durchgeführt, und für die Finanzierung
zugelassene Projekte sind bereits angelaufen. Die nächste Ausschreibung wird 2011 durchgeführt.
Das Daphne-Programm leistet einen Beitrag zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen vor
allen Formen von (geschlechtsspezifischer) Gewalt, einschließlich des Menschenhandels.

17 http://ec.europa.eu/anti-trafficking
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83 – Drucksache 17/10899

Das im Dezember 2009 angenommene "maßnahmenorientierte Papier zur Stärkung der externen

Dimension der EU in Bezug auf Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels: Auf dem

Weg zu globalen Maßnahmen der EU gegen den Menschenhandel" steckt den politischen Rahmen

für das Ziel der Union ab, ihre Rolle und Handlungsfähigkeit in partnerschaftlicher Zusammen-

arbeit mit Drittländern, Regionen und Organisationen auf internationaler Ebene zu stärken.

Die Bekämpfung des Menschenhandels ist Bestandteil mehrerer bilateraler ENP-Aktionspläne

sowie der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den Staaten des westlichen Balkans.

Projekte wurden im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe und des Instruments für

technische Hilfe und Informationsaustausch (TAIEX) finanziert. Der Menschenhandel kommt auch

in den politischen Dialogen mit Drittländern, insbesondere den Menschenrechtsdialogen und

Konsultationen, zur Sprache. Die EU unterstützt internationale Bemühungen in verschiedenen VN-

Foren, in denen sie für die Prävention, den Schutz und die Unterstützung der Opfer, die Schaffung

eines Rechtsrahmens, die Politikentwicklung und Strafverfolgung sowie die internationale

Zusammenarbeit und Koordinierung bei der Bekämpfung des Menschenhandels eintritt.

Die Bekämpfung des Menschenhandels ist auch eine Priorität der geografischen und thematischen

Zusammenarbeit der EU mit Drittländern. Sie wird konsequent in die Länderstrategiepapiere und in

nationale und regionale Richtprogramme einbezogen. Mittel werden im Rahmen von Finan-

zierungsinstrumenten wie dem themengebundenen Programm für die Zusammenarbeit in den

Bereichen Migration und Asyl, dem Stabilitätsinstrument, dem themengebundenen Programm "In

Menschen investieren" und dem Europäischen Instrument für Demokratie und Menschenrechte

(EIDHR) bereitgestellt. 2010 wurde eine neue Ausschreibung im Rahmen des themengebundenen

Programms für die Zusammenarbeit in den Bereichen Migration und Asyl durchgeführt, zu dessen

prioritären Bereichen die Bekämpfung des Menschenhandels gehört.

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Drucksache 17/10899 – 84 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3.16 Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und
Diskriminierung

Die EU hat auch 2010 entscheidend zur weltweiten Bekämpfung aller Formen von Rassismus,

Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und ähnlichen Arten von Intoleranz, einschließlich

der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität, beigetragen.

Im Rahmen ihres auswärtigen Handelns brachte die EU weiterhin die Themen Rassismus und

Fremdenfeindlichkeit in ihren politischen Dialogen mit Drittländern, wie beispielsweise China, zur

Sprache. Diese Fragen wurden auch in den Kooperationsstrategien weiter berücksichtigt; so ver-

pflichten sich die Partnerländer etwa im Rahmen der Aktionspläne der Europäischen Nachbar-

schaftspolitik dazu, alle Formen von Diskriminierung, religiöser Intoleranz, Rassismus und

Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen.

Die EU setzte ihre Politik fort, sich mit regionalen Gremien wie der Europäischen Kommission

gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats zusammenzuschließen. Im Rahmen der

OSZE sorgte sie für eine enge Koordinierung, damit die 56 OSZE-Mitgliedstaaten ihre Verpflich-

tungen in den Bereichen Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung

zügiger erfüllen können. Die EU begrüßte die am 31. März 2010 angenommene Empfehlung des

Europarats zu Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen

Ausrichtung und der Geschlechtsidentität.

Auf multilateraler Ebene arbeitete die EU bei der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung

auch intensiv mit den VN zusammen. Sie unterstützte das Mandat des Sonderberichterstatters der

VN für moderne Formen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender

Intoleranz, Herrn Githu Muigai.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85 – Drucksache 17/10899

Die EU berücksichtigte weiterhin systematisch die Bekämpfung von Diskriminierung bei ihrer

internationalen Zusammenarbeit. Über das Europäische Instrument für Demokratie und

Menschenrechte (EIDHR) unterstützte sie ein breites Spektrum von Organisationen der

Zivilgesellschaft bei rund 120 neuen Projekten mit einem Gesamtbetrag von etwa 24 Millionen

Euro. Darüber hinaus unterstützte sie über das EIDHR auch die Hohe Kommissarin der Vereinten

Nationen für Menschenrechte (OHCHR) bei der Umsetzung bestehender internationaler Standards

für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, insbesondere durch das Internationale

Übereinkommen zur Beseitigung von Rassendiskriminierung.

3.17 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und
Intersexuelle

Im Juni 2010 nahm die Arbeitsgruppe für Menschenrechte des Rates einen Maßnahmenkatalog zur

Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch Lesben, Schwule, Bisexuelle

und Transgender-Personen, auch "LGBT-Toolkit" genannt, an, der auch vom Politischen und

Sicherheitspolitischen Komitee des Rates gebilligt wurde.

Der Maßnahmenkatalog verdankt sein Entstehen der wachsenden Erkenntnis, dass Geschlechts-

identität und sexuelle Ausrichtung weiterhin weltweit zur Rechtfertigung von schwerwiegenden

Menschenrechtsverletzungen benutzt werden. Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-

Personen sind als gefährdete Gruppe weiterhin häufig Opfer von Verfolgung, Diskriminierung und

Misshandlung und oft auch von extremen Formen der Gewalt. In einigen Ländern gelten sexuelle

Beziehungen zwischen einwilligenden Erwachsenen desselben Geschlechts als Straftat, auf die

Gefängnis- oder Todesstrafe steht.

Vor diesem Hintergrund wurde der Maßnahmenkatalog konzipiert als konkreter Ausdruck der

Entschlossenheit der EU, dafür Sorge zu tragen, dass alle Menschen ohne Diskriminierung das volle

Spektrum der Menschenrechte ausüben können. Durch die verschiedenen Instrumente, die ihr im

Rahmen ihres auswärtigen Handelns zur Verfügung stehen, einschließlich der sowohl über die EU-

Institutionen wie auch die Mitgliedstaaten nutzbaren Finanzinstrumente, setzt sich die EU aktiv für

die Förderung und den Schutz der Menschenrechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle und

Transgender-Personen ein, damit sie diese Rechte wie alle anderen Menschen ausüben können.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 71
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Drucksache 17/10899 – 86 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Maßnahmenkatalog umfasst drei vorrangige Bereiche für das auswärtige Handeln der EU:

• Entkriminalisierung

• Gleichstellung und Nichtdiskriminierung

• Unterstützung und Schutz von (LGBT-)Menschenrechtsverteidigern.

Der operative Teil des Maßnahmenkatalogs gibt einen Überblick über verschiedene konkrete

Instrumente und Maßnahmen, die der EU gegenüber Partnerländern und in multilateralen Gremien

(u.a. Vereinte Nationen, OSZE, Europarat) sowie zur Unterstützung der Anstrengungen der

Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen.

Die EU brachte überdies die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der

Geschlechtsidentität in den Menschenrechtsdialogen (beispielsweise mit der Republik Moldau)

sowie in mehreren öffentlichen Erklärungen zum Ausdruck; in Demarchen wurde die Haltung der

EU zu LGBT-Fragen erläutert, unter anderem ihre Haltung gegenüber homophoben Maßnahmen

und ihr Eintreten für die Entkriminalisierung homosexueller Beziehungen. In manchen Fällen (z.B.

Republik Moldau) mündete der Dialog in der Zusammenarbeit von Experten.

Am 17. Mai 2010, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, gab die Hohe Vertreterin eine

förmliche Erklärung ab, in der sie betonte, dass sie sich bereits seit vielen Jahren persönlich für

Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit und vor allem für die Rechte von Lesbierinnen und

Homosexuellen engagiert. Im Namen der Europäischen Union forderte sie alle Staaten nach-

drücklich auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die sexuelle Ausrichtung oder die

Geschlechtsidentität unter keinen Umständen als Grund für strafrechtliche Sanktionen heran-

gezogen werden kann und derartige Menschenrechtsverletzungen verfolgt und die Täter dafür zur

Verantwortung gezogen und vor Gericht gestellt werden.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 72
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 87 – Drucksache 17/10899

3.18 Rechte von Menschen mit Behinderungen
Das bedeutendste Ereignis im Jahr 2010 war die Hinterlegung des EU-Instruments für die formelle

Bestätigung des VN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus dem

Jahr 2006 beim Vertragsbüro der Vereinten Nationen am 23. Dezember. Damit wurde das

Ratifizierungsverfahren abgeschlossen, das am 26. November 2009 eingeleitet worden war, als der

Rat den Weg für den Beitritt der EU zu dem VN-Übereinkommen geebnet hatte. Die EU ist so zum

ersten Mal eigenständige Vertragspartei eines umfassenden VN-Menschenrechtsübereinkommens.

(Alle EU-Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen unterzeichnet und 17 haben es bereits

ratifiziert.)

Die Bedeutung des Übereinkommens besteht in der Aufstellung des Grundsatzes, dass Menschen

mit Behinderungen die Menschenrechte und Grundfreiheiten uneingeschränkt und gleichberechtigt

wahrnehmen können. Dieses Übereinkommen ist das erste verbindliche internationale

Rechtsinstrument, das Mindeststandards für den Schutz und Erhalt sämtlicher zivilen, politischen,

sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte von Personen mit Behinderungen auf der ganzen

Welt festlegt. Inhaltlich betrachtet, stellt das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit

Behinderungen eine Ergänzung der geltenden internationalen Menschenrechtsverträge dar. Es

werden darin keine neuen Menschenrechte von Personen mit Behinderungen anerkannt, vielmehr

werden die Aufgaben und rechtlichen Verpflichtungen von Staaten und Organisationen der

regionalen Integration genau festgelegt, um den gleichberechtigten Genuss sämtlicher Menschen-

rechte durch alle Menschen mit Behinderungen zu wahren und sicherzustellen. Dennoch stellt

dieses Übereinkommen eine große Wende dar, denn Menschen mit Behinderungen werden fortan

nicht mehr als "Objekte" sondern als "Subjekte" mit Rechten angesehen, wobei anerkannt wird,

dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der

Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und der Einstellung und dem Umfeld

entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft

hindern. Das Übereinkommen legt eine Vielzahl von politischen Zielen und Verpflichtungen der

Vertragsstaaten fest, die gewährleisten sollen, dass Personen mit Behinderungen alle Menschen-

rechte und Grundfreiheiten genießen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 73
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Drucksache 17/10899 – 88 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Übereinkommen wird durch ein Fakultativprotokoll ergänzt, das es Einzelpersonen oder einer

Gruppe von Personen ermöglicht, vor dem Ausschuss für die Rechte von Menschen mit

Behinderungen Beschwerde in Bezug auf eine festgestellte Verletzung des Übereinkommens durch

einen Vertragsstaat einzulegen. Das Fakultativprotokoll sieht außerdem vor, dass der Ausschuss –

falls schwerwiegende und systematische Verletzungen des Übereinkommens durch eine

Vertragspartei bekannt werden – ein Untersuchungsverfahren einleiten kann.

Mit dem Abschluss des Übereinkommens ist die EU die Verpflichtung eingegangen, den

einschlägigen Artikeln im Rahmen ihrer Zuständigkeit, unter anderem in ihrem auswärtigen

Handeln, zu entsprechen. So enthält etwa Artikel 32 unter anderem die Verpflichtung, geeignete

Maßnahmen zu treffen, um "sicherzustellen, dass die internationale Zusammenarbeit, einschließlich

internationaler Entwicklungsprogramme, Menschen mit Behinderungen einbezieht und für sie

zugänglich ist". Die EU hat überdies den Entwicklungsländern ihre Unterstützung bei der

Umsetzung des Übereinkommens zugesagt.

Über diese wichtige Entwicklung hinaus hat die Europäische Kommission eine neue Europäische

Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen (2010-2020) vorgeschlagen, zu deren

wichtigsten Zielen die Umsetzung dieses Übereinkommens gehört. In einer am 15. November 2010

angenommenen Mitteilung werden die wichtigsten Elemente dieser Strategie dargelegt18. Die

Strategie enthält konkrete Maßnahmen für das nächste Jahrzehnt in den folgenden acht vorrangigen

Bereichen: (1) Zugänglichkeit, (2) Teilhabe, (3) Gleichstellung, (4) Beschäftigung, (5) allgemeine

und berufliche Bildung, (6) sozialer Schutz, (7) Gesundheit und (8) Maßnahmen im Außenbereich.

Das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zur Strategie enthält eine detaillierte

Auflistung der Maßnahmen, die die Kommission in den ersten fünf Jahren (2011-2015) zur

Umsetzung der Strategie und des VN-Übereinkommens ergreifen wird.
18 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen

Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Europäische Strategie
zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020: Erneuertes Engagement für ein
barrierefreies Europa (KOM(2010) 636 endg., SEC(2010) 1324 endg.).

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 74
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89 – Drucksache 17/10899

Die EU setzte ihre Bemühungen zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Menschen mit
Behinderungen außerhalb der EU fort, indem sie diese Frage systematisch in ihre Entwick-
lungszusammenarbeit integrierte. Die Kommission hat in den Jahren 2000 bis 2010 über 440
Projekte finanziert (dies entspricht einem Betrag von über 200 Mio. EUR), die speziell die Belange
von Personen mit Behinderungen in 82 Ländern zum Gegenstand hatten. Die wichtigsten
unterstützten Tätigkeiten betrafen unter anderem den Aufbau von Kapazitäten, die Politik-
gestaltung, Rehabilitation in der Gemeinschaft, Förderung der Menschenrechte, Enthospitalisierung,
soziale Eingliederung, Verbesserung der Datenerhebung sowie humanitäre Hilfe und die
Soforthilfe. Außerdem wurde die Behindertenthematik durchgängig in die Entwickungs-
zusammenarbeit einbezogen, zum Beispiel in das Europäische Instrument für Demokratie und
Menschenrechte und das thematische Programm "In die Menschen investieren". Die Europäische
Kommission hat 2010 ferner eine Studie eingeleitet, in deren Rahmen untersucht wird, wie die EU-
Entwicklungszusammenarbeit in Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen besser zur sozialen Inklusion und der Förderung der
Rechte von Menschen mit Behinderungen beitragen kann.

3.19 Minderheitenrechte
In allen Teilen der Welt sind Personen, die Minderheiten angehören, nach wie vor ernsten
Bedrohungen, Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt und häufig von der uneingeschränkten
Teilnahme am wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben ausge-
schlossen, das der Mehrheit der Bevölkerung des Landes oder der Gesellschaft, in dem/der sie
leben, offensteht. Im Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon
ist ausdrücklich festgelegt, dass die Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, zu den
Werten gehören, auf denen die EU gründet und zu deren Förderung sie sich in ihren Beziehungen
zur übrigen Welt verpflichtet hat.

Auf internationaler Ebene ist die Erklärung über die Rechte von Personen, die nationalen oder
ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören19, das wichtigste Referenz-
dokument über die Rechte von Personen, die Minderheiten angehören. Auf europäischer Ebene hat
der Europarat das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten20 und die
Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen21 angenommen.
19 http://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuideMinoritiesDeclarationen.pdf
20 http://conventions.coe.int/Treaty/GER/Treaties/Html/157.htm
21 http://conventions.coe.int/Treaty/GER/Treaties/Html/148.htm
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 75
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Drucksache 17/10899 – 90 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Roma sind nunmehr die größte ethnische Minderheit der EU. Maßnahmen zur Förderung der

Gleichbehandlung der Roma sind der EU, die die Bevölkerungsgruppe der Roma und Fahrenden in

ganz Europa aktiv unterstützt, daher ein besonderes Anliegen22. Auf Antrag des Rates richtete die

Kommission 2009 gemeinsam mit den EU-Vorsitzen das europäische Forum für die Einbeziehung

der Roma als neuen Steuerungsmechanismus ein. In diesem Forum tauschen sich die wichtigsten

Akteure, wie die EU-Organe, die nationalen Regierungen, internationale Organisationen,

Nichtregierungsorganisationen und Experten untereinander aus und beraten Entscheidungsträger in

strategischen Fragen zur effektiven Einbeziehung von Belangen der Roma in die europäische und

die nationale Politik.

Ganz generell sind in zahlreichen Nachbarländern der EU Personen, die Minderheiten angehören,

als der mit am stärksten gefährdete Personenkreis anzusehen. Der Minderheitenschutz ist einer der

wichtigsten Aspekte der Kopenhagener Kriterien für einen EU-Beitritt. Aus diesem Grund werden

die Ergebnisse der Bewerberländer und potenziellen Bewerberländer in Minderheitenfragen in den

länderspezifischen Fortschrittsberichten der Europäischen Kommission weiterhin genau geprüft. Im

Gegenzug hat die EU den Bewerberländern und potenziellen Bewerberländern eine gezielte

Heranführungsfinanzhilfe gewährt, um sie bei der Durchführung der erforderlichen politischen,

wirtschaftlichen und institutionellen Reformen im Einklang mit den EU-Normen zu unterstützen.

Die geförderten Projekte für Minderheitenangehörige zielen vorrangig darauf ab, die sozialen

Unterschiede zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern. Maßnahmen zur Verbesserung

des sozialen Zusammenhalts in diesen Ländern erstrecken sich auf die Eingliederung benach-

teiligter Personen, die Bekämpfung der Diskriminierung und die Stärkung des Humankapitals,

insbesondere durch eine Reform der Bildungssysteme.
22 Die EU und die Roma: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=518
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 76
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91 – Drucksache 17/10899

Minderheitenfragen sind auch weiterhin ein wichtiger Aspekt der Beziehungen der EU zu anderen

Teilen der Welt. Die EU hat 2010 im Rahmen ihrer politischen Dialoge mit Drittländern, etwa mit

Georgien, der Republik Moldau und Russland, Minderheitenfragen zur Sprache gebracht. Diese

Fragen wurden auch in die Kooperationsstrategien und Aktionspläne integriert. Beispielsweise

werden in dem Länderstrategiepapier der EU für Kolumbien 2007-2013 die humanitäre und die

Menschenrechtssituation von Personen, die Minderheiten angehören, behandelt und unter den

wichtigsten Prioritäten werden Friedenskonsolidierung durch die Beteiligung von marginalisierten

Bevölkerungsgruppen an der lokalen Verwaltung und der Mitbestimmung des Wirtschaftslebens

sowie die Förderung der Menschenrechte, verantwortungsvolle Staatsführung und die Bekämpfung

der Straflosigkeit genannt. Ein weiteres Beispiel ist die ausdrückliche Bezugnahme auf die Achtung

der Rechte von Personen, die nationalen Minderheiten angehören, im ENP-Aktionsplan für die

Ukraine.

Die EU arbeitet zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Personen, die Minderheiten

angehören, auch engagiert mit den Partnern in den VN-Foren zusammen. Zu den Prozessen im

Rahmen der VN gehören die Arbeiten des Forums für Minderheitenfragen und der unabhängigen

Expertin für Minderheitenfragen. Ferner schloss sich die EU mit anderen in diesem Bereich tätigen

internationalen Organisationen und multilateralen Gremien zusammen, etwa der OSZE und deren

Büro des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten, dem Europarat und der Weltbank.

Darüber hinaus hat die EU weiterhin eine Vielzahl verschiedener Instrumente für die finanzielle

und technologische Zusammenarbeit eingesetzt – darunter die bilaterale Zusammenarbeit mit

Regierungen und die unmittelbare Unterstützung der Zivilgesellschaft –, die einander bei der

Förderung und dem Schutz der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, ergänzen und

zusammenwirken. Zu diesem Zweck hat die EU laufend durch bilaterale Zusammenarbeit

Regierungsprogramme und Politiken unterstützt, die auf Minderheiten abzielen oder zumindest

potenzielle Auswirkungen in diesem Bereich haben. Beispielsweise hat sie in Bangladesch

langfristige Lösungen für das seit langem andauernde Problem der muslimischen Minderheiten

angehörenden Flüchtlinge aus Birma/Myanmar (Bundesstaat Nord-Rakhine) und die Förderung des

sozialen Zusammenhalts der gefährdeten Bevölkerung des Distrikts Cox's Bazar unterstützt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 77
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Drucksache 17/10899 – 92 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU unterstützte ferner – insbesondere über das EIDHR – Organisationen der Zivilgesellschaft,
die sich für den Schutz und die Förderung der Rechte von Minderheitenangehörigen einsetzen, und
verfolgte damit vorrangig das Ziel, zur Bekämpfung der Diskriminierung beizutragen sowie den
Schutz und eine ausgewogene Beteiligung von Männern und Frauen aus Minderheiten-
gemeinschaften am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben im umfassenderen
Kontext der Stärkung der Menschenrechte, des politischen Pluralismus und der demokratischen
politischen Beteiligung zu fördern. Beispielsweise wurde über das EIDHR in der Kirgisischen
Republik ein Projekt zur Stärkung der Interaktion zwischen Minderheitengruppen, staatlichen
Stellen und Nichtregierungsorganisationen, der politischen Vertretung und Teilnahme auf lokaler
und nationaler Ebene sowie der Beteiligung an demokratischen Reformen finanziert. Ein weiteres
Beispiel ist das Gemeinsame Programm der EU und des Europarats mit dem Titel "Nationale
Minderheiten in Russland: Entwicklung der Sprachen, der Kultur, der Massenmedien und der
Zivilgesellschaft", mit dem der Prozess der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional-
oder Minderheitensprachen durch die Russischen Föderation vorangebracht werden soll.

3.20 Indigene Völker
Die Grundsätze des Eintretens der EU für indigene Völker kommen im Rahmen der VN-Erklärung
über die Rechte der indigenen Völker von 2007 zur Anwendung, die deren Rechte stärkt und die
kontinuierliche Entwicklung indigener Völker auf der ganzen Welt gewährleistet. Ein interner
Mechanismus in der Europäischen Kommission stellt die Koordinierung der Tätigkeiten der
verschiedenen Kommissionsdienststellen in diesem Bereich sicher und gewährleistet außerdem,
dass die Belange indigener Völker in der Entwicklungspolitik der EU insgesamt mehr Gewicht
erhalten23.

Seit der Einführung des internationalen Tages der indigenen Bevölkerungen der Welt im Jahr 1994
hat zunächst das für Außenbeziehungen und die Europäische Nachbarschaftspolitik zuständige
Kommissionsmitglied und nun die Hohe Vertreterin nahezu jedes Jahr anlässlich dieses Tages am
9. August eine Erklärung abgegeben. Darüber hinaus organisieren EU-Delegationen auf der ganzen
Welt am oder um den 9. August zahlreiche Veranstaltungen, darunter Treffen mit indigenen
Führern, Pressekonferenzen, Presseartikel, Teilnahme an Seminaren und Besuche bei EU-
finanzierten Projekten.
23 Weitere Informationen zur EU-Politik gegenüber indigenen Völkern unter:

http://ec.europa.eu/external_relations/human_rights//ip/index_de.htm
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93 – Drucksache 17/10899

Die EU beteiligte sich weiterhin engagiert an den VN-Foren, die sich mit indigenen Angelegen-
heiten befassen, und trug auch zur Zusammenarbeit der für indigene Völker zuständigen VN-
Einrichtungen bei. Zu den internationalen Prozessen gehört das Ständige Forum der Vereinten
Nationen über indigene Angelegenheiten, der Expertenmechanismus für die Rechte der indigenen
Völker, der Sonderberichterstatter über die Lage der Menschenrechte und Grundfreiheiten indigener
Völker, das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, die Afrikanische Menschen- und
Völkerrechtskommission sowie der Arktische Rat.

Die Belange indigener Völker wurden in den Strategien der EU für Entwicklungszusammenarbeit
weiterhin konsequent berücksichtigt und das Bewusstsein für diese Fragen hat sich dadurch erhöht.
Die Europäische Kommission schloss 2008 eine Studie über die Einbeziehung der Unterstützung
zur Förderung der Rechte und Belange indigener Völker in die Zusammenarbeit der EU mit den
Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums ab – einschließlich Fallstudien zu
Suriname und Kenia –, die auch praxisorientierte Empfehlungen an die EU-Delegationen umfasst,
wie die Belange indigener Völker in die Entwicklungszusammenarbeit integriert werden können.
Die operativen Schlussfolgerungen dieser Studie führten dazu, dass ein Entwurf eines Instruments
für die Zusammenarbeit der EU mit indigenen Völkern in den AKP-Staaten ausgearbeitet wurde,
das zur Beratung und Unterstützung der EU-Delegationen in Ländern, in denen die
Kooperationsmaßnahmen die indigenen Völker oder deren Territorien oder Rechte berühren
könnten, dienen soll.

Im Jahr 2010 schloss die Europäische Kommission eine Studie mit dem Titel "Civil society
mapping in Asia" (Kartografie der Zivilgesellschaft Asiens) mit dem besonderen Schwerpunkt
Nepal ab. In dieser Studie wurde unter anderem die Rolle der Organisationen indigener Völker in
der Zivilgesellschaft untersucht und es wurden Empfehlungen an die EU-Delegation in Nepal
gerichtet, wie diese Organisationen in den politischen Dialog der EU und den Programmzyklus
einbezogen werden können.

Im Rahmen des EIDHR besteht ein beträchtlicher Spielraum für spezielle Maßnahmen zugunsten
indigener Völker auf einzelstaatlicher, grenzüberschreitender und regionaler Ebene. Die 2010
finanzierten Projekte waren auf internationale Organisationen, NRO und indigene Organisationen
ausgerichtet und dienten folgenden Zielen:

(a) Unterstützung indigener Völker und ihrer Vertreter bei der Beteiligung an den einschlägigen,

sie betreffenden VN-Prozessen und deren Verfolgung sowie

(b) Unterstützung der Aktivitäten der Zivilgesellschaft zur Förderung des IAO-
Übereinkommens 169 und seiner Grundsätze.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 79
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Drucksache 17/10899 – 94 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Als konkretes Beispiel ist hier das gemeinsam mit dem Amt der Hohen Kommissarin der Vereinten
Nationen für Menschenrechte (OHCHR) über das EIDHR unterstützte Projekt zum Aufbau von
Kapazitäten für indigene Völker bei den VN zu nennen. Die indigenen Völker können selbst am
besten für ihre eigenen Rechte eintreten, vorausgesetzt sie verfügen über die entsprechende
Logistik, Dokumentation und Information. Dieses Projekt soll dazu beitragen, dass sich die
politischen Führer und Vertreter der indigenen Völker bei Veranstaltungen der VN besser Gehör
verschaffen können, wenn es um die Rechte indigener Völker geht.

Das EIDHR unterstützt überdies die IAO, wenn sie sich im Rahmen ihrer Dialoge mit Regierungen
und anderen interessierten Kreisen für die Ratifizierung des IAO-Übereinkommens 169 einsetzt. Es
wurde 2010 von der Regierung der Zentralafrikanischen Republik und der Regierung Nicaraguas
ratifiziert.
3.21 Demokratie und Wahlen

3.21.1 Unterstützung der Demokratie

Die Festigung der Demokratie und die Unterstützung demokratischer Institutionen sowie der
Zivilgesellschaft und der politischen Kreise sind die wichtigsten Ziele des auswärtigen Handelns
der EU.

Am 17. November 2009 nahm der Rat Schlussfolgerungen zur Unterstützung der Demokratie in den
Außenbeziehungen der EU24 an, die einen Aktionsplan umfassen. Diese Schlussfolgerungen stellten
die erste strategische und konkrete Vorgabe für eine umfassendere und kohärentere Politik hin-
sichtlich der Unterstützung der Demokratie im Rahmen der Außenbeziehungen der EU dar und
gehen deutlich über frühere in strategischen Dokumenten enthaltene allgemeinere politische
Aussagen hinaus.

Im Dezember 2010 nahm der Rat weitere Schlussfolgerungen zum gleichen Thema an, in denen er
den Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Aktionsplans für 2009 begrüßte. Der Rat billigte die
Liste der vorgeschlagenen Pilotländer, die einen breiten geografischen Querschnitt von Ländern
unterschiedlicher Größe und wirtschaftlicher Entwicklung darstellen; darunter befinden sich Länder
nach einem Konflikt sowie Länder, die erst kürzlich eine Übergangsphase erlebt haben.

24 Dok. 16081/09
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 80
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 95 – Drucksache 17/10899

• Republik Moldau – für die östlichen Nachbarstaaten

• Kirgisische Republik – für Zentralasien

• Libanon – für die südlichen Nachbarstaaten

• Ghana, Benin, Salomonen und Zentralafrikanische Republik – für die AKP-Staaten

• Bolivien – für Lateinamerika

• Mongolei, Philippinen, Indonesien und Malediven – für Asien

In den Empfehlungen von 2009 wurde vorgeschlagen, ausgehend von der besonderen Lage jedes

Landes, seiner Geschichte, Geografie und Kultur, einen auf das betreffende Land jeweils genau

zugeschnittenen Ansatz zu verfolgen. Die jeweiligen Zielsetzungen werden unter Berücksichtigung

der allgemeinen Strategie der EU für die betreffende Region, der Bereitschaft und des Engagements

der politischen Führung des Landes, weitere Fortschritte bei der Demokratisierung zu erreichen,

sowie der Erwartungen der Zivilgesellschaft und der politischen Kreise festgelegt. Sodann wird eine

angemessene Kombination von Instrumenten zusammengestellt, die sich nach der speziellen Lage

in jedem Land richtet und davon abhängt, welche Fortschritte das Land bei der Demokratisierung

bereits erzielt hat.

Der Rat ersuchte die Hohe Vertreterin, eine Vorgehensweise und einen Zeitplan für die gemeinsame

Umsetzung mit den vorgeschlagenen Pilotländern festzulegen, über die erzielten Fortschritte

Bericht zu erstatten und bis Anfang 2012 einen umfassenden Umsetzungsbericht zu erstellen.

Die Leitprinzipien des Aktionsplans lauten Dialog und Partnerschaft, gestützt auf die Erkenntnis,

dass eine echte, auf Dialog und Konsultation basierende Partnerschaft gewährleistet, dass der

Demokratisierungsprozess eigenverantwortlich durchgeführt wird. Dies bedeutet selbstverständlich

nicht, dass die EU von ihren Grundsätzen und Zielen abrückt oder bereit wäre, über diese zu

verhandeln, sondern vielmehr, dass sie – ohne belehren zu wollen – in einem Dialog auf Augenhöhe

feststellt, wo Gemeinsamkeiten für weitere Fortschritte sind und wie die Erfüllung der

internationalen Verpflichtungen (VN-Konventionen, Pakte, usw.), die diese Länder selbst als

souveräne Staaten eingegangen sind, am besten unterstützt werden kann, auch durch Austausch

bewährter regionaler Verfahren.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 81
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Drucksache 17/10899 – 96 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU setzte ihren Dialog mit anderen Partnern – Vereinte Nationen, regionale Organisationen

sowie multi- und bilaterale Geber – fort, was eine Grundvoraussetzung ist, um die Grundsätze von

Paris und Accra25 zu verwirklichen, Überschneidungen zwischen den Gebern zu vermeiden und

eine größtmögliche Wirkung zugunsten der gesamten Bevölkerung zu erzielen.

3.21.2 Wahlunterstützung
Wahlen sind ein Musterbeispiel für angewandte Menschenrechte. Ein demokratischer Wahlprozess

ist Teil der Einrichtung eines Regierungssystems, das die Achtung der Menschenrechte und die

Rechtsstaatlichkeit sicherstellen und dadurch auch zur Verhütung gewaltsamer Konflikte beitragen

kann. Wahlen allein geben den Menschen nicht in jedem Fall eine echte Gelegenheit, ihre Vertreter

frei zu wählen. Der Übergang zur Demokratie ist ein hochkomplexer Prozess, der eng mit sozialen,

wirtschaftlichen, kulturellen und sicherheitspolitischen Entwicklungen verknüpft ist. Die EU hat

daher in zahlreichen Partnerländern Wahlunterstützung geleistet, um die Abhaltung echter

demokratischer Wahlen zu fördern.

Im Bereich der Wahlunterstützung ist die EU einer der führenden global auftretenden Akteure; sie

folgt dabei dem in der Mitteilung der Kommission aus dem Jahre 2000 über Wahlunterstützung und

Wahlbeobachtung beschriebenen Konzept. Die wichtigsten Wahlförderungsinstrumente der EU

sind die Wahlhilfe und Wahlbeobachtungsmissionen. Die Zielsetzungen dieser beiden Elemente

ergänzen sich weitgehend, da die Ergebnisse der Wahlhilfeprojekte und die Empfehlungen der

Wahlbeobachtungsmissionen in künftige Wahlförderungsmaßnahmen und die umfassendere

Unterstützung der Demokratie einfließen.
25 http://www.oecd.org/document/18/0,2340,en_2649_3236398_35401554_1_1_1_1,00.html
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 97 – Drucksache 17/10899

3.21.3 Wahlbeobachtung
Die Wahlbeobachtung durch die EU, insbesondere über einen längeren Zeitraum, bietet die

besondere Gelegenheit, einen Wahlprozess entsprechend den internationalen Standards und

bewährten Verfahren für echte demokratische Wahlen zu bewerten. Die internationalen Standards

aus internationalen und regionalen Übereinkünften und politischen Verpflichtungen, an die das

beobachtete Land sich gebunden erklärt hat, umfassen universelle Grundsätze für die Abhaltung

von Wahlen, etwa Grundfreiheiten und politische Rechte, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der

Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte dargelegt

sind.

Internationale Standards für demokratische Wahlen umfassen zuallererst das Recht, an der

Staatsführung teilzunehmen durch:

• regelmäßige Wahlen

• echte Wahlen

• allgemeine Wahlen

• gleiche Wahlen

• Ausübung des passiven Wahlrechts

• Ausübung des aktiven Wahlrechts

• geheime Wahlen

• freie Wahlen.

Die internationalen Standards basieren außerdem auf der Meinungs-, der Vereinigungs-, der

Versammlungs- und der Bewegungsfreiheit sowie dem Recht auf nichtdiskriminierende

Behandlung und dem Recht auf wirksame rechtliche Beschwerde. Bei den Wahlbeobachtungs-

missionen der EU wird ferner bewertet, ob die Wahlen im Einklang mit bewährten Verfahren für

demokratische Wahlen durchgeführt worden sind, wie etwa Transparenz des Wahlprozesses,

unparteiliches Verhalten der Wahlbehörden und unparteiliche Verwendung staatlicher Ressourcen,

fairer Zugang zu allen öffentlichen Medien und ausgewogene Berichterstattung durch diese.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 83
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Drucksache 17/10899 – 98 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Wahlbeobachtung ist von entscheidender Bedeutung für die Förderung von Demokratie,

Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in der ganzen Welt. Sie leistet einen Beitrag zur Stärkung

der demokratischen Institutionen, der Bildung von Vertrauen in den Wahlprozess und zur

Abschreckung von Wahlbetrug, Einschüchterung und Gewalt. Sie verstärkt außerdem weitere

wichtige außenpolitische Ziele der EU, insbesondere die Friedenskonsolidierung.

3.21.4 EU-Wahlbeobachtungsmissionen
Zwischen 2000 und 2010 waren 84 Wahlbeobachtungsmissionen der EU in 52 Ländern auf allen

Kontinenten mit Ausnahme des OSZE-Gebiets im Einsatz. In Europa und Zentralasien führte die

EU keine Beobachtungsmissionen durch, da in diesen Regionen gegenwärtig die Wahlbeobachtung

durch das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für

Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erfolgt; es wird hierbei durch von den

Mitgliedstaaten der EU entsandte Beobachter und Delegationen von Abgeordneten des

Europäischen Parlaments sowie – in Ausnahmefällen – mit EU-Mitteln im Rahmen des

Stabilitätsinstruments und des EIDHR unterstützt.

Im Jahr 2010 wurden sieben Wahlbeobachtungsmissionen durchgeführt: Togo (März), Sudan

(April), Äthiopien (Mai), Guinea, Burundi (Juni/Juli), Tansania (Oktober) und Côte d'Ivoire

(Oktober). An diesen Beobachtungsmissionen waren mehr als 800 Beobachter aus allen

Mitgliedstaaten beteiligt, die den leitenden Beobachtern, Angehörigen des Europäischen

Parlaments, unterstanden; die Beobachtungsmissionen leisten somit nicht nur einen ganz konkreten

Beitrag zur EU-Außenpolitik, sondern haben auch eine sehr große Außenwirkung; sie sind ein

Instrument, das Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten in ihrem gemeinsamen Bestreben,

Demokratie und Menschenrechte weltweit zu fördern, zusammenbringt.

Alle Missionen erfolgten nach Maßgabe der Grundsatzerklärung über internationale

Wahlbeobachtungsmissionen, die im Oktober 2005 von den Vereinten Nationen feierlich

angenommen worden ist und der sich sowohl die Europäische Kommission als auch das

Europäische Parlament angeschlossen haben.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 84
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 99 – Drucksache 17/10899

Die EU hat sich verstärkt darum bemüht, den Ergebnissen und Empfehlungen der EU-

Wahlbeobachtungsmissionen geeignete Maßnahmen folgen zu lassen und insbesondere diese

Ergebnisse und Empfehlungen in ihre Erklärungen, den politischen Dialog und die

Kooperationsprogramme einschließlich der EIDHR-Programmplanung einfließen zu lassen. Als

Teil dieser Bemühungen sind alle leitenden Beobachter der EU-Wahlbeobachtungsmissionen

gehalten, den Abschlussbericht der Mission einem breiten Spektrum von Gesprächspartnern in dem

Land vorzulegen, in dem die Wahlbeobachtung stattgefunden hat. Die Regierung Äthiopiens lehnte

2010 den Folgebesuch des leitenden Beobachters ab. In Côte d'Ivoire war es ebenfalls nicht

möglich, den Abschlussbericht der Beobachtungsmission der EU vorzulegen; er wurde jedoch im

Hauptquartier der ECOWAS veröffentlicht.

Das Ziel von EU-Wahlbeobachtungsmissionen ist es,

zu beurteilen, inwieweit die Durchführung einer Wahl den internationalen Standards und bewährten

Verfahren für demokratische Wahlen entspricht;

• eine abschreckende/eindämmende Wirkung im Hinblick auf Wahlbetrug und
Unregelmäßigkeiten zu entfalten;

• eine abschreckende/eindämmende Wirkung im Hinblick auf Gewalt und Einschüchterung zu
entfalten;

• das Vertrauen der Kandidaten, der Zivilgesellschaft und der Wähler im Hinblick auf die
Wahlteilnahme zu stärken;

• eine Momentaufnahme hinsichtlich eines breiten Spektrums von Demokratisierungsaspekten zu
liefern (z.B. Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit der Justiz sowie allgemeine Achtung der
Menschenrechte)und

• Empfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wahlen und des demokratischen
Umfelds zu formulieren.

Des Weiteren wurden Wahlbeurteilungsteams nach Irak (März) und Afghanistan (September)

entsandt, wo eine vollständige Wahlbeobachtung aufgrund von Sicherheitsüberlegungen ausschied.

Die Entsendung von Wahlbeurteilungsteams kann als Modell für künftige Entsendungen in Gebiete

mit schwieriger Sicherheitslage dienen, wo es nicht möglich ist, die mit der Erklärung von 2005

festgelegte Methode vollständig anzuwenden.

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Drucksache 17/10899 – 100 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3.21.5 Wahlexpertenmissionen
Angesichts der begrenzten Mittel und der großen Anzahl wichtiger Wahlen, die jedes Jahr weltweit

stattfinden, ist die EU nicht in der Lage, jedem Ersuchen um eine Entsendung einer

Wahlbeobachtungsmission nachzukommen. Sie kann jedoch auch eine Reihe von Wahlexperten-

missionen entsenden, deren Mandat Beiträge zu vertrauensfördernden Maßnahmen während und

nach den Wahlen vorsieht. Bei solchen Missionen wird der Wahlablauf im Einzelnen analysiert und

den einschlägigen Wahlakteuren in dem Land sowie den Organen der EU Bericht erstattet. Die

Wahlexpertenmissionen sind keine Wahlbeobachtungsmissionen; es werden daher keine

öffentlichen Erklärungen zu Wahlprozessen abgegeben.

Expertenmissionen wurden 2010 nach Nicaragua (März), Ruanda (August), auf die Salomonen

(August), nach Haiti (November) und in das Kosovo (Dezember) entsandt. Alle Wahlbeobachtungs-

missionen und Wahlbeurteilungsteams wurden aus dem EIDHR finanziert, die einzige Ausnahme

stellt die Mission im Kosovo dar, die aus dem Instrument für Heranführungshilfe finanziert wurde.

3.21.6 Wahlhilfe
In den letzten sechs Jahren (2005-2010) wurden insgesamt nahezu 600 Mio. EUR – also etwa

100 Mio. EUR pro Jahr – an Wahlhilfe bereitgestellt, wobei die Finanzierung über geografische

Programme, das Stabilitätsinstrument und das EIDHR erfolgte und die Mittel für den Aufbau von

Kapazitäten und die technische und materielle Unterstützung von Wahlprozessen in nahezu 60

Ländern verwendet wurden. Fast zwei Drittel der Unterstützung wurden für afrikanische Länder

südlich der Sahara bereitgestellt. Ein erheblicher Teil der Unterstützung ging an Länder, die sich in

der Phase nach einem Konflikt befinden, wie die Demokratische Republik Kongo, Afghanistan,

Sudan, Côte d'Ivoire und Irak.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 86
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 101 – Drucksache 17/10899

Es gibt verstärkt Bestrebungen, größere Synergien zwischen den Beobachtungsmissionen der EU
und der Wahlhilfe zu erzielen, zum einen durch Berücksichtigung der Empfehlungen der
Wahlbeobachtungsmissionen bei Einsätzen im Rahmen der Wahlhilfe, wobei sicherzustellen ist,
dass diese Empfehlungen im landesspezifischen Kontext durchführbar und realistisch sind, zum
anderen, indem dafür Sorge getragen wird, dass die Wahlbeobachtungsmissionen von den
Erfahrungen aus der Wahlhilfe profitieren.

Die EU unterstützte 2010 Wahlhilfeprogramme und/oder -projekte in einer Reihe von Ländern,
darunter Bolivien, Burundi, Côte d'Ivoire, Ghana, Guinea Conakry, Haiti, Kenia, Kirgisistan, die
Komoren, Liberia, Moldau, Niger, Nigeria, Sierra Leone, Sudan, die Zentralafrikanische Republik
sowie die portugiesischsprachigen Länder im Rahmen des PALOP-TL-Programms. Dafür wurden
ca. 100 Mio. EUR bereitgestellt.

Die Prioritäten der EU waren nach wie vor der Wissensaufbau und die Zusammenarbeit mit den
wichtigsten Akteuren in diesem Bereich. Im März 2010 organisierten das UNDP, das Internationale
Institut für Demokratie und Wahlhilfe (IDEA) und die Europäische Kommission in Barcelona
erstmals einen thematischen Workshop "Wahlen, Gewalt und Konfliktprävention". Es war der
neunte Workshop im Rahmen der Ausbildungsinitiative, die die drei Partner 2005 ins Leben
gerufen hatten. Inzwischen haben sich über die Untergruppe "Effektive Wahlhilfe" und die "globale
Ausbildungsplattform" des Trainingsnetzwerks "Train4Dev" neue Partner angeschlossen, so zum
Beispiel die Kanadische Internationale Entwicklungsagentur (CIDA), die Organisation
Amerikanischer Staaten (OAS), die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das
spanische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit.

Die Wahlhilfe ist zudem häufig ein erster Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Unterstützung
der Demokratie und sollte als Ergänzung zu anderen Maßnahmen zur Förderung einer
demokratischen Staatsführung betrachtet werden. Sie kann ein wichtiger Ansatzpunkt für
weitergehende Maßnahmen zur Unterstützung der Demokratie sein. So umfassen beispielsweise die
derzeitigen Wahlunterstützungsprogramme häufig bereits eine Komponente zur Unterstützung der
Medien, mit der der gleichberechtigte Zugang zu Informationen gefördert und darauf hingewirkt
wird, dass alle an den Wahlen teilnehmenden Parteien und Personen Gelegenheit erhalten, sich zu
äußern. Meistens wird durch die Unterstützung der einheimischen Wahlbeobachtung und der
politischen Bildung auch auf eine stärkere Teilnahme der Zivilgesellschaft hingearbeitet. Ferner
werden derzeit Anstrengungen unternommen, um die parlamentarische Entwicklung systematischer
bei Wahlunterstützungsmaßnahmen systematischer zu berücksichtigen und so dazu beizutragen,
dass demokratische Wahlen Gewinn bringen, indem sie sich in einer Stärkung der gewählten
Institutionen niederschlagen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 87
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Drucksache 17/10899 – 102 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auch wenn es bereits einige Beispiele für eine solche komplementäre Unterstützung gibt (z.B.
Tansania und Pakistan), so ist diese Vorgehensweise sicherlich noch keine gängige Praxis und muss
daher weiter gefördert werden.

3.21.7 Ausbau der Zusammenarbeit mit Parlamenten weltweit
Es besteht zunehmend Konsens darüber, dass funktionsfähige Parlamente für demokratische
Systeme von entscheidender Bedeutung sind, was seinen Niederschlag auch in einer Reihe von
neueren Strategiedokumenten und Erklärungen der EU findet. Eine Studie zur Untersuchung der
Unterstützung von Parlamenten in den AKP-Staaten durch die EU während der letzten zehn Jahre
wurde 2010 abgeschlossen; daraus wurde ein praktischer Leitfaden für künftige Maßnahmen zur
Parlamentsförderung entwickelt. Die Unterstützung durch die EU ergab bisher ein gemischtes Bild.
Die von der EU für die Parlamentsentwicklung zur Verfügung gestellten Mittel beliefen sich im
Zeitraum 2000-2009 auf etwas über 100 Mio. EUR, die auf mehr als 30 Länder verteilt wurden; der
Studie zufolge variierte sowohl die Höhe der Unterstützung durch die EU als auch die Qualität der
EU-Beiträge stark von Projekt zu Projekt. Die Studie zeigte, dass sich bei der Stärkung der
Institutionen ein Ungleichgewicht ergeben hat, denn die Maßnahmen verschoben sich auf Kosten
der Legislative hin zur Exekutive. Laut Studie erreichte die Unterstützung nicht ganz das Niveau,
das zur Erfüllung der politischen Verpflichtungen der EU in puncto Demokratieunterstützung,
Wirksamkeit der Hilfe und innerstaatliche Rechenschaftspflicht erforderlich wäre.

Als Teil der Beurteilung wurden Feldstudien in Südafrika und Senegal durchgeführt. Das Beispiel
Südafrika belegt den Wert eines langfristigen intensiven Engagements der EU. Die vom südafrika-
nischen nationalen Parlament und den Provinzversammlungen gewählte Vorgehensweise bei der
Gesetzgebung ermöglicht eine gemeinsame Entwicklungsagenda für die nationalen und regionalen
gesetzgebenden Institutionen. Dies ist ein innovativer Ansatz, der anderen politischen Systemen mit
nationalen und regionalen gesetzgebenden Institutionen als praktisches Beispiel dienen kann. Die
von der EU unterstützten südafrikanischen Projekte im Bereich der Gesetzgebung haben die
repräsentativen Funktionen des Parlaments in den Mittelpunkt gestellt und dazu beigetragen, dass
umfassende partizipatorische Konzepte institutionalisiert wurden. In der derzeitigen dritten
Programmphase (2009-2013) erfolgt die Unterstützung durch eine sektorbezogene Budgethilfe.
Derzeit wird an einer zusätzlichen Unterstützung durch die EU gearbeitet, die darin bestehen soll,
den Kapazitätsaufbau in anderen Parlamenten der Region unter anderem durch Weitergabe der in
Südafrika gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen zu fördern.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 88
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 103 – Drucksache 17/10899

4 Tätigkeit der EU in internationalen Gremien

4.1 65. Tagung der VN-Generalversammlung
Der Dritte Ausschuss (soziale, humanitäre und kulturelle Fragen) der 65. Tagung der General-

versammlung hat seine Arbeit offiziell am 4. Oktober 2010 aufgenommen und am 23. November

2010 abgeschlossen. Er hat 55 Resolutionen verabschiedet, davon 39 einvernehmlich und 16 nach

einer Abstimmung, bei der sich zeigte, dass es bei bestimmten Fragen gegensätzliche Standpunkte

gibt.

Die EU hat auf dieser Tagung – der ersten nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – ihre

Hauptziele samt und sonders erreicht. Zur Unterstützung ihrer Bemühungen wurden zwei Kampag-

nen in New York und in Hauptstädten von Drittstaaten durchgeführt, um für die Resolutionen zu

bestimmten Ländern und für die Resolution über ein Moratorium für die Vollstreckung der Todes-

strafe zu werben. Auch beim Thema Religions- und Weltanschauungsfreiheit wurde in beacht-

lichem Umfang Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Die EU hat sich noch stärker mit anderen wichtigen

Gruppen und deren Menschenrechtskoordinatoren (Gruppe der afrikanischen Staaten, GRULAC,

JUSCANZ-Gruppe, OIC, NAM) abgestimmt und beraten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 89
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Drucksache 17/10899 – 104 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Vier EU-Initiativen wurden vom Dritten Ausschuss verabschiedet. Die (gemeinsam mit Japan

eingebrachte) Resolution zur Menschenrechtslage in der Demokratischen Volksrepublik Korea und

die Resolution zu Birma/Myanmar wurden ohne Stillhalteantrag angenommen, wobei im Vergleich

zur vorausgehenden Tagung deutlich mehr Länder zustimmten. Die von der EU gemeinsam mit der

Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (GRULAC) eingebrachte Resolution zu

den Rechten des Kindes wurde auf der 64. VN-Generalversammlung einvernehmlich verabschiedet,

nachdem sich wichtige neue Länder wie die Vereinigten Staaten und Indien für sie stark gemacht

hatten. Auch die Resolution über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung

aufgrund der Religion oder der Überzeugung wurde in diesem Jahr wieder einvernehmlich – wenn

auch mit einiger Mühe – angenommen. Gemeinsam mit einer regionenübergreifenden Koalition von

insgesamt 90 Ländern hat die EU überdies eine neue Resolution für ein Moratorium für die

Anwendung der Todesstrafe eingebracht, die im Vergleich zur letzten von der Generalversammlung

(auf ihrer 63. Tagung) verabschiedeten Resolution zu diesem Thema mit deutlich mehr Stimmen

angenommen wurde. Bei den Beratungen, die der Annahme dieser wichtigen Initiative voraus-

gingen, war zudem eine geringere Polarisierung festzustellen als in der Vergangenheit – ein positi-

ves Zeichen dafür, dass die Bereitschaft, die Todesstrafe im Zusammenhang mit den Menschen-

rechten zu erörtern, bei allen VN-Mitgliedstaaten zugenommen hat. Außerdem haben einzelne EU-

Mitgliedstaaten neun Resolutionen eingebracht, die alle – überwiegend einvernehmlich – verab-

schiedet worden sind.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 90
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 105 – Drucksache 17/10899

Die EU hat die von Kanada eingebrachte Resolution zur Menschenrechtslage in Iran unterstützt;
diese wurde im Vergleich zum Vorjahr mit größerer, komfortabler Mehrheit verabschiedet,
nachdem ein Stillhalteantrag zuvor mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden war. Die
Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) hat 2010 erneut ihre Resolution zur Bekämpfung der
Diffamierung von Religionen eingebracht. In den Diskussionen mit den OIC-Ländern über die
Religions- und Weltanschauungsfreiheit und die Bekämpfung von religiöser Intoleranz äußerte die
EU erneut Bedenken gegen den Begriff "Diffamierung von Religion", der für die internationalen
Menschenrechtsnormen gegenstandslos sei, das diese den Einzelnen schützten und keine Konzepte.
Die OIC-Resolution wurde in diesem Jahr abermals angenommen, allerdings mit deutlich weniger
Stimmen, woran sich ablesen lässt, dass die Unterstützung für sie stetig schwindet.

Über Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung wurde zwar weniger heftig diskutiert
als im vergangenen Jahr; doch ist das Thema nach wie vor umstritten, und die EU-Mitgliedstaaten
und andere gleichgesinnte Länder verloren im dritten Ausschuss die Abstimmung über eine dies-
bezügliche wichtige Änderung an der nordischen Resolution zu außergerichtlichen Hinrichtungen.
Immerhin gelang es der EU gemeinsam mit den gleichgesinnten Ländern, diese Entscheidung bei
der Verabschiedung der Resolution im Plenum der Generalversammlung rückgängig zu machen (93
VN-Mitgliedstaaten stimmten für die Wiedereinführung der Bezugnahme auf die sexuelle Aus-
richtung, 55 dagegen und 27 enthielten sich der Stimme). Die Abstimmung war in Bezug auf diese
wichtige Frage ein entscheidender Wendepunkt, der der Kampagne gegen Diskriminierungen
aufgrund der sexuellen Ausrichtung wieder Auftrieb gegeben hat.

Die EU ist bei allen Abstimmungen geschlossen aufgetreten, nur in zwei Fällen nicht. So stimmte –
wie bereits auf der vorausgehenden Tagung der Generalversammlung – nur ein Teil der EU-Mit-
gliedstaaten für die von der Bewegung blockfreier Staaten (NAM) eingebrachte Resolution zum
Recht auf Entwicklung, während sich andere EU-Mitgliedstaaten enthielten. Auch bei der von der
Gruppe der 77 eingebrachten Resolution "Weltweite Bemühungen um die vollständige Beseitigung
von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender
Intoleranz und umfassende Umsetzung und Weiterverfolgung der Erklärung und des Aktions-
programms von Durban" gelang es der EU nicht, sich auf eine gemeinsame Haltung zu
verständigen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 91
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Drucksache 17/10899 – 106 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4.2 Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
Zu Jahresbeginn fand eine Sondertagung des Menschenrechtsrates zu Haiti statt; diese Tagung
zum Thema "Unterstützung des Menschenrechtsrates für den Wiederaufbau in Haiti nach dem
Erdbeben vom 12. Januar 2010: ein Menschenrechtsansatz" war auf Antrag Brasiliens und weiterer
37 Staaten nur 15 Tage nach dem Erdbeben (für den 27. und 28. Januar) einberufen worden. Bei
dieser Gelegenheit unterstrich die EU, dass die haitianische Bevölkerung die Menschenrechte
wegen der humanitären Notlage nur eingeschränkt wahrnehmen könnte. Sie betonte zudem, dass
dem unabhängigen Sachverständigen zu Haiti und dem Amt des Hohen Kommissars für
Menschenrechte eine wichtige Rolle zufalle, wenn es darum gehe, den Menschenrechten mitten in
den Aufbaubemühungen Geltung zu verschaffen und sie zu schützen, denn die Vermeidung von
Diskriminierungen bei der Verteilung der Hilfe sei eine wesentliche Voraussetzung für eine
wirksame Unterstützung und eine nachhaltige Erholung des Landes.
Im März, Juni und September gab es drei ordentliche Tagungen des Menschenrechtsrates.
Die 13. ordentliche Tagung des Menschenrechtsrates fand vom 1. bis 26. März 2010, im

Anschluss an das sogenannte "High-level Segment" (Reden hochrangiger Regierungsvertreter) in

Anwesenheit des ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten Spaniens und verschiedener EU-

Minister statt. Es handelte sich um die erste ordentliche Tagung seit Inkrafttreten des Vertrags von

Lissabon. Da sie somit in die Übergangszeit für die Umsetzung des Vertrags fiel, begann die EU-

Delegation, bestimmte Koordinations- und Repräsentationsaufgaben zu übernehmen. Sie äußerte

sich in den interaktiven Dialogen mit den Sonderverfahren ausnahmslos im Namen der EU und

handelte mehrere Resolutionsentwürfe im Namen der EU aus.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 92
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 107 – Drucksache 17/10899

Im Vordergrund der Tagung stand die Menschenrechtslage in Iran, vor allem vor dem Hintergrund

der voraussichtlichen Bewerbung Irans um einen Sitz im Menschenrechtsrat; das Thema

Menschenrechte in Iran hat die EU während der interaktiven Dialoge und Generaldebatten fast

jedes Mal zur Sprache gebracht. Der Menschenrechtsrat verabschiedete 27 Resolutionen, 19 davon

ohne Abstimmung Die EU brachte zwei Länderresolutionen (zur Demokratischen Volksrepublik

Korea und Birma/Myanmar) ein, nach denen die Mandate der betreffenden Sonderberichterstatter

um ein Jahr verlängert werden sollen; beide Resolutionen wurden verabschiedet. Die EU hat zudem

gemeinsam mit der GRULAC eine Resolution zu den Rechten des Kindes eingebracht. Ferner hat

der Menschenrechtsrat Resolutionen zur Demokratischen Republik Kongo und zu Guinea

verabschiedet, die nach Auffassung der EU keine hinreichenden Verfahren zur Beobachtung der

Lage vor Ort vorsehen. Außerdem hat er fünf Resolutionen zur Lage im Nahen Osten angenommen,

und zwar alle im Wege einer Abstimmung. Die EU hatte sich bei drei dieser Resolutionen (zum

Golan, zu den israelischen Siedlungen und zum Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen

Volkes) auf eine gemeinsame Haltung verständigt. Bei den anderen beiden Resolutionen, darunter

die Resolution über das weitere Vorgehen im Anschluss an den Goldstone-Bericht, war ihr dies

allerdings nicht gelungen, und die EU-Mitgliedstaaten, die auch Mitglieder des Menschenrechts-

rates sind, stimmten unterschiedlich ab. Die EU distanzierte sich von der einvernehmlich verab-

schiedeten, das Verfahren betreffenden missverständlichen Resolution zum Ad-hoc-Ausschuss für

die Ausarbeitung ergänzender Normen zur Verstärkung und Aktualisierung der internationalen

Instrumente gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit

zusammenhängende Intoleranz in allen ihren Ausprägungen. Sie hielt an ihrem Widerstand gegen

den von der Organisation der Islamischen Konferenz eingebrachten Resolutionsentwurf zum

Begriff der "Diffamierung von Religionen" fest; dieser Text wurde schließlich im Wege einer

Abstimmung angenommen, allerdings mit wesentlich weniger Stimmen als in der Vergangenheit.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 93
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Drucksache 17/10899 – 108 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Auf der 14. Tagung des Menschenrechtsrates (31. Mai bis 18. Juni 2010) wurden 18 Resolu-

tionen verabschiedet. Wichtigstes Anliegen der EU auf dieser Tagung war die Vorlage einer

Resolution zur Religions- oder Glaubensfreiheit, die am Ende einvernehmlich angenommen wurde.

Nach Aussage Pakistans und der Organisation der Islamischen Konferenz war die Verabschiedung

der Resolution ein Erfolg des Rates und zeige, dass immer dann, wenn die Mitgliedstaaten in der

Lage seien, sich über ihre politischen Präferenzen hinweg die Hand zu reichen, dies in jeder

Hinsicht der Sache der Menschenrechte diene. Des Weiteren wurden Resolutionen zur technischen

Hilfe und Zusammenarbeit in der Kirgisischen Republik, zu den Angriffen auf Schulkinder in

Afghanistan und zur Hilfe für Somalia auf dem Gebiet der Menschenrechte verabschiedet. Im

Verlauf der Tagung verabschiedete der Menschenrechtsrat zudem eine Resolution zum Angriff der

israelischen Streitkräfte auf die humanitäre Flotte mit Kurs auf den Gazastreifen, in der er die

israelische Militärattacke, bei der viele unschuldige Zivilisten aus mehreren Ländern getötet und

verletzt worden waren, verurteilte und beschloss, eine unabhängige internationale Erkundungs-

mission zu entsenden, die die Völkerrechtsverletzungen im Zuge des israelischen Angriffs prüfen

sollte. Der Menschenrechtsrat hat diese Resolution im Wege einer Abstimmung angenommen.

Dabei stimmten die EU-Mitgliedstaaten, die auch Mitglieder des Menschenrechtsrats sind,

unterschiedlich ab. Der unabhängige Sachverständige für die Menschenrechtslage in Sudan konnte

aus gesundheitlichen Gründen seinen jüngsten Bericht nicht wie ursprünglich geplant auf der

Tagung vorlegen. Der Menschenrechtsrat verständigte sich daher auf eine technische Verlängerung

seines Mandats bis zum September (dem Termin der nächsten Tagung des Menschenrechtsrates),

damit dann ein interaktiver Dialog mit ihm stattfinden kann.

Die Menschenrechtslage in Iran war Gegenstand mehrerer Erklärungen von EU-Mitgliedstaaten,

und Norwegen gab eine regionenübergreifende mündliche Erklärung zur Lage in Iran ab, die von

mehr als 58 Mitgliedstaaten und von der EU mitgetragen wurde. Während der Generaldebatte zur

Lage in bestimmten Ländern wurde wiederum der EU vorgeworfen, sie sei für Menschenrechts-

verletzungen, etwa für Diskriminierungen aus Gründen der Rasse und Religion, geheime

Inhaftierungen und Folterungen verantwortlich.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 94
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 109 – Drucksache 17/10899

Auf seiner 15. Tagung (vom 13. September bis 1. Oktober 2010) ist es dem Menschenrechtsrat

gelungen, zwei sehr wichtige neue Mandate einzuführen, nämlich das Mandat des Sonder-

berichterstatters für Versammlungsfreiheit und das Mandat einer Sachverständigengruppe für das

Thema Diskriminierung von Frauen in Recht und Praxis; beide Initiativen wurden von der EU voll

mitgetragen. Der Menschenrechtsrat hat ferner beschlossen, die Mandate des Sonderbericht-

erstatters für die Menschenrechtslage in Kambodscha, des unabhängigen Sachverständigen für die

Menschenrechtslage in Haiti, des unabhängigen Sachverständigenausschusses für den Gazakonflikt,

des unabhängigen Sachverständigen für die Menschenrechtslage in Sudan sowie des unabhängigen

Sachverständigen für die Menschenrechtslage in Somalia zu verlängern. Damit konnte die EU ihre

wesentlichen vorrangigen Ziele für diese Tagung erreichen.

Auf derselben Tagung hat der Menschenrechtsrat zwei Resolutionen zur Menschenrechtslage im

Nahen Osten angenommen. So verabschiedete er im Wege einer Abstimmung eine Resolution zum

weiteren Vorgehen im Anschluss an den Bericht der unabhängigen internationalen Erkundungs-

mission, die von ihm eingerichtet worden war, um die Menschenrechtsverletzungen im Zuge der

israelischen Angriffe auf die Schiffsflotte zu prüfen. Zudem verabschiedete er eine zweite

Resolution zum weiteren Vorgehen im Anschluss an den Bericht des unabhängigen Sach-

verständigenausschusses für humanitäres Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen

zum Gazakonflikt, den sogenannten "Goldstone-Bericht". Die Resolution wurde im Wege einer

Abstimmung angenommen. Die Vereinigten Staaten stimmten gegen beide Resolutionen, während

sich die sieben EU-Mitgliedstaaten, die auch Mitglieder des Menschenrechtsrates sind, der Stimme

enthielten.

Am 28. November 2010 hielt der Menschenrechtsrat eine Sondertagung zur Menschenrechtslage

in Côte d'Ivoire nach den Wahlen ab. Die EU begrüßte die Einberufung dieser Sondertagung, die

von der afrikanischen Gruppe und von Ländern aller Regionen beantragt worden war, und schloss

sich diesem Antrag an. Sie brachte ihre große Besorgnis über die massiven Menschenrechts-

verletzungen in Côte d'Ivoire zum Ausdruck, insbesondere über die außergerichtlichen Hin-

richtungen, das unfreiwillige Verschwinden von Personen, die willkürlichen Festnahmen, das

Schüren von Hass, die sexuelle Gewalt sowie die Einmischungen in die nichtstaatlichen Medien

und den Missbrauch der staatlichen Medien für die Aufstachelung zum Hass. Überdies hob die EU

hervor, dass sich Tausende von Menschen auf der Flucht vor der Gewalt befinden.

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Drucksache 17/10899 – 110 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Verlauf des Jahres war die EU unablässig bemüht, alle Versuche, die Glaubwürdigkeit der
allgemeinen regelmäßigen Überprüfung zu unterminieren, abzuwehren und dafür zu sorgen, dass
die Mitwirkung der NRO an diesem Prozess nicht eingeschränkt wird. Die Vorbereitungen zur
Überprüfung des Menschenrechtsrates kamen gut voran, angefangen mit einer Klausurtagung in
Algier (am 19./20. Februar). Im Mai begannen dann die informellen Konsultationen. Dabei hat die
EU aktiv mit allen Partnern und Akteuren verhandelt, um zu erreichen, dass der Menschenrechtsrat
künftig besser in der Lage ist, auf dringende Menschenrechtsprobleme zu reagieren, und die
Sonderverfahren und die allgemeine regelmäßige Überprüfung eine größere Bedeutung und mehr
Gewicht erhalten. Auf der anderen Seite sah sie sich mit dem Widerstand vieler Länder aus der
NAM-Gruppe, der afrikanischen Gruppe und der OIC konfrontiert, die über etwaige Vorschläge zur
Ausweitung des Instrumentariums, das dem Menschenrechtsrat zur Verfügung steht, um auf
Situationen in einzelnen Ländern zu reagieren, noch nicht einmal diskutieren wollten.

Zu den sonstigen wichtigen Veranstaltungen zählten die sechste Tagung der hochrangigen Task
Force für die Durchsetzung des Rechts auf Entwicklung (14. bis 22. Januar), ein Seminar über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1./2.Februar), das vom Amt des Hohen
Kommissars für Menschenrechte gemeinsam mit der Internationalen Organisation der
Frankophonie und der UNESCO und unter Mitwirkung der Beobachtungsstelle für Vielfalt und
kulturelle Rechte veranstaltet wurde, der vierte Weltkongress für die Abschaffung der
Todesstrafe (24. bis 26. Februar), die dritte Tagung des Ausschusses für die Rechte von
Personen mit Behinderungen (22. bis 26. Februar), die neunte Tagung der Sachverständigen-
gruppe für Menschen afrikanischer Abstammung (12. bis 16. April), die 11. Tagung der
Arbeitsgruppe für das Recht auf Entwicklung (26. bis 30. April), das Weltsozialforum (4. bis 6.
Oktober), die achte Tagung der Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe für die wirksame
Umsetzung der Erklärung und des Aktionsprogramms von Durban (11. bis 22. Oktober) und
das Forum für Minderheitenfragen (14./15. Dezember). Überdies begannen 2010 die Beratungen
über ein Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

4.3 Der Europarat
Die Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Europarat wurde 2010 weiter vertieft, und es gab
einen regeren Austausch und engere Beziehungen, auch im Bereich der Menschenrechte. Als
Rahmen für die Verstärkung der Zusammenarbeit und des politischen Dialogs dient die
Vereinbarung, die die EU und der Europarat 2007 unterzeichnet haben.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 96
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 111 – Drucksache 17/10899

Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zählt nunmehr der Beitritt der EU zur Euro-

päischen Menschenrechtskonvention zu den wichtigsten Tagesordnungspunkten bei den Kontakten

zwischen der EU und dem Europarat. Am 4. Juni 2010 erließ der Rat den Beschluss zur

Ermächtigung der Kommission zur Aushandlung der Übereinkunft über den Beitritt der Euro-

päischen Union zur Konvention. 2010 fanden vier Verhandlungsrunden zwischen der Kommission

und der die 47 Vertragsparteien der Konvention vertretenden informellen Arbeitsgruppe für den

Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (CDDH-UE) statt.

Leitende Beamte des Europarates, darunter der Generalsekretär und der Kommissar für Menschen-

rechte, führten weiter regelmäßig Gespräche mit dem Kommissionspräsidenten, der Hohen

Vertreterin und Kommissionsvizepräsidentin sowie mit anderen Kommissionsmitgliedern. Mehrere

hochrangige Beamte der EU-Kommission informierten bei einem Besuch in Straßburg über die EU-

Politik in verschiedenen Bereichen, darunter die Initiative der Östlichen Partnerschaft. Die EU weiß

die Arbeit der Venedig-Kommission des Europarats sehr zu schätzen und begrüßt, dass diese die

Aufgabe übernommen hat, die Mitgliedstaaten des Europarats hinsichtlich der Vereinbarkeit ihrer

Rechtsvorschriften mit europäischen Standards und Normen auf dem Gebiet der Grundrechte und

-freiheiten zu beraten. Die EU hält jährliche Konsultationen mit dem Europarat über ihr

Erweiterungspaket ab, an denen von ihrer Seite aus rund 60 Sachverständige und Mitarbeiter

teilnehmen. Sie berät sich zudem regelmäßig mit dem Europarat und seinen Beobachtungsgremien

bei der Ausarbeitung der jährlichen ENP-Fortschrittsberichte. Die Zusammenarbeit mit dem

Kommissar des Europarates für Menschenrechte hat gut funktioniert, insbesondere was die Lage

nach dem Konflikt in Georgien betrifft. Die EU ist zudem erfreut über die Rolle, die Generalekretär

Jagland bei der Lösung der Verfassungskrise in der Republik Moldau im Juni gespielt hat.

Die EU und der Europarat haben ein Reihe gemeinsamer Programme zur Förderung der

Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Menschenrechte26 durchgeführt.
26 Europaratsdok. DPA/Inf(2011)18add.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 97
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Drucksache 17/10899 – 112 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sie haben bei den Bemühungen um eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe weiter eng

zusammengearbeitet, wie die Veröffentlichung einer gemeinsamen Erklärung anlässlich des

Internationalen und des Europäischen Tags gegen die Todesstrafe am 10. Oktober 2010 zeigt.

Die EU leistet nach wie vor einen umfangreichen Beitrag zu den Tätigkeiten des Europarats, indem

sie gemeinsame Programme und Aktivitäten finanziert. Sie wird mit dem Europarat in den

Bereichen von gemeinsamem Interesse auch künftig nach Maßgabe der beiderseitigen Vereinbarung

eng zusammenarbeiten. Seit 2010 finanziert die EU über ihre Fazilität für die östlichen Partner-

länder mehrere gezielte Europaratsprojekte, um den Reformprozess in diesen Ländern zu fördern

und ihnen in den zentralen Bereichen, die Gegenstand der Plattform 1 der östlichen Partnerschaft

sind (verantwortungsvolle Staatsführung und Menschenrechte), die Normen des Europarats und der

EU näher zu bringen.

4.4 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE)

Die EU hat die Bemühungen der OSZE um Förderung der menschlichen Dimension, die zu den

tragenden Säulen der umfassenden OSZE-Sicherheitsstrategie zählt, weiter unterstützt.

Was die Vorbereitungen für den OSZE-Gipfel in Astana anbelangt, so hat die EU insbesondere

aktiv an den Tagungen der OSZE-Überprüfungskonferenz (im September 2010 in Warschau zur

menschlichen Dimension, im Oktober 2010 in Wien und im November 2010 in Astana)

teilgenommen. Die EU hat ihre Position bekräftigt, dass die Fähigkeiten der OSZE zur Förderung

der Frühwarnung, der Konfliktverhütung und Konfliktlösung, der Krisenbewältigung und der

Konfliktnachsorge – auch bei langwierigen Konflikten – in Bezug auf alle drei Dimensionen (die

politisch-militärische, die ökonomische und die ökologische sowie die menschliche Dimension)

verbessert werden müssen. Dabei hat sie nachdrücklich betont, dass die OSZE-Normen, –

Grundsätze und – Verpflichtungen besser umgesetzt werden müssen und dass ihre Einhaltung

strenger überwacht werden muss, und zwar besonders die Verpflichtungen in Bezug auf die

menschliche Dimension, die sich auf die Grundrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie

sowie auf Toleranz und Nichtdiskriminierung erstrecken, und dass zudem bei allen drei OSZE-

Dimensionen verstärkt auf grenzüberschreitende Bedrohungen geachtet werden muss.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 98
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 113 – Drucksache 17/10899

Die EU hat am siebten OSZE-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im Dezember 2010 in

Astana (Kasachstan) teilgenommen. Sie hatte wesentlichen Anteil daran, dass in der Gedenk-

erklärung von Astana "kategorisch und unwiderruflich" bekräftigt wird, "dass die im Bereich der

menschlichen Dimension eingegangenen Verpflichtungen ein unmittelbares und berechtigtes

Anliegen aller Teilnehmerstaaten und nicht ausschließlich eine innere Angelegenheit des

betroffenen Staates darstellen".

Im Jahresverlauf hat die EU der Konfliktverhütung und der Lösung der festgefahrenen Konflikte in

Georgien, der Republik Moldau und Berg-Karabach weiterhin Vorrang eingeräumt und die Arbeit

der OSZE-Feldmissionen unterstützt.

Des Weiteren hat sich die EU 2010 für eine bessere Einhaltung der OSZE-Verpflichtungen in

Bezug auf die menschliche Dimension eingesetzt und für eine bessere Ausstattung des Büros der

OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit plädiert. Sie hat die wichtige Arbeit des Büros für demo-

kratische Institutionen und Menschenrechte, insbesondere seine Arbeit im Zusammenhang mit

Wahlen, sowie die Tätigkeiten des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten und des

Koordinators für die Bekämpfung des Menschenhandels unterstützt. Sie hat – vor allem in einer

Reihe von Erklärungen vor dem Ständigen Rat der OSZE – weiter ihre Sorge darüber zum

Ausdruck gebracht, dass die Verpflichtungen in Bezug auf die menschliche Dimension,

insbesondere was die Medienfreiheit betrifft, in der OSZE-Region nicht eingehalten werden und

dass Journalisten und andere Menschenrechtsverteidiger Angriffen ausgesetzt sind.

Die OSZE-Gremien werden auch zu den jährlichen Konsultationen zur Vorbereitung des jährlichen

Erweiterungspakets der EU (jährliches Strategiepapier, Fortschrittsbericht für die (potenziellen)

Bewerberländer sowie Bericht zu der Frage, ob die neuen Bewerberländer für die Aufnahme von

Beitrittsverhandlungen bereit sind) herangezogen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 99
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Drucksache 17/10899 – 114 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5 Länder- und regionenspezifische Themen

5.1 EU-Bewerberländer und andere

5.1.1 Türkei
Die EU beobachtet weiterhin die Situation im Rahmen des Verhandlungsprozesses wie auch im

Rahmen des regelmäßigen Politikdialogs auf Ebene der Minister und Politischen Direktoren. Die

letzte Lagebeurteilung der EU beruht auf dem jährlichen Fortschrittsbericht der Kommission vom

9. November 2010, in dem zwar einige Fortschritte festgestellt, aber auch eine Reihe von Bereichen

aufgezeigt wurden, in denen noch Reformen notwendig sind.

Aus dem Fortschrittsbericht geht hervor, dass die Zahl der Urteile des Europäischen Gerichtshofs

für Menschenrechte (EGMR), in denen der Hof zu der Auffassung gelangt ist, dass die Türkei

gegen die EMRK verstoßen hat, weiter gestiegen ist. Im Bericht wird ferner festgestellt, dass eine

Reihe von Reformen seit mehreren Jahren aussteht und dass die Rechtsvorschriften über

Menschenrechtsinstitutionen noch vollständig mit den Grundsätzen der VN in Einklang zu bringen

sind.

Im September 2010 wurde ein Verfassungsänderungspaket in einem Referendum gebilligt. Der Rat

der EU erklärte am 14. Dezember 2010, dass das Änderungspaket ein wichtiger Schritt in die

richtige Richtung sei, da mit dem Paket eine Reihe von Prioritäten der Beitrittspartnerschaft in den

Bereichen Justiz, Grundrechte und öffentliche Verwaltung angegangen wird, und dass die

Umsetzung im Einklang mit europäischen Standards ein entscheidender Faktor sein wird. Die EU

betonte überdies, dass künftige Verfassungsänderungen durch eine möglichst breite Konsultation

vorbereitet werden sollten, in die alle politischen Parteien und die Zivilgesellschaft rechtzeitig und

im Geiste des Dialogs und des Kompromisses einbezogen werden. Die EU rief die Türkei auf, die

Achtung der Grundrechte und -freiheiten rechtlich und in der Praxis weiter zu verbessern,

insbesondere in den Bereichen Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. Die EU verzeichnete

außerdem bei der zivilen Kontrolle der Sicherheitskräfte und der Durchführung der Strategie für die

Justizreform einige positive Schritte, sie erklärte aber, dass noch weitere Fortschritte erzielt werden

müssten, unter anderem in Bezug auf Eigentumsrechte, Gewerkschaftsrechte, Rechte von Personen,

die Minderheiten angehören, Rechte der Frauen und des Kindes, Nichtdiskriminierung und

Gleichberechtigung der Geschlechter sowie die Bekämpfung von Folter und Misshandlung.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 100
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 115 – Drucksache 17/10899

Auf der Tagung des Assoziationsrats EU-Türkei vom 19. April 2010 hatte die EU eine Reihe
ähnlicher Themen angesprochen. Was den Osten und Südosten des Landes anbelangt, so hat die EU
bedauert, dass die von der Regierung im August 2009 angekündigte demokratische Öffnung, mit
der insbesondere die Kurdenfrage gelöst werden soll, hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist,
da nur wenige Maßnahmen in die Tat umgesetzt wurden. Die EU forderte die Türkei in diesem
Zusammenhang auf, die Terrorismusbekämpfungsgesetze zu ändern, um ungebührliche Ein-
schränkungen bei der Ausübung der Grundrechte zu vermeiden. Es wurde besonders hervor-
gehoben, dass weitere rechtliche Änderungen erforderlich sind, um die Freiheit der Meinungs-
äußerung im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte zu gewährleisten. Die EU brachte ihre tiefe
Besorgnis angesichts der Festnahme von Journalisten, der Beschlagnahme eines Buchmanuskripts
und der häufigen Schließung von Internet-Seiten zum Ausdruck.

2010 wurde für die Türkei die Bereitstellung von insgesamt 654 Mio. EUR als finanzielle
Heranführungshilfe vorgesehen. Darüber hinaus bezog die Türkei Hilfen aus der Unterstützung der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und aus einer Reihe von regionalen und horizontalen
Programmen des IPA.

5.1.2 Westliche Balkanstaaten
Die europäische Perspektive ist die stärkste Triebfeder für die EU-bezogenen Reformen in der
westlichen Balkanregion, wozu auch die Angleichung an die Menschenrechtspolitik der EU gehört.
Die Achtung der demokratischen Grundsätze, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der
Rechte von Angehörigen von Minderheiten, der Grundfreiheiten sowie der Grundsätze des Völker-
rechts, die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem IStGHJ und die regionale Zusammenarbeit
gehören zu den Bedingungen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses (SAP), der den
politischen Rahmen für die Beziehungen zu den westlichen Balkanstaaten bildet. Im Mittelpunkt
stehen die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, deren wesentliche Elemente die
demokratischen Grundsätze und die Wahrung der Menschenrechte sind.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 101
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Drucksache 17/10899 – 116 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die letzte Lagebeurteilung der EU beruht auf den jährlichen Fortschrittsberichten der Kommission
vom 9. November 2010. Obgleich die Region sich 2010 durch Fortschritte in vielen Bereichen der
EU weiter angenähert hat, sind den Berichten zufolge die Rechtsstaatlichkeit und insbesondere die
Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, der Ausbau der Verwaltungs-
kapazitäten, die Freiheit der Meinungsäußerung und der Medien nach wie vor die wichtigsten
Herausforderungen in der Region.

Die EU führt mit den Ländern der Region in verschiedenen Gremien regelmäßig Gespräche über

Menschenrechtsfragen. Die Hilfe der EU wird über das Instrument für Heranführungshilfe (IPA)

geleistet und orientiert sich an den kurz- und mittelfristigen Prioritäten für die weitere europäische

Integration. Die EU hat 2010 drei GSVP-Missionen in der Region durchgeführt und drei Büros von

EU-Sonderbeauftragten unterhalten. In den Mandaten der einzelnen Operationen wird die

Bedeutung von Menschenrechtsfragen und Fragen der Rechtsstaatlichkeit hervorgehoben.

Im Bereich der von der EU geförderten regionalen Zusammenarbeit gibt es einige regionale

Initiativen, die auf eine umfassendere Achtung der Menschenrechte abzielen.

Zum Mandat des IStGHJ gehört die Förderung der Aussöhnung durch die Aufarbeitung von

Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit. Die EU unterstützt das Mandat durch Einfrieren

der Vermögenswerte von Personen, die der IStGHJ angeklagt hat und die flüchtig sind, sowie durch

ein Einreiseverbot für Personen, die vor dem IStGHJ Angeklagte dabei unterstützen, sich der Justiz

zu entziehen.

Der Rat der EU betonte in seinen Schlussfolgerungen vom 14. Dezember 2010, wie wichtig der

Schutz aller Minderheiten ist, und hielt die Regierungen der Länder der Region dazu an, die zur

Lösung dieser Fragen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 102
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 117 – Drucksache 17/10899

5.1.3 Kroatien
Die EU hat im Rahmen der Beitrittsverhandlungen und des Stabilisierungs- und Assoziierungs-

prozesses die Einhaltung der Menschenrechte weiterhin aufmerksam beobachtet. Dem Fort-

schrittsbericht 2010 zufolge hat die Regierung im Bereich Förderung und Durchsetzung der

Menschenrechte weiterhin verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Öffentlichkeit für

Menschenrechtsfragen zu sensibilisieren. Der allgemeine Rechtsrahmen für den Schutz der

Menschenrechte wurde verbessert. Die bürgerlichen und politischen Rechte wurden weiterhin

hinreichend gut gewahrt, und der gesetzliche Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Rechte

wurde teilweise gewährleistet. Die Sensibilisierung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten

für Menschenrechtsvorschriften wurde fortgesetzt.

Die Durchsetzung der Rechte wurde nach wie vor durch allgemeine Defizite im Justizwesen, vor

allem die Verfahrenslänge, beeinträchtigt. Die Umsetzung der Rechte von Frauen und Kindern

sowie der Rechte von Behinderten musste in der Praxis verbessert werden. Kroatien musste ferner

das Amt des Bürgerbeauftragten weiter ausbauen, insbesondere durch Besetzung zusätzlicher

Planstellen und Mittelaufstockungen, eine ordnungsgemäße Umsetzung der Empfehlungen des

Bürgerbeauftragten sicherstellen und für weitere Fortschritte bei der Umsetzung des Antidiskrimi-

nierungsgesetzes und des Gesetzes über Hassverbrechen sorgen.

Der Rat der EU hat auf seiner Tagung vom 14. Dezember 2010 zur Kenntnis genommen, dass

Kroatien in zahlreichen Bereichen vielversprechende Fortschritte erzielt hat – hier sind die

Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung von Korruption auf hoher Ebene zu nennen –, jedoch

gleichzeitig weitere Anstrengungen angemahnt, unter anderem in Bezug auf die Unabhängigkeit

und Effizienz der Justiz, die Bekämpfung der Korruption auf allen Ebenen, die Rechte von

Personen, die Minderheiten angehören, die Rückkehr von Flüchtlingen sowie

Kriegsverbrecherprozesse.

Die im Rahmen der IPA-Programme geleistete Finanzhilfe belief sich 2010 auf 154 Mio. EUR. Zu

den geförderten Bereichen gehörte auch der Institutionenaufbau. Ein mit 2,4 Mio. EUR aus-

gestattetes Zuschussprogramm wurde im Rahmen des IPA 2010 für die Entwicklung der Zivil-

gesellschaft aufgelegt. Darüber hinaus bezog Kroatien Hilfen aus den regionalen und horizontalen

IPA-Programmen sowie einem Zuschussprogramm für die Entwicklung der Zivilgesellschaft.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 103
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Drucksache 17/10899 – 118 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.1.4 Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien
Die EU überwachte weiterhin die Umsetzung und Förderung der Menschenrechte im Rahmen des

2001 unterzeichneten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens und der Beitrittspartnerschaft.

Die jüngste Beurteilung der EU wurde im Erweiterungsstrategiepapier der Kommission (2010) und

dem jährlichen Fortschrittsbericht veröffentlicht. Die Kommission stellte fest, dass das Land

weiterhin seine Verpflichtungen aus dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen erfüllt, und

schlug vor, zur zweiten Stufe der Assoziation überzugehen. Der Rat hat zu der im Oktober 2009

und 2010 ausgesprochenen Empfehlung der Kommission, Verhandlungen zu eröffnen, noch nicht

Stellung genommen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 104
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 119 – Drucksache 17/10899

Laut Kommission erfüllt das Land weiterhin die politischen Kriterien in ausreichendem Maße; sie

rät zu weiteren Anstrengungen in den wichtigsten Reformbereichen wie Unabhängigkeit der Justiz,

Reform der öffentlichen Verwaltung und freie Meinungsäußerung in den Medien. In Bezug auf die

Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid, das einen integralen Bestandteil der Verfassungs-

und Rechtsordnung des Landes sowie ein wichtiges Element der Demokratie und der Rechtsstaat-

lichkeit bildet, konnte die Kommission einige Fortschritte bei der Umsetzung des Gesetzes über

Sprachen, Dezentralisierung und die gleichberechtigte Vertretung von ethnischen Minderheiten

verzeichnen. Die Kommission nahm überdies zur Kenntnis, dass der rechtliche und institutionelle

Rahmen für Menschenrechte und Minderheitenschutz abgesteckt ist und diese Rechte weitgehend

gewahrt werden. Sie machte allerdings darauf aufmerksam, dass die bestehenden gesetzlichen

Garantien vollständig durchgesetzt werden müssen.

Der Stabilitäts- und Assoziationsrat hat auf seiner siebten Tagung am 27. Juli 2010 zur Kenntnis

genommen, dass die Europäische Kommission im Rahmen ihres Erweiterungspakets von 2009

empfohlen hatte, die Beitrittsverhandlungen auf der Grundlage der Einschätzung zu eröffnen, dass

das Land die Hauptschwerpunkte der Beitrittspartnerschaft weitgehend umgesetzt hat und die

politischen Kriterien einer EU-Mitgliedschaft in ausreichendem Maße erfüllt. Der Stabilitäts- und

Assoziationsrat nahm die Entschlossenheit der Regierung zur Kenntnis, die Umsetzung der Reform

des Justizwesens, der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft sowie die Korruptions-

bekämpfung fortzusetzen und die Anwendung der Kriterien und Standards für einen EU-Beitritt

voranzubringen.

Die im Rahmen des IPA von der EU geleistete Finanzhilfe belief sich 2010 auf 36 Mio. EUR,

wobei 11 Mio. EUR gemäß den politischen Kriterien vorgesehen wurden. Im Jahr 2010 wurden im

Rahmen des EIDHR 600 000 EUR für Projekte im Zusammenhang mit dem Rahmenabkommen

von Ohrid zugeteilt: Förderung der Nichtdiskriminierung, soziale Eingliederung und soziale Rechte

auch für Minderheiten, insbesondere Roma, sowie ausdrückliche durchgängige Einbeziehung der

Rechte von Frauen, Kindern und Menschen mit Behinderungen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 105
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Drucksache 17/10899 – 120 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.1.5 Montenegro
Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Montenegro ist am 1. Mai 2010 in Kraft

getreten und führte zu einer Intensivierung des politischen Dialogs, auch über die Menschenrechte.

Die Menschenrechtslage wird bei der Stellungnahme der Kommission zu Anträgen auf EU-Mit-

gliedschaft und auch im Rahmen des Überwachungsmechanismus nach der Stellungnahme

berücksichtigt. Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung von Korruption und

organisierter Kriminalität, größere Medienfreiheit und die Sicherung der Rechtsstellung von

Vertriebenen sowie die Gewährleistung ihrer Rechte sind wesentliche Voraussetzungen für die

Aufnahme von Beitrittsverhandlungen.

Auf der ersten Tagung des Stabilitäts- und Assoziationsrates am 14. Juni 2010 stellte die EU fest,

dass der institutionelle und rechtliche Rahmen für die Menschenrechte und die Achtung und den

Schutz von Minderheiten gemäß den politischen Kriterien von Kopenhagen zwar weitgehend

vorhanden, die Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften jedoch nicht immer

zufriedenstellend ist. Die EU machte darauf aufmerksam, dass die Justiz stärker für alle Aspekte

von Menschenrechtsverletzungen sensibilisiert werden muss und dass Montenegro den Zugang aller

Bürger zur Justiz, weitere Fortschritte im Bereich der freien Meinungsäußerung und die

Bekämpfung von Misshandlung und Folter gewährleisten muss.

Die im Mai 2010 in zwei Dritteln Montenegros abgehaltenen Kommunalwahlen wurden

ordnungsgemäß durchgeführt.

Im Rahmen des IPA wurden 2010 insgesamt 33,5 Mio. EUR bereitgestellt, unter anderem für die

Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, die Justiz und die Polizeireform.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 106
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 121 – Drucksache 17/10899

5.1.6 Albanien
Der politische Stillstand nach den Parlamentswahlen vom 28. Juni 2009 wurde im Jahr 2010 nicht

überwunden. Daher wurde kein umfassender politischer Dialog im Parlament geführt und die

Reform geriet ins Stocken.

Albanien hat am 28. April 2009 den Beitritt zur EU beantragt. Die Europäische Kommission hat im

November 2010 ihre Stellungnahme abgegeben, in der zwölf vorrangige Bereiche genannt werden,

die angegangen werden müssen, bevor Beitrittsverhandlungen eröffnet werden können; dazu

gehören die notwendige Stärkung des Schutzes der Menschenrechte, insbesondere der Rechte von

Frauen und Kindern sowie der Roma-Minderheit, die notwendige Ausarbeitung, Annahme und

Umsetzung einer nationalen Strategie und eines Aktionsplans für Eigentumsrechte sowie zusätzlich

erforderliche Maßnahmen zur Verbesserung der Behandlung festgenommener Personen in

Polizeistationen, Untersuchungshaft und Gefängnissen. Überdies bestehen Defizite bei den Rechten

von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen sowie Menschen mit

Behinderungen, auch wenn es erste Tendenzen zur Verteidigung der Rechte dieser Gruppen gibt.

Nach Konsultationen mit Menschenrechtsaktivisten und anderen Beteiligten nahm die EU im April

2010 in Tirana die lokale Strategie für die Umsetzung der EU-Leitlinien betreffend den Schutz von

Menschenrechtsverteidigern an. Die EU verabschiedete im Juni 2010 in Tirana die lokale Strategie

für die Umsetzung der EU-Leitlinien betreffend Gewalt gegen Frauen und die Bekämpfung aller

Formen der Diskriminierung von Frauen.

Nachdem homophobe Meinungen öffentlich zum Ausdruck gebracht worden waren, gab Spanien

im April 2010 im Namen der EU vor Ort eine Erklärung gegen Diskriminierung aufgrund der

sexuellen Ausrichtung ab. Die EU-Delegation gab am 1. November 2010 eine Erklärung zu

Albaniens nationalen Menschenrechtsgremien ab und kritisierte dabei die negativen Auswirkungen

des politischen Stillstands im Lande auf die Ausübung der Tätigkeit des Bürgerbeauftragten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 107
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Drucksache 17/10899 – 122 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Jahr 2010 stellte die EU im Rahmen des IPA Albanien erhebliche finanzielle Mittel für Bereiche

mit ausgeprägter Menschenrechtsdimension zur Verfügung. Überdies wurden einer Reihe von

Organisationen der Zivilgesellschaft, die Menschenrechtsprojekte in Albanien durchführen, Mittel

zur Verfügung gestellt.

5.1.7 Bosnien und Herzegowina
Die EU unterzeichnete am 16. Juni 2008 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit

Bosnien und Herzegowina. Die politische Lage in Bosnien und Herzegowina hat sich seither

angesichts einer zunehmenden nationalistischen Rhetorik und des Vorwahlkampfs für die Wahlen

im Oktober 2010 weiter verschlechtert. Die Lage hat sich nach den Wahlen nicht verbessert und

zum Jahresende war noch keine nationale Regierung gebildet worden. Aus diesem Grund hat

Bosnien und Herzegowina bei der Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem SAA und dem

Interimsabkommen, die Verfassung mit der EMRK in Einklang zu bringen, keine Fortschritte

erzielt.

Die EU hat die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit im Rahmen des

Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses weiter verfolgt. Die EU forderte auch weiterhin mehr

Fortschritte bei der wirksamen Umsetzung der Menschenrechtsbestimmungen durch die inner-

staatlichen Stellen sowie die Umsetzung entsprechender Gerichtsurteile. Die EU stellte in Bezug

auf den Schutz von Minderheiten außerdem fest, dass die Minderheit der Roma trotz einiger

Fortschritte bei der Umsetzung der Aktionspläne im Rahmen der Strategie für die Roma nach wie

vor sehr schwierigen Lebensbedingungen und Diskriminierung ausgesetzt ist.

Der EU-Sonderbeauftragte in Bosnien und Herzegowina förderte auch weiterhin einen kohärenten

und konsequenten Ansatz für die durchgängige Berücksichtigung der Menschenrechte. Ebenso

spielte er eine zentrale Rolle bei der Förderung von Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit.

Beide GSVP-Missionen in Bosnien und Herzegowina, d.h. die EU-Polizeimission (EUPM) und die

Operation ALTHEA (EU-geführte Kräfte seit 2007), leisteten einen Beitrag zur Rechtsstaatlichkeit

und zu einem sicheren Umfeld.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 108
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 123 – Drucksache 17/10899

Die EU stellte über das IPA-Programm 2010 98,4 Mio. EUR bereit. Die Hilfen konzentrierten sich

hauptsächlich auf die Bereiche soziale Eingliederung, kulturelles Erbe, Strafverfolgung, Maß-

nahmen zur Korruptionsbekämpfung sowie die Reform des Justizwesens und der öffentlichen

Verwaltung.

5.1.8 Serbien
Serbien unterzeichnete am 29. April 2008 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA)

mit der EU. Nachdem der Chefankläger des IStGHJ die Zusammenarbeit mit Serbien positiv

bewertet hatte, beschloss der Rat der EU am 7. Dezember 2009, die Blockade des Interims-

abkommens des SAA aufzuheben (das daraufhin am 1. Februar 2010 in Kraft trat). Auf der

Ratstagung vom 14. Juni 2010 kamen die Minister überein, das Stabilisierungs- und

Assoziierungsabkommen ihren Parlamenten zur Ratifizierung vorzulegen.

Am 22. Dezember 2009 beantragte Serbien den Beitritt zur EU. Am 25. Oktober 2010 ersuchte

daraufhin der Rat der Europäischen Union die Kommission, eine Stellungnahme zu dieser

Bewerbung abzugeben. Serbien wurde am 24. November 2010 ein Fragenkatalog übergeben. Am

29. Dezember 2010 verabschiedete Serbien einen Aktionsplan, um die im Fortschrittsbericht

genannten Probleme gezielter in Angriff nehmen zu können.

Die EU beobachtete auch weiterhin die Menschenrechtslage in Serbien – einschließlich der

Situation der sozial schwachen Gruppen und Minderheiten – im Rahmen des Stabilisierungs- und

Assoziierungsprozesses auf der Grundlage der Europäischen Partnerschaft und anhand der jähr-

lichen Fortschrittsberichte der Kommission. Außerdem verfolgte die EU-Delegation in Belgrad

anhand mehrerer Mittel wie Feldmissionen sowie durch den regelmäßigen Dialog mit maßgeblichen

Interessenvertretern wie zivilgesellschaftlichen und internationalen Organisationen, insbesondere

im Vorfeld der Stellungnahme, aufmerksam die Situation der Menschenrechte in Serbien,

einschließlich der Rechte der Angehörigen von Minderheiten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 109
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 124 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die jährliche Ministertagung im Rahmen des politischen Dialogs EU–Serbien (Troika) fand am

26. Januar 2010 in Brüssel statt. Die EU und Serbien erörterten die politische Lage in Serbien, die

Beziehungen zwischen der EU und Serbien, die politische Entwicklung in der Region sowie Fragen

der Energieversorgungssicherheit in den Staaten des westlichen Balkans. Die EU sprach Themen

wie die Reform der Geschäftsordnung des Parlaments, allgemeine demokratische Reformen, die

Justizreform sowie die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität an. Die EU

betonte, dass bei der Durchführung aller Reformen die europäischen Normen eingehalten werden

müssen.

Die für Serbien im Rahmen des IPA bereitgestellten Mittel beliefen sich 2010 auf insgesamt

198 Mio. EUR. Zu den finanziell geförderten Bereichen zählten die Stärkung der Rechtsstaat-

lichkeit, Menschenrechte und Bildung. Eine Reihe zivilgesellschaftlicher Initiativen wird im

Rahmen der nationalen und regionalen IPA-Programme und der Fazilität zur Förderung der

Zivilgesellschaft sowie durch themengebundene Finanzierungsinstrumente wie die Europäische

Initiative für Demokratie und Menschenrechte unterstützt.

5.1.9 Das Kosovo (im Sinne der Resolution 1244 des VN-Sicherheitsrats)
Das Kosovo nimmt mit den sich daraus ergebenden Vorteilen am Stabilisierungs- und

Assoziierungsprozess der EU teil, doch wird die Zusammenarbeit mit internationalen

Menschenrechtsgremien zwangsläufig dadurch eingeschränkt, dass es weder Mitglied der Vereinten

Nationen noch des Europarats ist. Die EU hat es daher zur besonderen Priorität erhoben, die

uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte im Kosovo zu gewährleisten.

Der EU-Sonderbeauftragte im Kosovo hat seinen Auftrag, den Schutz der Menschenrechte und der

Rechte der Angehörigen von Minderheiten (einschließlich der Bereiche Dezentralisierung, Bildung,

Kulturerbe, Eigentumsrechte und freiwillige Rückkehr) zu fördern, noch engagierter ausgeführt.

Der EU-Sonderbeauftragte hat die Menschenrechtslage der im Kosovo lebenden Minderheiten,

einschließlich der Roma, aufmerksam überwacht. Der EU-Sonderbeauftragte organisierte

maßgeblich die Beobachtung der Wahlen vom Dezember 2010 und verfolgte in Abstimmung mit

den weiteren EU-Akteuren vor Ort aufmerksam die gesamte politische Krise, die mit dem Rücktritt

von Präsident Sejdiu im Oktober 2010 begann und mit der Wahl der neuen Präsidentin Jahjaga

endete.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 110
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 125 – Drucksache 17/10899

EULEX Kosovo hat eine glaubwürdige Antwort auf die Bedrohungen der Sicherheit und der

öffentlichen Ordnung gegeben und die Erfüllung ihrer Hauptaufgabe entschlossen fortgesetzt,

indem sie einen Beitrag zu den wichtigen Justizreformen geleistet und heikle juristische Fälle

aufgegriffen hat. Teil der Bemühungen der EULEX zur Stärkung der Strafrechtspflege war auch die

Umstrukturierung der kosovarischen Polizei sowie die laufende Reform der Justizvollzugsanstalten.

Auch die dem Obersten Gerichtshof unterstellten Fachgerichte könnten ihre Arbeit aufnehmen und

Fälle behandeln, die die Bereiche Privatisierung und Eigentumsrechte betreffen.

Durch die Aufrechterhaltung der Arbeit des Bezirksgerichts und der Staatsanwaltschaft von

Mitrovica hat die Mission einen aktiven Beitrag zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im

Nordkosovo geleistet.

Die Einrichtung der Kommission für die Überwachung der Achtung der Menschenrechte, im

Rahmen von EULEX Kosovo, die das Mandat hat, die Beschwerden sämtlicher (nicht zum

Missionspersonal gehörender) Personen zu prüfen, die mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen

durch EURLEX Kosovo anzeigen, ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Grundsätze der

Rechenschaftspflicht auch für EULEX Kosovo gelten. Die Kommission hat mit der Prüfung von

Fällen begonnen und einige wurden bereits zugelassen.

Das Kosovo empfängt EU-Hilfen über das IPA, die makrofinanzielle Hilfe, die Gemeinschaftshilfe

für Wiederaufbau, Entwicklung und Stabilisierung (CARDS), das Stabilitätsinstrument sowie

andere Finanzierungsquellen. Im Rahmen des IPA-Jahresprogramms 2010 wurden 67,3 Mio. EUR

bereitgestellt, unter anderem für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 111
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Drucksache 17/10899 – 126 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.2 In die Europäische Nachbarschaftspolitik einbezogene Länder

5.2.1 Europäische Nachbarschaftspolitik
Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) wurde 2004 eingeführt, um das Entstehen neuer

Trennlinien zwischen der erweiterten EU und ihren Nachbarn zu verhindern. Im Rahmen ihrer

jeweiligen ENP-Aktionspläne verpflichten sich die Partnerländer zu einer engeren politischen

Zusammenarbeit und einem engeren Dialog auf Grundlage gemeinsamer Werte, d.h. Achtung der

Menschenrechte und Grundfreiheiten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsvolles

Regieren und Völkerrecht. Der EAD und die Kommission ziehen jährlich eine Bilanz der

Fortschritte der ENP-Partnerländer bei der Umsetzung ihrer Aktionspläne, auch in den Bereichen

Menschenrechte und Demokratisierung.

5.2.2 Östliche Partnerschaft
Die EU und ihre sechs östlichen Partner (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Republik
Moldau und Ukraine) haben 2010 weitere Fortschritte bei konkreten Maßnahmen zur Unterstützung
demokratischer Reformen erzielt. Die meisten Initiativen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit,
verantwortungsvolle Staatsführung und Achtung der Menschenrechte wurden im Rahmen der
östlichen Partnerschaft zwar vorwiegend bilateral durchgeführt, doch auch die multilaterale
Dimension bot ein geeignetes Umfeld, um diese Themen in einem regionalen Kontext zur Sprache
zu bringen.

Die Plattform der Östlichen Partnerschaft für Demokratie, verantwortungsvolles Regieren und
Stabilität hat einen Ausschuss für die Korruptionsbekämpfung eingerichtet und die Einsetzung
zweier weiterer Ausschüsse für die Reform der Justiz und die Reform der öffentlichen Verwaltung
beschlossen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 112
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 127 – Drucksache 17/10899

Das zivilgesellschaftliche Forum der Östlichen Partnerschaft, das ca. 230 Organisationen der
Zivilgesellschaft aus den Ländern der Östlichen Partnerschaft und den EU-Mitgliedstaaten umfasst,
brachte zivilgesellschaftliches Wissen über die Reformprozesse in den Partnerländern ein. Seine
Vertreter nahmen an Treffen der Ausschüsse der Östlichen Partnerschaft teil und unterbreiteten den
Außenministern der Länder der Östlichen Partnerschaft im Dezember 2010 Empfehlungen für die
Umsetzung der Östlichen Partnerschaft.

5.2.3 Südkaukasus (Region)
Die Konsolidierung der demokratischen Staatsführung und die Durchsetzung der Achtung von
Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit schritten im Südkaukasus weiterhin nur zögerlich voran.
Anlass zur Sorge geben der EU mehr oder weniger in allen drei Ländern der Mangel an politischem
Pluralismus und Medienfreiheit, die allgemein schwach ausgeprägte Rechtsstaatlichkeit sowie der
unzureichende Dialog. Die EU hat daher 2010 die Menschenrechtslage in allen drei Ländern
aufmerksam verfolgt. Dabei hat sie unablässig an die Regierungen dieser Länder appelliert, alles in
ihrer Macht Stehende zu tun, um die Demokratie weiter zu festigen, indem sie die staatlichen
Institutionen reformieren und einen konstruktiven Dialog mit der Opposition führen, damit der
Aufbau der Institutionen breite Unterstützung findet.

Das Mandat des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus Peter Semneby umfasst spezielle

Bestimmungen zu den Menschenrechten. Er und der EU-Sonderbeauftragte für die Krise in

Georgien Pierre Morel haben 2010 mit ihren Ansprechpartnern regelmäßig Menschenrechtsfragen

erörtert.

5.2.4 Armenien
Die EU hat weiter an die armenische Regierung appelliert, zusätzliche Schritte zu unternehmen,

damit ein Schlussstrich unter die Vorfälle nach den Präsidentschaftswahlen vom 1./2. März 2008

gezogen werden kann. Obwohl eine Reihe von Personen, die in diese Vorfälle verwickelt waren, in

der zweiten Jahreshälfte 2010 nach und nach freigelassen wurde, befanden sich einige Vertreter der

Opposition immer noch in Haft.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 113
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 128 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU hat gegenüber der armenischen Regierung weiterhin nachdrücklich darauf bestanden, dass

die Vorkommnisse vom März 2008 in unabhängiger, transparenter und glaubwürdiger Weise

untersucht werden. Im März 2010 wurde ein Bericht des Büros für demokratische Institutionen und

Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)

über die Beobachtung der Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen vom März 2008

veröffentlicht. In dem Bericht wurden mehrere Punkte genannt, die Anlass zu ernster Sorge geben,

unter anderem das Recht von Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren und das Recht auf

Freiheit; außerdem enthält der Bericht eine Reihe von Empfehlungen. An der Umsetzung der

Empfehlungen des Berichts wird gearbeitet, vor allem im Bereich der Justizreform. Die EU hat die

Regierung weiter mit Nachdruck aufgefordert, größere Anstrengungen zu unternehmen, um die

Vorfälle umfassend aufzuklären und die für die zehn Todesfälle Verantwortlichen vor Gericht zu

bringen.

Das zweite Treffen im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit Armenien fand im Dezember 2010

in Brüssel statt; ihm ging ein Seminar mit Vertretern der Zivilgesellschaft über das Recht auf ein

faires Gerichtsverfahren voraus. Die Gespräche verliefen freimütig und offen, wobei die armenische

Seite ernsthafte Bereitschaft erkennen ließ; Armenien bekundete Interesse daran, dass die Treffen

im Rahmen des Menschenrechtsdialogs halbjährlich stattfinden.

Die EU trug weiterhin zur Stärkung des Büros für Menschenrechtsverteidigung bei, das nach wie

vor eine wichtige Rolle bei der Überwachung der Menschenrechtslage und der Grundfreiheiten in

Armenien spielt. 2010 erstellte das Büro Ad-hoc-Berichte über das Recht, sich in friedlicher Weise

zu versammeln, und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Armenien.

Ferner hat die EU-Beratergruppe für die Republik Armenien deren Reformanstrengungen, unter

anderem in den Bereichen Menschenrechte und verantwortungsvolles Regieren, weiter unterstützt.

5.2.5 Aserbaidschan
Die EU hat sich 2010 sehr eingehend mit Menschenrechtsverstößen in Aserbaidschan befasst; so

hat sie häufig öffentliche Erklärungen abgegeben und die betreffenden Fälle in persönlichen

Gesprächen mit Vertretern der aserbaidschanischen Regierung erörtert.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 129 – Drucksache 17/10899

Die Hohe Vertreterin gab am 8. November 2010 eine Erklärung zu den Parlamentswahlen in

Aserbaidschan ab. Trotz der Bemühungen, den Empfehlungen des Büros für demokratische

Institutionen und Menschenrechte (OSZE) und der Venedig-Kommission (Europarat) Rechnung zu

tragen, brachten die Wahlen keine greifbaren Fortschritte für die demokratische Entwicklung des

Landes. Im Laufe des Wahlprozesses wurden verschiedene Defizite registriert; dazu gehörte die

hohe Ablehnungsrate bei der Registrierung von Oppositionskandidaten und der eingeschränkte

Wahlkampf unter Einschüchterung von Oppositionskandidaten und deren Anhängern. Die

Änderungen des Wahlgesetzes vom Juni 2010 bewirkten eine Verkürzung der Wahlperiode und des

Wahlkampfs und führten zur Abschaffung der staatlichen Unterstützung von Kandidaten. Alles in

allem haben diese Maßnahmen die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen für alle Kandidaten

verhindert.

Die EU hat die aserbaidschanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, ihre Bemühungen

fortzusetzen und ihren internationalen Verpflichtungen in Bezug auf demokratischen Pluralismus

und Medienfreiheit nachzukommen. Es gibt nach wie vor einige besorgniserregende Einzelfälle.

Die Freilassung von zwei jungen Bloggern im November 2010 ist jedoch begrüßenswert. Die

Gesamtsituation der Medien im Land war durch fehlenden Pluralismus, eine regierungsfreundliche

Berichterstattung in den wichtigsten Medien, die Schikanierung von und die Gewaltanwendung

gegen Journalisten sowie fragwürdige Gerichtsverfahren gegen Medienvertreter geprägt. Nach wie

vor ist eine Reihe von Journalisten in Aserbaidschan inhaftiert, unter ihnen Eynulla Fatullayev,

dessen Freilassung in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom April

2010 gefordert wurde. (NB: Fatullayev wurde schließlich am 26. Mai 2011 nach mehr als vier

Jahren aus dem Gefängnis entlassen.)

Im September 2010 setzte der Kooperationsausschuss im Rahmen des Partnerschafts- und

Kooperationsabkommens förmlich einen Unterausschuss für Justiz, Freiheit, Sicherheit, Demokratie

und Menschenrechte ein; die erste Sitzung fand am 30. November/1. Dezember 2010 in Baku statt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 115
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Drucksache 17/10899 – 130 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.2.6 Georgien
Die EU und Georgien kamen 2010 überein, ihre Beziehungen im Rahmen der Östlichen Partner-

schaft weiter zu vertiefen und auszubauen. Die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen

EU-Georgien wurden im Juli 2010 aufgenommen und sind im zweiten Halbjahr 2010 gut

vorangekommen. Infolgedessen wurde 2010 die Arbeit der EU im Bereich Menschenrechte

intensiviert, unter anderem mit der Einsetzung einer EU-Arbeitsgruppe für Menschenrechte, der

Erarbeitung einer Strategie für Menschenrechtsverteidiger und der Durchführung entschlossener

diplomatischer und finanzieller Maßnahmen.

Das dritte Treffen im Rahmen des 2009 eingerichteten Menschenrechtsdialogs EU-Georgien wurde

im Anschluss an ein Seminar mit Vertretern der Zivilgesellschaft über Medien und die Rechte von

Binnenvertriebenen im Juli 2010 in Tiflis abgehalten. Die Gespräche verliefen offen und

konstruktiv und die georgische Seite ließ ernsthafte Bereitschaft zur Zusammenarbeit erkennen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 116
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131 – Drucksache 17/10899

Die EU trug weiterhin zur Stärkung des Amts des Offizialverteidigers bei, das nach wie vor eine

wichtige Rolle bei der Überwachung der Menschenrechtslage und der Grundfreiheiten in Georgien

spielt. Das Amt des Offizialverteidigers ist mittlerweile eine anerkannte Menschenrechtsinstitution

und hat auch 2010 unabhängige Untersuchungen über Menschenrechtsverletzungen durchgeführt

und den Behörden konkrete Empfehlungen unterbreitet. Die finanzielle Unterstützung durch die EU

wird 2011 im Rahmen des neuen, umfassenden Programms zum Aufbau der Institutionen

fortgesetzt.

Die EU hat die Reform des Wahlprozesses unterstützt und sich für den Dialog zwischen den

Regierungs- und den Oppositionsparteien eingesetzt. Sie förderte weiterhin die Aufnahme

vermehrter Kontakte und Konsultationen zwischen den georgischen Behörden und nichtstaatlichen

Akteuren.

Insgesamt gesehen hat Georgien 2010 bei der Umsetzung der Prioritäten des ENP-Aktionsplans

Fortschritte erzielt, insbesondere bei der Reform des Justizwesens, der Verbesserung der Durch-

führung von Wahlen, der Stärkung der Rechte von Frauen, der Durchführung der Verfassungs-

reform und der Eindämmung der Korruption in der Verwaltung. Die folgenden großen Heraus-

forderungen sind noch zu bewältigen: Pluralismus in Politik und Medien, Unabhängigkeit der

Justiz, schlechte Bedingungen in Justizvollzugsanstalten, überfüllte Gefängnisse, Rechte von

Angehörigen von Minderheiten, Versammlungsfreiheit, Arbeitnehmerrechte und Arbeitsnormen.

Die EU hat sich über die EU-Beobachtungsmission (EUMM) aktiv an den Bemühungen zur Kon-

fliktbeilegung in Georgien beteiligt. Das Mandat der EUMM erstreckt sich neben der Stabilisierung

und Normalisierung auch auf humanitäre Aspekte, unter anderem auf die Beobachtung der Lage der

Binnenvertriebenen und der Bevölkerung in den Konfliktgebieten. Nach der Ausweisung von

Binnenvertriebenen im Sommer 2010 wurde infolge des internationalen Drucks ein Moratorium

ausgesprochen und wurden Standardverfahren erarbeitet und anschließend (mit einigen Unzu-

länglichkeiten) konsequent angewendet. Die EU führt weiterhin gemeinsam mit der OSZE und den

VN den Vorsitz der Genfer Gespräche.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 117
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Drucksache 17/10899 – 132 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.2.7 Belarus
Die Menschenrechtslage in Belarus gibt nach wie vor Anlass zur Sorge. Trotz anfänglicher

Anzeichen für Fortschritte erwies sich das Jahr 2010 als enttäuschend. Die EU setzte ihre Politik

des kritischen Engagements fort, die sie seit der Freilassung der politischen Gefangenen 2008

verfolgt hatte.

Während des gesamten Jahres 2010 gab es andauernde Schikanen gegenüber Vertretern der

unabhängigen Medien, der Zivilgesellschaft und von Oppositionsorganisationen, einschließlich

Einschränkungen der Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie

anhaltende Schwierigkeiten bei der Registrierung von NRO und Oppositionsparteien.

Im Februar brachte die Hohe Vertreterin ihre Besorgnis über die Verhaftung von 40 Mitgliedern der

Union der Polen und anderer Vertreter der Zivilgesellschaft zum Ausdruck, wobei sich unter den

Verhafteten auch die demokratisch gewählte Vorsitzende der Union Angelika Borys befand;

Hintergrund war offensichtlich der Versuch der Behörden, der polnischen Gemeinschaft eine neue

Führung aufzuzwingen.

Die Leiter der EU-Mission in Minsk gaben im Mai eine Erklärung ab, in der sie sich besorgt

darüber äußerten, dass bei Razzien der Polizei in 20 Räumlichkeiten, die mit der zivil-

gesellschaftlichen Bewegung "Sag die Wahrheit" in Verbindung stehen, die sich für gesell-

schaftliche Fragen engagiert, die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit missachtet wurden.

Die Einrichtung von lokalen Wahlkommissionen für die Kommunalwahlen vom 25. April 2010

warf Fragen hinsichtlich der angemessenen Vertretung von demokratischen und unabhängigen

NRO auf.

Bei den Rahmenbedingungen für die Wahlen waren trotz der Änderungen des Wahlgesetzes vom

Januar 2010, mit denen einige seit langem vorliegende Empfehlungen der OSZE/BDIMR umgesetzt

werden sollten, nach wie vor ernsthafte Defizite in Bezug auf OSZE-Verpflichtungen und

internationale Standards zu verzeichnen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 118
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 133 – Drucksache 17/10899

Die Lage im Land hat sich nach der Verletzung der Wahlstandards bei den Präsidentschaftswahlen

vom 19. Dezember 2010 und der darauffolgenden Unterdrückung der Opposition und der

Zivilgesellschaft erheblich verschlechtert.

Die Präsidentschaftswahlen vom Dezember entsprachen nicht internationalen Standards und waren

von Einschüchterung und Gewalt überschattet. Die BDIMR-Wahlbeobachtungsmission

verzeichnete einen Mangel an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit seitens der Wahlbehörde,

ungleiche Voraussetzungen, ein restriktives Medienumfeld sowie fehlende Transparenz während

der wichtigsten Phasen des Wahlprozesses.

Die EU finanzierte im Rahmen des Stabilitätsinstruments ein Wahlbeobachtungsprojekt vor Ort, das

einem Netz von lokalen NRO die Möglichkeit gab, die Wahlen zu beobachten. Die beteiligten NRO

kamen zu dem Schluss, dass die Präsidentschaftswahlen 2010 in der Republik Belarus trotz

geringfügiger Verbesserungen gegenüber den vorangegangenen Präsidentschaftswahlen weder frei

noch demokratisch waren.

Berichten zufolge sind Personen, die nach einer Wahlveranstaltung verhaftet wurden, unmensch-

lichen Haftbedingungen unter Missachtung international anerkannter Standards ausgesetzt gewesen

und ist ihnen der Zugang zu medizinischer und juristischer Hilfe sowie der regelmäßige Kontakt mit

ihren Familien verwehrt worden. Es soll auch Folter, unmenschliche Behandlung und psycholo-

gischen Druck in der KGB-Haftanstalt gegeben haben. Die Hohe Vertreterin verurteilte aufs

schärfste die Gewalt in der Wahlnacht, in der die meisten Präsidentschaftskandidaten sowie

Hunderte von Bürgern verprügelt und inhaftiert wurden. Sie forderte die unverzügliche Freilassung

der Präsidentschaftskandidaten und der über 600 inhaftierten Demonstranten und verurteilte

jegliche Gewaltanwendung, insbesondere die unverhältnismäßige Gewaltanwendung gegenüber

Präsidentschaftskandidaten, politischen Aktivisten, Vertretern der Zivilgesellschaft und

Journalisten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 119
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Drucksache 17/10899 – 134 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Belarus ist das einzige Land in Europa, das nach wie vor die Todesstrafe anwendet. Die EU

bedauerte, dass laut Berichten im März 2010 zwei belarussische Bürger hingerichtet wurden, und

forderte Belarus auf, im Hinblick auf die Abschaffung der Todesstrafe ein sofortiges Moratorium

für ihre Anwendung auszusprechen. Seither wurden zwei weitere Todesurteile bestätigt und das

Berufungsgericht wurde im Dezember 2010 mit einem weiteren Fall befasst.

Im Oktober beschloss der Rat (Auswärtige Angelegenheiten), die restriktiven Maßnahmen gegen

einzelne belarussische Amtsträger um 12 Monate zu verlängern. Um Fortschritte zu fördern, wurde

gleichzeitig die Aussetzung der gegen bestimmte belarussische Amtsträger verhängten

Aufenthaltsverbote um den gleichen Zeitraum verlängert, wobei hiervon die Aufenthaltsverbote

ausgenommen wurden, die gegen die Amtsträger, die in das Verschwinden mehrerer

Persönlichkeiten in den Jahren 1999 und 2000 verwickelt waren, und gegen die Vorsitzende der

Zentralen Wahlkommission verhängt wurden.

5.2.8 Republik Moldau
Trotz massiver Haushaltszwänge und im Kontext der lang andauernden politischen Krise im

Zusammenhang mit der Unfähigkeit des Parlaments, die für die Wahl des Präsidenten der Republik

erforderliche Mehrheit zustande zu bringen, ist es der Republik Moldau 2010 gelungen, Fortschritte

bei der Einhaltung demokratischer Grundsätze zu erzielen.

Im Laufe des Jahres gab es zwei große Wahlen im Land: erstens ein Referendum im September

über die Einführung eines Systems der Direktwahl des Präsidenten; zweitens vorgezogene Parla-

mentswahlen im November, nachdem das Referendum aufgrund mangelnder Wahlbeteiligung

gescheitert war. Die während des gesamten Prozesses anwesende internationale Wahlbeobachtungs-

mission kam zu dem Schluss, dass die Wahlen den meisten der von der OSZE und vom Europarat

aufgestellten Verpflichtungen entsprachen; es wurde allerdings auch betont, dass noch weitere

Anstrengungen erforderlich sind, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in den demokratischen

Prozess zu stärken. Eine Überarbeitung des Wahlgesetzes zur Änderung der Methode der

Mandatsvergabe wurde von der parlamentarischen Opposition massiv in Frage gestellt. Der

Generalsekretär des Europarates und der Präsident der Venedig-Kommission stellten dennoch fest,

dass die Änderung offensichtlich kein Hindernis für das Abhalten freier und fairer Wahlen darstellt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 120
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 135 – Drucksache 17/10899

Wie vom Kooperationsrat im Dezember 2009 gefordert, riefen die Republik Moldau und die EU im

März 2010 einen strukturierten Menschenrechtsdialog ins Leben. Ergänzend kamen im Oktober

2010 informelle Expertensitzungen mit der moldauischen Regierung und Vertretern der

Zivilgesellschaft unter Teilnahme von Vertretern der OSZE, des Europarates und des UNDP hinzu.

Im September 2010 unterbreitete die Regierung dem Parlament einen Entwurf eines nationalen

Aktionsplans für Menschenrechte (2011-2014). (Dieser Entwurf wurde nach weiteren Konsulta-

tionen mit den beteiligten Akteuren schließlich im Mai 2011 angenommen). Die Reform des

Menschenrechtszentrums (Ombudsleute) wurde eingeleitet, um die bessere Einhaltung der Pariser

Grundsätze sicherzustellen.

Die Regierung Moldaus übernahm die Verantwortung für die Misshandlungen und Folterungen

während der Vorfälle nach den Wahlen im April 2009. Die Untersuchung der angeblichen

Übergriffe kam nur langsam voran und die Schlussfolgerungen des parlamentarischen Ad-hoc-

Untersuchungsausschusses verzögerten sich etwas. Parallel dazu setzte die Regierung eine

Kommission zur Identifizierung und Entschädigung der Opfer ein, die im Oktober 2010 vierzehn

Zivilisten und vier Polizisten Entschädigung leistete.

Im Berichtszeitraum verbesserte sich die Vollstreckung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs

für Menschenrechte; es wurden jedoch noch nicht alle Maßnahmen zur Behebung der in den

Entscheidungen des Gerichtshofs genannten systemimmanenten Probleme ergriffen. Auch die

Durchsetzung der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und

Intersexuellen stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Eine von diesen Gruppen

organisierte friedliche Demonstration im Stadtzentrum von Chisinau, mit der die Annahme von

Antidiskriminierungsgesetzen unterstützt werden sollte, wurde im April durch ein Gerichtsurteil

verhindert.

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Drucksache 17/10899 – 136 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im zweiten Halbjahr ratifizierte die Republik Moldau das internationale Übereinkommen über die

Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die folgenden Übereinkünfte sind noch zu ratifizieren:

das Fakultativprotokoll zum letztgenannten Übereinkommen, das Internationale Übereinkommen

zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, die Internationale Konvention zum Schutz

der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen und die Europäische Charta

der Regional- oder Minderheitensprachen. Die Republik Moldau hat ihre aktive Zusammenarbeit

mit den VN-Menschenrechtsmechanismen fortgesetzt und im Juni 2010 eine offene Einladung für

alle VN-Sonderverfahren ausgesprochen.

Während des gesamten Jahres 2010 unterhielt der EU-Sonderbeauftragte für Moldau enge Kontakte

zur moldauischen Regierung und Zivilgesellschaft und zu internationalen Organisationen mit Blick

auf die Menschenrechtslage im Lande einschließlich der abtrünnigen Region Transnistrien. Einer

seiner politischen Berater fungierte weiterhin als Anlaufstelle für Menschenrechte und ein weiterer

Berater stattete Tiraspol häufige Besuche ab. Der EU-Sonderbeauftragte und die Europäische

Kommission verfolgten eine Reihe von konkreten Fällen sehr aufmerksam und brachten sie

gegenüber den Behörden in Chisinau und Tiraspol zur Sprache.

5.2.9 Ukraine
In der Ukraine kam es 2010 zu einer Verschlechterung bei der Achtung der Grundfreiheiten,

insbesondere in Bezug auf die Medien- und die Versammlungsfreiheit sowie die demokratischen

Standards. Im Oktober 2010 brachte die EU ihren Besorgnis über diesen Trend in einer Erklärung

der Hohen Vertreterin und des für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik zuständigen

Mitglieds der Kommission für das Europäische Parlament zum Ausdruck.

Sorge bereiten der EU nach wie vor die Korruption, die mangelnde Unabhängigkeit und

Unparteilichkeit der Justiz sowie die unzureichende Effizienz der Gerichte. Zudem traten immer

noch Probleme auf, wie die Misshandlung von Häftlingen durch Strafverfolgungsbehörden, die

unzureichende Durchsetzung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung von Asylbewerbern und

Flüchtlingen sowie Übergriffe aus rassistischen und fremdenfeindlichen Beweggründen. Am 9. Juni

2010 fand in Brüssel ein Treffen von Ministern der EU und der Ukraine zum Thema "Freiheit,

Sicherheit und Recht" statt. Dabei bekräftigten beide Seiten nachdrücklich ihr Engagement für eine
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 137 – Drucksache 17/10899

Partnerschaft, die auf gemeinsamen Werten, wie Demokratie, Menschenrechte, Grundfreiheiten und

Rechtsstaatlichkeit, beruht.

Auf der Tagung des Kooperationsrates vom 15. Juni 2010 in Luxemburg begrüßte die EU die

Verpflichtung der Ukraine zu einer politischen Assoziierung und wies auf die Bedeutung politischer

Stabilität hin, die durch eine unter Beteiligung aller Bevölkerungskreise transparent durchgeführte

Verfassungsreform erzielt wird. Sie riet der Ukraine, weiterhin die Venedig-Kommission zu

konsultieren. Zudem forderte sie die Ukraine nachdrücklich auf, dem Kampf gegen die Korruption

und der Unabhängigkeit der Justiz besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

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Drucksache 17/10899 – 138 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU schenkte der Umsetzung der Assoziierungsagenda EU-Ukraine größere Aufmerksamkeit;

sie enthält einen Abschnitt über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Grund-

freiheiten. Über diese Themen wurde im Rahmen der Tagung des Unterausschusses für Justiz,

Freiheit und Sicherheit vom 28. April 2010 in Kiew weiter beraten.

Das Gipfeltreffen EU-Ukraine fand am 22. November 2010 in Kiew statt. Dabei wurde über die

Wahrung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten, der demokratischen Werte und der Rechts-

staatlichkeit auf der Grundlage einer unabhängigen und unparteiischen Justiz gesprochen. Die

politische Führung machte insbesondere auf die Bedeutung freier Medien aufmerksam. Im

Anschluss an die Kommunalwahlen vom Oktober 2010 und die kritischen Beurteilungen wurde auf

die Notwendigkeit einer weiteren Stärkung der demokratischen Entwicklungen in der Ukraine, vor

allem den Rahmenbedingungen von Wahlen, hingewiesen. Die EU legte einen Aktionsplan für eine

Visaliberalisierung für die Ukraine vor, der auch Zielvorgaben für die im Rahmen des Visadialogs

relevanten Grundfreiheiten enthält.

5.2.10 Union für den Mittelmeerraum
Die Union für den Mittelmeerraum wurde auf dem Gipfeltreffen am 13. Juli 2008 in Paris ins Leben

gerufen; dabei bekräftigten die Teilnehmer ihr Bekenntnis zur Stärkung der Demokratie und des

politischen Pluralismus durch den Ausbau der Teilhabe am politischen Leben und die Achtung aller

Menschenrechte und Grundfreiheiten. Es ist erklärtes Ziel der Union für den Mittelmeerraum, eine

gemeinsame Zukunft auf der Grundlage der uneingeschränkten Achtung der in internationalen

Menschenrechtsinstrumenten verankerten demokratischen Grundsätze, Menschenrechte und

Grundfreiheiten wie Förderung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen und

politischen Rechte, Stärkung der Rolle der Frauen, Achtung von Minderheiten, Bekämpfung von

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und Förderung des kulturellen Dialogs und des gegenseitigen

Verständnisses zu schaffen. Deshalb stehen die Entwicklungen im menschlichen Bereich und der

Zivilschutz im Mittelpunkt der Arbeit der Abteilung für soziale und Bürgerangelegenheiten des

Sekretariats der Union für den Mittelmeerraum; in diesem Rahmen werden die Kontakte zwischen

den Menschen gebührend beachtet, ein besseres Verständnis füreinander sowie der Austausch

zwischen den Gesellschaften gefördert und die entsprechende Koordinierung der Projekte

gewährleistet, die zur Verwirklichung der Ziele der Union für den Mittelmeerraum in diesem

Bereich beitragen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 139 – Drucksache 17/10899

5.2.11 Ägypten
Die dritte Tagung des Unterausschusses EU-Ägypten für politische Fragen (Menschenrechte und

Demokratie – internationale und regionale Fragen) fand am 10./11. März 2010 in Brüssel statt.

Beide Seiten tauschten Informationen aus über die Bemühungen um eine Stärkung der Kultur der

Menschenrechte und der Grundfreiheiten, insbesondere Sensibilisierungsmaßnahmen. Es wurden

Themen wie die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, die Rechte des Kindes, Meinungsfreiheit,

Todesstrafe und die Lage von Migranten an der israelischen Grenze erörtert. Die EU bedauerte die

Tötung von koptischen Christen in Naga Hammadi im Januar und bestärkte die ägyptische

Regierung in ihren Bemühungen zum Abbau der religiösen Spannungen.

Im Jahr 2010 gab die EU zwei Erklärungen zu Menschenrechtsfragen in Ägypten ab. Am 28. Juni

2010 gaben die Missionsleiter der EU vor Ort eine Erklärung ab, in der sie ihre Sorge über die

Umstände des Todes von Khaled Said zum Ausdruck brachten, und begrüßten die Erklärung der

ägyptischen Behörden, dass sie bereit seien, in diesem Todesfall gerichtliche Ermittlungen

einzuleiten. Am 12. Mai 2010 gab die Hohe Vertreterin eine Erklärung zur Verlängerung des

Ausnahmezustands in Ägypten ab und nahm Ägyptens Entscheidung zur Kenntnis, den neuen

Ausnahmezustand auf die Terrorismusbekämpfung und -finanzierung sowie die Drogenkriminalität

zu beschränken. Sie forderte die Regierung jedoch nachdrücklich auf, rascher Maßnahmen zu

ergreifen, die für die Verabschiedung eines Antiterrorgesetzes, das die internationalen

Menschenrechtsstandards erfüllt, erforderlich sind, und verwies auf die entsprechenden

Verpflichtungen, die die Regierung im Rahmen des Aktionsplan EU/Ägypten und in anderen

Gremien eingegangen ist.

Die EU begrüßte die Bemühungen der ägyptischen Regierung um Konsultationen mit der

Zivilgesellschaft im Rahmen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung. Mehrere Empfehlungen

wurden zwar akzeptiert, darunter die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen, die Bekämpfung

der Diskriminierung von Angehörigen religiöser Minderheiten und der Gewaltanwendung ihnen

gegenüber, die Förderung der Rechte von Migranten, die Änderung der Definition von Folter, die

Stärkung der Politik in Bezug auf die Rechte des Kindes, die Wahrung der Rechte von Menschen

mit Behinderungen, die Konsultation von NRO bei der Formulierung des neuen NRO-Gesetzes, die

Bekämpfung des Menschenhandels und die raschere Verabschiedung von Antiterrorgesetzen bei

gleichzeitiger Prüfung der Aufhebung des Ausnahmezustands; doch ihre Umsetzung steht noch aus.

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Drucksache 17/10899 – 140 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU forderte Ägypten auf, seine Bemühungen in Bezug auf die Förderung und den Schutz der
Menschenrechte, wozu auch die Freilassung aller Personen in Verwaltungshaft gehört, fortzusetzen,
verstärkt Schritte zu unternehmen, um die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß den internationalen
Standards zu verbessern, Flüchtlingen den Zugang zu internationalen Organisationen zu gewähren
und Zivilisten faire Gerichtsverfahren zu garantieren.

Die brachte ihre Besorgnis wegen religiös motivierter gewaltsamer Zusammenstöße zum Ausdruck
und forderte die ägyptische Regierung auf, die Religions- und Weltanschauungsfreiheit als
universelles Menschenrecht zu garantieren.

5.2.12 Israel
Wie bereits in den vorausgehenden Jahren hat die EU bei den einschlägigen Treffen, die ent-
sprechend dem Assoziationsabkommen mit Israel stattgefunden haben, ihre großen Bedenken
hinsichtlich der Menschenrechte zum Ausdruck gebracht. Diese Treffen boten die Gelegenheit,
folgende Themen zu erörtern: Achtung der Menschenrechte in Bezug auf alle Bevölkerungs-
gruppen, Rechte von Angehörigen von Minderheiten, Verwaltungshaft (unter Bezugnahme auf
konkrete Fälle), Menschenrechtsverteidiger sowie internationales Völkerrecht und internationale
Menschenrechtsnormen.

Die informelle europäisch-israelische Arbeitsgruppe für Menschenrechte hat sich bei ihrem vierten
Treffen am 2. September 2010 eingehend mit einer Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der
Lage in Israel befasst. Hierzu zählen die Rechtsstellung und die wirtschaftliche Lage von Minder-
heiten in Israel und die Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen. Zudem wurden
mehrere der Knesset vorliegende Gesetzgebungsvorschläge zur Einschränkung der Vereinigungs-
freiheit und der Arbeit von NRO und der Zivilgesellschaft im Allgemeinen erörtert. Den Rechten
des Kindes, insbesondere in Bezug auf den Freiheitsentzug bei Kindern, wurde während der
Beratungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Darüber hinaus wurden von der israelischen
Seite unter "Fragen von gemeinsamem Interesse" mehrere Punkte zur Sprache gebracht, vor allem
die Rechte von Angehörigen von Minderheiten in EU-Ländern. Ferner bekräftigte die EU, dass die
in den vorhergegangenen Sitzungen erörterten Themen angemessen weiterverfolgt werden müssen.
Gegenüber Israel wurden außerdem Menschenrechtsfragen in Bezug auf die besetzten
palästinensischen Gebiete (siehe Abschnitt 5.2.13) zur Sprache gebracht.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 126
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 141 – Drucksache 17/10899

Die EU und Israel setzten ihre Zusammenarbeit zur Unterstützung von Initiativen gegen

Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fort. Das dritte europäisch-israelische

Seminar gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fand im April 2010 statt. Es

wurden Fragen von gemeinsamem Interesse erörtert. Die EU finanzierte ein Projekt zur Schaffung

eines einheitlichen Netzes von Holocaustarchiven, an dem sich 20 Archive und Forschungsinstitute

aus 13 europäischen Ländern sowie aus den USA und Israel beteiligen. Die Konsolidierung des

Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Israel trägt wesentlich zur Weiterentwicklung der

beiderseitigen Beziehungen bei. Die EU beabsichtigt deshalb, im Rahmen des Assoziations-

abkommens einen Unterausschuss für Menschenrechte einzusetzen, der an die Stelle der

bestehenden informellen Arbeitsgruppe treten soll.

Die EU steht im Rahmen der laufenden Konsultationen und des Dialogs in ständigem Kontakt mit

Menschenrechtsorganisationen und unterstützt Tätigkeiten mit Bezug auf Menschenrechte durch

das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR). Eine Liste aller

laufenden EU-finanzierten Projekte im Bereich der Menschenrechte befindet sich auf der Website

des Büros für technische Hilfe der Europäischen Union.

5.2.13 Besetzte palästinensische Gebiete
Die EU führt im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik mit der Palästinensischen

Behörde einen regelmäßigen Dialog über Menschenrechtsfragen.

Die zweite Sitzung des europäisch-palästinensischen Unterausschusses für Menschenrechte,

verantwortungsvolle Staatsführung und Rechtsstaatlichkeit fand am 26. Februar 2010 in Brüssel

statt, es gab einen produktiven Austausch über Fragen von gemeinsamem Interesse. Die unab-

hängige Menschenrechtskommission zog eine Bilanz der Menschenrechtslage in den besetzten

palästinensischen Gebieten und stellte dabei unter anderem fest, dass die interne politische Spaltung

der Palästinenser zu vielen Menschenrechtsverletzungen beigetragen hat. Die EU brachte ihre

Besorgnis über Menschenrechtsverletzungen zum Ausdruck, dazu gehörten unter anderem willkür-

liche Inhaftierung, Nichtvollstreckung von Gerichtsurteilen sowie Verstöße gegen das Recht auf

freie Meinungsäußerung und Versammlung.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 127
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Drucksache 17/10899 – 142 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU bekräftigte, dass sie grundsätzlich die Todesstrafe unter allen Umständen strikt ablehnt. Sie

sprach der Palästinensischen Behörde ihre Anerkennung für das De-facto-Moratorium aus und

äußerte die Hoffnung, dass dieses in ein De-Jure-Moratorium umgewandelt wird. Sie bedauerte,

dass im Gazastreifen nach wie vor Todesurteile verhängt wurden. Die EU würdigte den spürbaren

Rückgang von Foltervorwürfen im Anschluss an die Anordnung von Premierminister Fayyad und

forderte ein förmliches Verbot der Folter.

Im Rahmen ihrer Mission EUPOL COPPS unterstützte die EU weiterhin die palästinensische Zivil-

polizei bei der Ausarbeitung eines Grundausbildungsplans, einen Schwerpunkt bildet dabei die

Schulung in Menschenrechtsfragen.

Im Rahmen eines weiteren EU-finanzierten Projekts wurden im Folterrehabilitationszentrum in den

letzten zwei Jahren Mitglieder verschiedener Sicherheitsdienste in Bezug auf Antifoltergesetze und

allgemeine Menschenrechtsstandards geschult.

Die unabhängige Menschenrechtskommission stellte in ihrer Bilanz der Menschenrechtslage in den

besetzten palästinensischen Gebieten unmissverständlich fest, dass die dortige Menschenrechtslage

sich infolge der israelischen militärischen Besetzung erheblich verschlechtert hat. Die EU hat des-

halb diese besorgniserregenden Punkte gegenüber den israelischen Behörden zur Sprache gebracht.

Die EU äußerte sich 2010 häufig zur Menschenrechtslage in den besetzten palästinensischen

Gebieten, die sich weiter verschlechtert hat. Bei verschiedenen Anlässen beklagte die EU die

Siedlungsaktivitäten im Westjordanland einschließlich Ostjerusalem und machte erneut darauf

aufmerksam, dass sie den Siedlungsbau und den Abbruch von Wohnhäusern als Verstoß gegen das

Völkerrecht betrachtet.

Am 24. August 2010 brachte die EU ihr Bedauern über die Verurteilung des Menschenrechts-

verteidigers Abdallah Abu Rahma zum Ausdruck, der sich dem gewaltfreien Protest gegen den

Verlauf der Trennmauer durch das Dorf Bil'in im Westjordanland verschrieben hat.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 128
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 143 – Drucksache 17/10899

In seinen Schlussfolgerungen vom 13. Dezember 2010 zum Nahost-Friedensprozess hat der Rat der

EU seine Sorge über die unveränderte Lage in Gaza zum Ausdruck gebracht und seine Forderung

nach unverzüglicher, dauerhafter und bedingungsloser Öffnung der Grenzübergänge wiederholt.

Die EU steht im Rahmen der laufenden Konsultationen und des Dialogs in ständigem Kontakt mit

Menschenrechtsorganisationen und unterstützt Tätigkeiten mit Bezug zu Menschenrechten durch

das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR). Eine Liste aller

laufenden EU-finanzierten Projekte im Bereich der Menschenrechte befindet sich auf der Website

des Büros für technische Hilfe der Europäischen Union.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 129
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Drucksache 17/10899 – 144 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.2.14 Jordanien

Die fünfte Tagung des Unterausschusses für Menschenrechte, Staatsführung und Demokratie fand

im Januar 2010 in Jordanien statt und bot die Gelegenheit zu einem Meinungsaustausch über Fragen

von gemeinsamem Interesse und gemeinsame Anliegen sowie zu einer Bilanz der Fortschritte bei

der Erfüllung der Verpflichtungen aus dem ENP-Aktionsplan in den entsprechenden Bereichen. Zu

den wichtigsten angesprochenen Themen gehörten Medienfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Gleich-

behandlung von Frauen, Abschaffung von Folter usw.
Die EU ermutigte nach wie vor die Regierung, die innenpolitische Reformagenda voranzubringen.

Die verwaltungstechnische Abhängigkeit der Justiz von der Regierung muss schrittweise beendet

werden. Das Vereinigungsgesetz von 2009 gibt weiterhin Anlass zur Besorgnis und muss mit den

internationalen Standards für die Registrierung, Auflösung und Finanzierung von NRO in Einklang

gebracht werden. Die Versprechen der Regierung für größere Medienfreiheit wurden nicht gehalten,

denn die Behörden und Sicherheitsdienste beeinträchtigen nach wie vor die Medien. Online-Medien

und Blogs wirken sich in immer stärkerem Maße positiv auf die Meinungsfreiheit aus. Nach Kritik

seitens internationaler und einheimischer Aktivisten wurde das befristete "Gesetz über Computer-

kriminalität" geändert und die Bestimmungen zur Einschränkung der Freiheit der Online-Medien

gestrichen. Die Regierung hat positiv zu bewertende Änderungen des Strafgesetzbuchs zur Ver-

schärfung der Strafen bei "Ehrenverbrechen" eingeführt. Der Schutz vor häuslicher Gewalt und der

Schutz der Frauenrechte wurden durch das befristete Personenstandsgesetz gestärkt. Jordanien hat

weiterhin ein De-facto-Moratorium für Hinrichtungen angewendet. Jordaniens Gesetze verbieten

zwar Folter und Misshandlung und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und der nationale

Menschenrechtsrat durften Haftanstalten besuchen, dennoch berichteten internationale NRO über

einige Vorfälle in Haftanstalten von Polizei und Sicherheitsdiensten. Der VN-Ausschuss und der

VN-Sonderberichterstatter über Folter äußerten Bedenken, weil kein unabhängiger Beschwerde-

mechanismus und keine rechtlichen Schutzmaßnahmen vorgesehen sind. Die Korruptions-

bekämpfung gibt nach wie vor Anlass zur Sorge und muss intensiviert werden.
Mit dem im Mai 2010 verabschiedeten befristeten Wahlgesetz wurden bestimmte Wahlprozesse

verbessert, dennoch sind weitere Reformen zur Gewährleistung einer pluralistischen politischen

Vertretung sowie zur Gewährleistung von Fairness und Transparenz erforderlich. Anfang

November 2010, also genau ein Jahr nachdem König Abdullah das Parlament aufgelöst hatte,

fanden Parlamentswahlen statt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 130
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 145 – Drucksache 17/10899

5.2.15 Libanon
Die dritte Tagung des Unterausschusses für Menschenrechte, Staatsführung und Demokratie fand

am 3. Mai 2010 in Beirut statt. Die Tagung des Assoziationsrates im Juni 2010 bot eine weitere

Gelegenheit für Beratungen über die im Rahmen des ENP-Aktionsplans EU-Libanon vorgesehenen

Reformen.

Die EU-Wahlbeobachtungsmissionen von 2005 und 2009 gaben mehrere Empfehlungen für eine

Angleichung an die internationalen Standards ab. Die Kommunalwahlen vom Juni 2010 verliefen

reibungslos, obwohl die erforderlichen Reformen nicht durchgeführt worden waren. Laut einer

Erklärung des Ministeriums soll das Wahlgesetz für die nationalen Wahlen im Jahr 2013 bis

September 2011 verabschiedet werden. Berichten zufolge soll ein Gesetzentwurf des Ministeriums

erstellt worden sein, der auf die früheren Empfehlungen aufbaut. Die EU hat 2 Mio. EUR zur

Unterstützung der Wahlreform in Libanon im Vorfeld der Wahlen im Jahr 2013 bereitgestellt.

Die EU ermutigt Libanon weiterhin zu Reformen des Justizsektors und zur Stärkung von dessen

Unabhängigkeit. Die EU legte Libanon wiederholt nahe, das De-facto-Moratorium der Todesstrafe

in deren vollständige Abschaffung umzuwandeln.

Die EU fordert Libanon nach wie vor auf, die Lage der palästinensischen Flüchtlinge zu verbessern,

vor allem bezüglich des Rechts zu arbeiten sowie Eigentum zu besitzen, zu erben und registrieren

zu lassen. Die Änderungen des Arbeitsgesetzes von 2010 sind vielversprechend, doch sie müssen

auch wirksam umgesetzt werden. Die weiteren Fortschritte bei der Registrierung von Flüchtlingen

ohne Ausweispapiere wurden begrüßt.

Gegen Jahresende führte die Kontroverse über den Sondergerichtshof für Libanon zu einem

institutionellen Stillstand und nur eingeschränkten Fortschritten bei der Umsetzung der liba-

nesischen Reformagenda.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 131
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Drucksache 17/10899 – 146 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Während des gleichen Zeitraums war Libanon mit der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung

durch den VN-Menschenrechtsrat an der Reihe. Libanon stimmte einigen wichtigen Empfehlungen

zu, z.B. alle Formen von Folter und Misshandlung unter Strafe zu stellen, lehnte jedoch die

wichtigsten Empfehlungen zu den Rechten von Frauen und Migranten sowie die Abschaffung der

Todesstrafe ab.

Am 13. Dezember 2010 wurde ein Entwurf eines nationalen Aktionsplans für Menschenrechte

vorgelegt; die Veröffentlichung von vier wichtigen Berichten steht allerdings noch aus.

Organisationen der Zivilgesellschaft stellten fest, dass es häufig zu willkürlichen Verhaftungen

kommt, obwohl dies laut libanesischem Strafgesetzbuch verboten ist. Die schlechte Lage in

Gefängnissen gibt Anlass zur Sorge. Derzeit warten ca. 70 % der Insassen auf ein Gerichtsverfahren

oder haben ihre Freiheitsstrafe sogar bereits verbüßt.

5.2.16 Syrien
Auch 2010 waren Menschenrechtsverletzungen in Syrien weit verbreitet. Notstandsgesetze wurden

weiterhin zur Rechtfertigung von Verletzungen der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie von

weiteren Bürgerrechten und politischen Rechten, des Verschwindenlassens von Personen, der

Misshandlung von Gefangenen, von Reiseverboten, von willkürlichen Verhaftungen und unfairen

Gerichtsverfahren benutzt. Menschenrechtsverteidiger waren weiterhin häufig Schikanen

ausgesetzt, unter anderem wurden sie von den Sicherheitsdiensten aufgefordert, den Kontakt mit

ausländischen Diplomaten zu meiden, die die Menschenrechtslage in Syrien überwachen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 132
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 147 – Drucksache 17/10899

Angesichts dieser sich verschlechternden Menschenrechtslage in Syrien hat die EU die syrische

Regierung nachdrücklich zu einem Kurzwechsel aufgefordert. Die EU hat insbesondere regelmäßig

die Fälle von drei bekannten Menschenrechtsverteidigern gegenüber den syrischen Behörden zur

Sprache gebracht: Haytham al Maleh, Muhammad Al Hassani und Ali Abdullah. Auch Präsident

Assad wurden persönliche Botschaften übergeben, vor allem in Falle des Veteranen der syrischen

Menschenrechtsverteidiger, Haytham Al-Maleh. Am 27. Juli 2010 gab die Hohe Vertreterin eine

Erklärung im Namen der EU ab, in der sie die Behörden unter Berufung auf Syriens völkerrecht-

liche Verpflichtungen nachdrücklich aufforderte, insbesondere die drei obengenannten Gefangenen

sowie alle politischen Gefangenen in Syrien freizulassen. Die syrischen Behörden wiesen die

Aufforderung der EU als Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten zurück und warfen der

EU vor, bei den Menschenrechten mit zweierlei Maß zu messen.

Syrien hat immer noch nicht auf die Einladung der EU, die seit Oktober 2009 ausstehende

Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens EU-Syrien zu vollziehen, reagiert und begründet

dies damit, dass die Behörden angeblich die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des

Abkommens prüfen. Bedenken wegen des Menschenrechtsansatzes der EU seien ebenfalls ein

Faktor für das Zögern Syriens. Ohne das Assoziierungsabkommen und den damit verbundenen

Dialogmechanismus verfügen die EU und Syrien über keinen regelmäßigen und stabilen Rahmen

für die Erörterung von Anliegen in den Bereichen Menschenrechte und Demokratie.

Die Vorbereitungen zweier wichtiger EU-finanzierter Projekte wurden 2010 eingeleitet. Das erste

Projekt mit einer Mittelausstattung von insgesamt 5 Mio. EUR dient der Reform und Moderni-

sierung des syrischen Justizwesens. Mit dem zweiten Projekt, das über die gleiche Mittelausstattung

verfügt, sollen die Kapazitäten von Organisationen der Zivilgesellschaft gestärkt werden.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 133
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Drucksache 17/10899 – 148 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.2.17 Tunesien
Die Förderung der Achtung der Menschenrechte bleibt das Hauptziel des strukturierten Dialogs

zwischen der EU und Tunesien. Auf der achten Tagung des Assoziationsrates EU-Tunesien am

12. Mai 2010 in Brüssel wurden die politischen Entwicklungen in Tunesien sowie Fragen im

Zusammenhang mit den Menschenrechten erörtert. Auf der Tagung kamen die EU und Tunesien

überein, eine Ad-hoc-Gruppe einzusetzen, die einen Fahrplan für die Gewährung des fort-

geschrittenen Status für Tunesien nach den Bestimmungen der Europäischen Nachbarschaftspolitik

aufstellen soll. Die ursprünglich für Dezember 2009 vorgesehene dritte Tagung des Unter-

ausschusses für Menschenrechte und Demokratie fand am 25. Februar 2010 statt.

Die EU nutzte den Dialog mit Tunesien, um typische Fälle von mangelnden Grundfreiheiten, im

konkreten Fall Übergriffe gegen Menschenrechtsverteidiger, sowie Vorwürfe in Bezug auf die

Anwendung der Rechts- und Verfahrensvorschriften für Prozesse, Haftbedingungen und die

Behandlung von Gefangenen zur Sprache zu bringen. Zudem hat die EU Berichte zur Kenntnis

genommen, die sich besorgt über die mangelnde Achtung der Meinungs- und Medienfreiheit und

der Vereinigungsfreiheit äußern. Der Zugang zu unabhängigen Informationsquellen war 2010 kaum

möglich und häufig wurden NRO, die sich für Menschenrechte engagieren, in vielfältiger Weise in

ihrer Arbeit behindert, insbesondere nach dem Inkrafttreten einer Änderung des Strafgesetzbuchs.

Nach einer Zeit der politischen Stagnation begann im Dezember 2010 ein spontaner Volksaufstand,

der in der starken Ablehnung des Regimes durch die Bevölkerung und der Verarmung in den

ländlichen Gebieten begründet ist.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 134
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149 – Drucksache 17/10899

5.2.18 Algerien
Seit seinem Inkrafttreten im September 2005 bildet das Assoziationsabkommen EU-Algerien den

Rahmen für den Dialog über Fragen der Menschenrechte und Demokratie. Die EU nahm die fünfte

Tagung des Assoziationsrates EU-Algerien am 15. Juni 2009 in Luxemburg zum Anlass, eine

Vertiefung dieses Dialogs vorzuschlagen. Die EU und Algerien vereinbarten die Einrichtung eines

Unterausschusses EU-Algerien für politischen Dialog, Sicherheit und Menschenrechte, die ent-

sprechenden abschließenden Verfahren laufen derzeit noch. Eine erste Tagung des Unteraus-

schusses war für das erste Halbjahr 2011 geplant.

Algerien ist mit Terroranschlägen von Al Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM) konfrontiert. Die

Lage in der Sahelzone und die Krise in Libyen Anfang 2011 haben die Ängste Algeriens vor

Sicherheitsbedrohungen verstärkt. Die EU erklärte besorgt, dass Sicherheitsmaßnahmen nicht zu

einer Beschneidung der Grundrechte führen dürfen. Nach den Ereignissen von 2010 beobachtete die

EU aufmerksam die Lage in Bezug auf die Religions- und Gewissensfreiheit.

Die politische Lage des Landes blieb nach den Präsidentschaftswahlen vom April 2009

unverändert. Die algerischen Behörden hoben Anfang 2011 den Ausnahmezustand auf und

versprachen sozioökonomische Reformen. Präsident Bouteflika kündigte einen Konsultations-

prozess über die Verfassung, die politischen Parteien, Vereinigungen und die Medien an. Algerien

verfügt zwar über die grundlegenden Institutionen und verfassungsmäßigen Verfahren, doch das

politische System muss sich noch erheblich weiterentwickeln, um den Bürgern und der Zivil-

gesellschaft eine echte Teilhabe zu ermöglichen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 135
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Drucksache 17/10899 – 150 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.2.19 Marokko
Der erste Gipfel EU-Marokko nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fand am 7. März

2010 in Granada statt, beide Parteien begrüßten dabei die Arbeiten, die aufgenommen wurden, um

den Rechtsrahmen Marokkos stärker an den Besitzstand der EU anzugleichen. Die neunte Tagung

des Assoziationsrates EU-Marokko fand am 13. Dezember 2010 in Brüssel statt. Die fünfte Tagung

des Unterausschusses EU-Marokko für Menschenrechte, Demokratisierung und Staatsführung fand

am 11. Oktober 2010 in Rabat am Vorabend der Verhandlungen über den neuen Aktionsplan für

den "fortgeschrittenen Status" Marokkos statt. Auf der Tagung wurden die Arbeitsweise des

Justizwesens sowie die Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten erörtert. Marokko

erläuterte seine Fortschritte in Bereichen, die mit der Rechtsstaatlichkeit in Verbindung stehen. Die

EU würdigte bei dieser Gelegenheit die Verpflichtungen, die Marokko eingegangen ist, um die

Menschenrechte zu festigen und die persönlichen Freiheiten zu erweitern. Sie betonte allerdings

auch, dass diese Verpflichtungen, unter anderem im Bereich der Rechte von Frauen und der

Justizreform, auch zeitnah umgesetzt werden müssen. Sie äußerte überdies Bedenken wegen der

Lage in Bezug auf die Vereinigungs- und die Meinungsfreiheit. Schließlich begrüßte die EU die

Fertigstellung des nationalen Aktionsplans für Demokratie und Menschenrechte und sieht seiner

Umsetzung mit Interesse entgegen.

Eine Tagung zur Einsetzung des gemeinsamen Parlamentsausschusses EU-Marokko wurde im Mai

2010 abgehalten. Die EU hat erneut die Arbeit der Kommission für Gerechtigkeit und Versöhnung

(Instance Equité et Réconciliation – IER), die eine neue Kultur der Achtung der Menschenrechte

begründen soll, unterstützt. Die EU hat Marokko außerdem darin bestärkt, die konsequente Reform

des Justizwesens fortzusetzen.

Die EU bekräftigte ihre Unterstützung für die Konsolidierung der Redefreiheit und der unein-

geschränkten Pressefreiheit. Die EU begrüßte in diesem Zusammenhang das im September 2010 im

Rahmen des EIDHR organisierte Seminar und sprach Marokko ihre Anerkennung für den Anfang

2010 ins Leben gerufenen nationalen Dialog über Medien und Gesellschaft aus. Die EU ermutigte

Marokko, die Reformen in diesem Bereich voranzutreiben und ein neues Pressegesetz zu verab-

schieden. Die EU forderte Marokko überdies nachdrücklich zur uneingeschränkten Anwendung des

Gesetzes über die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und zum Schutz der Menschenrechts-

verteidiger – insbesondere im Gebiet von Westsahara – auf.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 136
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 151 – Drucksache 17/10899

5.2.20 Westsahara
Die EU hat die Westsahara-Frage – insbesondere die mit diesem Konflikt einhergehenden

humanitären Probleme – im Rahmen ihres Dialogs mit Marokko und mit Algerien weiter im Auge

behalten. Sie legt großen Wert auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Westsahara,

wo es nach wie vor Probleme hinsichtlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gibt. Sie

unterstützt uneingeschränkt das Eintreten des VN-Generalsekretärs und seines persönlichen

Gesandten für die Westsahara-Frage, und sie hat die Parteien aufgerufen, die Verhandlungen unter

der Schirmherrschaft der VN fortzuführen, um eine gerechte, dauerhafte und für alle Beteiligten

akzeptable politische Lösung herbeizuführen.

5.2.21 Libyen
Die EU brachte 2010 im Rahmen des Dialogs mit den libyschen Behörden ihre Sorge über die

Menschenrechtslage zum Ausdruck, insbesondere in den Bereichen Folter, Pressefreiheit,

Vereinigungsfreiheit, Rechte von Angehörigen von Minderheiten und Menschenrechte von Frauen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 137
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Drucksache 17/10899 – 152 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nachdem die EU im November 2008 beschlossen hatte, mit Libyen Verhandlungen über ein

Rahmenabkommen aufzunehmen, wurden 2010 neun Verhandlungsrunden abgehalten. Das Ziel

dieses Abkommens bestand darin, die Gelegenheit für eine Intensivierung des politischen Dialogs

zwischen der EU und Libyen zu schaffen. Die Achtung der Menschenrechte und der demo-

kratischen Grundsätze sollten wesentliche Elemente des Abkommens sein. Darüber hinaus sollte

darin die Zusammenarbeit in Bezug auf die Achtung und Förderung der Menschenrechte, die

Entwicklung und Festigung der demokratischen Institutionen, die verantwortungsvolle

Staatsführung und die Rechtsstaatlichkeit vereinbart werden. (Kurz nach Ende des Bericht-

erstattungszeitraums beschloss die EU am 22. Februar 2011 nach den brutalen Repressionen seitens

des Regimes und den Übergriffen gegen Zivilisten, die Verhandlungen über das Rahmenabkommen

EU-Libyen auszusetzen, da nach ihrer Ansicht die Möglichkeiten einer Lösung auf dem

Verhandlungsweg ausgeschöpft waren.

5.3 Russland und Zentralasien

5.3.1 Russland
Die Menschenrechte wurden auf allen Ebenen des politischen Dialogs zwischen der EU und

Russland thematisiert. Nicht zuletzt wegen der anhaltenden Beschränkungen der Versammlungs-

freiheit sowie der schwierigen Arbeitsbedingungen für Menschenrechtsverteidiger und der

zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus hat die EU erneut die grundlegende

Bedeutung bekräftigt, die sie der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit im

Rahmen ihrer strategischen bilateralen Beziehungen zur Russischen Förderation beimisst. Sie hat

die Entwicklungen auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere die Ermittlungen zum Tod

von Sergej Magnitskij, Natalja Estimirowa und Anna Politkowskaja, weiter verfolgt.

Die EU hat die wiederholte Forderung Präsident Medwedews nach einer Verbesserung der

Arbeitsweise der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden wie auch die Bemühungen begrüßt, die

Arbeit der Zivilgesellschaft durch den Rat für die Entwicklung von Zivilgesellschaft und

Menschenrechten beim Präsidenten der Russischen Förderation zu unterstützen. Sie hat auf noch

bestehende Probleme (z.B. bei der Funktionsweise des Wahlsystems) hingewiesen und immer

wieder ihre Bereitschaft bekundet, mit den russischen Behörden zusammenzuarbeiten, besonders im

Rahmen der Partnerschaft für Modernisierung.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 138
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 153 – Drucksache 17/10899

Die EU hat in Absprache mit dem Europäischen Parlament und der Zivilgesellschaft eine

Beurteilung der Menschenrechtskonsultationen EU-Russland in den ersten fünf Jahren ihres

Bestehens (2005 - 2009) vorgenommen. Der Bericht enthält eine Reihe von Empfehlungen, wie die

Ergebnisse dieser Konsultationen und ihre Verknüpfung mit den umfassenderen Beziehungen EU-

Russland, u.a. im multilateralen Rahmen, verbessert werden können. Dabei trug die EU den

Bedenken Rechnung, die in den vergangenen Jahren von verschiedenen Akteuren (nichtstaatliche

Organisationen, Europäisches Parlament) über die mangelnden Ergebnisse dieser Konsultationen

geäußert worden waren. Die EU möchte daher, dass Russland der Änderung einiger Modalitäten

dieser Konsultationen zustimmt, die ursprünglich auf dem EU-Russland-Gipfel im November 2004

in Den Haag vereinbart worden waren.

Die zweimal jährlich stattfindenden Menschenrechtskonsultationen wurden im April und im

November 2010 in Brüssel abgehalten. Sie gaben beiden Seiten Gelegenheit, Bedenken zu äußern

sowie bewährte Verfahren zu erörtern und auszutauschen, insbesondere im Hinblick auf die

Bekämpfung von Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die Funktionsweise des

Justizsystems und die Reform der Strafverfolgungsbehörden sowie die Menschenrechte von Frauen,

die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und die Rolle der Menschenrechts-

verteidiger. Die EU konnte ihre ernsten Bedenken zu verschiedenen Fragen, darunter die

Menschenrechtslage im Nordkaukasus, zum Ausdruck bringen und den russischen Behörden eine

Liste von Einzelfällen vorlegen, die Anlass zu Besorgnis gaben. Auch die Russische Föderation

machte auf einige Probleme aufmerksam, die aus ihrer Sicht hinsichtlich der Menschenrechtslage in

einigen EU-Mitgliedstaaten bestehen (z.B. die Rechte der Sinti und Roma).

Wie üblich ist die EU im Vorfeld der Konsultationen mit Vertretern internationaler und russischer

nichtstaatlicher Organisationen in Moskau und Brüssel zusammengetroffen, um die Ansichten der

Zivilgesellschaft miteinfließen zu lassen. Das Europäische Parlament wurde ebenfalls eng in die

Vorbereitungen der Konsultationen eingebunden und über deren Ergebnis informiert.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 139
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Drucksache 17/10899 – 154 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Menschenrechte sind ein fester Tagesordnungspunkt der Gipfeltreffen EU-Russland; sie

wurden auf den beiden Gipfeltreffen des Jahres 2010 in Rostow am Don (1. Juni) und in Brüssel (7.

Dezember) deutlich zur Sprache gebracht, indem die EU an Russland appellierte, seine inter-

nationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, und auch eine Reihe von gravierenden

Einzelfällen ansprach, die ihr Anlass zu Besorgnis geben. Ferner wurden die Menschenrechte auf

der Tagung des Ständigen Partnerschaftsrates zu Fragen der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

im November in Brüssel ausführlich erörtert.

Während des gesamten Jahres 2010 äußerte die EU öffentlich ihre Besorgnis über eine Reihe von

Entwicklungen in der Russischen Förderation, womit sie verdeutlichte, dass Russland die Achtung

der Meinungsfreiheit im Einklang mit seinen multilateralen Verpflichtungen, besonders als Ver-

tragspartei der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten

und Mitgliedstaat der OSZE, wirksam garantieren muss.

Die Europäische Union verurteilte die brutalen Überfälle auf den für die Zeitung "Kommersant"

arbeitenden russischen Journalisten Oleg Kaschin vom 6. November 2010 und auf den sich für den

Erhalt des Chimki-Waldes einsetzenden Aktivisten Konstantin Fetisow vom 4. November 2010.

Diese Überfälle ereigneten sich zu einer Zeit, als die EU einen äußerst beunruhigenden Trend der

Gewaltanwendung, Einschüchterung und Verunsicherung beobachtete, der sich gegen Journalisten,

Blogger und Aktivisten in der Russischen Föderation richtete. Die EU nahm die Menschenrechts-

konsultationen zum Anlass, um die russischen Behörden nachdrücklich aufzufordern, diese und

weitere Übergriffe auf Journalisten und Menschenrechtsverteidiger gründlich und wirksam zu

untersuchen, alles in ihrer Macht stehende für den Schutz dieser Personengruppen zu tun und die

Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.

Im Bereich der Rechtsstaatlichkeit hat die EU die Verfahren gegen den ehemaligen Eigentümer der

Ölgesellschaft YUKOS Michail Chodorkowskij und seinen Geschäftspartner Platon Lebedew

aufmerksam verfolgt. Im Dezember hat die EU ihre Besorgnis und Enttäuschung über mutmaßliche

Unregelmäßigkeiten in den Verfahren zum Ausdruck gebracht und Russland nachdrücklich auf-

gefordert, die Unabhängigkeit der Justiz und das Recht eines jeden Bürgers auf ein faires Verfahren

zu respektieren, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind, zu deren

Vertragsparteien Russland zählt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 140
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155 – Drucksache 17/10899

Im Rahmen der Zusammenarbeit in internationalen Gremien begrüßte die EU, dass Russland in der

VN-Generalversammlung für eine Resolution über ein Moratorium für die Anwendung der Todes-

strafe gestimmt hat. Im Februar hat die EU begrüßt, dass die Russische Föderation das Protokoll Nr.

14 der Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert und damit sein Inkrafttreten ermöglicht

hat. Dank der Anwendung des Protokolls Nr. 14 wird der Konvention mehr Gewicht verliehen und

die Wirksamkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erhöht, wodurch dieser in

seiner wesentlichen Rolle beim Schutz der Menschenrechte in Europa gestärkt wird. Beide Seiten

haben weiter erörtert, wie ihre Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden kann, auch wenn ihre

Ansichten nach wie vor auseinandergehen, insbesondere betreffend die Rolle und die Arbeitsweise

des VN-Menschenrechtsrates und den Tätigkeitsbereich von Europarat und BDIMR/OSZE.

5.3.2 Zentralasien (Region)
Die EU-Strategie für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien bildet seit ihrer Annahme durch den

Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007 den Rahmen für die Beziehungen der EU zu Zentralasien.

In der Strategie wird festgestellt, dass Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsvolle

Staatsführung und Demokratisierung die langfristige politische Stabilität und wirtschaftliche

Entwicklung Zentralasiens stützen. Menschenrechtsfragen wurden daher gegenüber jedem

einzelnen zentralasiatischen Staat auf unterschiedlichem Wege zur Sprache gebracht, auch auf der

Ministertagung EU-Zentralasien am 7. April 2010 in Taschkent (Usbekistan).

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 141
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Drucksache 17/10899 – 156 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ihrer Strategie entsprechend hat die EU strukturierte Menschenrechtsdialoge mit allen Ländern der

Region aufgenommen. Diese gestalteten sich teilweise schwierig, ermöglichten aber Gespräche

über alle wichtigen Fragen, einschließlich Einzelfällen. Generell bestand Interesse daran zu

sondieren, inwieweit eine praktische Zusammenarbeit möglich ist, bei der die EU ihre Erfahrungen

mit der Behandlung von Menschenrechts- und Demokratiefragen weitergibt. Die Dialoge werden in

enger Konsultation mit der lokalen und internationalen Zivilgesellschaft vorbereitet. Beiträge der

Zivilgesellschaft wurden auch über Seminare eingeholt, die die EU mit vier zentralasiatischen

Ländern veranstaltete27. Bei diesen Seminaren wurden internationale Standards, bewährte

europäische Vorgehensweisen sowie einzelstaatliche Gesetze und ihre praktische Anwendung

behandelt. Zudem bestand Gelegenheit zu einem Meinungsaustausch zwischen europäischen und

zentralasiatischen Vertretern der Zivilgesellschaft, Akademikern und Staatsbediensteten. Dabei

wurden in der Regel abschließend ausführliche Empfehlungen darüber ausgearbeitet, welche

Gesetzesänderungen und praktischen Änderungen vorgenommen werden müssen, um eine

uneingeschränkte Einhaltung der internationalen und nationalen Standards zu gewährleisten; diese

Empfehlungen wurden anschließend Vertretern der Behörden vorgelegt. Weitergeführt wurden die

Dialoge und Seminare durch Kontakte zwischen den nationalen Regierungen und den EU-

Delegationen sowie durch die Finanzierung von Projekten, u.a. im Rahmen des Europäischen

Instruments für Demokratie und Menschenrechte.

Überdies wurden mit den zentralasiatischen Staaten auf nationaler Ebene bilaterale Kooperations-

programme und -vorhaben mit direkter Bedeutung für die Menschenrechte entwickelt. Die EU hat

insbesondere die Reform der Justiz- und Strafvollzugssysteme sowie die Sensibilisierung für die

Menschenrechte und den Kapazitätsaufbau unterstützt. Entsprechend der Strategie wurden die

Maßnahmen im Rahmen der regionalen Rechtsstaatlichkeitsinitiative für Zentralasien auch 2010

fortgesetzt28.

Die EU hat Menschenrechtsfragen weiterhin in ihrem politischen Dialog mit den Ländern der

Region, insbesondere auf den Tagungen ihrer Kooperationsräte und -ausschüsse, sowie in anderen

Gremien zur Sprache gebracht. Zu Menschenrechtsfragen, die Anlass zu Besorgnis gaben, wurde

eine Reihe von bilateralen Demarchen in den Ländern der Region unternommen.
27 http://eeas.europa.eu/human_rights/dialogues/civil_society
28 http://eeas.europa.eu/central_asia/docs/factsheet_law_en.pdf
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 142
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 157 – Drucksache 17/10899

Einen Beitrag zur Verwirklichung der EU-Menschenrechtspolitik zu leisten, ist Teil des Mandats

des EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien, Pierre Morel, der bei seinen Besuchen in der Region

und bei seinen bilateralen Kontakten immer wieder Menschenrechtsfragen angesprochen hat. Es

gelang dem EUSR, die Botschaften der EU den höchsten politischen Führungskreisen in der Region

zukommen zu lassen, einschließlich Präsidenten, Premierministern und Außenministern.

Im Wege des Dialogs und gemeinsamer Projekte pflegte die EU eine enge Zusammenarbeit mit der

OSZE, dem Europarat, den VN und dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für

Menschenrechte, insbesondere mit seinem regionalen Büro in Bischkek.

5.3.3 Kasachstan
Die EU hat beständig an die Regierung Kasachstans appelliert, weitere politische Reformen

durchzuführen, insbesondere im Hinblick auf die Versammlungsfreiheit, die Weltanschauungs-

freiheit, die Rolle der Zivilgesellschaft und der nichtstaatlichen Organisationen, die Situation der

politischen Opposition sowie die Medienfreiheit. Das dritte Treffen im Rahmen des Menschen-

rechtsdialogs EU-Kasachstan fand am 14. Dezember 2010 in Astana statt. Auf der 11. Tagung des

Kooperationsrates EU-Kasachstan im November 2009 wurde der gemeinsame Beschluss betont, die

Beziehungen zwischen der EU und Kasachstan durch die Aushandlung eines neuen Partnerschafts-

und Kooperationsabkommens aufzuwerten. In der vom Kooperationsrat gebilligten Gemeinsamen

Erklärung wurde hervorgehoben, dass engere und intensivere bilaterale Beziehungen Hand in Hand

gehen müssen mit einem Bekenntnis zu den gemeinsamen Werten von Demokratie, Rechts-

staatlichkeit und Achtung der Menschenrechte. Außerdem hat die EU-Delegation in Kasachstan

jeden Monat dreiseitige Treffen abgehalten, an denen die nationalen Behörden und örtliche

nichtstaatliche Organisationen teilnahmen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 143
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Drucksache 17/10899 – 158 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.3.4 Kirgisische Republik
Die EU hat die 11. Tagung des Kooperationsrates am 23. Februar 2010 genutzt, um ihre Sorge über

die Entwicklungen in der Kirgisischen Republik, insbesondere im Bereich der Medien- und

Versammlungsfreiheit, zum Ausdruck zu bringen. Sie hat die kirgisische Regierung nachdrücklich

aufgefordert, die Menschenrechtslage zu verbessern, insbesondere indem sie die willkürlichen

Verhaftungen im Süden des Landes beendet, gegen das Fehlen geeigneter Verfahrensregeln vorgeht

und den Druck auf Richter und Strafverteidiger mindert. Im Anschluss an die letzte Runde des

Menschenrechtsdialogs EU-Kirigisische Republik vom 13. Oktober 2009 in Brüssel bekundete die

EU weiter ihre Besorgnis über die Zahl der Angriffe auf politisch aktive kirgisische Journalisten

und andere Menschenrechtsverteidiger, darunter Asimschan Askarow. Sie hat begrüßt, dass die

Kirgisische Republik das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der VN gegen Folter und andere

grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert hat.

Nach dem Regimewechsel im April 2010 wurde in einer Volksabstimmung eine neue Verfassung

mit einem halbparlamentarischen Regierungssystem angenommen. Die Parlamentswahlen vom

Oktober 2010 wurden weithin als der erste wirkliche auf Wahlwettstreit seit Erlangung der

Unabhängigkeit bewertet. Am 15. Dezember 2010 wurde eine neue Koalitionsregierung gebildet,

der drei Parteien angehören.

Andererseits führte die durch den gewaltsamen Regimewechsel in der Kirgisischen Republik

erzeugte Instabilität im Juni zu einer Welle von äußerst schwerer interethnischer Gewalt, bei der

Hunderte von Menschen starben und Tausende aus ihren Häusern vertrieben wurden, wobei es nach

wie vor zu sporadischen Zwischenfällen kommt. Trotz ihrer Verpflichtung, die Menschenrechte zu

wahren, war die neue Regierung nicht in der Lage, diese Gewalt zu verhindern, und es wurde

ständig berichtet über die Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern, Missbrauch durch

Strafverfolgungsbeamte, Diskriminierung der usbekischen Bevölkerungsminderheit und unzu-

reichende Durchsetzung des Rechts auf ein faires Verfahren.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159 – Drucksache 17/10899

Die EU bekundete ihre Unterstützung für die Einführung eines demokratischen Verfassungs-

rahmens und der Rechtsstaatlichkeit im Land und forderte die kirgisische Regierung nachdrücklich

auf, die interethnische Aussöhnung zu fördern und die Menschenrechtslage zu verbessern. Die

Reform des Justizsystems, Maßnahmen der Konfliktverhütung und die Förderung der Aussöhnung

zwischen den Bevölkerungsgruppen sind Teil der laufenden und der geplanten EU-Unterstützung

für das Land.

5.3.5 Tadschikistan
Menschenrechtsfragen wurden auf der ersten Tagung des Kooperationsrates EU-Tadschikistan am

13. Dezember 2010 in Brüssel erörtert. Die EU hat betont, dass die Menschenrechte und die

Grundfreiheiten, einschließlich Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit, wesentliche Elemente in

den bilateralen Beziehungen zu Tadschikistan darstellen. Die zweite Ministerkonferenz EU-

Zentralasien zum Thema Rechtsstaatlichkeit fand am 14. und 15. Juni 2010 in Duschanbe statt. Auf

dieser Konferenz wurden u.a. Fragen in Verbindung mit dem Recht auf ein faires Verfahren und der

Unabhängigkeit der Justiz in Tadschikistan behandelt. Das Seminar der Zivilgesellschaft EU-

Zentralasien zu den Menschenrechten von Frauen fand vom 21. bis 24. Juni 2010 in Brüssel statt.

An ihm nahm eine Gruppe von Vertretern der Zivilgesellschaft aus Tadschikistan teil, die ihre

Ansichten zu Themen wie häuslicher Gewalt, Zugang von Frauen zu Bildung und Ressourcen oder

der Stellung von Frauen in Konflikten darlegten.

5.3.6 Turkmenistan
Die EU hat die Menschenrechtslage in Turkmenistan weiter aufmerksam verfolgt und dement-

sprechend im Rahmen ihres bilateralen Dialogs, einschließlich des Menschenrechtsdialogs EU-

Turkmenistan, ihre anhaltende Besorgnis über verschiedene Probleme zum Ausdruck gebracht.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 145
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Drucksache 17/10899 – 160 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Rahmen des regulären Treffens EU-Zentralasien auf Ebene der Außenminister fand am 28. April

2010 ein bilaterales Treffen mit Turkmenistan statt. Die EU hat bei dieser Gelegenheit

Turkmenistan aufgefordert, effektive Schritte zur Umsetzung verschiedener angekündigter Reform-

maßnahmen einzuleiten, u. a. der Pläne für Gesetzesänderungen betreffend das Justizsystem und die

Massenmedien, der Pläne zur Reform des Strafvollzugssystems und der in Aussicht genommenen

Einführung eines Mehrparteiensystems. Die EU äußerte die Hoffnung, dass die letztgenannte

Maßnahme mit weiteren Gesetzesänderungen einhergeht, darunter die Annahme eines Gesetzes

über die politischen Parteien und die Versammlungsfreiheit. Die EU nahm Kenntnis von der Ein-

willigung der Regierung, den VN-Sonderberichterstatter über das Recht auf Bildung einzuladen,

und empfahl der turkmenischen Regierung nachdrücklich, ähnliche Einladungen auch für andere

Sonderverfahren der VN auszusprechen, in deren Rahmen um Einreise in das Land gebeten worden

war. Die EU erinnerte daran, dass das Inkrafttreten des Interimshandelsabkommens EU-

Turkmenistan mit einem nachdrücklichen Aufruf zu Fortschritten bei bestimmten kritischen

Menschenrechtsfragen einhergeht. In diesem Zusammenhang hat das Europäische Parlament

gefordert, aufgrund ihrer politischen Anschauungen inhaftierte Personen bedingungslos frei-

zulassen, alle Hindernisse für die Reisefreiheit und den freien Zugang von unabhängigen

Beobachtern, einschließlich des Internationalen Roten Kreuzes, zu beseitigen, die bürgerlichen

Freiheiten, auch für nichtstaatliche Organisationen, zu verbessern und auf allen Ebenen und in allen

Bereichen der Verwaltung Reformen durchzuführen.

Vertreter der EU und Turkmenistans sind am 18. Juni 2010 in Aschchabad zu ihrer dritten Sitzung

im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zusammengetroffen. Die EU brachte die Menschenrechts-

lage in Turkmenistan zur Sprache, wobei sie das Funktionieren der Zivilgesellschaft, die Medien-,

Meinungs- und Religionsfreiheit sowie die Bewegungsfreiheit bzw. die Zwangsumsiedlung und die

Justizreform in den Vordergrund rückte. Sie äußerte insbesondere Bedenken im Hinblick auf die

Unabhängigkeit der Justiz, die freie Meinungsäußerung, die Vereinigungs- und Versammlungs-

freiheit sowie die Bedingungen in den Gefängnissen und Folter. Bei dem Dialog im Juni hat die

turkmenische Seite von der EU eine Liste einzelner Menschenrechtsfälle entgegengenommen und

eine schriftliche Antwort zugesagt; zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts war diese jedoch

noch nicht eingegangen.

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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 161 – Drucksache 17/10899

5.3.7 Usbekistan
Die vierte Runde des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Usbekistan fand am

5. Mai 2010 im Rahmen des Unterausschusses für Justiz und Inneres, Menschenrechte und ver-

wandte Fragen statt. Dabei brachte die EU verschiedene Einzelfälle sowie ein breites Spektrum von

Anliegen in Bezug auf die Menschenrechtslage in Usbekistan zur Sprache, darunter die Meinungs-

freiheit, die Haftbedingungen und der Zugang zu den Gefängnissen, die Religionsfreiheit, die

Entwicklung der Zivilgesellschaft und die Justizreform. In diesem Zusammenhang thematisierte die

EU auch eine Zusammenarbeit mit dem Sonderberichterstatter über Folter und die Einladung einer

IAO-Kommission, damit diese die Fortschritte bei der Umsetzung der IAO-Übereinkommen 138

und 182 gegen Kinderarbeit überprüfen kann.

Usbekistan bekundete Interesse an Kooperationsprogrammen mit der EU zu mehreren der erörterten

Themen, darunter die Justizreform, die Behandlung von zu lebenslangen bzw. langjährigen Haft-

strafen Verurteilten nach Abschaffung der Todesstrafe, die Verwirklichung des Habeas-Corpus-

Grundsatzes, die Verbesserung der Haftbedingungen, die Anwendung der internationalen

Menschenrechtsnormen durch die Gerichte, die Tätigkeit des Bürgerbeauftragen und die

Empfehlungen im Rahmen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung.

Der EU ist sehr daran gelegen, die Menschenrechtslage in Usbekistan ständig genau zu beobachten,

und sie hat auf der Ministertagung EU-Zentralasien am 28. April 2010 gegenüber Usbekistan ein

breites Spektrum von Bedenken zur Sprache gebracht. Anlässlich der Tagung des Kooperations-

ausschusses am 1. Juli hat Usbekistan die Bedeutung seines strukturierten Menschenrechtsdialogs

mit der EU anerkannt.

Usbekistan hat 2010 zwei Berichte vorgelegt (zur Frauenrechtskonvention und zum Internationalen

Pakt über bürgerliche und politische Rechte) und an zwei weiteren gearbeitet (zur Kinderrechts-

konvention und zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Nach

Angaben der usbekischen Regierung hat das IKRK 2010 mehr als 30 Besuche in Usbekistan

durchgeführt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 147
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Drucksache 17/10899 – 162 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dennoch hat die EU ihre anhaltende Besorgnis über die Menschenrechtslage in Usbekistan geäußert

und Usbekistan aufgefordert, alle inhaftierten Menschenrechtsverteidiger und Gefangenen aus

Gewissensgründen freizulassen, die nichtstaatlichen Organisationen überall im Lande ungehindert

arbeiten zu lassen, uneingeschränkt mit allen VN-Sonderberichterstattern zusammenzuarbeiten,

Meinungs- und Medienfreiheit zu gewährleisten und die Übereinkünfte gegen Kinderarbeit

umzusetzen.

5.4 Afrika

5.4.1 Afrikanische Union
Der 2008 eingeleitete Menschenrechtsdialog AU-EU bildete weiterhin ein wichtiges Forum für den

Austausch über die jeweiligen Bemühungen zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten.

Im Jahr 2010 fanden zwei Treffen statt (in Brüssel und in Addis Abeba), in deren Mittelpunkt die

Zusammenarbeit von AU und EU bei den Vereinten Nationen, einschließlich im Menschenrechts-

rat, sowie Themen wie die Todesstrafe, die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, die Menschen-

rechte von Frauen und die Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates über Frauen und Frieden und

Sicherheit, das Recht auf Entwicklung, die Bekämpfung von Diskriminierung (einschließlich von

Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen) sowie die Rechte von Migranten,

Asylbewerbern und Flüchtlingen standen.

Das zweite Menschenrechtsseminar der Zivilgesellschaft von AU und EU fand am 18. und

19. Oktober 2010 in Addis Abeba statt. Es wurden Empfehlungen zu zwei wichtigen Bereichen

abgegeben: zur Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates über Frauen und Frieden und Sicherheit

und zu den Menschenrechten von Migranten und Flüchtlingen. Als Ergebnis dessen sind EU und

AU während des Menschenrechtsdialogs übereingekommen, auf die Empfehlungen der Zivil-

gesellschaft einzugehen, u.a. mittels Veranstaltung von gemeinsamen Runden Tischen zwecks

Austausch von Meinungen und bewährten Verfahren in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte

von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern in Afrika und in der EU und zwecks Analyse und

Austausch von bewährten Verfahren zur Umsetzung der Resolution 1325 in Afrika und in der EU.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 148
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 163 – Drucksache 17/10899

Als Ausdruck ihrer gemeinsamen Bemühungen haben die EU und die AU am 26. Juni 2010 eine

Gemeinsame Erklärung zum Internationalen Tag der Vereinten Nationen zur Unterstützung von

Folteropfern verabschiedet. In dieser Erklärung haben sie auf die Resolution 64/153 der General-

versammlung der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 2009 sowie auf die Resolution 13/L.19

des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen vom 26. März 2010 verwiesen und bekräftigt, dass

die Staaten dauerhafte, entschlossene und effiziente Maßnahmen ergreifen müssen, um jede Form

der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlungen oder Strafen

zu verhindern und zu bekämpfen. Ferner appellierten sie an alle Staaten, die dies bislang noch nicht

getan haben, dem Internationalen Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmensch-

liche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und dem dazugehörigen Fakultativprotokoll bei-

zutreten und anzuerkennen, dass der Ausschuss gegen Folter befugt ist, individuelle Mitteilungen

entgegenzunehmen und zu prüfen.

Als Höhepunkt der Arbeit im Rahmen der Gemeinsamen Strategie Afrika-EU und speziell der

Partnerschaft für demokratische Staatsführung und Menschenrechte wurde am 12. November 2010

die Plattform Afrika-EU für den Dialog über Staatsführung und Menschenrechte ins Leben gerufen.

Diese Plattform bietet einen offenen, umfassenden und informellen Raum für Dialog, der die

Ausarbeitung gemeinsamer Governance-Programme und -Empfehlungen zu Fragen wie wirtschafts-

politischer Steuerung und regionaler Integration ermöglichen soll, die entscheidend für die

Korruptionsbekämpfung und die Steigerung des Wirtschaftswachstums sind. Sie wird auch Beiträge

für den politischen Dialog zwischen beiden Kontinenten liefern und eine bessere Unterstützung der

EU für afrikanische Governance-Initiativen wie den Afrikanischen Peer-Review-Mechanismus

(APRM) und die Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und Staatsführung ermöglichen.

Neben dem Menschenrechtsdialog AU-EU bieten die politischen Dialoge nach Artikel 8 des

Cotonou-Abkommens die Möglichkeit, Menschenrechtsbelange direkt mit den nationalen

Regierungen der afrikanischen Partnerländer zu behandeln. Spezifische Menschenrechtsdialoge

fanden 2010 mit Nigeria und Südafrika statt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 149
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Drucksache 17/10899 – 164 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.2 Angola

Angolas neue Verfassung, die im Februar 2010 in Kraft getreten ist, enthält solide Garantien für die
Grundrechte und Grundfreiheiten wie die Presse-, die Religions- und die Versammlungsfreiheit, die
Stellung und den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft, den Schutz der wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Rechte, die Gleichstellung der Geschlechter, die Förderung und den Schutz
der Kinder und das Arbeitsumfeld von Menschenrechtsverteidigern. Zugleich hat die Regierung ein
Staatssekretariat für Menschenrechte eingerichtet, das direkt dem Präsidenten untersteht und den
Auftrag hat, die Umsetzung der nationalen und internationalen Rechtsvorschriften für den Schutz
und die Förderung der Menschenrechte zu überwachen. Außerdem wurde eine bereichsüber-
greifende Kommission zur Erstellung von Menschenrechtsberichten eingesetzt.

Angesichts der allgemeinen Reduzierung der Geberunterstützung für Angola (aufgrund seiner
Ölvorräte) und der Schließung des OHCHR-Büros im Jahr 2008 ist die Unterstützung der EU für
viele Organisationen der Zivilgesellschaft das einzige zuverlässige Mittel für die Durchführung
ihrer Menschenrechtsbemühungen. Das EIDHR ist das größte Einzelprogramm, das die Akteure der
Zivilgesellschaft in Angola unterstützt. Als markanteste Probleme sehen diese Organisationen den
Zugang zur Justiz, die politische Teilhabe, den Schutz der Menschenrechte bei Zwangsent-
eignungen und die Kontrolle der illegalen Migration. Was die programmierte Hilfe anbelangt, so
stellt das Nationale Indikativprogramm im Rahmen des 10. EEF auf folgende Schwerpunkte ab:
institutionelle Unterstützung und Kapazitätsaufbau im Justizsystem; verbesserte Regelungs-
strukturen für den öffentlichen Sektor auf zentraler und lokaler Ebene; verbesserter Zugang zu
grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen; bessere soziale und wirtschaftliche Integration in den
ländlichen Gebieten und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen (2012) arbeiten die EU und das UNDP
zusammen, um die Konsolidierung der demokratischen Kultur und der Institutionen durch den
Ausbau der Kapazitäten der Wahlbeobachtungsgremien und durch Unterstützung für die
Bedürfnisse der Zivilgesellschaft zu fördern.

Der Dialog nach Artikel 8 des Cotonou-Abkommens wurde nicht sehr aktiv geführt, aber Angola
und die EU sind bestrebt, ihre Beziehungen auf ein neues Niveau der politischen Zusammenarbeit
zu heben. Im Rahmen eines neuen Prozesses des "Gemeinsamen Vorangehens" (Joint-Way
Forward-JWF) soll für die Förderung der demokratischen Staatsführung, der Menschenrechte und
der Grundfreiheiten und für die Bekämpfung der Korruption auf regionaler und globaler Ebene
gesorgt werden.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 150
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165 – Drucksache 17/10899

5.4.3 Burundi
Die EU verfolgte die Menschenrechtslage in Burundi auch im Jahr 2010 mit Besorgnis. 2010 war

ein Wahljahr mit Parlaments-, Präsidentschafts- und Kommunalwahlen. Die Wahlen wurden von

verschiedenen Beobachtern und der EU-Wahlbeobachtungsmission (EU EOM) als gerecht und den

internationalen Standards entsprechend bewertet.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 151
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Drucksache 17/10899 – 166 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Wahltage verliefen ruhig. Nach Angaben der EU EOM gab es während der Kampagne zu den

Parlamentswahlen weniger Granatenangriffe (die sich vor und nach den Präsidentschaftswahlen

ereignet hatten, die von der Opposition boykottiert worden waren), jedoch kam es zu zahlreichen

Festnahmen und gezielten Ermordungen. Die EU EOM verzeichnete eine Zunahme von

Verletzungen der Versammlungsfreiheit, der Demonstrationsfreiheit und der Freiheit der politischen

Meinungsäußerung sowie mehrere Festnahmen von führenden Mitarbeitern und Mitgliedern der

Opposition durch die Polizei und den nationalen Geheimdienst. Die Hohe Vertreterin und das

Kommissionsmitglied für Entwicklung haben zwei Erklärungen zu den Wahlen abgegeben, in

denen sie alle Parteien zum Dialog und zur Mäßigung aufriefen.

5.4.4 Tschad
In einem Kontext zunehmender Stabilität nach den politischen Unruhen im Jahr 2008, als Rebellen

die Sicherheit des Landes gefährdeten, wurde der Staat durch das von der EU finanzierte Programm

PARSET bei der Vorbereitung der Wahlen 2011 unterstützt. Aus diesem Programm wurden eine

landesweite Volkszählung, staatsbürgerliche Bildung für die breite Bevölkerung und die

Gewinnung von Frauen und jungen Menschen für das politische Leben des Landes finanziert.

Ferner hat das Programm die Nationale Unabhängige Wahlkommission bei den Vorbereitungs-

arbeiten für die demokratische Wahl der Nationalversammlung unterstützt.

Um gegen das Problem der weitverbreiteten Straflosigkeit im Land vorzugehen, hat die EU ferner

zusammen mit der tschadischen Regierung zwei umfangreiche Programme für die Reform der

internen Sicherheitskräfte (PAFSI) und des Justizsystems (PRAJUST) mitfinanziert. Das erste

Programm, mit dessen Durchführung 2011 begonnen wird, zielt auf die Umgestaltung der

Sicherheitskräfte zu einem bürgernahen Dienst ab. Ziel des zweiten Programms ist es, die

Kapazitäten aller Akteure des Justizsystems (Richter, Strafvollzugsbeamte, Kriminalpolizei,

kriminaltechnischer Dienst usw.) im Hinblick auf Infrastruktur, Ausrüstung und Kompetenzen zu

stärken, um so ein professionelleres und leistungsfähigeres Justizsystem zu erreichen, in dem die

Menschenrechtsprinzipien und -praktiken geachtet werden. Durch PRAJUST wurden auch von

Vereinigungen der Zivilgesellschaft betriebene Programme für Prozesskostenhilfe unterstützt, mit

denen der Zugang von schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen zur Justiz verbessert werden soll.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 152
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 167 – Drucksache 17/10899

Da Tschad ein von Armut betroffenes Land ist, wurden diese großen Programme durch Mittel aus

der EU-Haushaltslinie "Nichtstaatliche Akteure/Lokale Behörden" für Vereinigungen ergänzt, die

Programme für einen besseren Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur in ver-

schiedenen Teilen des Landes durchführen. Ein spezielles Programm des EEF für den Osten des

Landes hat dazu beigetragen, die besonderen Probleme dieser Region anzugehen, in der Flüchtlinge

aus Darfur und der Zentralafrikanischen Republik vorübergehend Aufnahme gefunden haben und

wo infolge der Sicherheitsbedrohungen durch Rebellengruppen an den Landesgrenzen nach wie vor

zahlreiche Tschader als Binnenvertriebene leben. Dieses Programm trägt dazu bei, den Zugang zur

Gesundheitsversorgung (Wiederaufbau eines Krankenhauses und verschiedener Gesundheits-

zentren) und zur Justiz (Bau eines Gerichts im Jahr 2011) zu verbessern und die Lebensgrundlage

sowie die wirtschaftliche Eigenständigkeit zu verbessern. Um den Schutz der örtlichen

Bevölkerung, der Binnenvertriebenen und der Flüchtlinge in der Region zu gewährleisten,

unterstützte die EU die von der VN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik und in Tschad

(MINURCAT) eingesetzte zivile Sondereinheit "Détachement Intégré de Sécurité" (DIS). Diese

Einheit dient dem Schutz der fest und den vorübergehend ansässigen Bevölkerungsgruppen sowie

der humanitären Präsenz in dieser Region. Sie soll ausgehend von einer neuen Konzeption für die

Sicherheitskräfte in Tschad, die auf die Achtung der Menschenrechte und vor allem auf

Geschlechtergleichheit und Geschlechtergerechtigkeit abstellt, diesen besonders schutzbedürftigen

Bevölkerungsgruppen Unterstützung leisten.

Die EU hat die Arbeit der Untersuchungskommission zu den Vorfällen von 2008 und insbesondere

zu dem Verschwinden des Oppositionspolitikers Ibni Oumar Mahmat Saleh aufmerksam verfolgt.

Infolge der Verbesserung der Sicherheitslage und der anlässlich des 50. Jahrestags der

Unabhängigkeit gewährten Amnestie konnten viele Kinder (etwa 1000), die bewaffneten Gruppen

angehört hatten, mithilfe von Programmen von UNICEF und IKRK in die Gesellschaft reintegriert

werden. Im Juni sind Regierungsvertreter aus Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, Niger,

Nigeria, Sudan und Tschad in N'Djamena zu einer regionalen Konferenz über Kindersoldaten

zusammengekommen, um regionale Strategien für die Beendigung dieser Praxis zu entwickeln.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 153
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Drucksache 17/10899 – 168 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Alle diese Bemühungen um die Verbesserung der Menschenrechtslage auf regionaler, nationaler

und lokaler Ebene wurden durch Mittel von ECHO ergänzt; womit der Lebensunterhalt der

schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen in der Sahel-Region des Landes, wo die Unterernährung

am stärksten grassiert, und der Zugang zu grundlegenden Rechten wie Gesundheitsversorgung,

Bildung und Wohnungen für Flüchtlinge und Vertriebene unterstützt wurden.

5.4.5 Côte d'Ivoire
Im Jahr 2010 behandelte die EU Fragen des Schutzes und der Förderung der Menschenrechte in

Côte d'Ivoire im Rahmen ihres politischen Dialogs auf hoher Ebene mit der nationalen Regierung,

und die Entwicklungszusammenarbeit zielte darauf ab, einerseits die Kapazitäten der staatlichen

Behörden zum Schutz der Menschenrechte auszubauen und andererseits die Möglichkeiten der

Gesellschaft, die Achtung der Menschenrechte einzufordern, zu erweitern.

Die EU setzt sich entschieden für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sowie für die Achtung der

Menschenrechte im Allgemeinen und für die politisierte Frage der Einbürgerung von Langzeit-

migranten im Besonderen ein. Sie wird weiterhin die Aufmerksamkeit auf dieses politische Problem

lenken, um die Rechte von Nicht-Ivorern zu verbessern, die aufgrund ihres begrenzten Zugangs zu

Beschäftigung, Grund und Boden und zur Staatsangehörigkeit besonders schutzbedürftig sind.

Die EU hat 2010 ein umfassendes Projekt zur Justizreform entwickelt, mit dem ab 2011

Straflosigkeit und Korruption verringert und der Zugang zur Justiz verbessert werden sollen. Es

schließt die Bereitstellung von Prozesskostenhilfe für Frauen, Minderjährige und Langzeithäftlinge

ein. Im Hinblick auf das Strafvollzugssystem hat sich die EU zudem dafür eingesetzt, dass die

Rechte der Gefängnisinsassen verbessert werden, indem Abhilfe bei den furchtbaren

Lebensbedingungen in den Gefängnissen geschaffen wird (einschließlich eines besseren Zugangs zu

Wasser, sanitären Einrichtungen und Ernährung).

Die EU hat die nationalen Behörden bei der Umsetzung des Gesetzes über Grund und Boden

unterstützt, um gegen das besonders in der westlichen Region vorherrschende Problem der

Landkonflikte vorzugehen. Außerdem wurde eine umfassende Unterstützung für die Stärkung des

sozialen Zusammenhalts und der Streitbeilegung beschlossen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 154
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 169 – Drucksache 17/10899

Die EU hat die Reform des Standesamtswesens unterstützt, das den allgemeinen Rahmen für den

Schutz der bürgerlichen und politischen Rechte bildet. Außerdem leistete die EU finanzielle und

technische Unterstützung für den Wahlprozess, u.a. für die politische Bildung und die Beobachtung

der Rolle der Zivilgesellschaft. Sie setzte sich ferner für die Stärkung der Unabhängigkeit lokaler

Rundfunksender ein, um die Meinungsfreiheit zu verbessern.

Auch für die Stärkung des Engagements für Menschen mit Behinderungen, die sozial marginalisiert

und praktisch ihrer Rechtsansprüche und sozialen Rechte beraubt sind, wurde Unterstützung bereit-

gestellt. Zudem hat die EU eine Studie über das Problem der Kinderarbeit in Côte d'Ivoire

erarbeitet.

Ende 2010 sind die Spannungen und die Krise, die seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen

vom November 2008 bestehen, erneut aufgeflammt. Die EU hat humanitäre Hilfe bereitgestellt, um

die Grundrechte der Flüchtlinge und Vertriebenen zu wahren, und das Europäische Instrument für

Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) wurde zur Verbesserung der Menschenrechtslage vor

Ort aktiviert.

Der Konflikt im Anschluss an die Wahlen hat zu schweren Menschenrechtsverletzungen geführt,

die vorrangig anzugehen sind, um wieder Vertrauen aufzubauen und den Frieden zu bewahren. Ein

umfassendes Vorgehen wird voraussichtlich eine Reform des Sicherheitssektors einschließen, da

Angehörige der Sicherheitskräfte oft an Menschenrechtsübertretungen beteiligt sind.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 155
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Drucksache 17/10899 – 170 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.6 Demokratische Republik Kongo
Die EU hat die Menschenrechtslage in der DR Kongo weiter aufmerksam beobachtet und regel-

mäßig ihre Besorgnis über Menschenrechtsverletzungen geäußert. Dies geschah beispielsweise

anlässlich der Ermordung des Menschenrechtsaktivisten Floribert Chebeya im Juni, als die EU in

einer Erklärung die kongolesischen Behörden zu einer objektiven und transparenten Untersuchung

der Todesumstände aufforderte. Die Hohe Vertreterin brachte ihre Solidarität mit allen kongo-

lesischen Menschenrechtsverteidigern zum Ausdruck. Inzwischen ist die Untersuchung abge-

schlossen, und in Kinshasa wurde ein Verfahren eröffnet; die EU hat die Verhandlungen aktiv

verfolgt.

Ferner unternahm die EU verschiedene Demarchen hinsichtlich des Schutzes von Menschenrechts-

verteidigern sowie der Rechte von Minderheiten (LGBT). Wann immer erforderlich erfolgten

weitere Demarchen gegenüber den zuständigen nationalen Behörden. Außerdem hat die EU ihren

lokalen Aktionsplan zur Umsetzung der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern

aktualisiert.

Geschlechtsbezogene und sexuelle Gewalt in der DR Kongo geben der EU nach wie vor Anlass zu

Besorgnis; so wurden in einer gemeinsamen Erklärung der Hohen Vertreterin und des für

Entwicklung zuständigen Kommissionsmitglieds die Überfälle und die sexuelle Gewalt verurteilt,

die von der FDLR und anderen Gruppen im August in Nordkivu verübt worden waren. Sie

forderten die kongolesischen Behörden auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu verbessern, gegen

Straflosigkeit vorzugehen und die Verwirklichung der nationalen Strategie für den Kampf gegen

sexuelle Gewalt zu beschleunigen. Die beiden GSVP-Missionen der EU - EUSEC und EUPOL -

erhielten mehr Fachpersonal und wurden stärker auf sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten

ausgerichtet.

Die EU beobachtete die gesetzlichen Entwicklungen, insbesondere in Bezug auf die Folgemaß-

nahmen zu dem VN-Bericht über die Bestandsaufnahme der Menschenrechtsverletzungen. Sie

unterstützte auch weiterhin eine verantwortungsvolle Staatsführung, einschließlich der Festigung

der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Reform des Sicherheitssektors. Das Europäische

Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDH) wurde in der DR Kongo weiterhin für

verschiedene Projekte in Anspruch genommen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 156
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 171 – Drucksache 17/10899

In den internationalen Gremien unterstützte die EU weiter den Internationalen Strafgerichtshof in

Bezug auf die anhängigen kongolesischen Rechtssachen. Im VN-Menschenrechtsrat setzte sich die

EU aktiv dafür ein, dass die Menschenrechtslage in der DR Kongo und das weitere Vorgehen nach

der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung des Landes im Jahr 2009 behandelt wurden.

5.4.7 Eritrea
Die EU war weiterhin sehr besorgt über die andauernde Verletzung der Menschenrechts-

verpflichtungen nach nationalem und internationalem Recht. Sie rief die Regierung Eritreas

nachdrücklich zur bedingungslosen Freilassung aller politischen Gefangenen auf. Im September

2010 wurde eine entsprechende Erklärung der EU abgegeben. Insbesondere wurde auf die "G11"

aufmerksam gemacht - eine Gruppe von hochrangigen Regierungsbeamten, die seit 2001

willkürlich gefangen gehalten werden und deren Rechte aberkannt wurden, nachdem sie Präsident

Isaias Afwerki offen kritisiert hatten.

Auch das Schicksal von inhaftierten Journalisten und Personen, die aufgrund ihrer politischen und

religiösen Anschauungen verhaftet worden waren, gab Anlass zu großer Besorgnis. Während des

politischen Dialogs über Menschenrechte am 14. September 2010 in Asmara appellierte die EU an

die eritreische Regierung, Dawit Isaak, einen Journalisten mit doppelter - eritreisch-schwedischer -

Staatsangehörigkeit, der seit 2001 in Isolationshaft gehalten wird, sowie alle anderen inhaftierten

Journalisten freizulassen und Informationen über sie und Zugang zu ihnen zu gewähren.

Die Religionsfreiheit bleibt ebenfalls ein Problembereich; die EU hat ihre Besorgnis wegen

Übergriffen gegen nicht staatlich anerkannte religiöse Gruppen in Eritrea zum Ausdruck gebracht

und Zugang zu dem ehemaligen Patriarchen der Eritreisch-Orthodoxen Kirche verlangt, der 2007

abgesetzt worden war.

Die EU unterstützte ferner mehrere Projektaktivitäten zur Förderung der Menschenrechte,

insbesondere in Bezug auf den Zugang zu Informationen über die Menschenrechte und die Rechte

von Frauen und Kindern. Es wurden 10 000 Broschüren über die Rechte des Kindes verteilt und

1 500 Lehrer geschult. Mit Unterstützung der EU wurden Sensibilisierungsmaßnahmen gegen die

Genitalverstümmelung von Frauen unternommen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 157
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Drucksache 17/10899 – 172 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.8 Äthiopien
Eine Wahlbeobachtungsmission der EU (EU EOM) beobachtete die nationalen Wahlen vom Mai

2010 und kam zu dem Schluss, dass die Wahlen zwar gut organisiert waren und friedlich verlaufen

sind, der Prozess aber vor allem hinsichtlich seiner Transparenz und wegen ungleichen Ausgangs-

bedingungen für die an der Wahl teilnehmenden Parteien hinter den internationalen Wahlstandards

zurückgeblieben ist. Im Anschluss an die erste Erklärung des Leiters der Wahlbeobachtungsmission

Thijs Berman (MEP) stellte die Hohe Vertreterin fest, dass diese Wahlen in einem schwierigen

Umfeld stattgefunden haben, und rief alle politischen Akteure in Äthiopien auf, die Gelegenheit zu

nutzen, um Probleme in Angriff zu nehmen und die Demokratie zu stärken29.

Nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts der Wahlbeobachtungsmission gab die EU im

November 2010 eine Erklärung30 ab, in der sie ihr Bedauern darüber äußerte, dass keine Einigung

darüber erzielt werden konnte, dass der Leiter der EU EOM der Regierung in Addis Abeba seinen

Abschlussbericht übergibt, wie dies bei den Wahlbeobachtungsmissionen der EU üblich ist; sie

forderte die äthiopische Regierung auf, Lehren aus dem Bericht zu ziehen und den darin enthaltenen

Empfehlungen Rechnung zu tragen.

Die EU bekräftigte erneut ihre Bereitschaft, die Ziele Äthiopiens hinsichtlich der Beseitigung der

Armut und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zu unterstützen, unterstrich

zugleich aber die Bedeutung, die sie der Förderung der Menschenrechte, der demokratischen

Staatsführung und der Rechtsstaatlichkeit beimisst. Bei allen Kontakten mit der äthiopischen

Regierung brachte sie beständig ihre Bedenken in diesen Fragen zum Ausdruck.
29 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/EN/foraff/114624.pdf
30 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/cfsp/117578.pdf
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 158
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 173 – Drucksache 17/10899

Im Oktober 2010 gab die Hohe Vertreterin eine Erklärung ab, in der sie den Abschluss des vom

Ältestenrat vermittelten traditionellen Gerichtsverfahrens begrüßte, als dessen Ergebnis die

Oppositionsführerin Birtukan Midekssa im Einklang mit dem äthiopischen Gesetz begnadigt

wurde31. Die EU hatte sich stets für ihre Freilassung eingesetzt.

Die EU ist weiterhin besorgt über die Lage der Menschenrechtsverteidiger und die Anwendung des

Gesetzes aus dem Jahr 2009, über die zivilgesellschaftliche Tätigkeit. Sie hat die äthiopische

Regierung aufgefordert, weiter einen offenen Dialog mit allen betroffenen Seiten zu führen, um

sicherzustellen, dass ein gemeinsames Verständnis des Zwecks und des Geltungsbereichs dieses

Gesetzes besteht. Die Organisationen der Zivilgesellschaft sollten weiter eine wichtige Rolle bei der

Förderung einer verantwortungsvollen Staatsführung sowie der Grundrechte und -freiheiten spielen.

5.4.9 Gambia
Die Menschenrechtslage in Gambia blieb trotz einer geringfügigen Besserung im Hinblick auf die

Pressefreiheit weiter besorgniserregend. Als Reaktion auf das Todesurteil gegen acht Personen, des

Versuchs eines Staatsstreichs beschuldigt wurden, erfolgte eine Erklärung des Sprechers der Hohen

Vertreterin. Das Berufungsverfahren läuft noch. Die formellen und informellen Demarchen der EU

und ihrer Mitgliedstaaten haben auch dazu beigetragen, dass Gambia auf eine Ausweitung der

Todesstrafe auf drei weitere Arten von Straftaten, darunter Drogenhandel, verzichtet hat. Gambia

hat seit 1981 kein Todesurteil mehr vollstreckt und im Dezember hat es erstmals in der VN-

Generalversammlung für ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe gestimmt.
31 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/EN/foraff/116917.pdf
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 159
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Drucksache 17/10899 – 174 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.10 Guinea
Im Jahr 2010 ist Guinea auf dem Weg zur Demokratie deutlich vorangekommen, insbesondere

durch die Annahme einer neuen Verfassung im Mai und die Abhaltung der ersten freien, auf einem

Wettstreit von Kandidaten beruhenden Präsidentschaftswahlen in dem Land. Während der Wahl-

kampagne waren Pluralismus und die Achtung der Meinungsfreiheit im Allgemeinen gewährleistet.

Im Vorfeld des zweiten Wahlgangs verschlechterte sich jedoch das politische Klima und es kam zu

Spannungen, die in mehrere gewaltsame Zwischenfälle und Amtsmissbrauch seitens der Sicher-

heitskräfte mündeten. Die EU hat die Abhaltung der Präsidentschaftswahlen finanziell unterstützt

und eine Wahlbeobachtungsmission entsandt.

In Bezug auf den Schutz der Menschenrechte konnten einige wichtige Fortschritte verzeichnet

werden: die bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Umfeld des zweiten Wahlgangs der

Präsidentschaftswahlen festgenommenen Personen wurden freigelassen, die illegalen Gefängnisse

wurden oder werden derzeit geschlossen und die militärischen Sperrmaßnahmen wurden aufge-

hoben. Äußerst problematisch blieb die Situation jedoch hinsichtlich der Gleichheit vor dem Gesetz,

der Rechte von Häftlingen und der Haftbedingungen. Die Kultur der Straflosigkeit, die für Guinea

seit langer Zeit charakteristisch ist, besteht weiter. Die Ermittlungen zu den Gewalttaten vom 28.

September 2009 sind nicht vorangekommen.

Als Reaktion auf die Fortschritte, die Guinea bei seinem politischen Wandel insbesondere mit der

Abhaltung der Präsidentschaftswahlen erzielt hat, nahm die EU nach und nach ihre Entwicklungs-

zusammenarbeit wieder auf, die nach dem Militärputsch vom 23. Dezember 2008 nach Artikel 96

des Cotonou-Abkommens teilweise ausgesetzt worden war. Außerdem hat die EU einen Finanz-

rahmen von 40 Millionen EUR für Sofortmaßnahmen zur Unterstützung des politischen Wandels,

insbesondere in den Bereichen Menschenrechte, Justiz, Reform des Sicherheitssektors und

öffentliche Finanzen, angenommen.

Die gezielten Sanktionen (Visumsperre und Einfrieren von Vermögenswerten) und das

Waffenembargo, die der Rat der EU als Reaktion auf die gewaltsame Unterdrückung und die

schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte anlässlich einer friedlichen

Demonstration am 28. September 2009 erlassen hatte, sind während des gesamten Jahres 2010 in

Kraft geblieben.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 160
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 175 – Drucksache 17/10899

5.4.11 Guinea-Bissau
Die Sicherheitslage in Guinea-Bissau erwies sich 2010 erneut als instabil. Am 1. April fand eine

Meuterei gegen den Generalstabschef statt, in deren Ergebnis dieser rechtswidrig festgenommen

und der Premierminister des Landes kurzzeitig in Haft genommen wurde. Nur wenige Wochen

später wurde der Anführer der Meuterei vom Präsidenten zum neuen Generalstabschef ernannt.

Andere Personen, die mit diesen Ereignissen in Verbindung stehen und die vermutlich auch in

illegalen Drogenhandel verwickelt sind, wurden in hohe Ämter bei den Streitkräften ernannt. Die

EU hat die Meuterei vom 1. April, die Festnahmen und die anschließenden Ernennungen durch

Stellungnahmen, Erklärungen und Demarchen wiederholt scharf kritisiert. Die Kommission, die

diese Ereignisse als eine Verletzung wesentlicher Elemente des Cotonou-Abkommens (Menschen-

rechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit) wertete, hat im Dezember 2010 vorgeschlagen, Guinea-

Bissau zu Konsultationen gemäß Artikel 96 des Cotonou-Abkommens aufzufordern.

Von Mai 2008 bis September 2010 hat eine GSVP-Mission der EU (EUSSR Guinea-Bissau) die

lokalen Behörden bei der Vorbereitung des Rechts- und Verwaltungsrahmens für die Umsetzung

der Nationalen Strategie für die Reform des Sicherheitssektors unterstützt. Nach den

destabilisierenden Ereignissen vom 1. April ist die EU zu der Einschätzung gelangt, dass die

politischen Voraussetzungen für die Entsendung einer neuen Mission nicht gegeben sind, und hat

beschlossen, die EUSSR mit Ablauf ihres Mandats am 30. September 2010 zu beenden.

Im Rahmen des Kapitels "Menschliche und soziale Entwicklung" des Finanzierungsinstruments für

die Entwicklungszusammenarbeit hat die EU 2010 ein Programm für den Schutz, die Rehabilitation

und die Reintegration von Kindern finanziert, die Opfer von Menschenhandel und sexueller Aus-

beutung wurden oder durch diese gefährdet sind. Dieses umfasst die Verhütung und Bekämpfung

von Menschenhandel und Missbrauch sowie psychosoziale Maßnahmen für die soziale und wirt-

schaftliche Integration der betroffenen Kinder.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 161
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Drucksache 17/10899 – 176 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das labile politische Umfeld und die erdrückende Präsenz des Militärs, verbunden mit einem

weitverbreiteten Gefühl der Straflosigkeit, waren der Achtung und der Förderung der Menschen-

rechte in dem Land abträglich. Dennoch hat Guinea-Bissau bei der regelmäßigen allgemeinen

Überprüfung durch den VN-Menschenrechtsrat im Mai 2010 recht gut abgeschnitten, da es fast alle

Empfehlungen akzeptierte.

5.4.12 Kenia
Die EU hat die Menschenrechtslage in Kenia während des gesamten Jahres 2010 aufmerksam

beobachtet. Grund zur Besorgnis gab weiter das Ausbleiben von Folgemaßnahmen zu dem Bericht

des VN-Sonderberichterstatters über außergerichtliche Hinrichtungen aus dem Jahr 2009. Ferner

war die EU tief besorgt über die anhaltende Untätigkeit des Parlaments hinsichtlich der Einsetzung

eines örtlichen Sondergerichts, um die mutmaßlichen Urheber der Gewalttaten nach den Wahlen in

Kenia 2007-2008 strafrechtlich zu verfolgen. Angesichts dieser Untätigkeit hat die Vorverfahrens-

kammer des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) im April 2010 beschlossen, Ermittlungen zu

den Gewalttaten nach den Wahlen einzuleiten, damit die Hauptverantwortlichen vor Gericht gestellt

werden. In einer Erklärung im Namen der EU hat die Hohe Vertreterin die Entscheidung der

Vorverfahrenskammer zur Kenntnis genommen und die Regierung aufgerufen, uneingeschränkt mit

dem IStGH zusammenzuarbeiten. Im August hat die EU im Anschluss an den Besuch des von dem

IStGH angeklagten sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir in Nairobi ihren Aufruf zu unein-

geschränkter Zusammenarbeit mit dem IStGH in einer Erklärung des Sprechers der Hohen

Vertreterin wiederholt. Im September hat das Europäische Parlament eine Entschließung

angenommen, in der es Kenia wegen der unterlassenen Festnahme von Präsident Al-Bashir

kritisierte.

Im Dezember 2010 hat der Ankläger des IStGH bei der Vorverfahrenskammer die Ausstellung von

Vorladungen für zehn Personen beantragt, damit gegen sie Klage wegen Verbrechen gegen die

Menschlichkeit erhoben werden kann. Die EU war besorgt über die Versuche kenianischer

Parlamentsabgeordneter im Dezember 2010, den IStGH-Prozess zu behindern, indem sie einen

Antrag auf Rückzug aus dem Römischen Statut stellten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 162
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 177 – Drucksache 17/10899

Im März haben die diplomatischen Vertretungen der EU in Nairobi eine Erklärung abgegeben, in

der sie an die Regierung appellierten, ein angemesseneres Zeugenschutzprogramm auszuarbeiten,

damit die Ermittlungen des IStGH unter adäquaten Bedingungen erfolgen können. Die EU äußerte

ihre Besorgnis über die Einschüchterung und Schikanierung von möglichen Zeugen und von

Menschenrechtsverteidigern. Im Juni stimmte der Präsident einer Änderung des Zeugenschutz-

gesetzes zu. Die EU hat jedoch Bedenken gegen die Definition des Begriffs "Zeuge", die die

Aufnahme in das Programm erschweren kann. Es besteht die Gefahr, dass der Direktor des

Programms willkürlich über die Aufnahme entscheidet. Die EU hat 2010 damit begonnen, ihre

Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern vor Ort umzusetzen.

5.4.13 Liberia
Ungeachtet einiger Fortschritte hat die EU die Menschenrechtslage in Liberia weiter aufmerksam

beobachtet. Anlass zu Besorgnis gaben weiterhin der Zugang zur Justiz, die schlechten Haft-

bedingungen, die Länge der Untersuchungshaft sowie geschlechtsbezogene Gewalt. Im November

2010 unternahm die EU eine Demarche bei der liberianischen Regierung im Hinblick auf die

Resolution über ein Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe, die auf der 65. Tagung der

VN-Generalversammlung zur Abstimmung stand. Liberia erhält kraft einer 2008 verabschiedeten

Rechtsvorschrift die Todesstrafe für bestimmte Straftaten formell aufrecht. Die EU hat weiter an die

Regierung appelliert, ihre Gesetzgebung zu überprüfen und ihren internationalen Menschenrechts-

verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen.

Liberia war stark betroffen von dem Konflikt, der im Nachbarland Côte d'Ivoire nach den dortigen

umstrittenen Präsidentschaftswahlen ausgebrochen war. Ende 2010 waren mehr als 20 000

ivorische Flüchtlinge in Liberia registriert, das seine Gesetze uneingeschränkt respektierte, indem es

für die Flüchtlinge sorgte und deren Unterbringung im Land unterstützte. Die EU hat

12,8 Millionen EUR zur Unterstützung der Bemühungen zugesagt, die Bedürfnisse der Flüchtlinge

und der betroffenen Aufnahmegemeinschaften zu erfüllen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 163
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Drucksache 17/10899 – 178 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.14 Madagaskar
Im Jahr 2010 gab es keine Fortschritte bei der Umsetzung der Abmachung von Maputo und Addis

Abeba, die 2009 von allen madagassischen Bewegungen vereinbart worden waren. Im Gegenteil,

Präsident Rajoelina und die Hohe Übergangsbehörde leiteten einen einseitigen Übergangsprozess

ein, einschließlich der Ernennung eines Premierminister und einer Regierung, über die kein

Konsens besteht. Diese Entwicklungen führten zu dem Beschluss der EU vom 7. Juni, die

Konsultationen gemäß Artikel 96 Absatz 2 Buchstabe c des AKP-EU-Partnerschaftsabkommen

einzustellen und geeignete Maßnahmen einzuleiten, darunter die weitgehende Aussetzung der EU-

Entwicklungshilfe.

Die Hohe Übergangsbehörde setzte ihr einseitiges Vorgehen fort und hielt am 17. November ein

Referendum über die Verfassung der Vierten Republik ab, das von den madagassischen Parteien

außerhalb des Regierungsbündnisses abgelehnt und von der internationalen Staatengemeinschaft

nicht anerkannt wurde. In einer Erklärung vom 19. November brachte die Hohe Vertreterin ihre

tiefe Besorgnis über diese Entwicklungen zum Ausdruck und forderte die Hohe Übergangsbehörde

und alle madagassischen Parteien auf, den Dialog dringend wiederaufzunehmen, um zu gewähr-

leisten, dass der Übergangsprozess wirklich auf Einigkeit beruht und eine rasche Rückkehr zur

verfassungsmäßigen Ordnung auf der Grundlage glaubhafter und transparenter Wahlen möglich

wird.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 164
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 179 – Drucksache 17/10899

5.4.15 Malawi
Die EU hat sich stark für die Unterstützung der Menschenrechte in Malawi engagiert, und zwar

durch die Förderung einer verantwortungsvollen Staatsführung und des Aufbaus institutioneller

Kapazitäten. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit standen 2010 die Verbesserung der Gesundheits-

versorgung von Häftlingen, die Sensibilisierung des Gefängnispersonals für Menschenrechts-

belange und die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen durch die Menschenrechts-

kommission Malawis. Am 10. Mai 2010 gab die Hohe Vertreterin eine Erklärung im Namen der EU

zu den Menschenrechten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen in Malawi

ab. Darin wurde die Besorgnis der EU über Homophobie und Diskriminierung aufgrund der

sexuellen Ausrichtung in Malawi zum Ausdruck gebracht. Die Erklärung erfolgte, nachdem zwei

Schwule zu einer Gefängnisstrafe von 14 Jahren verurteilt worden waren; beide wurden Ende Mai

von Präsident Bingu wa Mutharika aus humanitären Gründen begnadigt und freigelassen. Im

Dezember 2010 haben die EU, die Vereinigten Staaten und Norwegen gemeinsam gegenüber den

Staatsorganen ihre Besorgnis über einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches

geäußert, durch den die Kontrolle der Regierung über die Medien erweitert würde und gleich-

geschlechtliche Beziehungen zwischen Frauen zur Straftat erhoben würden. (Ungeachtet dessen

wurde den Änderungen des Strafgesetzbuches im Januar 2011 durch die Unterschrift des

Präsidenten Gesetzeskraft verliehen).

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 165
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Drucksache 17/10899 – 180 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.16 Mauretanien
Nach der politischen Krise 2008-2009 wurde die vollständige Rückkehr Mauretaniens in die

internationale Arena durch den Runden Tisch für Mauretanien bestätigt, der im Juni 2010 von der

EU, dem UNDP und der Weltbank organisiert wurde. Die Regierung präsentierte ihren Partnern

ihre Strategien für die Entwicklung des Landes und ihre Politik in den einzelnen Bereichen und

bekräftigte ihre mit der EU abgestimmten Verpflichtungen in Bezug auf verantwortungsvolle

Staatsführung.

Mauretanien wurde für den Zeitraum 2010-2013 als Mitglied in den VN-Menschenrechtsrat

gewählt und 2010 der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung unterzogen. Ferner wurde 2010 das

Büro des Hohen Kommissars der VN für Menschenrechte in Nouakchott eröffnet.

In Mauretanien gibt es noch Überreste von Sklaverei, wie in dem Bericht des VN-Sonderbericht-

erstatters über moderne Formen der Sklaverei festgestellt wird; indessen wurde erstmals das Gesetz

von 2007, das Sklaverei unter Strafe stellt, angewandt. Es wurden zwei Gerichtsverfahren durch-

geführt, die jedoch nicht zu Verurteilungen führten. Deutliche Fortschritte erfolgten im Bereich der

Medienfreiheit, wo der Rechtsrahmen angepasst und ergänzt wurde. Außerdem war eine größere

Reform des Justizwesens im Gange.

Das mauretanische Recht enthält nach wie vor die Todesstrafe, die aber seit 1987 nicht mehr

angewandt wurde. Die EU hat 2010 eine Demarche unternommen, mit der sie sich für eine VN-

Resolution zugunsten eines Moratoriums für die Anwendung der Todesstrafe einsetzte, was zu einer

Änderung des Abstimmungsverhaltens Mauretaniens führte (Stimmenthaltung anstatt Ablehnung).

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 166
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 181 – Drucksache 17/10899

5.4.17 Mosambik
Der Dialog der EU nach Artikel 8 des Cotonou-Abkommens erfasst ein breites Themenspektrum,

darunter Demokratie und Menschenrechte. Die EU übte scharfe Kritik an den Ausschreitungen der

Polizei bei der Unterdrückung der Unruhen im September 2010 und hat die mosambikanische

Regierung dazu bewegt, weiter an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Bereich der

Menschenrechte zu arbeiten. Sie bekräftigte, dass ein breiter und allumfassender

Konsultationsprozess erforderlich ist, und bekräftigte die Unterstützung der EU für die

Wahlrechtsreform.

Vor diesem Hintergrund finanzierte das EIDHR Projekte über insgesamt 825 000 EUR, die von

europäischen nichtstaatlichen Organisationen oder direkt von Organisationen der mosambika-

nischen Zivilgesellschaft verwirklicht wurden. Die Unterstützung ist auf Presse und Journalisten,

politische Bildung und Wähleraufklärung, Stärkung von Basisorganisationen, lokale Verwaltung,

Arbeitnehmerrechte und blinde Menschen ausgerichtet. Kürzlich gebilligte Projekte über weitere

630 000 EUR betreffen häusliche Gewalt, Menschenhandel und Beobachtung nach Wahlen. Der

allgemeinen Budgethilfe für Mosambik (bereitgestellt von der EU und den 13 Mitgliedstaaten, die

in Mosambik präsent sind) liegen die Grundsätze der Menschenrechte und der verantwortungs-

vollen Staatsführung zugrunde.

5.4.18 Niger
In Niger war das Jahr 2010 durch einen politischen Wandlungsprozess gekennzeichnet, nachdem es

im Februar zu einem Militärputsch gekommen war. Die Tätigkeit der EU erfolgte im Rahmen von

Konsultationen nach Artikel 96 und des vereinbarten Fahrplans zur Wiederherstellung der Demo-

kratie. Der politische Wandel wurde Ende 2010 erfolgreich abgeschlossen und mündete in die

Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung und zu einer Zivilregierung. Die EU hat den

Wahlprozess mit einem Beitrag von 19,5 Millionen EUR unterstützt, die EU-Mitgliedstaaten

daneben mit etwa 5 Millionen EUR.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 167
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Drucksache 17/10899 – 182 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Obwohl sich die Menschenrechtslage in Niger während des Übergangszeitraums verbessert hat, gibt

es noch immer große Probleme, die bei der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung des Landes im

Februar 2011 aufgezeigt wurden. Das größte Problem bilden Diskriminierung und Gewalt

(insbesondere Genitalverstümmelungen) gegen Frauen. Es zählt zu den Schwerpunkten, die von

örtlichen nichtstaatlichen Organisationen mit Unterstützung eines EU-Programms zur Unter-

stützung der Zivilgesellschaft (PASOC) behandelt werden.

Das Justizwesen in Niger funktioniert schlecht: aufgrund langer Verfahren werden sehr viele

Untersuchungshäftlinge über lange Zeit unter furchtbaren Bedingungen festgehalten. Die EU

leistete technische und finanzielle Hilfe für ein Justizreformprogramm, das eine wichtige

Komponente von Verfahrenshilfe für schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen umfasste. Außerdem

betrieb die EU ein intensives Lobbying für die Abschaffung der Todesstrafe, das zu einem

Vorschlag der Übergangsregierung führte, der aber leider vom Nationalen Konsultativrat abgelehnt

wurde.

Ferner hat die EU 92 Millionen Euro bereitgestellt, davon 53 Millionen EUR als humanitäre Hilfe,

um die Reaktion auf eine schwere Nahrungsmittelkrise (7 Millionen gefährdete Menschen) wirksam

zu unterstützen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 168
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 183 – Drucksache 17/10899

5.4.19 Nigeria
Im Rahmen des Prozesses des "Gemeinsamen Vorangehens" (Joint Way Forward) EU-Nigeria

wurden die Menschenrechte im politischen Dialog bei den Treffen hoher Beamter der EU und

Nigerias im November 2009 und im Juni 2010 prioritär behandelt. Am 6. Juli 2010 fand die zweite

Runde des lokalen Dialogs über Menschenrechte EU-Nigeria statt. Im Mittelpunkt des Dialogs

standen das Wahlrecht, die Todesstrafe, außergerichtliche Tötungen, der Kampf gegen Folter, die

Rechte des Kindes, Gewalt gegen Frauen und Menschenrechtsverteidiger. Außerdem wurden

multilaterale Menschenrechtsfragen behandelt, die auch in anderen Gremien erörtert werden. Die

EU konzentrierte sich besonders auf das Thema Folter; sie veröffentlichte einen Bericht der EU-

Missionschefs über Folter und beging den Internationalen Tag gegen Folter (26. Juni) zusammen

mit dem Nationalen Ausschuss gegen Folter mit einer öffentlichen Veranstaltung.

Im Laufe des Jahres 2010 gab die EU Erklärungen ab, in denen sie ihre Besorgnis über die Gewalt

und den Verlust von Menschenleben infolge des Konflikts in Nordnigeria zum Ausdruck brachte. In

diesen Erklärungen wurden die Initiativen der nigerianischen Bundesregierung zur Förderung des

Dialogs zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen begrüßt. Ferner gab die EU vier

Erklärungen zum demokratischen Machtwechsel in Nigeria sowie zur Verurteilung des

Bombenanschlags vom 1. Oktober 2010 ab.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 169
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Drucksache 17/10899 – 184 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.20 Ruanda
Die EU brachte in ihrem politischen Dialog mit Ruanda weiter die Menschenrechte zur Sprache,

darunter die Anwendung des Gesetzes über die Genozid-Ideologie und des Mediengesetzes.

Die wichtigsten Ereignisse standen im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen 2010. Diese

waren ein wichtiger Schritt im nationalen Wiederaufbauprozess und dienten dem erklärten Ziel, die

Wahldemokratie im vollen Umfang wiederherzustellen. Verschiedene Vorfälle gaben jedoch Anlass

zur Besorgnis: So wurden die Vor- und die Nachwahlperiode durch eine Serie von Gewalttaten, bei

denen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ermordet wurden, wahllose Granatenangriffe und

eine Reihe von Angriffen auf Medien und politische Gegner belastet. Die politische Freiheit wurde

durch Gerichtsverfahren gegen oppositionelle Medien und Politiker sowie durch die Behinderung

der Parteienregistrierung beeinträchtigt. Zudem war Besorgnis über die Transparenz der

Konsolidierung der Ergebnisse auf Distriktebene im Kontext der nationalen Wahlen zu äußern.

Die EU entsandte ein Wahlexpertenteam zur Beobachtung des Wahlprozesses und stellte finanzielle

Unterstützung für die nationale Wahlkommission und die Zivilgesellschaft bereit. Im August 2010

wurde von der Hohen Vertreterin und dem für Entwicklung zuständigen Kommissionsmitglied eine

Erklärung zu den Präsidentschaftswahlen in Ruanda abgegeben. Im Juli 2010 wurde eine Erklärung

des Sprechers der Hohen Vertreterin zur Ermordung des Vizepräsidenten der Demokratischen

Grünen Partei von Ruanda André Kagwa Rwisereka veröffentlicht.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 170
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185 – Drucksache 17/10899

5.4.21 Senegal
Die Menschenrechte und der Konflikt in der Region Casamance zählten zu den Themen, die 2010

bei den zwei formellen Treffen des politischen Dialogs mit der Regierung behandelt wurden. In der

Region Casamance nahm der Konflikt mit den Rebellen der MFDC im Jahr 2010 wieder an

Intensität zu. Während die Zahl der zivilen Opfer nicht bekannt ist, verursachte der verstärkte

Einsatz von Landminen mehrere Unfälle, die sowohl die kriegführenden Kräfte als auch Zivil-

personen trafen. Die EU beteiligt sich mit einem Projekt über 4 Millionen EUR in Zusammenarbeit

mit dem UNDP und Handicap International an der Minenräumung in den am stärksten betroffenen

ländlichen Gebieten.

Im Übrigen wird Homosexualität nach wie vor von großen Teilen der Bevölkerung feinselig

aufgenommen. Ebenso ist die Misshandlung junger "Talibé" (Koranschüler) noch immer weit

verbreitet, wenngleich die Behörden ein Zeichen gesetzt haben, indem sie 2010 erstmals mehrere

Koranlehrer verurteilten. Ferner wurde berichtet, dass vor allem in den ländlichen Gebieten noch

immer häufig Verletzungen der Menschenrechte von Frauen (vor allem Genitalverstümmelungen

bei Frauen) vorkommen. Außerdem waren einige Einschränkungen der Pressefreiheit zu

verzeichnen, wenngleich die Medien weitgehend offen berichten konnten.

Die EU unternahm gegenüber der senegalesischen Regierung Demarchen in Bezug auf die

Beratungen in der VN-Generalversammlung über Menschenrechtsfragen, speziell über ein

Moratorium zur Todesstrafe, und über die Menschenrechtslage in einigen Ländern.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 171
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Drucksache 17/10899 – 186 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.4.22 Somalia
Die EU setzte im Jahr 2010 ihr umfassendes Engagement in Somalia fort, um die vorrangigen

Bedürfnisse des somalischen Volkes zu befriedigen und das Land zu stabilisieren. Unter den

internationalen Institutionen ist die EU der größte Geber in Somalia. Die EU arbeitete im Rahmen

gemeinsamer Anstrengungen eng mit ihren internationalen Partnern zusammen.

Die EU bemühte sich um die weitere Umsetzung des Friedensabkommens von Dschibuti, mit dem

auf die furchtbaren Verluste an Menschenleben in Somalia reagiert werden soll, und unterstützte die

Übergangs-Bundesregierung. Am 25. Januar 2010 kam der Rat überein, in Uganda eine Militär-

mission als Beitrag zur Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte einzurichten, um die Zivil-

bevölkerung zu schützen. Generell leistete die EU eine Entwicklungszusammenarbeit in den

Bereichen Staatsführung, Sicherheit und Unterstützung der Zivilgesellschaft.

Leider dauerte der bewaffnete Konflikt zwischen der Übergangs-Bundesregierung, unterstützt von

der Mission der Afrikanischen Mission AMISOM, und der radikal-islamistischen Bewegung Al

Shabaab in Mogadischu unvermindert an. Auch in den Regionen kam es zu schweren Gefechten

zwischen regierungstreuen Milizen und Al Shabaab. Erneut wurden Hunderttausende von

Menschen vertrieben und der Zugang zu humanitärer Hilfe war aufgrund der allgemeinen

Unsicherheit sowie gezielter Angriffe der Al Shabaab auf humanitäre Helfer stark eingeschränkt.

Durch das Fehlen von wirksamen staatlichen Institutionen und von Rechtsstaatlichkeit, die große

Verfügbarkeit von Kleinwaffen und anderen leichten Waffen und die verstärkte Durchsetzung von

extremistischen gesellschaftlichen Normen durch Al Shabaab kam es zu einer Verschlechterung der

Menschenrechtslage, vor allem in Zentral- und Südsomalia. Die Menschenrechtslage in den von Al

Shabaab kontrollierten Gebieten verschlechterte sich im Laufe des Jahres weiter und war besonders

schwierig.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 172
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 187 – Drucksache 17/10899

5.4.23 Südafrika
Auf dem dritten Gipfeltreffen Südafrika-EU am 28. September 2010 in Brüssel wurden erneut die

gemeinsamen Werte bekräftigt, die der strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Südafrika

zugrunde liegen und zu denen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zählen. Dieses

Engagement äußerte sich in einer engeren Zusammenarbeit in den internationalen Menschenrechts-

gremien. Im Mai und im September 2010 wurden zwischen EU und Südafrika zwei informelle

Konsultationen über Menschenrechte abgehalten. Im Mittelpunkt der Gespräche stand vor allem die

Zusammenarbeit in multilateralen Gremien, wenngleich auch innerstaatliche Fragen behandelt

wurden.

In Südafrika förderte die EU die Menschenrechte durch verschiedene Kooperationsprogramme,

darunter das Programm für den Zugang zur Justiz und die Förderung der Verfassungsrechte. Die

EU unterstützte die Zivilgesellschaft hauptsächlich durch das Europäische Instrument für

Demokratie und Menschenrechte.

5.4.24 Sudan
Die EU räumte im Jahr 2010 der vollständigen Umsetzung des Umfassenden Friedensabkommens

höchste Priorität ein. Besonderes Augenmerk wurde auf die allgemeinen Wahlen im April 2010 und

die Zeit vor dem Referendum über die Unabhängigkeit des Südens (das letztendlich im Januar 2011

stattfand) gerichtet.

Diese beiden zentralen Ereignisse verliefen friedlich und ohne größere Sicherheitsprobleme, wie

aus dem Abschlussbericht der EU-Wahlbeobachtungsmission hervorgeht. Der demokratische

Raum, der sich durch die Wahlen eröffnet hatte, wurde jedoch in der zweiten Jahreshälfte nach und

nach eingeengt, und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit des sudanesischen Volkes blieb stark

eingeschränkt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 173
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Drucksache 17/10899 – 188 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Für Oppositionelle, Jugendgruppen, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten bestand weiter ein

großes Risiko, wegen ihrer politischen Zugehörigkeit aufgrund einer völlig fehlenden Rechen-

schaftspflicht vom Nationalen Sicherheitsdienst schikaniert, willkürlich verhaftet und misshandelt

zu werden. Das Andauern dieses Zustands veranlasste den Sprecher der Hohen Vertreterin am

8. November 2010 zu einer Erklärung, in der die sudanesische Regierung aufgefordert wurde, ihren

internationalen Verpflichtungen nachzukommen.

Der anhaltende Konflikt in Darfur forderte weiter Menschenleben unter den Zivilisten und bewirkte

Vertreibungen der Bevölkerung, was der EU weiter Anlass zu großer Besorgnis gab. Die EU setzt

sich weiter für eine friedliche Lösung ein, wie ihre andauernde Präsenz bei den Friedens-

verhandlungen in Doha belegt.

Um über eine Diskussionsplattform für Menschenrechtsbelange zu verfügen, nahm die EU

schrittweise ihren Dialog mit dem Konsultativrat für Menschenrechte, dem einzigen Ansprech-

partner der Regierung für Menschenrechtsfragen in Ermangelung einer unabhängigen Menschen-

rechtskommission, wieder auf. Dieser Dialog erwies sich jedoch als recht unwirksam für die

Bewältigung dieser äußerst schwierigen Situation, weshalb 2011 neue Möglichkeiten und

Maßnahmen erkundet werden sollen.

Die EU unterhielt weiter enge Verbindungen zur Zivilgesellschaft, insbesondere über das Euro-

päische Instrument für Demokratie und Menschenrechte, das zu den wenigen Finanzmechanismen

zählt, die sudanesischen Organisationen für die Stärkung ihrer Kapazitäten und ihrer grundlegenden

Rolle im Demokratisierungsprozess des Landes zur Verfügung stehen.

Was speziell Südsudan anbelangt, das voraussichtlich im Juli 2011 seine Unabhängigkeit erlangen

wird, so ist die EU bestrebt, einen regelmäßigen Dialog mit der südsudanesischen Menschenrechts-

kommission aufzunehmen. Außerdem unterstützt die EU die Errichtung eines Menschenrechts-

forums unter Beteiligung der Menschenrechtskommission, der Zivilgesellschaft und der inter-

nationalen Staatengemeinschaft, um einen regelmäßigeren Austausch zwischen den verschiedenen

Menschenrechtsakteuren zu gewährleisten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 174
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 189 – Drucksache 17/10899

5.4.25 Togo
Das Jahr 2010 war durch die Präsidentschaftswahlen am 4. März gekennzeichnet. Die nach Togo

entsandte EU-Wahlbeobachtungsmission kam zu dem Schluss, dass der Rechtsrahmen eine

angemessene Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen entsprechend den

internationalen Normen bot. Sie stellte jedoch fest, dass die Änderung des Wahlgesetzes von den

Oppositionsparteien nicht gebilligt worden war, was sich negativ auf das Vertrauen in die

Durchführung der Wahlen auswirkte. Die Wahlen verliefen in einer ruhigen Atmosphäre und

insgesamt unter Einhaltung des Rechts der zur Wahl stehenden Kandidaten, ihre Meinungen frei zu

äußern und sich frei zu bewegen.

Häftlinge, insbesondere Untersuchungshäftlinge, sowie Frauen und Kinder zählten im Hinblick auf

den Schutz der Menschenrechte in Togo nach wie vor zu den besonders gefährdeten Bevölkerungs-

gruppen. Mehrere Beobachter berichteten von übermäßiger Gewaltanwendung bei der Auflösung

von Demonstrationen. Von Menschenrechtsverteidigern wird die Straflosigkeit der politisch

motivierten Gewalttaten von 2005 als ein Hauptproblem neben mutmaßlichen Fällen von Folter und

rechtswidriger Haft herausgestellt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 175
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Drucksache 17/10899 – 190 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Jahr 2010 unterstützte die EU lokale nichtstaatliche Organisationen dabei, die Achtung der

Menschenrechte von Häftlingen und deren soziale Wiedereingliederung sowie Menschenrechts-

Schulungen für Richter zu fördern. Außerdem finanzierte die EU die Durchführung eines

umfangreichen Programms für Gesetzesreformen mit dem Ziel einer Einhaltung des internationalen

Rechts.

Die Kommission für Gerechtigkeit, Wahrheit und Versöhnung (TJRC), die 2009 eingesetzt worden

war, um die zwischen 1958 und 2005 begangenen politischen Verbrechen zu untersuchen, nahm mit

finanzieller Unterstützung der EU ihre Arbeit auf. Bis Ende 2010 haben mehr als 5 800 Personen

vor der TJRC ausgesagt.

5.4.26 Uganda
Im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2011 war die Achtung der politischen

Freiheiten im Jahr 2010 von größter Wichtigkeit, und die EU stellte mit Besorgnis fest, dass die

ugandische Regierung zunehmend dazu tendierte, die politischen Freiheiten zu beschneiden.

Bei Treffen mit der ugandischen Regierung brachte die EU ihre Besorgnis über den Entwurf eines

Gesetzes über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zum Ausdruck, der ernsthafte

Einschränkungen der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit zur Folge hätte.

Bedenken bestanden auch gegen das Kommunikationsüberwachungsgesetz, das am 3. September

2010 Gesetzeskraft erlangte. In ihm fehlen angemessene Schutzbestimmungen, um die Achtung und

den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, wodurch das Recht auf freie Meinungsäußerung

und das Recht auf Privatsphäre gefährdet sind. Die Schließung von Rundfunksendern nach den

Zusammenstößen vom September 2010 war ein Zeichen für die zunehmenden staatlichen

Restriktionen gegen die vormals relativ liberalen Medien.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 176
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191 – Drucksache 17/10899

Eine Bedarfsermittlungsmission wurde vom 8. bis 25. November 2010 nach Uganda entsandt, um

zu bewerten, ob die Entsendung einer EU-Beobachtungsmission zu den allgemeinen Wahlen am

18. Februar 2011 entsprechend den in der Mitteilung der Kommission über Wahlunterstützung und

Wahlbeobachtung durch die EU (KOM (2000)191) festgelegten Kriterien nützlich, angeraten und

durchführbar wäre. Die Entsendung der Bedarfsermittlungsmission erfolgte, nachdem die

ugandische Wahlkommission die EU im Februar 2010 zur Beobachtung der Parlamentswahlen

2011 eingeladen hatte.

Die Mission gelangte zu der Einschätzung, dass die notwendigen Voraussetzungen für eine echte

Wahl größtenteils gegeben seien, wenngleich Zweifel an der Solidität maßgeblicher Institutionen

wie der Wahlkommission sowie an der Achtung der Grundfreiheiten durch den Staat bestehen

blieben. Wenngleich die ugandische Verfassung Garantien für die freie Meinungsäußerung und die

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken enthält, schätzte die Mission, die

Wahrnehmung dieser Rechte als durch das Primärrecht oder in der Praxis übermäßig eingeschränkt

ein. Ebenso wurde deutlich, dass die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission von 2006

unbefolgt geblieben waren, vage Rechtsformulierungen wie "böswillige, falsche, missbräuchliche,

beleidigende oder abwertende Erklärungen während der Wahlkampagnen" abzuschaffen. Anderer-

seits konnte die Mission mit einer Reihe von Organisationen der Zivilgesellschaft zusammentreffen,

die sich mit zahlreichen Initiativen für die Förderung der Bürgerbeteiligung und des Engagements

der Bürger im Wahlprozess einsetzen. Als positive Maßnahme hob das Verfassungsgericht im

August 2010 einige Bestimmungen des Strafgesetzbuchs betreffend Aufwiegelung auf.

Die EU äußerte auch ihre Besorgnis über das Programm der Armee zur Zwangsentwaffnung in der

nordöstlichen Region Karamoja, in dessen Folge es zu Todesopfern unter der Zivilbevölkerung

(darunter Kinder) und zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Die

Anhäufung von Kleinwaffen und leichten Waffen in dieser armen Region Ugandas hat zu einer

Zunahme gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen und mit der Armee

geführt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 177
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 192 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Aus dem EU-Programm zur Unterstützung der Menschenrechte und der verantwortungsvollen

Staatsführung (2005-2010) im Rahmen des 9. EEF wurden 7 Millionen EUR für Projekte

bereitgestellt, die auf eine bessere Achtung der Menschenrechte abstellen. Das übergreifende Ziel

dieses Programms bestand in einem Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung mit besonderem

Augenmerk auf die menschliche Sicherheit und die verantwortungsvolle Staatsführung sowie zur

Achtung, Förderung und Verwirklichung des gesamten Spektrums der Menschenrechte und zu mehr

Rechtsstaatlichkeit. In Anbetracht der entscheidenden Rolle, die wichtigen Staatsorganen wie der

ugandischen Polizei, der Strafvollzugsbehörde, dem Parlament, der Wahlkommission und der

ugandischen Menschenrechtskommission beim Schutz, der Förderung und der Durchsetzung der

Menschenrechte zukommt, wurde ihnen in diesem Zusammenhang Unterstützung bereitgestellt.

Diese Institutionen werden im Rahmen des Programms zur Unterstützung der demokratischen

Staatsführung und der Rechenschaftspflicht im Rahmen des 10. EEF weitere Unterstützung

erhalten.

Die Behandlung von Homosexuellen wurde von den EU-Missionsleitern in Uganda gegenüber der

ugandischen Regierung mehrfach thematisiert, u.a. bei Treffen mit dem Präsidenten, dem

Ministerpräsidenten, dem Außen- und dem Justizminister sowie bei den formellen Sitzungen des

politischen Dialogs und mit der ugandischen Menschenrechtskommission. Einer der wichtigsten

Mechanismen zur Verbesserung der Lage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-

Personen ist der regelmäßige Dialog zwischen der EU und der Zivilgesellschaft in Uganda. Die EU-

Delegation organisierte mehrere Treffen mit Menschenrechtsverteidigern, unter anderem mit

SMUG, einer Vereinigung lokaler Menschenrechtsorganisationen, die sich vorrangig für die Rechte

von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen einsetzt.

5.4.27 Simbabwe
Die EU hat die Normalisierung ihrer Beziehungen zu Simbabwe von der Umsetzung des

Umfassenden Politischen Abkommens abhängig gemacht, das wichtige demokratische Reformen

enthält. Sie hat substanzielle Unterstützung für die Umsetzung des Abkommens vorgesehen, u.a. die

Zweckbindung von 130 Millionen EUR aus dem 10. EEF. Die auf wirtschaftlichem Gebiet

erreichten positiven Entwicklungen gingen jedoch nicht mit ähnlichen Fortschritten im politischen

Bereich einher. Daher wendet die EU weiterhin entsprechende gezielte restriktive Maßnahmen an.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 178
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 193 – Drucksache 17/10899

Die EU unterstützt ein breites Spektrum von Aktivitäten, die der Förderung von Demokratie und

Menschenrechten in Simbabwe dienen und zu den im Umfassenden Politischen Abkommen

verankerten Reformen beitragen. So unterstützt sie beispielsweise Maßnahmen zur Friedens-

konsolidierung und Aussöhnung sowie die Beobachtung von Menschenrechtsverletzungen und die

Durchführung einer Menschenrechtskampagne. Die EU hat eng mit der Zivilgesellschaft und den

lokalen Gemeinschaften bei der Stärkung der demokratischen Prozesse, einschließlich des Ver-

fassungsprozesses, zusammengearbeitet, und sie fördert die Rolle der freien Medien. 2010 hat die

EU ihre Zusammenarbeit mit Menschenrechtsverteidigern intensiviert und deren sich verschlech-

ternde Lage gegenüber den lokalen Behörden zur Sprache gebracht.

5.5 Naher und Mittlerer Osten und Arabische Halbinsel

5.5.1 Bahrain
Die EU verurteilte das scharfe Vorgehen gegen die Opposition im Vorfeld der Wahlen und die

anschließenden politisch motivierten Festnahmen. Ferner schaltete sie sich in den Fall von Jassim

Abdulmanan, eines 2007 wegen Mordes verurteilten Staatsangehörigen Bangladeschs, ein und

ersuchte um Strafmilderung. Leider wurde Jassim Abdulmanan am 8. Juli 2010 durch ein

Erschießungskommando hingerichtet. Er war die einzige Person, die 2010 hingerichtet wurde. Die

EU richtete an Bahrein einen Appell zur Wiederherstellung des De-facto-Moratoriums (keine

Hinrichtungen zwischen 1996 und 2006).

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 179
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Drucksache 17/10899 – 194 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.5.2 Iran
Während des gesamten Jahres 2010 appellierte die EU im Rahmen zahlreicher Erklärungen und
Demarchen in Teheran und in den EU-Hauptstädten an Iran, seine internationalen Menschen-
rechtsverpflichtungen zu achten. Die EU äußerte sich zu Menschenrechtsverletzungen, die von der
Unterdrückung friedlicher Demonstranten über willkürliche Festnahmen, die Misshandlung von
Häftlingen und die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bis hin zur Diskriminierung von
Frauen, religiösen und ethnischen Minderheiten, einschließlich des Prozesses gegen sieben führende
Vertreter der Baha'i, reichten. Am 12. Juni 2010, ein Jahr nach den Präsidentschaftswahlen, gab die
EU eine umfassende Erklärung zu den Menschenrechten in Iran ab.

Auch 2010 unterblieb der Menschenrechtsdialog EU-Iran, der seit Dezember 2006 unterbrochen ist,
als Iran die fünfte Runde des Dialogs absagte. Die EU erklärte ihre Bereitschaft, mit Iran über
Menschenrechte zu sprechen, sofern sich Iran tatsächlich zu einem ernsthaften Engagement
entschließen würde. Dies war 2010 nicht der Fall.

Während des ganzen Jahres 2010 setzte sich die Verschlechterung der Menschenrechtslage fort, die
nach den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 begonnen hatte und als die schlimmste Abwärts-
entwicklung seit 1979 zu betrachten ist. Die Einschüchterungen, Festnahmen und Inhaftierungen
von Journalisten, Anwälten, Menschenrechtsverteidigern, Oppositionsführern, Studenten und
Personen, die ihre legitimen Rechte verteidigten, bewirkten ein um sich greifendes Klima der
Angst. Menschenrechtsverteidiger, Anwälte, Journalisten, führende Politiker, Minderheiten und
Studenten wurden schikaniert, verhaftet und mitunter sogar hingerichtet. Folter und Misshandlung
von Häftlingen waren an der Tagesordnung und konnten straffrei begangen werden. Frauen wurden
weiter durch das Recht und in der Praxis diskriminiert.

Die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit waren
weiterhin stark eingeschränkt. Am 11. Februar, dem Jahrestag der Islamischen Revolution, der für
viele Iraner Fortschritte bei den Grundrechten und -freiheiten symbolisieren sollte, brachte die Hohe
Vertreterin die Besorgnis der EU darüber zum Ausdruck, dass viele Iraner an der Äußerung ihrer
Meinung gehindert werden. Die Szenen brutaler Unterdrückung an diesem Tag fügten sich in das
Muster der letzten Monate ein. Das gewaltsame Vorgehen gegen diejenigen, die das Grundrecht auf
Meinungs- und Versammlungsfreiheit einfordern, habe das Regime um das Vertrauen seines
eigenen Volkes sowie der internationalen Staatengemeinschaft gebracht.
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 180
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 195 – Drucksache 17/10899

Die Behörden beschränkten weiterhin den Zugang zu externen Informationsquellen wie dem

Internet. Internationale Rundfunk- und Fernsehsender wurden blockiert. Die Überwachung von

Telefongesprächen, SMS und E-Mails war an der Tagesordnung. Im Januar verboten die Behörden

den Kontakt von Iranern zu rund 60 Nachrichtenstationen und vom Ausland aus tätigen

Organisationen. Wer bereit war, mit den wenigen großen persischsprachigen Sendern über

Menschenrechtsfragen zu sprechen, wurde von Sicherheitsbeamten bedroht oder schikaniert. Viele

Iraner nutzten die Websites sozialer Netzwerke, um ihre Ansichten zu äußern. Im März 2010

brachte der Rat der EU seine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die iranische Regierung

Maßnahmen ergriffen hat, um ihre Bürger daran zu hindern, über Fernsehen, Satellitenrundfunk und

über das Internet frei zu kommunizieren und Informationen zu erhalten.

Besonderen Anlass zur Sorge gab, dass Iran die Todesstrafe zunehmend als Mittel zur

Einschüchterung der politischen Opposition und im Widerspruch zu den internationalen

Mindeststandards einsetzte. In Verletzung des Völkerrechts wurde die Todesstrafe für Straftaten

verhängt, die nicht als schwerste Verbrechen einzustufen sind, wie Straftaten in Verbindung mit

Drogenhandel oder Handlungen unter vage formulierter Anklage betreffend die nationale

Sicherheit, einschließlich des "Mohareb" (Feindseligkeit gegen Gott).

Besonders besorgniserregend war der steile Anstieg der Zahl der Hinrichtungen im Jahr 2010. Die

iranischen Behörden räumten 252 Hinrichtungen ein, aber glaubwürdigen Schätzungen zufolge war

die wahre Anzahl mindestens doppelt so hoch und schloss geheime wie öffentliche

Massenhinrichtungen ein. Mindestens ein jugendlicher Straftäter wurde hingerichtet und 143

verblieben in den Todestrakten. Es erfolgten weiter Verurteilungen zum Tod durch Steinigung,

wenngleich - soweit bekannt - keines dieser Urteile vollstreckt wurde. Der Fall von Sakineh

Mohammadi Ashtiani, die wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt worden war, stieß

auf scharfe Kritik vonseiten der EU (und der übrigen internationalen Staatengemeinschaft); in

mehreren Erklärungen richtete die EU an Iran einen Appell, von der Hinrichtung Abstand zu

nehmen und die Strafe zu mindern. Bei zahlreichen Gelegenheiten verurteilte die EU Fälle von kurz

vorher erfolgten oder unmittelbar bevorstehenden Hinrichtungen mit dem Aufruf an Iran, auf die

Todesstrafe zu verzichten und ein Moratorium für Hinrichtungen mit Blick auf eine vollständige

Abschaffung der Todesstrafe zu erlassen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 181
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 196 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU äußerte anlässlich der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Irans im VN-

Menschenrechtsrat am 14. Februar 2010 konsequent ihre Meinung zur Menschenrechtsbilanz Irans.

Außerdem ist Iran mit seinem Versuch gescheitert, sich als Mitglied des Menschenrechtsrates

wählen zu lassen. Wie in den vergangenen Jahren unterstützte die EU uneingeschränkt die

Resolution der VN-Generalversammlung zur Menschenrechtslage in der Islamischen Republik Iran,

die am 21. Dezember 2010 mit 78 Stimmen angenommen wurde. In der Resolution wurde die

iranische Regierung aufgefordert, uneingeschränkt mit den Sondermechanismen der VN

zusammenzuarbeiten, in deren Rahmen das Land seit fünf Jahren nicht mehr besucht werden

konnte, und die Beauftragten der entsprechenden thematischen Sonderverfahren wurden

nachdrücklich ersucht, besonderes Augenmerk auf die Menschenrechtslage in Iran zu richten.

5.5.3 Irak
Verantwortungsvolle Staatsführung, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit bildeten

auch 2010 Schwerpunkte in den Beziehungen der EU zu Irak. Die EU ist bestrebt, in Irak ein Klima

echter menschlicher Sicherheit, gestützt durch Rechtsstaatlichkeit und eine Kultur der Achtung der

Menschenrechte, zu schaffen. Sie befürwortet ein Modell der demokratischen Staatsführung, das

auf die Überwindung religiöser, ethnischer und anderer Spaltungen abstellt. Die EU unterstützte

Irak auch weiter bei der Verwirklichung seiner Verpflichtungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit

und der Menschenrechte.

Im Rahmen ihrer integrierten Rechtsstaatlichkeitsmission für Irak (EUJUST LEX) führte die EU

weiterhin Ausbildungsmaßnahmen für hochrangige Beamte der irakischen Polizei-, Gerichts- und

Strafvollzugsbehörden durch. Diese Maßnahmen fanden in den EU-Mitgliedstaaten, zunehmend

aber auch in Irak selbst statt. Die Ausbildung war auf eine Reihe von Schwerpunktthemen aus-

gerichtet, wie Sensibilisierung für Gleichstellungsfragen, Menschenrechte, häusliche Gewalt,

Jugendgerichtsbarkeit und Planung. Die Möglichkeit für irakische Beamte, in den Mitgliedstaaten

praktische Berufserfahrungen zu sammeln, ist ebenfalls ein wichtiges und anerkanntes Element des

Programms EUJUST LEX Iraq. Ferner hat EUJUST LEX Iraq mit den Vorbereitungen für die

Entsendung seines Personals nach Irak begonnen, in deren Ergebnis es in Bagdad, Erbil und Basra

präsent sein wird, um die Öffentlichkeitswirkung der EU-Tätigkeit zu verbessern und Ausbildungs-

maßnahmen im ganzen Land anzubieten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 182
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 197 – Drucksache 17/10899

Ferner war die EU im Rahmen anderer Projekte an der Förderung der Rechtsstaatlichkeit und der

Menschenrechte beteiligt, so durch die Unterstützung von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen.

Außerdem zählen verantwortungsvolle Staatsführung und Rechtsstaatlichkeit zu den Prioritäten des

im Jahr 2010 verabschiedeten allerersten Länderstrategiepapiers EU-Irak (2011-2013).

In ihrem Dialog mit Irak äußerte die EU weiterhin ihre Bedenken zu Menschenrechtsfragen. Die

EU-Delegation in Bagdad unterhielt regelmäßige Kontakte zu den staatlichen Stellen sowie zu

Vertretern der Zivilgesellschaften und von Minderheiten und führte zusammen mit den diplo-

matischen Vertretungen der EU-Staaten die Tätigkeiten der Arbeitsgruppe "Menschenrechte" fort

(im Jahr 2010 z.B. die Erarbeitung einer lokalen Strategie gegen Folter). Vor allem die Todesstrafe,

die Lage der Frauen und besonders gefährdeter Gruppen in der irakischen Gesellschaft wie

ethnische und religiöse Minderheiten sowie homosexuelle Männer, die Situation von Häftlingen

und die Anwendung von Folter stellten für die EU weiter die größten Probleme dar. Die allgemeine

regelmäßige Überprüfung im VN-Menschenrechtsrat, der Irak am 16. Februar 2010 unterzogen

wurde, war für die EU eine wichtige Gelegenheit, ihre diesbezüglichen Besorgnisse zu äußern.

Ferner beobachtete die EU sehr genau die Lage der Bewohner des Lagers Ashraf und rief weiterhin

zur Einhaltung der internationalen Menschenrechtsstandards auf.

In Bezug auf die Todesstrafe unternahm die EU eine förmliche allgemeine Demarche gegenüber

den irakischen Behörden, in der sie erneut ihre tiefe Besorgnis über die Todesurteile und Hin-

richtungen bekräftigte, die in Irak seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Mai 2009 verhängt

bzw. vollstreckt wurden. Die EU forderte die Regierung Iraks erneut nachdrücklich auf, bis zu einer

gesetzlichen Abschaffung der Todesstrafe zur faktischen Aussetzung ihrer Vollstreckung zurück-

zukehren.

Der Rat der EU befasste sich im November 2010 mit der Frage der Gewalt gegen religiöse

Minderheiten. In seinen Schlussfolgerungen betonte er, dass sich eine neue Regierung in Irak

wieder der Aufgabe der nationalen Aussöhnung zuwenden und dabei den Interessen und

Bedürfnissen sowie dem Schutz der Menschenrechte aller Iraker Rechnung tragen muss. Er

verurteilte die Terroranschläge, bei denen viele unschuldige Zivilisten getötet wurden, sowie jede

Anstiftung zu Gewalt und jede Ausübung von Gewalt, einschließlich solcher, die durch religiösen

oder ethnischen Hass motiviert ist.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 183
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 198 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Eine neue Grundlage erhalten die Beziehungen EU-Irak mit dem Partnerschafts- und

Kooperationsabkommen, das als wesentliches Element eine Menschenrechtsklausel enthält und das

den Rahmen für eine Zusammenarbeit in Menschenrechtsfragen und für die Behandlung

verschiedener Fragen einschließlich der Rechtsstaatlichkeit festlegt.

Die EU entsandte ein Wahlbewertungsteam zu den allgemeinen Wahlen am 7. März 2010 nach

Irak. Einzelteams wurden in Bagdad, Erbil und Basra eingesetzt.

5.5.4 Saudi-Arabien
Die EU behandelte im Rahmen ihrer Beziehungen zu Saudi-Arabien weiter Menschenrechtsfragen

im Hinblick auf drei ihrer fünf Ziele: Todesstrafe, Menschenrechte von Frauen und Justizreform.

In Bezug auf die Todesstrafe war ein Rückgang der Gesamtzahl der Todesurteile zu verzeichnen,

möglicherweise aufgrund der Förderung einer Tendenz zur Gnade, wonach Familien auf das ihnen

nach islamischem Gesetz zustehende Recht verzichten, der Hinrichtung des Mörders ihres

Familienmitglieds beizuwohnen. Die EU plädierte dafür, wenigstens ein De-facto-Moratorium

einzuführen, und brachte gegenüber den zuständigen Behörden auch das Problem der Todesstrafe

für Minderjährige zur Sprache. Die Zahl der Straftatbestände, die mit der Todesstrafe belegt sind,

gibt Anlass zu ernster Besorgnis. Hexerei, Drogenschmuggel, Homosexualität und Abfall vom

Glauben (Apostasie) ziehen theoretisch die Todesstrafe nach sich, wenngleich die große Mehrheit

der im Jahr 2010 hingerichteten Personen wegen Mordes verurteilt worden war. Die Haltung Saudi-

Arabiens zur Todesstrafe wird nach wie vor durch sein Verständnis der Scharia (islamisches Recht)

bestimmt.

Nach wie vor besteht das Vormundschaftssystem, wonach Frauen die Erlaubnis eines männlichen

Angehörigen benötigen, um reisen, arbeiten und studieren zu können. Die EU brachte die Rechte

von Kindern und Frauen zur Sprache, mit besonderem Augenmerk auf Kinderehen. Eine Reform

betreffend die Rechte der Frau hatte zwar ein sehr niedriges Ausgangsniveau, erhielt indessen

vonseiten der Regierung der in den letzten Jahren zunehmende Beachtung. Die EU hat diese

Schritte begrüßt und Unterstützung angeboten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 184
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 199 – Drucksache 17/10899

Ferner unternahm die EU eine Demarche in Bezug auf willkürliche Verhaftungen und Lücken im

Strafgesetz des Königreichs sowie eklatante Fehlurteile und Verfahrensfehler (Verhaftung ohne

offizielle Anklage, fehlender Zugang zu Rechtsbeistand usw.). Dem saudi-arabischen Rechtssystem

fehlen trotz verstärkter juristischer Ausbildung die grundlegenden Standards des internationalen

Gerichtswesens. Die saudi-arabische Menschenrechtskommission führte 2010 ein umfangreiches

Programm von Gefängnisinspektionen durch. Formelle Protestdemarchen erfolgten in Bezug auf

das Sorgerecht für Frauen und den Fall von Rizana Nafeek, einer Staatsangehörigen Sri Lankas, die

wegen Mordes an einem ihr anvertrauten Baby zum Tode verurteilt worden war.

5.5.5 Jemen
Die Menschenrechtslage in Jemen hat sich 2010 weiter verschlechtert. Besonders besorgniserregend

waren die übermäßige Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten

und im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit und einer

unabhängigen Gerichtsbarkeit, willkürliche und ungesetzliche Hinrichtungen sowie Fälle von

politisch motiviertem Verschwinden, illegale Verhaftung und Folter durch die Sicherheitsdienste,

Verletzungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie die Diskriminierung von Frauen und

sozialen Randgruppen. Anlass zu großer Besorgnis gaben auch die erheblichen Rückschläge im

demokratischen Prozess, weil es der Regierung nicht gelang, einen Konsens über die umstrittene

Verfassungs- und Wahlrechtsreform zu erreichen. Die Regierung zeigte grundsätzlich ein gewisses

Engagement für die internationalen Menschenrechtsinstrumente, doch blieb deren Umsetzung

unzureichend; den Empfehlungen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung von 2009 wurde

kaum Folge geleistet und die Kapazitäten des Ministeriums für Menschenrechte blieben gering.

Während des Jahres 2010 war eine generelle Verschlechterung der Menschenrechtssituation zu

beobachten, vor allem eine zunehmende Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine Straffreiheit

von Sicherheitsbeamten. Die EU bemühte sich aktiv darum, diesen negativen Trend umzukehren,

insbesondere indem sie gezielte Demarchen gegen die Vollstreckung der Todesstrafe an

jugendlichen Straftätern unternahm. Mit einem von der EU finanzierten Programm wurde die

allgemeine Stärkung der Jugendgerichtsbarkeit unterstützt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 185
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 200 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU erkannte die bisherigen Bemühungen an, hob jedoch weiter die Verantwortung der

Regierung Jemens hervor, besser für den Schutz und die Sicherheit aller Bürger in ihrem

Hoheitsgebiet zu sorgen. Während des Jahres 2010 gab die EU zahlreiche Erklärungen zu den

Menschenrechten und Grundfreiheiten ab und forderte wiederholt alle politischen Akteure in Jemen

auf, in einen Dialog einzutreten, um nach Lösungen für die langjährige politische und

wirtschaftliche Krise des Landes zu suchen. Die EU setzte sich für eine Vertiefung und

Konsolidierung der Demokratie im Wege des Dialogs und eines breiten Konsens über die

Wahlrechtsreform ein, einschließlich einer Beachtung der Empfehlungen der EU-

Wahlbeobachtungsmission von 2006.

Die EU war weiter besorgt über die zunehmende Gewaltanwendung gegen zivile Ziele bei den

Bemühungen um die Bekämpfung von Terrorismus und bewaffneten Konflikten. Sie begrüßte die

2010 erzielte Waffenruhe in Sa'dah, hielt aber an ihrer Überzeugung fest, dass ernsthafte

Anstrengungen für den Wiederaufbau unternommen werden müssen, um die humanitäre Lage der

Zivilbevölkerung im nördlichen Teil des Landes und vor allem der 250 000 Binnenvertriebenen zu

erleichtern.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 186
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 201 – Drucksache 17/10899

5.6 Asien und Ozeanien

5.6.1 Afghanistan
Die Menschenrechtslage in Afghanistan verlangt weiterhin große Aufmerksamkeit und anhaltende
Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, nicht zuletzt im Hinblick auf Bereiche wie Justiz
und Staatsführung, die Menschenrechte von Frauen und Kindern und die Grundfreiheiten wie das
Recht auf freie Meinungsäußerung und die Gedanken-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit.

Wiederholt haben die Geber auf einer Reihe internationaler Konferenzen zugesagt, sich für die
Menschenrechte in Afghanistan einzusetzen. Auf der Konferenz in Kabul vom Juli 2010 hat die
Regierung Afghanistans zugesagt, für verschiedene staatliche Bereiche Nationale Entwicklungs-
programme mit hoher Priorität ("National Priority Programmes", NPP) und jeweiligen Umsetzungs-
plänen aufzustellen. Das Nationale Entwicklungsprogramm (NPP) für Menschenrechte und
bürgerliche Verantwortung wird von der afghanischen Unabhängigen Kommission für Menschen-
rechte geleitet und durch ein Vorhaben der Regierung ergänzt, Programme zu Menschenrechten,
Rechtsbewusstsein und staatsbürgerlicher Bildung durchzuführen, mit denen Bevölkerungsgruppen
überall im Land erreicht werden sollen. Frauen waren an der Konferenz in Kabul aktiv beteiligt,
und es wurde auch ein NPP zum Kapazitätsaufbau zwecks beschleunigter Umsetzung des
Nationalen Aktionsplans für Frauen in Afghanistan ausgearbeitet.

In ihrem Dialog mit der Regierung Afghanistans hat die EU weiterhin besonderes Augenmerk auf
die Bedeutung nationaler und internationaler Menschenrechtsverpflichtungen gelegt. Ferner hebt
die EU immer wieder hervor, dass der afghanischen Zivilgesellschaft eine Schlüsselrolle dabei
zukommt, den Menschenrechten Geltung zu verschaffen und demokratische Reformen in
Afghanistan voranzubringen, und hat über ihre Finanzierungsmechanismen entsprechende
Unterstützung gewährt.

Die EU-Delegation plädiert weiterhin für die Beteiligung von Frauen in allen Bereichen der
Gesellschaft, auch bei den Parlamentswahlen und beim Friedensprozess. Die EU hat politische und
finanzielle Unterstützung zur Umsetzung der Resolutionen des VN-Sicherheitsrats 1325 und 1820
zum Thema "Frauen, Frieden und Sicherheit" bereitgestellt. Zu den Errungenschaften gehört, dass
die Beteiligung weiblicher Vertreter an der beratenden Friedens-Jirga vom Juni 2010 und dem
Hohen Friedensrat gewährleistet werden konnte.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 187
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 202 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Am 27. Mai 2010 empfing die Hohe Vertreterin Dr. Soraya Rahim Sobhrang, die als Mitglied der

Unabhängigen Kommission für Menschenrechte Afghanistans für die Menschenrechte der Frauen

zuständig ist.
Bei den Parlamentswahlen vom 18. September war eine Wahlbeobachtungsmission der EU im

Einsatz. Sie gelangte zu der Auffassung, dass die für das Abhalten aussagekräftiger Wahlen

erforderlichen Voraussetzungen kaum gegeben waren. Der Wahltag war von zahlreichen

gewaltsamen Zwischenfällen überschattet, und in vielen Teilen des Landes fehlte die Sicherheit, die

erforderlich gewesen wäre, um den Menschen zu ermöglichen, ihre grundlegenden politischen und

bürgerlichen Rechte auszuüben. Trotz beträchtlicher Anstrengungen der afghanischen Behörden,

insbesondere seitens der Unabhängigen Wahlkommission und der Kommission für Wahl-

beschwerden, sowie begrüßenswerter Verbesserungen bei der Verwaltung des Wahlprozesses auf

zentraler Ebene beeinträchtigten nach wie vor fehlende Wählerlisten, weit verbreiteter Betrug in

großem Ausmaß sowie die mangelnde Kontrolle des Zentrums über einige Landesteile die

Durchführung und Glaubhaftigkeit des Prozesses. Die Disqualifizierung von Kandidaten und

Beamten wegen Wahlbetrugs und die Löschung von über 1,2 Millionen umstrittenen Stimmen

bildeten indessen einen begrüßenswerten Schritt im Hinblick darauf, von der Kultur der Straf-

losigkeit bei Wahlverbrechen Abstand zu nehmen. Das Versagen der Regierung, die endgültigen

Wahlergebnisse uneingeschränkt anzuerkennen, und die anschließende Einrichtung eines speziellen

Wahlgerichts ohne verfassungsrechtliche Grundlage hat die Unabhängigkeit der Wahlbehörden in

Frage gestellt und den Aufbau tragfähiger demokratischer Institutionen weiter behindert.
Die EU war weiterhin einer der wichtigsten Geber in Afghanistan. Seit Aufnahme ihres

Engagements in Afghanistan im Jahr 2002 war die EU am Wiederaufbau des Staates und seiner

Institutionen stark beteiligt. Seit 2002 wurden über 2 Mrd. EUR für den Wiederaufbau und die

Konsolidierung des afghanischen Staates bereitgestellt. Einen Teil davon bildet die beträchtliche

Unterstützung zur Förderung der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft in Afghanistan. Im

Rahmen des neuen mehrjährigen Richtprogramms 2011-2013 ist Unterstützung im Wert von

600 Mio. EUR vorgesehen. Einen der drei Schwerpunkte bildet die Unterstützung von

Regierungsreformen (Reform des Justizsektors, Reform der öffentlichen Verwaltung und

Regierungsführung auf subnationaler Ebene). Durch Programme wie das Europäische Instrument

für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) wird direkte Unterstützung für Menschenrechts- und

zivilgesellschaftliche Anliegen bereitgestellt; ferner wird der Sozialschutz unterstützt, der den

Schwächsten zugute kommt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 188
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 203 – Drucksache 17/10899

5.6.2 Bangladesch
Die Awami League war 2009 mit dem Versprechen an die Macht gelangt, eine progressive

Menschenrechtspolitik einzuführen. In ihrem Wahlprogramm führte die Awami League Themen

wie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz, die Beendigung außergerichtlicher

Tötungen, die Stärkung der Gestaltungs- und Entscheidungsmacht der Frauen und die Not-

wendigkeit einer Achtung der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören. Zu Beginn ihrer

Amtszeit, im Februar 2009, durchlief Bangladesch die allgemeine regelmäßige Überprüfung durch

den Menschenrechtsrat. Die EU begrüßte die Offenheit, mit der die Regierung an den Über-

prüfungsprozess heranging, nahm jedoch auch die Herausforderungen zur Kenntnis, denen das

Land in Bezug auf die Menschenrechte gegenüber steht.

Im Januar, vor der Hinrichtung der fünf Personen, die für den Mord an Sheikh Mujibur Rahman,

dem Gründungsvater der Nation, verurteilt wurden, gab die EU-Delegation im Namen der Hohen

Vertreterin eine Erklärung zu den Gerichtsverfahren zu politischen Morden in Bangladesch ab. In

dieser Erklärung bekundeten sie, dass die EU die Todesstrafe in jedem Fall und unter allen

Umständen grundsätzlich ablehnt.

Im Februar ließ die Hohe Vertreterin im Anschluss an einen Gewaltausbruch in den Chittagong Hill

Tracts, bei dem zahlreiche Menschen zu Tode kamen und Brandanschläge gegen rund 500 Häuser

indigener Einwohner verübt wurden, eine Erklärung abgeben, in der sie die Regierung aufforderte,

den Vorfall zu untersuchen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und Maßnahmen zur

Umsetzung des CHT-Friedensabkommens einzuleiten.

Im März ratifizierte Bangladesch als erstes Land Südasiens das Römische Statut des Internationalen

Strafgerichtshofs. Die Hohe Vertreterin gab eine Erklärung ab, in der sie Bangladesch zu dieser

Entscheidung beglückwünschte und ihrer Hoffnung Ausdruck verlieh, dass andere Länder in der

Region diesem Beispiel folgen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 189
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Drucksache 17/10899 – 204 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die jüngste Tagung des Gemischten Ausschusses EU-Bangladesch fand im Mai 2010 statt. Dabei

wurde eine Reihe von Fragen in Bezug auf die Menschenrechte angesprochen, so die Folge-

maßnahmen zu den Empfehlungen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung von 2009,

institutionelle und soziale Reformen, die Lage in den Chittagong Hill Tracts und der Umgang mit

den Rohingya-Migranten aus Birma/Myanmar in der Region Cox's Bazar. Der diesbezügliche

politische Dialog der EU, der von ihren Vertretern in Dhaka weitergeführt wird, gewinnt dadurch an

Gewicht, dass sie in allen genannten Bereichen Projekte unterstützt.

5.6.3 Birma/Myanmar
Die EU blieb sehr besorgt über die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in

Birma/Myanmar. Immer wieder verlieh sie ihrer Besorgnis in internationalen Foren Ausdruck und

forderte sie die Regierung nachdrücklich auf, die Situation zu verbessern. In seinen Berichten vom

März und Oktober 2010 prangerte der VN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte Tomás Ojea

Quintana weit verbreitete und systematische Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten

im Einzelnen an. Die EU hat sich für die Erneuerung seines Mandats eingesetzt und dazu bei-

getragen, im März 2010 eine Resolution beim VN-Menschenrechtsrat und im Herbst 2010 eine

Länderresolution im Dritten Ausschuss durchzusetzen, in der die anhaltenden schwerwiegenden

und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und Diskriminierungen ethnischer Minder-

heiten verurteilt und die Regierungsbehörden aufgefordert wurden, umgehend Schritte zur

Beendigung der Straflosigkeit einzuleiten. Menschenrechtsfragen wurden auch direkt gegenüber

Regierungsvertretern angesprochen, insbesondere bei der Vorbereitung auf die regelmäßige

allgemeine Überprüfung Anfang 2011.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 190
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 205 – Drucksache 17/10899

Im November 2010 erfolgten in Birma/Myanmar die ersten Wahlen seit 20 Jahren als Teil des

"Fahrplans" der ehemaligen Militärregierung auf dem Weg zu einer "disziplinierten Demokratie".

Die Hohe Vertreterin gab nach den Wahlen eine Erklärung ab, in der sie bedauerte, dass seitens der

Regierung die erforderlichen Schritte ausgeblieben sind, um freie und faire Wahlen unter Ein-

schluss aller Parteien zu gewährleisten. Die prodemokratische Oppositionsführerin Aung San Suu

Kyi wurde kurz nach den Wahlen aus ihrem Hausarrest entlassen, die EU nahm jedoch mit

Besorgnis zur Kenntnis, dass mehr als 2000 politische Gefangene weiter inhaftiert geblieben sind.

Damit wird die Einbeziehung aller Seiten in den politischen Prozess untergraben, die von der EU

als Vorbedingung für einen glaubhaften Übergang betrachtet wird. Nach wie vor kam es in den

Grenzgebieten zwischen der Armee Birmas/Myanmars und bestimmten ethnischen Gruppen zu

bewaffneten Zusammenstößen, die mit schweren Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen

innerhalb des Landes und Flüchtlingsströmen nach Thailand einhergingen.

Im Laufe des Jahres 2010 setzte die EU weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ein, um

die Regierung dazu zu drängen, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären. Ferner brachte die EU

das Thema Birma/Myanmar in allen einschlägigen internationalen Foren (VN, ASEAN, ARF,

ASEM usw.) zur Sprache. Zudem unterstützten die EU und ihre Mitgliedstaaten weiterhin die

Arbeit der 'Good offices mission to Myanmar' des VN-Generalsekretärs und begrüßten die

Bemühungen der VN, die Menschenrechtslage zu verbessern.

Obgleich die EU im Jahr 2010 ihre restriktiven Maßnahmen gegenüber Birma/Myanmar aufrecht-

erhielt, blieb sie zugleich der größte Geber von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe an das

Land, um tief verwurzelte strukturelle Armut und die Auswirkungen der Misswirtschaft des

Regimes zu lindern. Dennoch steht Birma/Myanmar mit geschätzten 5 USD pro Kopf im Jahr 2010

immer noch an letzter Stelle unter den Empfängern öffentlicher Entwicklungshilfe, weit hinter

benachbarten Ländern wie Laos (41 USD) oder Kambodscha (32 USD). Verantwortungsvolle

Staatsführung und Rechtskonzepte sind Bestandteil aller Hilfsprogramme der EU.

Darüber hinaus hat die EU aktiv Verbindungen zur Zivilgesellschaft aufgebaut und mit

reformorientierten Teilen der Zivilbehörden Birmas/Myanmars einen Dialog gesucht, um die

Regierung dazu zu bewegen, ihrer Verantwortung nachzukommen, die Millenniums-

Entwicklungsziele zu erreichen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 191
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Drucksache 17/10899 – 206 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.6.4 Kambodscha
Die EU hat finanzielle Unterstützung für die nationale Komponente der Außerordentlichen

Kammern in den Gerichten Kambodschas (ECCC) geleistet und die historisch bedeutende

Verurteilung von Kaing Guek Eav alias Duch zu 35 Jahren Haft begrüßt.

Die EU würdigte im Jahr 2010 die Billigung von fünf entscheidenden Rechtstexten und betonte,

dass drei weitere grundlegende Gesetze unverzüglich angenommen werden müssen, die für die

Unabhängigkeit und Transparenz der Justiz von besonderer Bedeutung sind, und zwar das Gesetz

über den Status von Richtern und Staatsanwälten, das Gesetz über die Organisation und

Funktionsweise der Gerichte und das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Obersten Rat der

Richterschaft ("Supreme Council of MagistracyAls sich der Entwurf eines Gesetzes über

nichtstaatliche Organisationen und Verbände in Vorbereitung befand, empfahl die EU der

Regierung, die betroffenen Seiten eingehend zu dem Entwurf zu konsultieren und ein Gesetz zu

schaffen, das der Entwicklung der Zivilgesellschaft zuträglich ist.

Die EU begrüßte die Einwilligung in alle aus der regelmäßigen allgemeinen Überprüfung der VN

hervorgegangenen Empfehlungen. Die EU setzte ihre Zusammenarbeit mit dem Amt des Hohen

Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) fort, um bei der Umsetzung der

Empfehlungen Unterstützung zu leisten, und unterstützte die Arbeit des OHCHR und des

Sonderberichterstatters auch darüber hinaus.

Die EU ist Befürchtungen wegen Beschränkungen der Meinungsfreiheit von Oppositionspolitikern,

Vertretern der Zivilgesellschaft und Journalisten nachgegangen. Ein häufig eingesetztes Instrument

waren dabei die neuen Bestimmungen des Strafgesetzbuches über Verleumdung und

Aufstachelung. Die EU bekundete Besorgnis über mehrere Fälle, unter anderem die des

Oppositionsführers Sam Rainsy, der oppositionellen Parlamentarierin Mu Sochua und von

nichtstaatlichen Organisationen wie LICADHO.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 192
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 207 – Drucksache 17/10899

Im September 2010 fand in Phnom Penh ein zivilgesellschaftliches Seminar EU-Kambodscha zum

Thema Menschenrechtsverteidiger und Zivilgesellschaft statt, an dem mehr als 170 Vertreter

verschiedener Gruppen aus ganz Kambodscha teilnahmen.

Als sehr problematisch zeigten sich für die EU Themen wie Landvertreibungen, die mangelnde

Anerkennung der Rechte von Angehörigen ethnischer Minderheiten, Land-Konzessionen wirt-

schaftlicher Natur ("Economic Land Concessions"), Land-Konzessionen sozialer Natur ("Social

Concessions") und die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen. Die EU ist zunehmend besorgt

über die negativen Auswirkungen von Landvertreibungen sowohl auf eine nachhaltige Entwicklung

als auch auf den sozialen Zusammenhalt. So wurden gegenüber der Regierung auf der letzten

Tagung des Gemischten Ausschusses vom Oktober 2010 sowie im Rahmen der Untergruppe für

institutionelle Reformen, Staatsführung und Menschenrechte mehrere Fälle zur Sprache gebracht,

die insbesondere den Zuckersektor betrafen.

Weitere wichtige Herausforderungen bilden nach wie vor eine Verbesserung der Bedingungen in

den Gefängnissen und die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz.

Im Anschluss an die Wahlbeobachtungsmission, die die EU 2008 entsandt hatte, und die

Empfehlungen im Hinblick auf die nächsten Wahlen (Kommunalwahlen 2012 und allgemeine

Wahlen 2013) sowie eine Verlängerung der technischen Unterstützung für den nationalen

Wahlausschuss machte die EU deutlich, dass eine künftige technische Unterstützung Kambodschas

von echten, greifbaren Ergebnissen einschließlich konkreter Maßnahmen im Anschluss an die

Empfehlungen der EU-Mission von 2008 abhängen wird.

Im Jahr 2010 wurden in Kambodscha 14 Projekte im Rahmen des Europäischen Instruments für

Demokratie und Menschenrechte umgesetzt, u. a. zu Fragen der indigenen Bevölkerungsgruppen,

der Landrechte, der Wahrnehmung der Menschenrechte durch Frauen und Kinder, der

Jugendgerichtsbarkeit, der Zivilgesellschaft und des Menschenhandels.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 193
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Drucksache 17/10899 – 208 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.6.5 China
Die EU hat die Menschenrechtslage in China im Jahr 2010 mit Sorge verfolgt und bedauerte

Verletzungen der Menschenrechte in einer Reihe von Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit, Freiheit

der Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Freiheit der Religion oder der Überzeugung,

Rechte von Angehörigen von Minderheiten wie auch die fortgesetzte Vollstreckung der Todesstrafe

in sehr vielen Fällen.

Obgleich der Menschenrechtsdialog EU-China normalerweise zwei Mal im Jahr stattfindet, wurde

2010 nur eine Gesprächsrunde abgehalten, und zwar im Juni in Madrid, da China die zweite, in der

zweiten Jahreshälfte in Peking anberaumte Runde einseitig absagte. Unmittelbar vor dem Dialog in

Madrid fand ein Seminar für Juristen aus der EU und China statt, bei dem neben der Rolle, die die

nationalen Menschenrechtsinstitutionen bei der Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und

kulturellen Rechte spielen, als weitere Themen die Informationsfreiheit und das Recht auf

Privatsphäre behandelt wurden.

In dem Dialog selbst ging es um die Umsetzung des chinesischen Menschenrechts-Aktionsplans,

die Rolle der Anwälte, die Lage in Tibet und Xinjiang, Flüchtlinge aus Nordkorea, die Freiheit des

Internets und die Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte

(IPBPR) durch China. Die EU und China erörterten ferner den Schutz der Menschenrechte während

der Finanzkrise sowie Fragen des Strafrechts einschließlich der Todesstrafe, der Reform des

Systems der "Umerziehung durch Arbeit", der Inhaftierung in psychiatrischen Anstalten und der

Schikanierung von Petitionsführern. Dem Dialog ging der Besuch eines Aufnahmezentrums für

Flüchtlinge voran. Am Rande des Dialogs übergab die EU eine Liste von Einzelfällen, die ihre

Besorgnis erregt hatten; eine Antwort der chinesischen Behörden steht noch aus.

Die EU erstellte unter Konsultation des Europäischen Parlaments und der Zivilgesellschaft eine

Bewertung des Dialogs und nahm mit China Gespräche über die Umsetzung der daraus

hervorgehenden Empfehlungen auf.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 194
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 209 – Drucksache 17/10899

Nach den 2009 abgegebenen Erklärungen, in denen die Festnahme und das Gerichtsverfahren gegen

Liu Xiaobo verurteilt wurden, versuchten Beamte der EU-Delegation in China sowie Angehörige

der Botschaften einiger EU-Mitgliedstaaten am 11. Februar, dem Verfahren über Lius Berufung

gegen seine Verurteilung beizuwohnen, sie erhielten jedoch keinen Zugang zum Gerichtsraum. Die

EU kritisierte das Urteil daraufhin als gänzlich unvereinbar mit Lius Recht auf Meinungsfreiheit

und wiederholte ihre Forderung nach seiner unverzüglichen Freilassung und der Beendigung der

Schikanierung und Inhaftierung anderer Autoren der "Charta 08". Nach der Verleihung des

Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo gaben der Präsident der Europäischen Kommission und die

Hohe Vertreterin Erklärungen ab, in denen sie die Preisverleihung begrüßten. Ein Beamter der EU-

Delegation unternahm den Versuch, diese Botschaften der Frau Liu Xiaobos, Liu Xia, persönlich zu

übermitteln, wurde jedoch daran gehindert, ihren Wohnblock zu betreten.

Vonseiten der chinesischen Behörden erfolgten weitere Beschränkungen der Meinungsfreiheit

einschließlich der Nutzung neuer Technologien wie auch der Versammlungsfreiheit. Die EU

bekundete gegenüber den chinesischen Behörden ihre Besorgnis in Bezug auf den inhaftierten

Sacharow-Preisträger Hu Jia und mehrere andere Menschenrechtsverteidiger, wie

Chen Guangcheng und Liu Xianbin. Am 9. Februar 2010 gab die Hohe Vertreterin eine Erklärung

ab, in der sie ihrer Besorgnis darüber Ausdruck verlieh, dass der bekannte Menschenrechtsanwalt

Gao Zhisheng seit mehr als einem Jahr vermisst war, und die chinesischen Behörden aufforderte,

Aufschluss über seine Situation zu geben. Ferner äußerte die EU ihre Besorgnis über die

Schikanierung und Schließung zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Die EU legte Nachdruck auf die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere hinsichtlich der

Regulierung der Rechtsberufe und der Fähigkeit von Rechtsanwälten, ihre beruflichen Pflichten

ohne Störung auszuüben. Angesichts der Besorgnis über die anhaltende Einschüchterung von

Anwälten versuchten Beamte der EU-Delegation und der Botschaften von Mitgliedstaaten am

22. April 2010, der Anhörung in der Pekinger Justizbehörde beizuwohnen, die zum ständigem

Berufsverbot der Menschenrechtsanwälte Tang Jitian und Liu Wei führte, wurden jedoch am Zutritt

gehindert.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 195
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Drucksache 17/10899 – 210 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Vollstreckung der Todesstrafe in sehr vielen Fällen gab nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Die

EU rief China auf, die Zahl der Straftatbestände, für die die Todesstrafe verhängt werden kann, zu

verringern und die Transparenz der Gerichts- und Revisionsverfahren zu steigern.

Die EU beobachtete weiterhin die Auswirkungen der Ereignisse vom 14. März 2008 in Lhasa. Bei

einem Arbeitsbesuch im Autonomen Gebiet Tibet im Juli 2010 brachten Vertreter der EU eine

Reihe von Fragen zum Umgang mit der tibetischen Minderheit zur Sprache. Mit großer Aufmerk-

samkeit verfolgte die EU weiterhin die Entwicklungen im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang.

Auf der 14. und 15. Tagung des VN-Menschenrechtsrates sowie der Tagung des Dritten Aus-

schusses der VN-Generalversammlung gab die EU Erklärungen ab, in denen sie erneut ihrer

Besorgnis über die Verschlechterung der Lage in China bezüglich der Rechtsstaatlichkeit, der

Presse- und der Meinungsfreiheit sowie über die verstärkte Beschränkung der Arbeit von

Menschenrechtsverteidigern Ausdruck verlieh. Zugleich bedauerte die EU Verletzungen der

Menschenrechte von Angehörigen ethnischer oder religiöser Minderheiten und forderte China auf,

den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu ratifizieren.

5.6.6 Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK)
Die EU war nach wie vor sehr besorgt über die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in

der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK). Immer wieder bekundete sie ihre Besorgnis in

internationalen Foren und forderte sie die Regierung in Pjöngjang nachdrücklich auf, die Situation

zu verbessern. Im März 2010 spielte die EU eine wichtige Rolle bei der Annahme der Resolution

des VN-Menschenrechtsrats, mit der er das Mandat des VN-Sonderberichterstatters über die

Menschenrechtslage in der DVRK um ein weiteres Jahr verlängerte. Am 21. Dezember 2010 nahm

die VN-Generalversammlung auf Initiative der EU, Japans und der Republik Korea eine Resolution

zur Menschenrechtslage in der DVRK an. Besorgnisse bezüglich der Menschenrechte wurden auch

im direkten Kontakt mit den Behörden der DVRK durch die ansässigen Botschafter der EU-

Mitgliedstaaten in Pjöngjang sowie bei Zusammenkünften mit Vertretern der DVRK in Brüssel und

in anderen EU-Mitgliedstaaten zur Sprache gebracht.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 196
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211 – Drucksache 17/10899

Bei dem regelmäßigen offiziellen EU-Besuch in Pjöngjang auf Ebene der Regionaldirektoren im

November 2010 forderte die EU die DVRK auf, alle Menschenrechte und Grundfreiheiten unein-

geschränkt zu achten und den Empfehlungen der einschlägigen VN-Resolutionen nachzukommen.

Die EU rief Pjöngjang auf, als vertrauensbildende Maßnahme in vollem Umfang mit dem

Menschenrechtsmechanismus der VN zusammenzuarbeiten und dem Sonderberichterstatter dabei

umfassenden, freien und ungehinderten Zugang zur DVRK zu gewähren. Die EU hielt Pjöngjang

ferner dazu an, in einen ernsthaften Menschenrechtsdialog mit der EU und ihren Mitgliedstaaten

einzutreten. Die EU bekräftigte ihre Bereitschaft, einen bilateralen Menschenrechtsdialog mit der

DVRK aufzunehmen und damit Fachkenntnis und konstruktive Zusammenarbeit in spezifischen

Menschenrechtsbereichen anzubieten. Die EU äußerte ihre tiefe Besorgnis darüber, dass Bürger in

der DVRK immer noch zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. Die EU appellierte

eindringlich an Pjöngjang, den systematischen, weit verbreiteten und schweren Verletzungen der

zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte unverzüglich ein Ende zu

setzen, die eigenen Bürger zu schützen, das Problem der Straffreiheit anzugehen und dafür Sorge zu

tragen, dass die Urheber von Menschenrechtsverletzungen vor einem unabhängigen Gericht zur

Verantwortung gezogen werden, den umfassenden, sicheren und ungehinderten Zugang zu

humanitärer Hilfe zu gewährleisten und den humanitären Organisationen die unparteiliche

Verteilung dieser Hilfe zu ermöglichen. Die EU forderte die DVRK nachdrücklich auf, die

Ursachen der Flüchtlingsproblematik anzugehen und dafür zu sorgen, dass etwaige in die DVRK

zurückkehrende Flüchtlinge in Sicherheit und Würde zurückkehren können.

Die EU hat Beijing in gesonderten Demarchen auf verschiedenen Ebenen beständig gebeten, sich

milde gegenüber Bürgern der DVRK zu zeigen, die bei der Suche nach Nahrungsmitteln die Grenze

nach China überqueren, und seine Politik gegenüber diesen Flüchtlingen, denen bei einer Rückkehr

in die DVRK die Todesstrafe droht, zu überdenken.

Auf die konstruktive Haltung der DVRK bei der regelmäßigen allgemeinen Überprüfung 2009

folgte keinerlei Umsetzung der dabei abgegebenen 117 Empfehlungen. Immerhin waren einige

positive Schritte im Hinblick auf die Rechte des Kindes sowie die Rechte von Menschen mit

Behinderungen festzustellen. Die EU hat die Lebensmittelknappheit in der DVRK weiterhin

aufmerksam beobachtet und war nach wie vor bereit, im Krisenfall Lebensmittelhilfe zur

Verfügung zu stellen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 197
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Drucksache 17/10899 – 212 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.6.7 Fidschi
Das Militärregime von Commodore Bainimarama hat seine Macht im Anschluss an die Aufhebung

der Verfassung im April 2009 gefestigt, nachdem das Berufungsgericht die Einsetzung der Militär-

regierung nach dem Putsch von 2006 für rechtswidrig erklärt hatte. Die 2009 eingeführten Not-

standsverordnungen, die die Versammlungs- und Medienfreiheit stark einschränken, wurden 2010

Monat für Monat verlängert. Immer wieder wurde über willkürliche Inhaftierung, Schikanierung

und Einschüchterung von Dissidenten berichtet. Obwohl angekündigt wurde, dass im Februar 2010

ein Forum des nationalen Dialogs zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft eingerichtet

werde, waren bis Ende 2010 noch keine Gespräche aufgenommen worden. Im Juni 2010 wurde ein

Mediendekret angenommen, mit dem die Zensur der Medien gefestigt und verstärkt wurde. Die

Mitgliedschaft Fidschis im Pacific Islands Forum und dem Commonwealth ist weiterhin ausgesetzt.

Als Reaktion auf den Putsch von 2006 und darauf, dass Fidschis anschließende vereinbarte Ver-

pflichtungen in Bezug auf demokratische Grundsätze, Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit

nicht mehr eingehalten hat, beschloss die EU 2007, ihre im Rahmen des Cotonou-Abkommens

(Europäischer Entwicklungsfonds) und des Finanzierungsinstruments für die Entwicklungs-

zusammenarbeit gewährte Entwicklungshilfe bis auf wenige Ausnahmen zurückzuhalten. Der

ursprünglich für zwei Jahre geltende Beschluss wurde mehrmals verlängert und über den gesamten

Zeitraum des Jahres 2010 beibehalten. Zugleich bestärkte die EU das Regime bei bilateralen

Treffen, bei Zusammenkünften in Suva im Rahmen des regelmäßigen politischen Dialogs nach

Artikel 8 des Cotonou-Abkommens und in einer Erklärung der EU vom 16. Juli 2010 zur Aus-

weisung des amtierenden Hohen Kommissars Australiens, sich aus seiner Isolation zu befreien,

indem es erste Schritte in Richtung eines ernsthaften Dialogs einleitet, rasch die Demokratie in

Fidschi wiederherstellt und die Notstandsverordnungen aufhebt.

Bei der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung Fidschis durch den VN-Menschenrechtsrat im

Februar 2010 bekundeten mehrere EU-Mitgliedstaaten ihre tiefe Besorgnis über die Verweigerung

der Menschenrechte durch die Militärregierung und verwiesen dabei insbesondere auf Berichte über

willkürliche Inhaftierung, Einschüchterung und Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern und

Oppositionellen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 198
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213 – Drucksache 17/10899

5.6.8 Indien
Die EU hat die Menschenrechtslage in Indien im Jahr 2010 gemäß ihrer Menschenrechtsleitlinien

weiterhin aufmerksam beobachtet, trat mit Vertretern der Zivilgesellschaft und mit Regierungs-

stellen wegen behaupteter Verletzungen in Kontakt und ließ im Bereich der Menschenrechte tätigen

nichtstaatlichen Organisationen sowie einzelnen Menschenrechtsverteidigern Unterstützung

zukommen.

Im Februar 2010 besuchten EU-Referenten den Bundesstaat Orissa im Zusammenhang mit

gewaltsamen Übergriffen auf Christen; bei ihrem einmal im Jahr stattfindenden Besuch in Jammu

und Kaschmir hatten die EU-Missionsleiter die Gelegenheit, sich persönlich mit

Menschenrechtsfragen in der Region vertraut zu machen.

Der Menschenrechtsdialog EU-Indien hat sich als konstruktives und nützliches Instrument des

beiderseitigen Engagements erwiesen. 2010 fanden die Gespräche am 25. März in Neu-Delhi statt

und umfassten multilaterale Fragen (einschließlich des Menschenrechtsrats) – Todesstrafe, Folter

und Internationaler Strafgerichtshof – sowie bilaterale Fragen wie die Bewertung des Mechanismus

zur Einberufung von Ad-hoc-Dialogen, Menschenrechte und Terrorismusbekämpfung, die Rechte

von Personen, die einer Minderheit angehören, die Wahrnehmung der Menschenrechte von Frauen

und Kindern, die Rechte des Kindes, die Frage der Diskriminierung aufgrund der Abstammung und

die Situation von Menschenrechtsverteidigern.

Die Todesstrafe war Gegenstand einer diplomatischen Demarche der EU und eines Seminars, das

im Oktober 2010 von der französischen Botschaft veranstaltet wurde. Im Rahmen des Menschen-

rechtsdialogs, der im März 2011 stattfand, wurden im Gespräch mit Regierungsvertretern erneut die

Annahme einer Gesetzesvorlage zur Verhütung von Folter sowie Bedenken über Rechtsvorschriften

im Bereich Sicherheit thematisiert.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 199
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Drucksache 17/10899 – 214 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Insbesondere im Hinblick auf die Situation der Menschenrechtsverteidiger hat die EU ihre Strategie

vor Ort überprüft, ihre Kontakte zu den indischen Behörden in Bezug auf eine Liste vorrangiger

Fälle fortgesetzt (und das Verfahren gegen Dr. Binayak Sen beobachtet), einen jährlich anbe-

raumten Workshop veranstaltet und ein Projekt zu einem Volksgericht finanziert, das sich mit der

Problematik der Folter von Menschenrechtsverteidigern und einem konkreten Fall hierzu befasste.

Die Zusammenarbeit mit Organisationen unter dem Dach von "Women Power Connect" wurde

fortgesetzt.

Darüber hinaus leistete die EU finanzielle Unterstützung für mehrere Initiativen zu einer Reihe von

Menschenrechtsfragen, u. a. Frauen- und Kinderhandel, Vorbeugung von Folter, Rechte von

Randgruppen und sozial ausgegrenzten Gruppen, Arbeitnehmerrechte im informellen Sektor sowie

Zugang zur Justiz.

5.6.9 Indonesien
Das umfassende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA), das die EU und Indonesien

am 9. November 2009 unterzeichnet haben, hat zur Einrichtung eines strukturierten Menschen-

rechtsdialogs geführt. Anlässlich der Unterzeichnung des PKA bezeichneten Indonesien und die EU

Menschenrechte und Demokratie als Prioritäten für eine verstärkte Zusammenarbeit in Erwartung

der Ratifizierung des Abkommens.

Die erste Runde des Menschenrechtsdialogs fand im Juni 2010 in Jakarta statt und bot eine wert-

volle Gelegenheit, Anliegen wie Nichtdiskriminierung, die Freiheit der Religion oder Weltan-

schauung und die Rechte von Angehörigen religiöser Minderheiten, die Rechte von Häftlingen und

Gefangenen, die Rechte von Frauen, die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans-

gender-Personen sowie das Recht auf Bildung zu erörtern. Ferner veranstaltete die EU im Juni 2010

eine Konferenz mit dem Titel “Islam in a Globalising World”, zu der 150 Teilnehmer aus Kreisen

der Regierung, der Zivilgesellschaft und der Medien zusammenkamen, und die aufschlussreiche

Einblicke in die muslimischen Gemeinschaften in Europa und Indonesien und den Beitrag des Islam

zu internationalen Diskussionen über Menschenrechte, Demokratie und Klimawandel gab.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 200
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 215 – Drucksache 17/10899

Neun Menschenrechtsprojekte werden derzeit über das EIDHR gefördert; sie umfassen

Problematiken wie Folter und wirksame Wahrnehmung der Menschenrechte durch Frauen und

Kinder. Die EU-Menschenrechtsleitlinien wurden ins Indonesische (Bahasa Indonesia) übersetzt

und werden jetzt umfassend verbreitet.

Im Rahmen regelmäßiger Missionen beobachtet die EU aufmerksam die Menschenrechtslage in

besonders problematischen Gebieten wie Aceh und Papua mit spezifischen Herausforderungen wie

Wahrheitsfindung und Aussöhnung sowie Fragen im Zusammenhang mit der Sonderautonomie, die

diesen Provinzen gewährt wurde.

Die EU-Missionen in Jakarta haben eine eigene Task Force für Menschenrechte errichtet, die sich

aus den politischen Referenten der EU-Delegation und der Botschaften der Mitgliedstaaten

zusammensetzt.

Indonesien hat ferner entscheidend an der Errichtung der neuen zwischenstaatlichen ASEAN-

Menschenrechtskommission mitgewirkt. Um innerhalb von ASEAN mit gutem Beispiel

voranzugehen, hat Indonesien ein unabhängiges Mitglied einer führenden indonesischen

nichtstaatlichen Organisation zu seinem Vertreter in der Kommission ernannt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 201
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Drucksache 17/10899 – 216 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.6.10 Japan
Wenn auch die Zahl der Hinrichtungen im Jahr 2010 im Vergleich zu 2009 (von neun auf zwei)

zurückging, hat die EU die Problematik doch weiterhin aufmerksam verfolgt und im Juli 2010 eine

Erklärung abgegeben, in der sie ihrer Besorgnis Ausdruck verlieh. Die EU hat mehrfach an ihren

Standpunkt erinnert, dass sie grundsätzlich gegen die Todesstrafe ist, und Japan nahegelegt, als

ersten Schritt ein Moratorium einzuführen und die internationale Entwicklung zur Abschaffung der

Todesstrafe anzuerkennen. Die EU und einzelne Mitgliedstaaten haben mehrere Treffen und

Konferenzen mit Mitgliedern der japanischen Regierung, Parlamentariern und nichtstaatlichen

Organisationen zum Thema Todesstrafe abgehalten.

Ferner haben die EU und Japan gemeinsam ein Seminar über individuelle Beschwerderechte im

Rahmen der Menschenrechtsverträge der VN veranstaltet, um bewährte Praktiken auszutauschen

und die japanische Seite bei ihren laufenden Vorbereitungen auf die Ratifizierung mehrerer

Protokolle zu unterstützen. Die EU und Japan haben ihre halbjährlichen Konsultationen über

Menschenrechte fortgesetzt, die in Genf und Brüssel stattfanden.

5.6.11 Laos
Der Dialog mit Laos über Governance- und Menschenrechtsfragen konnte weiter intensiviert

werden; so wurden ein Seminar zur regelmäßigen allgemeinen Überprüfung des Landes abgehalten

und die Sitzungen der Arbeitsgruppe "Menschenrechte" und des Gemischten Ausschusses EU-Laos

(die Anfang 2011 stattfanden) vorbereitet. Die umstrittene Frage der von Thailand zurück-

gewiesenen Hmong-Flüchtlinge mit dem Status von Personen unter UNHCR-Mandat fand im Laufe

des Jahres eine Lösung durch ihre unauffällige Abreise in Aufnahmeländer. Viele Partner am

Runden Tisch 2010 stellten gute Fortschritte im Bereich Governance fest, insbesondere den

Abschluss der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung sowie ermutigende Ergebnisse der

gemeinsam von der EU und den VN veranstalteten Projekte zur Stärkung der Nationalversammlung

und zum Völkerrecht. Der demokratische Wandel hat sich langsamer vollzogen; weder waren

Fortschritte bei den Wahlen zu erkennen (Einparteienstaat), noch wurde die Registrierung

zivilgesellschaftlicher Organisationen beschleunigt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 202
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 217 – Drucksache 17/10899

5.6.12 Malaysia
Die EU und Malaysia haben im Jahr 2010 Verhandlungen über ein Partnerschafts- und

Kooperationsabkommen aufgenommen, in dem Bestimmungen zu den Menschenrechten

vorgesehen sind. Malaysia stimmte auch zu, mit der EU über Menschenrechtsfragen vor Ort zu

beraten. Anfang 2011 fand das erste Zusammentreffen dieser Art statt, bei dem die Wahrnehmung

der Menschenrechte durch Frauen und Kinder im Mittelpunkt stand. Das Europäische Parlament

verurteilte Malaysia im Jahr 2010 in zwei Entschließungen, einer Entschließung zur Religions-

freiheit nach Brandanschlägen gegen Kultstätten als Reaktion auf eine Entscheidung des Obersten

Gerichtshofs zum Gebrauch des Wortes "Allah" durch die christlichen Gemeinden in Malaysia

sowie einer Entschließung bezüglich der Anwendung der Prügelstrafe gegen inhaftierte Migranten.

Bei einem Besuch der VN-Arbeitsgruppe "Willkürliche Inhaftierung" in Malaysia wurde ihr

Zugang zu Haftanstalten gewährt. In ihrem Bericht übte sie scharfe Kritik an den Bedingungen und

empfahl die Aufhebung von Gesetzen zur Schutzhaft wie dem Gesetz über die innere Sicherheit

("Internal Security Act"), die eine Inhaftierung ohne faires Verfahren erlauben und den Zugang zu

Rechtsberatung und den Kontakt zu Familienangehörigen einschränken.

Die EU hat das laufende Gerichtsverfahren gegen den wegen Sodomie angeklagten De-facto-

Oppositionsführer Anwar Ibrahim weiter aufmerksam verfolgt. Es wurden Demarchen zum Beitritt

Malaysias zum Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) unternommen, von

denen angenommen wird, dass sie 2011 zum Erfolg führen. Im März 2010 fand das erste Treffen

mit Menschenrechtsverteidigern statt. Im Oktober 2010 veranstaltete die EU anlässlich des Welttags

gegen die Todesstrafe ein informelles Essen mit Angehörigen der Nationalen Menschenrechts-

kommission und Vertretern von nichtstaatliche Organisationen. Beim jährlichen Menschenrechts-

seminar der Delegation stand die Lage der indigenen Bevölkerungsgruppen Malaysias im

Mittelpunkt, zu denen 3,2 Millionen Menschen zählen, d.h. rund 12 % der Gesamtbevölkerung.

Ferner besuchte die EU-Arbeitsgruppe "Menschenrechte" vor Ort einige dieser Gruppen. Die

Zusammenarbeit der EU mit der Nationalen Menschenrechtskommission (SUHAKAM) wurde

weiter ausgebaut.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 203
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Drucksache 17/10899 – 218 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.6.13 Nepal
Auf politischer Ebene vertrat die EU gegenüber der Regierung weiterhin ihre Anliegen und verwies

alle Konfliktparteien beständig auf die Notwendigkeit, dass Personen, die Menschenrechts-

verletzungen begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden und besonders bedeutsame Fälle

von Menschenrechtsverletzungen sowohl während als auch nach dem Konflikt, bei denen die

anhaltende Straflosigkeit zum Ausdruck kommt, angegangen werden. Im Vorfeld der allgemeinen

regelmäßigen Menschenrechts-Überprüfung Nepals im Jahr 2011 plädierte die EU gegenüber der

Regierung ferner für die Verbesserung und Annahme mehrerer im Parlament anhängiger Gesetzes-

entwürfe zur Einrichtung von Mechanismen einer Übergangsjustiz.

Vor Ort setzte die EU ihre koordinierte Beobachtung der Menschenrechtslage in Nepal fort,

insbesondere in Bezug auf die prekäre Situation der Menschenrechtsverteidiger. Seitens der von

Kathmandu aus operierenden EU-Arbeitsgruppe für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern

wurde eine Mission in die westlichste Region Nepals entsandt, um Informationen aus erster Hand

über die Herausforderungen zu sammeln, die sich den Menschenrechtsverteidigern dort stellen, und

Unterstützung für ihre Arbeit zu signalisieren.

Die EU gewährte verschiedenen in- und ausländischen nichtstaatlichen Organisationen finanzielle

Unterstützung zur Umsetzung von Initiativen im Bereich Menschenrechte und Demokratie in

Nepal. So wurden Projekte im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und

Menschenrechte (EIDHR) und des thematischen Programms "In Menschen investieren" finanziert.

Die Problematik der von bewaffneten Konflikten betroffenen Kinder und Familien in Nepal wurde

durch zwei neue, seit 2010 umgesetzte Projekte weiterverfolgt – ein Projekt im Rahmen des

weltweiten Aufrufs des EIDHR zur Einreichung von Vorschlägen (von der EU bereitgestellte

Finanzmittel: 360 000 EUR) und ein weiteres im Rahmen des weltweiten Aufrufs (575 000 EUR).

Ein weiteres im Rahmen des weltweiten Aufrufs zur Einreichung von Vorschlägen ausgewähltes

und von der EU mit 857 000 EUR unterstütztes Projekt beschäftigte sich mit dem Schutz und der

Förderung einer vielfältigen Kultur. Im Jahr 2010 wurden zehn neue Verträge im Rahmen der

länderspezifischen Förderprogramme des EIDHR unterzeichnet (von der EU bereitgestellte

Finanzmittel: 900 000 EUR), bei denen der Schutz und die Förderung der Menschenrechte und die

Konsolidierung der Demokratie im Mittelpunkt stehen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 204
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219 – Drucksache 17/10899

Im Jahr 2010 veranstaltete die EU-Delegation in Nepal einen Workshop zum internationalen Tag

der indigenen Bevölkerungen der Welt.

5.6.14 Pakistan
Die EU sucht die Zusammenarbeit mit Pakistan bei der Verbesserung der Strafverfolgung;

Fortschritte in diesem Bereich dürften sich positiv auf den wirksamen Schutz der Menschenrechte

auswirken. Ferner wurde ein Projekt zur Unterstützung der Empfehlungen der

Wahlbeobachtungsmission eingeleitet, die die EU 2008 entsandt hatte.

Das Kooperationsabkommen der dritten Generation (2004) zwischen der EU und Pakistan umfasst

eine grundlegende Menschenrechtsklausel. Daneben hat die EU ihren politischen Dialog mit

Pakistan immer wieder dazu genutzt, Menschenrechtsfragen zur Sprache zu bringen. Am 24. März

2010 kamen in Islamabad Vertreter Pakistans und der EU zur dritten Gesprächsrunde der "Unter-

gruppe für Staatsführung, Menschenrechte und Migration" zusammen. Der Menschenrechtsdialog

EU-Pakistan fand in einer von Zusammenarbeit und Offenheit geprägten Atmosphäre statt. Erörtert

wurden die Umsetzung der Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission von 2008, das EU-

Projekt zur Unterstützung des Parlaments, der Kapazitätsaufbau im Bereich Governance, die

Unterzeichnung und Ratifizierung internationaler Menschenrechtsinstrumente, die Zusammenarbeit

im Bereich der Menschenrechte sowie das Rückübernahmeabkommen und die legale Zuwanderung.

Dem Dialog ging ein Treffen mit Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen in Brüssel und

Islamabad voraus.

Wiederholt brachte die EU im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit der Regierung Pakistans die

Gesetze über Gotteslästerung und ihren Missbrauch zur Sprache. Die Hohe Vertreterin äußerte sich

in einer Erklärung vom 12. November 2010 zutiefst besorgt über die Verurteilung von Asia Bibi,

die von einem Gericht in der Provinz Punjab wegen Blasphemie zum Tode verurteilt wurde.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 205
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Drucksache 17/10899 – 220 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Hohe Vertreterin verurteilte die religiös motivierten Angriffe auf Kultstätten und Pilgerorte, so

die Angriffe auf zwei Moscheen der Ahmadi-Sekte in Lahore, bei denen mehr als 70 Menschen zu

Tode kamen (Erklärung vom 28. Mai), und auf einen Sufi-Schrein in Lahore, der mehr als 50

Todesopfer forderte (Erklärung vom 2. Juli), die Selbstmordattentate auf eine Shia-Prozession in

Lahore, bei denen 30 Menschen in den Tod gerissen wurden (Erklärung vom 2. September) und

gegen eine Moschee in Darra Adam Khel im Nordwesten Pakistans (Erklärung vom 5. November).

Die EU äußerte Besorgnis über diese Angriffe und forderte die pakistanische Regierung nach-

drücklich auf, die Verantwortlichen umgehend vor Gericht zu stellen. In ihrer Erklärung auf der

14. Tagung des VN-Menschenrechtsrats in Genf (31. Mai bis 18. Juni 2010) wies die EU

ausdrücklich auf die Lage der Angehörigen von Minderheiten in Pakistan hin.

Die Sicherheit von Aktivisten und Journalisten, die sich mit Menschenrechtsfragen beschäftigen,

gab weiterhin Anlass zu tiefer Besorgnis.

Die EU begrüßte, dass Pakistan am 4. Juni 2010, am Vorabend des zweiten Gipfeltreffens EU-

Pakistan, zwei für die Menschenrechte grundlegende internationale Übereinkünfte ratifiziert hat,

den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und das Übereinkommen

gegen Folter. Die EU ist jedoch zutiefst besorgt über die Art und Tragweite der von Pakistan

eingelegten Vorbehalte und hat der pakistanischen Regierung ihre diesbezüglichen Bedenken

mitgeteilt.

Das dritte Treffen des Gemischten Ausschusses EU-Pakistan fand am 25. März 2010 statt, nachdem

am Vortag (24. März) die "Untergruppe für Staatsführung, Menschenrechte und Migration" zusam-

mengekommen war. Das Treffen diente der Erörterung verschiedener Menschenrechtsfragen,

darunter insbesondere der Frage der Religionsfreiheit und der Rechte von Angehörigen von

Minderheiten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 206
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 221 – Drucksache 17/10899

Auf dem zweiten Ad-hoc-Gipfeltreffen EU-Pakistan vom 4. Juni 2010 in Brüssel bekräftigten beide

Seiten ihre Entschlossenheit, regionale und globale Sicherheitsfragen gemeinsam anzugehen, die

Achtung der Menschenrechte zu fördern und ihre Zusammenarbeit zur Stärkung der demo-

kratischen Regierung und Institutionen Pakistans fortzusetzen. Im Anschluss an die auf dem ersten

Gipfeltreffen erzielte Übereinkunft, einen strategischen Dialog aufzunehmen und die Zusammen-

arbeit in Schlüsselbereichen von gegenseitigem Interesse zu verstärken, unter anderem bei der

Förderung einer verantwortungsvollen Staatsführung und der Menschenrechte, vereinbarten die EU

und Pakistan, ihr Engagement durch die Aufstellung eines auf fünf Jahre angelegten Programms mit

konkreten Zielen für ein gemeinsames Vorgehen zu untermauern.

Am 10. Dezember 2010 lancierte die EU bei einer Veranstaltung zum internationalen Tag der

Menschenrechte in Islamabad eine lokale Strategie für Menschenrechtsverteidiger in Pakistan, in

der Überzeugung, dass ihnen bei der Entwicklung der Demokratie und der Achtung der Menschen-

rechte in Pakistan eine wichtige Rolle zukommt.

5.6.15 Philippinen
Die Menschenrechtslage stand weiterhin im Mittelpunkt der EU-Politik gegenüber den Philippinen.

Die EU begrüßte die Zusage des neuen philippinischen Präsidenten und seiner Regierung, die

Menschenrechtslage im Land anzugehen, an erster Stelle insbesondere das Problem der außer-

gerichtlichen Hinrichtungen und die Abschaffung der Kultur der Straflosigkeit, und Fortschritte

beim Mindanao-Friedensprozess und bei den Friedensgesprächen mit der Kommunistischen Partei

der Philippinen/Nationalen Demokratischen Front (CPP/NDF) zu machen.

Die EU brachte 2010 die Verhandlungen über ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zum

Abschluss, das deutliche Bestimmungen zu den Menschenrechten enthält, unter anderem die

Einrichtung eines Menschenrechtsdialogs.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 207
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Drucksache 17/10899 – 222 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU ließ den Philippinen im Jahr 2010 weiterhin technische Unterstützung zukommen, um die

Frage der außergerichtlichen Hinrichtungen und des Verschwindenlassens anzugehen. Insbesondere

trug die EU dazu bei, die Kapazitäten und die Effizienz des philippinischen Strafjustizsystems, der

philippinischen Menschenrechtskommission sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen zu

verbessern.

Die EU begrüßte die Fortschritte beim Mindanao-Friedensprozess. In Anbetracht seiner Dynamik

und auf Einladung der Beteiligten sagte die EU zu, sich an dem internationalen Überwachungsteam

("International Monitoring Team", IMT) zu beteiligen und die Leitung der Komponente "Humani-

täre Fragen, Rehabilitation und Entwicklung" zu übernehmen. Über nichtstaatliche Organisationen

unterstützte die EU weiterhin die Bemühungen vor Ort, um damit zur Förderung des Dialog und

vertrauensbildender Maßnahmen in Mindanao beizutragen.

Die EU legte den Philippinen weiterhin nahe, das Römische Statut des Internationalen Straf-

gerichtshofs zu ratifizieren, und begrüßte dessen Unterstützung durch die Regierung der

Philippinen.

Die EU bestärkte die Philippinen, sich für die Förderung und Unterstützung der Menschenrechte in

der Region einzusetzen. Die Wirksamkeit der zwischenstaatlichen Menschenrechtskommission von

ASEAN ist in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 208
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 223 – Drucksache 17/10899

5.6.16 Sri Lanka
Die Menschenrechtslage in Sri Lanka hat in den vergangenen Jahren Anlass zu großer und

wachsender Sorge gegeben, insbesondere während der Endphase des lange andauernden

bewaffneten Konflikts zwischen der Regierung Sri Lankas und den "Liberation Tigers of Tamil

Eelam" (LTTE bzw. "Tamilische Befreiungstiger"), der im Mai 2009 endete. Im Jahr 2010 ist die

Zahl der bekannt gewordenen Menschenrechtsverletzungen gesunken, während sich die Sicher-

heitslage im Land verbessert hat. Insgesamt gab die Menschenrechtslage in Sri Lanka jedoch

weiterhin Anlass zur Besorgnis angesichts einer Reihe schwerwiegender Verletzungen wie Fällen

des Verschwindenlassens, Berichten über Folter, außergerichtlichen Festnahmen und rechtlichen

Hindernissen für faire und ordnungsgemäße Prozesse, insbesondere bei Personen im Verdacht, mit

den LTTE in Verbindung zu stehen. Ferner wurde über Fälle bedrängter und bedrohter Journalisten

und Oppositionspolitiker berichtet, die Kritik an der Regierung geäußert und bestimmte Menschen-

rechtsfragen zur Sprache gebracht hatten. Nach wie vor gaben Beschränkungen der Meinungs-

freiheit Anlass zu ernster Besorgnis.

Die Kontakte zum Thema Menschenrechte zwischen der EU und Sri Lanka erfolgten im Jahr 2010

hauptsächlich im Rahmen einer Untersuchung der Frage, inwieweit Sri Lanka der Ratifizierung und

Umsetzung internationaler Übereinkommen Genüge getan und damit die Voraussetzungen erfüllt

hat, die für eine weitere Inanspruchnahme der Begünstigung durch das Allgemeine Präferenzsystem

(APS+) erforderlich sind. Die Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass drei wesentliche

Menschenrechtsübereinkommen nicht wirksam umgesetzt wurden. Die Regierung Sri Lankas zeigte

sich nicht bereit, bei der Untersuchung mit der EU zusammenzuarbeiten, nahm jedoch anschließend

an hochrangigen Beratungen während der "Gnadenfrist" teil, bevor dem Land im August 2010 die

Begünstigung entzogen wurde.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 209
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Drucksache 17/10899 – 224 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In enger Zusammenarbeit mit den Botschaften der Mitgliedstaaten widmete die EU-Delegation der

Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten besondere Aufmerksamkeit. Die Annahme und

aktive Umsetzung der EU-Menschenrechtsleitlinien, auch durch Anwendung der damit verbunde-

nen Menschenrechtsinstrumente (EIDHR, IfS) und -programme (nichtstaatliche Akteure), waren

nützlich bei der Koordinierung, bei Plädoyers, bei der Beobachtung und beim Austausch von

Information zwischen den EU-Botschaften sowie bei der Unterstützung von Menschenrechts-

verteidigern und der Pflege regelmäßiger, enger und dauerhafter Kontakte mit lokalen Akteuren im

Bereich der Menschenrechte.

5.6.17 Thailand
Der langwierige politische Konflikt unter den Farben der sich gegenüberstehenden Lager, der nach

dem Militärputsch von 2006 aufgeflammt war, eskalierte zwischen März und Mai 2010 in die

gewaltträchtigste Krise seit Jahrzehnten und warf gravierende Menschenrechtsfragen auf. Insgesamt

kamen in den zwei Monaten, in denen die Opposition auf der Straße demonstrierte, 92 Menschen zu

Tode; bis zu 2000 weitere wurden verletzt. Auf dem Höhepunkt der politischen Gewalt gab die

Hohe Vertreterin eine öffentliche Erklärung ab, in der sie ihre tiefe Besorgnis äußerte und alle

Seiten aufrief, unverzüglich konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um der Gewalt ein Ende zu setzen.

Die EU begrüßte die Initiative der Königlich Thailändischen Regierung, einen nationalen

Versöhnungsprozess einzuleiten.

Die Aufstandsbewegungen im Süden des Landes dauerten im Laufe des gesamten Jahres

unvermindert an; sie führten zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen sowohl durch die

Aufständischen als auch durch den Staat, einschließlich Armee und Polizei. Der seit langem

andauernde Konflikt hat seit 2004 mehr als 4 600 Todesopfer gefordert.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 210
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225 – Drucksache 17/10899

Wie in den vorangegangenen Jahren hat die EU weiterhin ihre Besorgnis über die Einschränkung

der Meinungsfreiheit, den unzureichenden Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die Rechte von

Flüchtlingen, die fortgesetzte Anwendung der Todesstrafe und die Funktionsweise des

Justizsystems geäußert. Besondere Sorge erregten der beträchtliche Anstieg von Fällen, in denen

2009 und 2010 der Vorwurf der Majestätsbeleidigung zur Unterdrückung politisch abweichender

Meinungen herangezogen wurde, und die wachsende Kontrolle der Medien während des (von April

bis Dezember 2010 verhängten) Ausnahmezustands.

Im Laufe des Jahres 2010 war die Förderung der Menschenrechte weiterhin ein wichtiger Teil der

Beziehungen der EU zu Thailand. Die EU verfolgte ihren zweigleisigen Ansatz, der aus einem

regelmäßigen und konstruktiven Dialog mit wichtigen Parteien (der Regierung, der Zivil-

gesellschaft und VN-Organisationen) und ergänzenden Kooperationsprojekten mit nichtstaatlichen

Organisationen aus der Zivilgesellschaft und dem Bereich Menschenrechte besteht. Ferner setzte

die EU ihre Besuche im Süden des Landes fort und beobachtete mehrere Gerichtsverhandlungen zu

bekannten Menschenrechtsfällen. Darüber hinaus verfolgte die EU mit großer Aufmerksamkeit die

Vorbereitungen auf die allgemeine regelmäßige Überprüfung Thailands, die im Oktober 2011 in

Genf stattfinden soll.

5.6.18 Timor-Leste
Timor-Leste hat vor dem Hintergrund beträchtlicher Herausforderungen, die sich dem jungen und

noch wenig gefestigten Land stellen, stetige Fortschritte bei der Stärkung der Demokratie und der

Menschenrechte gemacht. Das Land musste beim Aufbau seiner Institutionen praktisch bei Null

anfangen. Dies ist ein langfristiges Unterfangen, und insbesondere der Justizsektor muss weiter

gestärkt werden; auch die Professionalisierung von Armee und Polizei muss für die absehbare

Zukunft fortgesetzt werden, nicht zuletzt angesichts der Fälle übermäßiger Gewaltanwendung, von

denen häufig berichtet wird. Häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt geben weiterhin Anlass

zur Sorge, doch ist die Verabschiedung eines Gesetzes gegen häusliche Gewalt ein großer Schritt

vorwärts. Angesichts der jüngsten Geschichte des Landes bleibt die schwierige Frage des Umgangs

mit den schweren Verbrechen der Vergangenheit eine Herausforderung, wobei offenbar nach wie

vor Straflosigkeit herrscht.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 211
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Drucksache 17/10899 – 226 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In ihren Stellungnahmen bei den Beratungen des VN-Sicherheitsrates zur Lage in Timor-Leste vom

23. Februar und 19. Oktober 2010 begrüßte die EU die positiven Entwicklungen in den Bereichen

demokratische Staatsführung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Die EU hob die stetigen

Verbesserungen der Lage in Timor hervor, die vor dem Hintergrund der kurzen und von Gewalt

geprägten Geschichte des Landes besondere Anerkennung verdienen, betonte zugleich jedoch, dass

Verletzungen der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte und Berichte über Fälle geschlechts-

spezifischer Gewalt weiterhin Anlass zur Sorge geben. Bei diesen Gelegenheiten erinnerte die EU

ferner daran, dass die Belangung für vergangene Menschenrechtsverletzungen entscheidend dazu

beiträgt, zu einem nachhaltigen Frieden zu gelangen, und dass die Wiedergutmachung vergangener

Menschenrechtsverletzungen dazu beiträgt, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und zu

stärken und daher eine Priorität bleiben sollte. Die EU betonte, dass der institutionelle Rahmen

gestärkt werden muss, u. a. durch Reformen des Sicherheitssektors als Schlüssel für die

Konsolidierung von Frieden und Stabilität im Land. Die EU rief Timor-Leste ferner auf, den

Empfehlungen der "Kommission für Wahrheit und Freundschaft" und der "Kommission für

Aufnahme, Wahrheit und Aussöhnung" bei der Bewältigung der vergangenen Ungerechtigkeiten

und Gewaltakte gegen die Bevölkerung Folge zu leisten.

5.6.19 Vietnam
Um alle Formen öffentlichen Unmuts im Zaum zu halten, insbesondere im Vorfeld des

11. Parteikongresses im Januar 2011, setzten sich der in jüngster Zeit zu beobachtende Rückgang

der Meinungsfreiheit und die Unterdrückung friedlicher Meinungsabweichungen durch die

Regierung im Jahr 2010 weiter fort. Zahlreiche Pro-Demokratie-Aktivisten und Menschen-

rechtsverteidiger wurden festgenommen und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Betroffenen

wurden willkürlich festgenommen, mitunter während der Festnahme oder Haft misshandelt und

ihres Rechts auf einen gerechten Prozess beraubt. Die EU entsandte Vertreter zu verschiedenen

Gerichtsverfahren und äußerte wiederholt ihre ernsthafte Besorgnis gegenüber der Regierung. Im

Januar 2010 gaben die EU-Missionsleiter in Hanoi eine öffentliche Erklärung ab, in der sie ihrer

tiefen Besorgnis über die Urteile Ausdruck verliehen, die in dem Verfahren gegen vier prominente

Menschenrechtsverteidiger verhängt worden waren.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 212
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 227 – Drucksache 17/10899

Im Rahmen ihres regelmäßigen Menschenrechtsdialogs und ihrer technischen Hilfe versuchte die

EU dazu beizutragen, das Justizwesen zu professionalisieren und zu gewährleisten, dass die

Rechtsetzung in Bezug auf die Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen ein Umfeld

schafft, das mit den Verpflichtungen im Rahmen des IPBPR, dem Vietnam beigetreten ist, im

Einklang steht. Die Menschenrechtsdialoge waren nach wie vor der bevorzugte Kanal, um mit der

vietnamesischen Seite über Menschenrechtsfragen zu sprechen. Zwischen der EU und Vietnam

finden zweierlei Menschenrechtsdialoge statt: ein halbjährlicher, von den EU-Botschaftern

geführter Menschenrechtsdialog vor Ort, dessen letzte Runde im Dezember 2010 in Hanoi stattfand,

und Tagungen der Untergruppe des Gemischten Ausschusses für Zusammenarbeit in den Bereichen

Institutionenaufbau, Verwaltungsreform, Governance und Menschenrechte, wovon die letzte im

Oktober 2010 in Hanoi stattfand. Die EU setzte die Durchführung von Projekten fort, bei denen die

Förderung und der Schutz der Menschenrechte, unter anderem der Rechte des Kindes, der Rechte

der Arbeitnehmer und der Rechte von Menschen mit Behinderungen, im Mittelpunkt stehen.

Am Rande des ASEM-Gipfels vom 4. Oktober 2010 wurde das neue Partnerschafts- und

Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der EU und Vietnam unterzeichnet. Das Abkommen

enthält eine Menschenrechtsklausel, die besagt, dass die Menschenrechte ein wesentliches Element

des Abkommens sind (siehe Abschnitt 2.5), eine Klausel zur Zusammenarbeit im Bereich der

Menschenrechte, einen Artikel zur Gleichstellung der Geschlechter sowie Bestimmungen zum

Internationalen Strafgerichtshof.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 213
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Drucksache 17/10899 – 228 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.7 Die amerikanischen Kontinente

5.7.1 Kanada

Die EU und Kanada hielten am 25. Januar 2010 in Ottawa und am 10. September 2010 in Brüssel
bilaterale Menschenrechtskonsultationen ab. Diese Treffen boten Gelegenheit zur Beschäftigung
mit den Prioritäten bei der Verteidigung der Menschenrechte auf internationaler Ebene, der
Überprüfung des Menschenrechtsrats der VN und der Arbeit im Dritten Ausschuss der VN-
Generalversammlung (in dessen Rahmen Kanada eine Resolution zur Menschenrechtslage in Iran
eingebracht hat). Kanada informierte die EU ferner über seine internen politischen Prioritäten,
darunter Fragen wie die Freiheit des Internets.
Auf der Generalversammlung der VN stimmte Kanada für die Resolution, in der ein Moratorium
für die Anwendung der Todesstrafe gefordert wird, auch wenn es sich dagegen entschieden hatte,
die Resolution mit einzubringen. Im November unterstützte Kanada die VN-Erklärung über die
Rechte der indigenen Völker, die die Hohe Vertreterin Catherine Ashton in einer offiziellen
Erklärung begrüßte.

5.7.2 USA

Die zweimal jährlich stattfindenden Menschenrechtskonsultationen mit den USA wurden am
29. Januar und am 14. September 2010 abgehalten. Ergänzt wurden sie durch einen auf
Terrorismusbekämpfung und Völkerrecht bezogenen Dialog mit dem Rechtsberater des US-
Außenministeriums Harold Koh. Auf multilateraler Ebene bildeten die Mitgliedschaft der USA im
VN-Menschenrechtsrat und ihre Mitwirkung im Dritten Ausschuss der VN-Generalversammlung
die Voraussetzung für eine dynamische Partnerschaft, die für mehrere Ergebnisse von
entscheidender Bedeutung war (siehe Nr. 4.2).
Das wichtigste Anliegen seitens der EU ist nach wie vor die Todesstrafe. 2010 wurden in den USA
46 Menschen hingerichtet. In zehn Fällen gab die EU im Einklang mit den in den EU-Leitlinien zur
Todesstrafe (2008) festgelegten Kriterien Erklärungen ab. Übermittelt wurden sie entweder vom
Leiter der EU-Delegation in Washington – durch direkte Ansprache der zur Aufschiebung der
Hinrichtung befugten Instanzen (Gouverneur, Bewährungsausschuss) – oder von der EU-Vertretung
bei der OSZE in Wien. In zweien der genannten zehn Fälle wurde die Todesstrafe nicht vollstreckt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 214
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229 – Drucksache 17/10899

2010 ließ die EU sechs zivilgesellschaftlichen Organisationen finanzielle Unterstützung aus Mitteln

des EIDHR zukommen, unter anderem der American Bar Association, die sich öffentlich für die

Abschaffung der Todesstrafe in den USA einsetzte. Parallel dazu setzte die EU ihre eigene

Kampagne gegen die Todesstrafe in den USA fort. 2010 schaffte der Staat New Jersey die Todes-

strafe ab, nach dem Beispiel von New Mexico im Jahr 2009, und als Wegbereiter für den Staat

Illinois (der die Todesstrafe im März 2011 abschaffte).

Die EU und einzelne Mitgliedstaaten forderten die USA weiterhin nachdrücklich auf, das Urteil des

Internationalen Gerichtshofs über die konsularischen Rechte ausländischer Staatsbürger umzu-

setzen, die in den USA vor Gericht stehen ("Avena"-Urteil). Im Juni wurde dem Kongress

zusammen mit dem Haushaltsplanentwurf des State Departments ein entsprechender Legislativ-

vorschlag der Regierung vorgelegt. In der Vielzahl der zum Jahresende im Kongress anstehenden

Beratungen kam der Vorschlag jedoch nicht zum Zuge.

Die Frage betrifft nicht nur Bürger aus EU-Mitgliedstaaten. In Texas sitzen fünfzig Mexikaner im

Todestrakt, die beim Obersten Gerichtshof der USA eine Petition eingereicht haben, in der sie sich

über unzureichenden bzw. fehlenden Zugang zu konsularischem Beistand beschweren. Einer der

Petitionsführer ist inzwischen hingerichtet worden.

Die EU hat sich weiterhin nachdrücklich für die Schließung des Gefangenenlagers im US-ameri-

kanischen Militärstützpunkt Guantánamo Bay eingesetzt. Eine rechtliche Überprüfung der Lage

durch die Regierung Präsident Obamas hat kaum Fortschritte gebracht. Der Prozess ist beinahe zum

Erliegen gekommen, nachdem der Kongress am 7. Januar 2011 die Vorlage zur Landesverteidigung

für 2011 ("2011 National Defence Authorisation Act") angenommen und sämtliche Mittel für die

Überführung von Gefangenen aus Guantánamo in das Hoheitsgebiet der USA oder für Verfahren an

US-amerikanischen Gerichten gestrichen hat. Ähnlich verhält es sich mit der Vorlage zur Landes-

verteidigung für 2012, doch hat die Regierung ihre Zusage, das Gefangenenlager letztlich zu

schließen, nicht zurückgezogen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 215
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Drucksache 17/10899 – 230 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.7.3 Lateinamerika und Karibik
Die Partnerschaft zwischen der EU und den Ländern Lateinamerikas und der Karibik (LAC) besteht

seit 1999 und findet ihren Ausdruck in den alle zwei Jahre stattfindenden Gipfeltreffen. Beim

letzten Treffen 2010 in Madrid betonten beide Regionen erneut ihre gemeinsamen Werte und

Interessen, zu denen auch der Schutz und die Förderung der Menschenrechte und die Stärkung der

Bürgerbeteiligung und der Demokratie gehören32. Anlässlich des Gipfeltreffens wurde über die

abschließende Erklärung hinaus auch ein umfassender, verschiedene Bereiche betreffender

Aktionsplan angenommen.

In der Abschlusserklärung wurde zudem ein wichtiger Aspekt der gemeinsamen Beziehungen

hervorgehoben, nämlich das Bekenntnis zum Multilateralismus, in erster Linie im Rahmen der

Vereinten Nationen. In diesem Sinne arbeiten beide Seiten in multilateralen Foren zu den

Menschenrechten eng zusammen. Die EU und die Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen

Staaten (GRULAC) sind beispielsweise die Hauptinitiatoren einer jährlichen Globalresolution der

VN-Generalversammlung zu den Rechten des Kindes. Zudem haben viele lateinamerikanische

Länder gemeinsam mit der EU die Resolution der VN-Generalversammlung über ein Moratorium

für die Vollstreckung der Todesstrafe aktiv unterstützt. Mehrere karibische Staaten haben als

Reaktion auf das wachsende Ausmaß an Gewalt jedoch in Betracht gezogen, Forderungen der

Bevölkerung nachzugeben und zur Todesstrafe zurückzukehren.
32 Siehe Schlussfolgerungen des Rates zu der Mitteilung der Kommission über die

Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika, die der Rat (Auswärtige
Angelegenheiten) am 8. Dezember 2009 angenommen hat (Dok. 17341/09) sowie die
Erklärung und den Aktionsplan zum Gipfeltreffen in Madrid
(http://ec.europa.eu/external_relations/lac/index_en.htm).

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 216
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231 – Drucksache 17/10899

Auf dem Gipfeltreffen EU-LAC wurden wichtige Vereinbarungen mit den lateinamerikanischen

und karibischen Staaten neu angestoßen oder abgeschlossen. Was Mercosur betrifft, so wurden die

Verhandlungen über ein umfassendes Assoziationsabkommen (das eine Menschenrechtsklausel

enthalten würde) wieder aufgenommen. Im Mai 2010 wurden die Verhandlungen über ein

Assoziationsabkommen mit Zentralamerika sowie ein Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru

abgeschlossen. Beide Abkommen enthalten eine Klausel, die ihre unverzügliche und einseitige

Aussetzung im Falle von Menschenrechtsverletzungen erlaubt. Ferner enthalten sie eine Reihe

bindender Verpflichtungen, zentrale Arbeits- und Umweltübereinkommen wirksam umzusetzen,

sowie einen Mechanismus zur Überwachung der Umsetzung arbeitsrechtlicher Vorschriften.

Folgende Länder zählten 2010 zu den Begünstigten des Allgemeinen Präferenzsystems APS+:

Bolivien, Costa Rica, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Nicaragua,

Paraguay und Peru.

Schließlich wurden Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz und der Förderung der

Menschenrechte ebenso wie die Situation der Menschenrechtsverteidiger bei den Treffen im

Rahmen des politischen Dialogs mit den lateinamerikanischen Staaten systematisch erörtert. Im

Jahr 2008 nahm die EU neue lokale Menschenrechtsdialoge mit Argentinien, Brasilien, Chile,

Kolumbien und Mexiko auf. Darüber hinaus sind Konsultationen in Genf und New York mit

Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko vorgesehen, um die Zusammenarbeit im Vorfeld der

Tagungen des Menschenrechtsrats und des Dritten Ausschusses der VN-Generalversammlung

weiter zu festigen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 217
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Drucksache 17/10899 – 232 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Lateinamerika

5.7.4 Argentinien
Menschenrechtsfragen spielen bei den bilateralen Kontakten zwischen der EU und Argentinien eine

wichtige Rolle. Auf der Grundlage ihrer Gemeinsamen Erklärung zu den Menschenrechten von

2008 haben die EU und Argentinien bislang zwei Dialoge abgehalten (am 15. Oktober 2009 und am

30. November 2010). Auf diesen Tagungen haben die Gesprächspartner ein breites Spektrum

bilateraler Fragen sowie Fragen von multilateralem Interesse erörtert (insbesondere die Über-

prüfung des Menschenrechtsrats der VN). Die Treffen dienten dem Austausch von Informationen

über die jeweilige Menschenrechtspolitik und der Feststellung von Bereichen für die Zusammen-

arbeit. Die EU ist dabei, eine umfassende Länderstrategie im Bereich Menschenrechte auszu-

arbeiten, die griffige und schlüssige Prioritäten für die weitere Gestaltung des Dialogs und der

Zusammenarbeit mit Argentinien enthalten wird.

5.7.5 Bolivien
2010 fanden in Bolivien Lokalwahlen und ein intensives Gesetzgebungsverfahren statt. Konkret

wurden fünf verfassungsergänzende Gesetze zur Umsetzung wesentlicher Aspekte der neuen

Verfassung von 2009 verabschiedet: sie betreffen das Wahlsystem, das Wahlorgan, die Justiz, das

Verfassungsgericht und den Autonomie- und Dezentralisierungsprozess. Ferner wurde 2010 das

Gesetz gegen Rassismus und alle Formen von Diskriminierung verabschiedet. Die EU hat die

genannten Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und ihre Unterstützung der

Menschenrechte und Demokratie in Bolivien über das Europäische Instrument für Demokratie und

Menschenrechte und das Stabilitätsinstrument fortgesetzt. Im Dezember 2010 setzte der Rat

Bolivien auf die Liste der Pilotländer für die Umsetzung der Schlussfolgerungen des Rates vom

November 2009 zur Unterstützung der Demokratie im Rahmen der Außenbeziehungen der EU.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 218
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 233 – Drucksache 17/10899

5.7.6 Brasilien
Die im Juli 2007 begründete strategische Partnerschaft EU-Brasilien beruht auf gemeinsamen

Werten und Grundsätzen, zu denen Demokratie und soziale Eingliederung, Rechtsstaatlichkeit,

Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle gehören. Auf dieser Grundlage fand im

Juni 2009 in Brasilia der erste Menschenrechtsdialog statt, gefolgt von einer zweiten Runde im Mai

2011. Ziele dieses Dialogs sind ein offener Gedankenaustausch über die Menschenrechtslage in der

EU und in Brasilien, der Austausch bewährter Praktiken und eine engere Zusammenarbeit in

wichtigen Angelegenheiten. Die Situation in Brasilien gibt Anlass zu Themen wie die Lage der

Menschenrechtsverteidiger, indigene Bevölkerungsgruppen, die Rechte inhaftierter Personen und

engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Brasilien in den Menschenrechtsforen der VN.

Die EU verfolgt die Entwicklungen bei den Menschenrechten aufmerksam und trifft regelmäßig mit

den brasilianischen Behörden sowie mit Organisationen der Zivilgesellschaft und anderen Inter-

essenkreisen zusammen. Die strategische Partnerschaft sieht auch vor, dass die EU und Brasilien

ein zivilgesellschaftliches Forum für den Schutz der Menschenrechte und die Wahrung der demo-

kratischen Grundsätze einrichten, das zu einem besseren Verständnis der beiderseitigen Anliegen

auf Ebene der nichtstaatlichen Akteure beitragen soll. Das erste Seminar dieser Art fand 2010 statt;

im Mittelpunkt standen Fragen betreffend Sicherheit, Menschenrechtsverteidiger sowie lesbische,

schwule, bisexuelle und transsexuelle Personen. Darüber hinaus fanden am Rande der Tagung des

Menschenrechtsrates in Genf und der VN-Generalversammlung in New York Konsultationen

zwischen Brasilien und der EU statt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 219
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Drucksache 17/10899 – 234 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.7.7 Chile
Das umfassende Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Chile untermauert eine allgemein

hervorragende Beziehung. Chile und die EU haben bei der Förderung der Menschenrechte auf

nationaler Ebene und in internationalen Foren weiterhin wirksam zusammengearbeitet. Die EU

unterhielt regelmäßige Kontakte zu den chilenischen Behörden auf verschiedenen Ebenen und

verfolgte die im Rahmen des ersten Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Chile (Santiago,

April 2009) erörterten Themen weiter; besonderes Augenmerk galt dabei den Rechten der indigenen

Völker. Mit ihrer Außenhilfe unterstützt die EU Chiles Bemühungen, das IAO-

Übereinkommen 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker vollständig umzusetzen.

Der zweite Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Chile fand im Januar 2011 in Santiago

statt.

5.7.8 Kolumbien
Die EU hat die Menschenrechtslage in Kolumbien auf der Grundlage der im Jahr 2007 ange-

nommenen Schlussfolgerungen des Rates33 aufmerksam verfolgt und regelmäßige Kontakte mit den

kolumbianischen Behörden auf unterschiedlichen Ebenen unterhalten. Im Rahmen des 2009 ein-

gerichteten Dialogs fanden 2010 zwei Treffen auf lokaler Ebene statt; zu den erörterten Themen

gehörten die Fragen der Straflosigkeit, der Bekämpfung neuer illegaler bewaffneter Gruppen, der

Zwangsvertreibungen sowie der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern und die Lage der

Gewerkschaften in Kolumbien. Die EU hat ferner eine Reihe von Einzelfällen aufgegriffen, auch

Angriffe und Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger.
33 Schlussfolgerungen des Rates (Dok. 15040/07).
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 220
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 235 – Drucksache 17/10899

Mit ihrer Außenhilfe unterstützt die EU den Aufbau von Kapazitäten für die Bekämpfung der

Straflosigkeit, die Beachtung der Bedürfnisse von Binnenvertriebenen und die Hilfeleistung für

Konfliktopfer. Diese Arbeiten fallen in den Schwerpunktbereich "Gerechtigkeit und Menschen-

rechte" des Länderstrategiepapiers (20 % des Gesamthaushalts), obgleich auch der wichtigste

Schwerpunktbereich "Frieden und Stabilität" (zwei Drittel des Gesamthaushalts) klare Menschen-

rechtskomponenten hat. Die EU-Unterstützung ist ein Beitrag zur vollständigen Umsetzung der

internationalen Verpflichtungen Kolumbiens im Bereich der Menschenrechte sowie der

Empfehlungen im Rahmen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung (UPR).

5.7.9 Ecuador
Die Menschenrechtslage in Ecuador hat nach wie vor problematische Seiten; eine davon ist die

Lage der Flüchtlinge an der nördlichen Landesgrenze zu Kolumbien, denen der Zugang zu ihren

grundlegendsten Rechten praktisch verwehrt wird. Hier soll ein Projekt im Rahmen des

Stabilitätsinstruments Abhilfe schaffen, das 2010 vorbereitet wurde und Anfang 2011 anlaufen soll;

es zielt darauf ab, Gewalt und Unsicherheit an der Grenze zu verringern und eine grenzüber-

greifende Region des Friedens und der Entwicklung zu schaffen. Der Situation der Flüchtlinge wird

im länderspezifischen Förderprogramm des EIDHR für 2011 größere Aufmerksamkeit zuteil,

nachdem im Jahr 2010 die Rechte der Kinder im Mittelpunkt standen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 221
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Drucksache 17/10899 – 236 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.7.10 El Salvador
Im Anschluss an die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission, die zu den Parlaments- und

Präsidentschaftswahlen 2009 entsandt worden war, beschloss die EU, im Bereich Wahlen mit El

Salvador zusammenzuarbeiten, um eine Reform zu unterstützen, die darauf abzielt, durch die ver-

besserte Möglichkeit der Wahl am Wohnsitzort ("residential vote") die soziale Einbindung eines

größeren Teils der Bevölkerung voranzutreiben. In diesem Sinne hat die EU der Zivilgesellschaft

weiterhin Unterstützung durch das EIDHR zukommen lassen, um die Beobachtung des Wahl-

geschehens durch die Zivilgesellschaft und ihre Beteiligung an weiteren Wahlrechtsreformen zu

fördern.

Zusammen mit den in El Salvador vertretenen EU-Mitgliedstaaten trug die EU-Delegation im Laufe

des Jahres 2010 zur Formulierung einer gemeinsamen lokalen Strategie für die Umsetzung der EU-

Leitlinien zu Menschenrechtsaktivisten bei. Die Strategie enthält eine aktualisierte Analyse der

Lage der Menschenrechtsverteidiger in El Salvador und bildet den Rahmen für die Umsetzung der

EU-Leitlinien vor Ort.

El Salvador hat das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nicht ratifiziert. Die EU

hat die Regierung El Salvadors im Jahr 2010 mit verschiedenen Demarchen weiterhin aufgefordert,

das Statut so bald wie möglich zu ratifizieren.

5.7.11 Guatemala
Konfliktverhütung und Konfliktlösung zählen weiterhin zu den wesentlichen Bestandteilen der

allgemeinen Politik der EU zur Förderung der Menschenrechte und der Demokratisierung in

Guatemala. Obgleich Guatemala einige Fortschritte bei der Förderung der Menschenrechte und

einer demokratischen Entwicklung erzielt hat, geben die soziale Ausgrenzung, die Straflosigkeit

und die Lage der Menschenrechtsverteidiger weiterhin ernsthaft Anlass zu Besorgnis. Die

Regierung Guatemalas war nicht in der Lage, dem wachsenden Ausmaß an Gewalt im Land Einhalt

zu gebieten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 222
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 237 – Drucksache 17/10899

Die EU hat die Verlängerungen des Mandats der Internationalen Kommission zur Bekämpfung der

Straffreiheit in Guatemala (CICIG) aktiv unterstützt. Diese Verlängerungen sind ein positiver

Schritt im Hinblick auf die weitere Verstärkung der Rolle der CICIG bei der Zerschlagung von im

Untergrund tätigen Gruppen und bei der Förderung von Gesetzesreformen im Bereich Justiz und

Sicherheit. Die sogenannte "Filtergruppe Menschenrechte" der EU tritt einmal im Monat

zusammen, um Fälle von Bedrohungen und Übergriffen gegen Menschenrechtsverteidiger zu

prüfen. Im Anschluss an Gesetzgebungsvorstöße, die Diskussion über die Wiedereinführung der

Todesstrafe in Guatemala neu zu beleben, hat die Hohe Vertreterin am 20. Oktober 2010 eine

Erklärung abgegeben, in der sie die Ablehnung der Wiedereinführung der Todesstrafe in Guatemala

durch die EU bekräftigt hat.

5.7.12 Honduras
Auch im Laufe des Jahres 2010 hat die Menschenrechtslage in Honduras der EU weiterhin Anlass

zur Sorge gegeben. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichteten über

Verletzungen der Menschenrechte, die sich insbesondere gegen Journalisten, gegen Lesben,

Schwule, Bisexuelle und Transgenderpersonen, gegen Frauen, gegen Menschenrechtsverteidiger

und gegen Gruppen mit Verbindungen zur Widerstandsbewegung richteten.

Die EU beobachtet die Lage der Menschenrechtsverteidiger im Land mit großer Aufmerksamkeit

und hat öffentlich ihrer Besorgnis Ausdruck verliehen, nachdem mehrere Journalisten und

Menschenrechtsverteidiger – darunter Aktivisten, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen,

Bisexuellen und Transgender-Personen einsetzten – ermordet wurden. Erstmals in Honduras hat die

EU im Jahr 2010 drei Organisationen von Menschenrechtsverteidigern durch ein spezielles

Verfahren im Rahmen des EIDHR, das unverzügliche Ad-hoc-Maßnahmen für dringend

schutzbedürftige Menschenrechtsverteidiger ermöglicht, direkte finanzielle Unterstützung

zukommen lassen. Einen bedeutenden Schritt hat die EU bei ihren Bemühungen um die

Menschenrechte in Honduras getan, als die EU-Delegation und die in Honduras vertretenen EU-

Mitgliedstaaten in der ersten Hälfte des Jahres 2010 die lokale Strategie zur Umsetzung der EU-

Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern annahmen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 223
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Drucksache 17/10899 – 238 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die EU hat im Jahr 2010 die Bemühungen der neuen Regierung unterstützt, Fortschritte bei der

Förderung und dem Schutz der Menschenrechte zu machen, so durch die Öffnung der Grenzen für

die internationale Gemeinschaft und internationale Menschenrechtsorganisationen, die Einrichtung

einer Kommission für Wahrheit und Versöhnung zur Aufklärung der Ereignisse, die sich im Juni

2009, im Vorfeld und danach abgespielt haben, sowie die Schaffung eines Ministeriums für Justiz

und Menschenrechte. Zusätzlich zu ihrer kontinuierlichen Unterstützung der Zivilgesellschaft in

Honduras im Rahmen des EIDHR hat die EU im Jahr 2010 ein durch das Stabilitätsinstrument

finanziertes Programm zur Unterstützung der Konsolidierung von Frieden und Demokratie

bewilligt; es zielt darauf ab, die Regulierungsmechanismen für Akteure im Bereich Menschenrechte

zu stärken und der Kommission für Wahrheit und Versöhnung technische Unterstützung zukommen

zu lassen.

5.7.13 Mexiko
Die EU erörtert Menschenrechts- und Sicherheitsfragen mit Mexiko im Rahmen ihres regelmäßig –

auch auf Ministerebene – stattfindenden politischen Dialogs, der Aspekte wie den Schutz von

Menschenrechtsverteidigern, auch Journalisten, ebenso wie die aktuelle Frage der Menschenrechte

von Transitmigranten umfasst. Die EU hat anerkannt, dass das Land in Bezug auf die Menschen-

rechtslage einige wichtige Fortschritte gemacht hat, zugleich aber auch Besorgnis über die Folgen

der sich verschlechternden Sicherheitslage und der zunehmenden Gewalt in einigen Teilen Mexikos

für die Menschenrechte geäußert. Themen wie die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, die

Rechenschaftspflicht der Strafverfolgungsbeamten und die Umsetzung der Reform des Justizsektors

fallen ganz unter die Zusammenarbeit zwischen der EU und Mexiko, in erster Linie durch

Maßnahmen zum Ausbau der Kapazitäten.

Wie im gemeinsamen Aktionsplan zur strategischen Partnerschaft Mexiko-EU vorgesehen, wurde

ein jährlicher, auf hoher Ebene angesiedelter Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Mexiko

eingerichtet. Ein erstes Treffen fand am 12. Mai 2010 in Mexiko City statt. Die EU-Delegation und

die Botschaften der Mitgliedstaaten spielen eine aktive Rolle bei der Umsetzung der Menschen-

rechtsleitlinien der EU in Mexiko und unternehmen regelmäßig Erkundungsmissionen in ver-

schiedenen Bundesstaaten des Landes. 2010 erfolgten Missionen in Chiapas, Chihuahua, Quintana

Roo und Oaxaca.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 224
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 239 – Drucksache 17/10899

5.7.14 Nicaragua
Was die Menschenrechte in Nicaragua betrifft, so standen 2010 für die EU weiterhin Fragen im

Zusammenhang mit der institutionellen Lenkung des Landes und der Durchführung von Wahlen im

Vordergrund, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende entscheidende Präsidentschaftswahl

im Jahr 2011. Zur Beobachtung der Regionalwahlen an der Atlantikküste, die im März 2010

stattfanden, entsandte die EU eine unabhängige Expertenmission. Die Ergebnisse der Mission

bestätigten, dass trotz einer gewissen Verbesserung im Vergleich zu den Kommunalwahlen von

2008 immer noch beträchtliche Mängel bei der Durchführung des Wahlprozesses festzustellen

waren, die Zweifel am Wahlergebnis in einer der beiden betroffenen Regionen aufkommen ließen.

Auch wenn es 2010 im Vergleich zum Vorjahr in geringerem Umfang zu Verletzungen der

Meinungs- und Versammlungsfreiheit kam, hat die EU die Frage der bürgerlichen Rechte weiterhin

mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und war bemüht, der Zivilgesellschaft weiterhin die gewohnte

Unterstützung zukommen zu lassen.

5.7.15 Paraguay
In Paraguay hat die EU die Menschenrechtslage kontinuierlich analysiert und dabei die EU-

Menschenrechtsleitlinien in Bezug auf Menschenrechtsverteidiger umgesetzt, indem sie eine

Anlaufstelle benannt hat. Ferner wurde eine lokale Strategie auf der Grundlage der EU-Leitlinien zu

Gewalt gegen Frauen und Mädchen und zur Bekämpfung jeder Form ihrer Diskriminierung

entworfen. Besondere Aufmerksamkeit galt der Situation von Kindern, den Menschenrechten von

Frauen, der Rechtsstaatlichkeit sowie den Rechten der indigenen Bevölkerungsgruppen und deren

Forderung an die Regierung, gegen die anhaltende Diskriminierung und Armut vorzugehen und

sich mit ihren Ansprüchen auf angestammte Gebiete zu befassen. Die EU hat die Einführung des

Menschenrechtsnetzwerks der Exekutive, das 22 Institutionen und Ministerien umfasst, und die

Annahme eines Aktionsplans für die Jahre 2010-2011 mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Durch

das EIDHR richtete die EU ihre Aufmerksamkeit auf Projekte zur Unterstützung von menschen-

würdiger Arbeit, einer Verbesserung des Zugangs zur Justiz und einer Stärkung lokaler zivil-

gesellschaftlicher Netze für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 225
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 240 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5.7.16 Peru
Die EU hat die Entwicklungen bezüglich der Menschenrechte im Land aufmerksam verfolgt,
insbesondere die Lage der indigenen Bevölkerungsgruppen (z. B. das Recht auf Anhörung), die
Umsetzung der Empfehlungen des Ausschusses für Wahrheit und Versöhnung und die Reaktion der
Regierung auf soziale Konflikte. Durch ihre externe Hilfe hat die EU die soziale Eingliederung
gefördert und die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen unterstützt, die sich die Förderung
der Menschenrechte und die Verbesserung der Lebensqualität schwacher Gruppen wie Frauen,
Kinder und indigene Bevölkerungsgruppen zur Aufgabe gemacht haben. Zudem förderte sie im
Rahmen des Stabilitätsinstruments den sozialen Frieden und die Stabilität insbesondere in
Landesteilen, die von sozialen Konflikten betroffen waren.

5.7.17 Venezuela
Die EU hat in ihren Kontakten mit den venezolanischen Behörden und unterschiedlichen Gruppen
der venezolanischen Gesellschaft weiterhin hervorgehoben, dass die internationalen
Verpflichtungen und Zusagen hinsichtlich der Menschenrechte, einschließlich der Meinungs- und
Pressefreiheit als Grundpfeiler der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, unbedingt eingehalten
werden müssen. Die EU verfolgt die Menschenrechtslage in Venezuela mit großer Aufmerk-
samkeit. Die EU förderte die Tätigkeiten von Organisationen der Zivilgesellschaft insbesondere
über das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR). So hat sie
kontinuierlich alle Initiativen unterstützt, die dem Ziel dienen, Toleranz, Dialog und gegenseitiges
Verständnis zu fördern. Regelmäßig treten EU-Beamte mit Menschenrechtsverteidigern und
anderen Vertretern der Zivilgesellschaft in Kontakt.

5.7.18 Uruguay
Die EU unterstützt zwei verschiedene Projekte mit dem Ziel, die Archive der Militärverwaltung zu
ordnen und die kollektive Erinnerung an jene Jahre zu bewahren. Unterstützung der EU erhalten
ferner andere Projekte auf dem Gebiet der Menschenrechte, die sich insbesondere mit der
Bekämpfung der häuslichen Gewalt und des Menschenhandels beschäftigen, sowie Initiativen zur
Stärkung der Rechte der Kinder.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 226
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 241 – Drucksache 17/10899

Karibik

5.7.19 Kuba
Nach dem Tod des politischen Gefangenen Orlando Zapata Tamayo im Februar 2010 richtete die

EU an die kubanische Regierung erneut eine Aufforderung zur wirksamen Verbesserung der

Menschenrechtslage im Land, unter anderem durch die bedingungslose Freilassung aller politischen

Gefangenen, einschließlich der im Jahr 2003 festgenommenen und verurteilten Personen. Die EU

forderte Kuba auf, die Selbstverpflichtung zu den Menschenrechten, die das Land durch die

Unterzeichnung des (noch nicht ratifizierten) Internationalen Pakts über bürgerliche und politische

Rechte eingegangen ist, in die Praxis umzusetzen.

Im Juli 2010 begrüßte die Hohe Vertreterin die angekündigte Freilassung der 52 noch inhaftierten

politischen Gefangenen der Gruppe von 2003 und verlieh ihrer Hoffnung Ausdruck, der Dialog

zwischen der katholischen Kirche in Kuba und der kubanischen Regierung mit Unterstützung

Spaniens möge zur Freilassung aller politischen Gefangenen führen. Die EU erklärte sich bereit,

eng mit den kubanischen Behörden und der katholischen Kirche zusammenzuarbeiten, um diesen

Prozess zu unterstützen. Bis Ende des Jahres 2010 waren bereits 41 politische Gefangene der

Gruppe von 2003 und 16 weitere politische Gefangene freigelassen worden. Dennoch ist die EU

besorgt über die Menschenrechtslage in Kuba, nicht zuletzt über die mangelnde Achtung der

Meinungs- und Informationsfreiheit und der Versammlungsfreiheit.

Am 25. Oktober 2010 kam der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) überein, einen Reflexionsprozess

einzuleiten und die Hohe Vertreterin zu ersuchen, im Rahmen des Gemeinsamen Standpunkts der

EU zu Kuba von 1996 die Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung der Beziehungen zu Kuba zu

sondieren und dem Rat Bericht zu erstatten.

Nach der offiziellen Wiederaufnahme der Zusammenarbeit im Oktober 2008 hat die EU Projekte

mit unmittelbarem Nutzen für die kubanische Bevölkerung unterstützt, beispielsweise im Bereich

der Ernährungssicherheit, der Anpassung an den Klimawandel und der Unterstützung nicht-

staatlicher Akteure.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 227
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 242 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Jahr 2010 waren im Hinblick auf die Menschenrechtslage einige begrüßenswerte Entwicklungen

zu verzeichnen. Die Freilassung der politischen Gefangenen, die Verlängerung des De-facto-

Moratoriums für die Todesstrafe, die Lockerung der Internet-Zensur und die Ankündigung neuer

wirtschaftlicher Reformen waren allesamt positive Schritte. Insgesamt gab die Menschenrechtslage

jedoch nach wie vor Anlass zur Sorge, da die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und die

Unabhängigkeit der Justiz weiterhin eingeschränkt blieben.

5.7.20 Haiti
Das verheerende Erdbeben, von dem Haiti im Januar 2010 heimgesucht wurde, verursachte eine

weitere Schwächung der ohnehin anfälligen rechtsstaatlichen Institutionen des Landes, ein-

schließlich der Polizei, der Justiz und des Gefängnissystems. Damit einher ging ein deutlicher

Anstieg des Bandenwesens, nachdem etwa 5600 Inhaftierte in Folge des Erdbebens aus den

Gefängnissen entkommen waren. Am stärksten gefährdet waren die Menschen in den dicht

bevölkerten Bezirken der Hauptstadt Port-au-Prince, u. a. den Aufnahmelagern für Binnen-

vertriebene.

Um dem entgegenzuwirken, setzt die EU ihr seit 2005 bestehendes Engagement fort und unterstützt

die Bemühungen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für die Menschenrechte einsetzen,

um damit zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt, zur Förderung der Kinderrechte und zur

Stärkung der für die Rechtsstaatlichkeit verantwortlichen Institutionen in Haiti beizutragen. Zu den

Maßnahmen zählen die Unterstützung des Ministeriums der Justiz und der öffentlichen Sicherheit,

die Erleichterung des Zugangs zur Justiz, die Verbesserung der Effizienz der Gerichtsbarkeit und

die Förderung der Unabhängigkeit des Justizsystems. Die EU unterstützt den Einsatz der Friedens-

sicherungsmission der VN (MINUSTAH), die bei der Förderung von Sicherheit, Demokratie und

der Achtung der Menschenrechte in Haiti eine wichtige Rolle spielt. Im Rahmen der Präsident-

schafts- und Parlamentswahlen, die 2010 stattfanden, hat die EU eine Reihe von Wahlexperten zur

Beobachtung des Wahlprozesses entsandt, die Wahlbeobachtung vor Ort mitfinanziert und der

Wahlbeobachtungsmission der OAS/CARICOM Unterstützung zukommen lassen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 228
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 243 – Drucksache 17/10899

5.7.21 Jamaika

Die EU verfolgt die Lage und die Entwicklungen bezüglich der Menschenrechte in Jamaika mit

großer Aufmerksamkeit. Im Laufe des Jahres 2010 erfolgten zahlreiche Demarchen zu verschie-

denen Menschenrechtsfragen, darüber hinaus wird ein fortlaufender politischer Dialog geführt, der

Menschenrechtsfragen und regelmäßige Kontakte mit Menschenrechtsverteidigern umfasst.
Anfang 2011 soll durch die Verabschiedung der der Charter of Rights Bill die jamaikanische

Verfassung geändert werden. Diese Gesetzesvorlage enthält einige Änderungen, die sich erheblich

auf die Verhängung der Todesstrafe auswirken dürften: erstens ist eine Anfechtung der Todesstrafe

aufgrund der zwischen Verhängung und Vollstreckung der Urteils verstrichenen Zeit nicht mehr

zulässig; zweitens sind die Haftbedingungen für das Rechtsmittelverfahren unerheblich. Darüber

hinaus ist in dem Gesetz zur Änderung der jamaikanischen Verfassung vorgesehen, dass der

Generalgouverneur eine Frist, die nicht weniger als 18 Monate betragen darf, festlegen kann,

innerhalb derer eine Beschwerde bei internationalen Gremien (z.B. der Interamerikanischen

Menschenrechtskommission) eingereicht sein muss.
Jamaika hat am 21. Dezember 2010 in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gegen die

Resolution über ein Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe gestimmt. Jamaika hat das

Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshof unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Die

Regierung hat wiederholt zugesagt, diesen Vertrag ratifizieren zu wollen, ist dieser Zusage bisher

jedoch nicht nachgekommen.
Die letzte allgemeine regelmäßige Überprüfung Jamaikas durch die VN fand im November 2010

statt. Zu den Fragen, die von den mitwirkenden Staaten aufgeworfen wurden, gehörten unter

anderem die Todesstrafe, angebliche außergerichtliche Hinrichtungen, polizeiliche Übergriffe, die

Haftbedingungen, die Rechte des Kindes und die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen,

Transgender-Personen und Intersexuellen. Die Empfehlungen, die von der jamaikanischen

Delegation nicht mitgetragen wurden, betrafen hauptsächlich die Abschaffung der Todesstrafe und

die Entkriminalisierung der Homosexualität.

Die EU unterstützt gegenwärtig im Rahmen des aus dem EIDHR finanzierten "länderspezifischen

Förderprogramms" Bemühungen um die Abschaffung der Todesstrafe; ferner leistet sie

Unterstützung in den Bereichen alternative Streitbeilegung, Verbesserung der Haftbedingungen und

Verbesserung der Rechtes des Kindes.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 229
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Drucksache 17/10899 – 244 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6 Tätigkeit des Europäischen Parlaments im Bereich der
Menschenrechte

(vom Europäischen Parlament vorgelegter Text)

Im institutionellen Geflecht der EU hat das Europäische Parlament nach wie vor großes Gewicht in

Menschenrechts- und Demokratiefragen. Sein Ziel ist es zu gewährleisten, dass Rechte und

Freiheiten innerhalb wie außerhalb der EU verteidigt und gefördert werden.

Mit seinen Entschließungen, Berichten, Missionen in Drittländern, Menschenrechtsveranstaltungen,

interparlamentarischen Delegationen und Tagungen der Gemischten Parlamentarischen Ausschüsse

mit Drittländern sowie mit mündlichen und schriftlichen Anfragen, besonderen Anhörungen zu

bestimmten Fragen und dem von ihm jährlich verliehenen Menschenrechtspreis, dem Sacharow-

Preis für geistige Freiheit, trägt das Parlament zur Ausgestaltung, Durchführung und Bewertung der

Menschenrechtspolitik der EU bei.

Der Rat, die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst müssen ihm bei öffentlichen

Diskussionen im Plenum sowie in den Ausschüssen, Unterausschüssen und Arbeitsgruppen Rede

und Antwort stehen. Überdies bringen der Präsident des Europäischen Parlaments sowie die

Vorsitzenden der Ausschüsse, Unterausschüsse und Delegationen Menschenrechtsfragen gegenüber

Vertretern von Drittländern mündlich oder schriftlich zur Sprache.

Mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit werden Persönlichkeiten und Organisationen aus

aller Welt für ihren Einsatz für die Menschenrechte, für Demokratie und das Recht auf freie

Meinungsäußerung und gegen Intoleranz und Unterdrückung geehrt. In diesem Jahr wurde dieser

Preis Guillermo Fariñas zuerkannt. Der kubanische promovierte Psychologe, unabhängige

Journalist und politische Dissident ist im Laufe der Jahre insgesamt 23 Mal in den Hungerstreik

getreten, um gegen das Regime seines Landes zu protestieren und für einen friedlichen politischen

Wandel und die Redefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Kuba zu demonstrieren.

Mit der Vergabe des Sacharow-Preises für geistige Freiheit an Guillermo Fariñas hat das Euro-

päische Parlament den Kampf aller kubanischen Menschenrechtsverteidiger für die Redefreiheit

und das Recht auf freie Meinungsäußerung gewürdigt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 230
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245 – Drucksache 17/10899

Das Jahr 2010 zeichnete sich dadurch aus, dass der im Vertrag von Lissabon angelegte

institutionelle Umbau weiter vorangetrieben wurde. Das Parlament spielte bei der Einrichtung des

Europäischen Auswärtigen Dienstes eine wesentliche Rolle, und die Aspekte der Arbeit des neuen

Dienstes, welche die externe Menschenrechtspolitik der EU berühren, wurden in den Diskussionen,

Debatten, Berichten und Stellungnahmen vieler gemeinsamer parlamentarischer Ausschüsse

regelmäßig thematisiert. Außerdem stand der Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechts-

konvention und zum VN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf

der Tagesordnung.

Der Unterausschuss Menschenrechte unter Vorsitz von Heidi Hautala (FI, Verts/ALE) ist bei den

Beratungen des Parlaments über Menschenrechtsfragen federführend. Er ergreift parlamentarische

Initiativen in diesem Bereich und bietet ein ständiges Forum für Diskussionen über die Lage der

Menschenrechte und die Entwicklung der Demokratie in Drittstaaten. Diese Themen werden mit

anderen EU-Organen, den VN-Sonderberichterstattern und den Vertretern des UNDP, dem

Europarat, Regierungsvertretern, Menschenrechtsverteidigern und NRO erörtert.

2010 konnte der Unterausschuss ferner einen regelmäßigen Gedankenaustausch mit dem Vorsitz

der Ratsgruppe "Menschenrechte" (COHOM) führen, der den Mitgliedern des Unterausschusses

das Arbeitsprogramm der Gruppe erläuterte und ihnen Bericht erstattete.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 231
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Drucksache 17/10899 – 246 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Initiativberichte sind eines der wirksamsten Mittel, über die das EP verfügt, um seinen Grund-

standpunkt darzulegen und das Interesse der Akteure in anderen Organen zu wecken. Der wichtigste

Bericht in dieser Hinsicht ist der Jahresbericht des Europäischen Parlaments zur Menschen-

rechtslage in der Welt und zur Menschenrechtspolitik der EU, in dem die einzelnen EU-

Politikbereiche im Rahmen der Überprüfungsfunktion des Parlaments unter die Lupe genommen

werden. Der letzte Jahresbericht wurde von Laima Liucija Andrikienơ (Litauen, PPE) erstellt und

vom Plenum am 16. Dezember 2010 verabschiedet. In seiner diesbezüglichen Entschließung34 geht

das Parlament zunächst auf das veränderte institutionelle Gefüge der EU ein, insbesondere auf die

Frage, wo die Menschenrechte in der Struktur des EAD angesiedelt sind; ferner fordern die

Abgeordneten die Ernennung eines Sonderbeauftragten für Menschenrechte und die Einführung von

länderspezifischen Menschenrechtsstrategien, um die Kohärenz, die Effektivität und die Sicht-

barkeit des auswärtigen Handelns der EU zu erhöhen. Zweites Schwerpunktthema sind die

Menschenrechtsdialoge und -konsultationen mit Nicht-EU-Staaten sowie das Handeln der EU auf

internationaler Ebene. Was den ersten Punkt anbelangt, so fordern die Abgeordneten unter anderem

eine echte Beteiligung des Europäischen Parlaments an den laufenden Bewertungen und einen

uneingeschränkten Zugang zu den Schlussdokumenten. Was den zweiten Punkt betrifft, so

begrüßen sie die von der Europäischen Union geleistete Unterstützung für bei den Vereinten

Nationen und in anderen internationalen Foren eingebrachte Initiativen zur Entkriminalisierung der

Homosexualität; zudem verweisen sie auf die Chancen, die der geplante Beitritt der EU zur

Europäischen Menschenrechtskonvention eröffnet, und bekräftigen, dass sie die Arbeit des IStGH

nachdrücklich unterstützen. Drittens enthält die Entschließung mit Blick auf konkrete politische

Maßnahmen Bemerkungen zu den Menschenrechtsleitlinien, die die praktische Grundlage für das

Handeln der EU in diesem Bereich bilden; sie befasst sich darüber hinaus mit der Bekämpfung des

Terrorismus, wobei das Parlament darauf hinweist, dass die Menschenrechtsstandards einzuhalten

sind.

Des Weiteren verabschiedete des EP 2010 Initiativberichte zu den Maßnahmen der EU zugunsten

von Menschenrechtsverteidigern sowie zu Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen in

internationalen Handelsabkommen.
34 T7-0489/2010, 16.12.2010.
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 232
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247 – Drucksache 17/10899

2010 hat der Unterausschuss Menschenrechte Diskussionen und Anhörungen zu den folgenden

Ländern bzw. Regionen veranstaltet:

• Arabische Welt,

• Argentinien, im Rahmen einer Anhörung zur Bekämpfung der Straflosigkeit,

• Birma/Myanmar, vor dem Hintergrund der Parlamentswahlen,

• Zentralasien,

• China,

• Kuba,

• Israel,

• Iran,

• Kasachstan,

• Mexiko,

• Nordkorea,

• Philippinen, vor dem Hintergrund der Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen,

• Russland,

• Südostasien, insbesondere Vietnam, Kambodscha, Laos und Thailand,

• Sri Lanka,

• Syrien, vor dem Hintergrund des Assoziationsabkommens mit der EU,

• Türkei,

• Turkmenistan,

• Ukraine und Ägypten als Fallstudien in einer Anhörung über die Europäische
Nachbarschaftspolitik (gegenüber den östlichen und südlichen Nachbarländern),

• Westliche Balkanstaaten,

• ehemaliges Jugoslawien: Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen,

• Syrien und Libanon: Haftbedingungen.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 233
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 248 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Andere Anhörungen waren eher auf bestimmte Themen ausgerichtet, nämlich

• Unterstützung der EU für Menschenrechtsverteidiger,

• Gewalt gegen Frauen in bewaffneten Konflikten,

• Umsetzung des EU-Verbots für den Handel mit Folterwerkzeugen,

• IStGH mit Blick auf die Überprüfungskonferenz in Kampala,

• Zusammenarbeit zwischen der EU und den Vereinigten Staaten in globalen
Menschenrechtsfragen,

• Folter, anlässlich des Internationalen Tages gegen Folter,

• Ergebnisse des 12. EU-NRO-Forums im Juli in Brüssel,

• Todesstrafe,

• Menschenrechte und Bekämpfung des Terrorismus,

• Kinderfragen,

• Menschenrechte und AIDS,

• soziale Verantwortung der Unternehmen.

Das Europäische Parlament unterzieht das Europäische Instrument für Demokratie und

Menschenrechte (EIDHR) einer demokratischen Überprüfung und ist somit aktiv an der Über-

wachung seiner Durchführung beteiligt. Innerhalb des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten

wurde zu diesem Zweck eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet, die von der Vorsitzenden des

Unterausschusses Menschenrechte Hautala geleitet wird. Die Gruppe kommt regelmäßig mit den

Kommissionsdienststellen zusammen, um über die mehrjährigen Strategiepapiere und die Jahres-

Aktionspläne zu beraten und allgemein den aktuellen Stand der Durchführung der Instrumente zu

verfolgen. Im Rahmen der Sitzungen des Unterausschusses Menschenrechte fand mehrfach ein

Gedankenaustausch über die Durchführung und Überprüfung des EIDHR statt.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 234
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 249 – Drucksache 17/10899

Was die Menschenrechtsdialoge und -konsultationen mit Drittländern betrifft, so hielten die

Vertreter der Kommission, des Rates und des EAD das Parlament stets aktuell auf dem Laufenden,

indem sie vor und nach jeder Runde bestimmter Menschenrechtsdialoge und -konsultationen sowie

vor und nach Treffen der einschlägigen, dem Dialog zu Menschenrechtsfragen gewidmeten

Gremien – etwa der ENP-Unterausschüsse zu Menschenrechten oder des Menschenrechtsdialogs

zwischen der EU und der Afrikanischen Union – unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit

Mitgliedern des Parlaments zusammenkamen.

Der Unterausschuss Menschenrechte organisierte spezielle Anhörungen, und zwar im Juli zur Lage

der Menschenrechte in China – im Hinblick auf den Menschenrechtsdialog zwischen der EU und

China und den Gipfel EU-China – und im November zur Lage der Menschenrechte in Russland und

zum Ergebnis der Menschenrechtskonsultationen zwischen der EU und Russland.

Ergänzt und unterstützt wird die Arbeit des Unterausschusses im Bereich Menschenrechte durch die

politische Abteilung für Außenbeziehungen des Parlaments, die Informationsvermerke und anderes

Hintergrundmaterial bereitstellt oder externe Studien in Auftrag gibt. 2010 wurden folgende

Studien zum Thema Außenpolitik und Menschenrechte ausgearbeitet:

• Unterstützung von außerhalb der Europäischen Union zum Tode verurteilten EU-Bürgern;

• Umsetzung der von der EU im Anschluss an die Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrates

ergriffenen politischen Maßnahmen;

• Rolle der regionalen Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte;

• Informations- und Kommunikationstechnologien und Menschenrechte;

• aktuelle Herausforderungen in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte bei der

Bekämpfung des Terrorismus.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 235
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Drucksache 17/10899 – 250 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ein wichtiges Gremium für die Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte ist der Menschen-
rechtsrat der Vereinten Nationen in Genf, dessen Arbeit das Parlament auch weiterhin mit
großem Interesse verfolgt hat, wobei es insbesondere eine Delegation dorthin entsandte. Das
Europäische Parlament verabschiedete eine Entschließung35 zur 13. Tagung des Menschenrechts-
rates, in der es vor allem erklärt, dass die Auseinandersetzung mit schweren Menschenrechts-
verletzungen Vorrang haben, dass es präzisere Regeln für Inhaftierungen im Kontext der
Terrorismusbekämpfung geben und dass der Konflikt in Gaza und im südlichen Israel gelöst
werden muss, und in der es Bedenken gegen die Kandidatur von Iran bei den Wahlen zum UNHRC
äußert. Zudem betont das EP in der Entschließung die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte der EU
und bekräftigt die Forderung an die EU-Mitgliedstaaten, sich jedem Versuch zu widersetzen, die
Grundsätze der Universalität, Unteilbarkeit und Interdependenz der Menschenrechte zu unter-
graben, und sich dafür einzusetzen, dass der UNHRC der Diskriminierung jeglicher Art in gleichem
Maße Aufmerksamkeit schenkt.
Im Zuge der jährlichen Entsendung einer Delegation des Unterausschusses Menschenrechte bestand
Gelegenheit, bei Treffen mit Botschaftern der EU-Mitgliedstaaten und Drittländern, führenden
Mitarbeitern des OHCHR und der NRO sowie den Sonderberichterstattern diese Anliegen vorzu-
bringen und mehr über die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Fragen, die derzeit im
Menschenrechtsrat behandelt werden, in Erfahrung zu bringen.
Das Europäische Parlament verfolgt überdies die Arbeit der Generalversammlung der Vereinten
Nationen. Im März hat es eine Empfehlung36 an den Rat zu den Prioritäten der EU für die
65. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Darin werden sechs
Themen genannt, mit denen sich der Rat vorrangig befassen sollte, nämlich 1) das Auftreten der EU
bei den Vereinten Nationen, 2) Global Governance und Reform der Vereinten Nationen, 3) Frieden
und Sicherheit, 4) Entwicklung, 5) Klimawandel sowie 6) Menschenrechte. Was das letztgenannte
Thema betrifft, so fordert das Parlament die Hohe Vertreterin auf, mit einer Stimme im Namen aller
EU-Mitgliedstaaten zu sprechen, wenn sie sich zu Menschenrechtsfragen äußert, und auch jeden
Mitgliedstaat aufzufordern, diese vereinheitlichten EU-Standpunkte zu vertreten, um ihnen mehr
Gewicht zu verleihen. Auch solle sich die EU darum bemühen, dass ein gesonderter Punkt in die
Tagesordnung der 65. VN-Generalversammlung aufgenommen wird, der die Zusammenarbeit
zwischen den Vereinten Nationen, regionalen Versammlungen, nationalen Parlamenten und der
interparlamentarischen Union (IPU) betrifft, um die Debatte darüber zu fördern, wie
parlamentarische Versammlungen eine aktivere Rolle bei den Vereinten Nationen spielen können.
Der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments hat der
Generalversammlung der Vereinten Nationen im November 2010 einen Besuch abgestattet.
35 Entschließung vom 25. Februar 2010 zur 13. Tagung des Menschenrechtsrates der Vereinten

Nationen (Genf, 1. - 26. März 2010), T7-0036/2010.
36 Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat vom 25. März 2010 zur 65. Tagung

der Generalversammlung der Vereinten Nationen, T7-0084/2010.
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 236
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251 – Drucksache 17/10899

Auf gemeinsamen Antrag der Vorsitzenden des Unterausschusses Menschenrechte, des

Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Entwicklungsausschusses hin wurde eine Ad-

hoc-Delegation des Europäischen Parlaments zur neunten Tagung des Ständigen Forums für

indigene Fragen der Vereinten Nationen (UNPFII) vom 28. bis 30. April in New York entsandt.

Auf dieser Tagung wurden vor allem die Artikel 3 und 32 der Erklärung der Vereinten Nationen

über die Rechte der indigenen Völker erörtert, die garantieren, dass die indigenen Völker wirklich

uneingeschränkt an den Entwicklungsprozessen beteiligt werden.

Das Europäische Parlament hat ferner eine Ad-hoc-Delegation zur Überprüfungskonferenz des

Internationalen Strafgerichtshofs im Juni in Kampala (Uganda) entsandt.

In der diesbezüglichen Entschließung37, in der das Mandat der Delegation festgelegt ist, fordert das

EP die Regierungen der Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Römischen Status sind, auf, sich

vorrangig für die Einstufung des Einsatzes bestimmter Waffen im Rahmen eines nicht inter-

nationalen bewaffneten Konflikts als Kriegsverbrechen, das unter die Zuständigkeit des Gerichts-

hofs fällt, einzusetzen, und demzufolge den Tatbestand des Kriegsverbrechens auf die Verwendung

von Gift, vergifteten Waffen, erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie aller vergleich-

baren Flüssigkeiten, Materialien und Geräte sowie die Verwendung von Munition, die sich im

Körper ausdehnt oder verflacht, in nicht internationalen bewaffneten Konflikten auszudehnen.

Darüber hinaus begrüßt das Parlament nachdrücklich, dass das Verbrechen der Aggression in die

materielle Zuständigkeit des IStGH aufgenommen wurde.

Die Entsendung der Delegation war nicht zuletzt ein klares Zeichen dafür, dass das Europäische

Parlament und die EU den Internationalen Gerichtshof und seine Ziele uneingeschränkt

unterstützen.
37 Entschließung vom 19. Mai 2010 zur Überprüfungskonferenz des Römischen Statuts des

Internationalen Strafgerichtshofs in Kampala, Uganda, T7-0185/20.
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 237
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Drucksache 17/10899 – 252 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zudem hat der Unterausschuss Menschenrechte vom 25. bis 27. Mai eine Delegation nach

Washington D.C. entsandt. Dies war die erste derartige Reise nach dem Amtsantritt Präsident

Obamas, in der neuen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments und nach dem Inkrafttreten

des Vertrags von Lissabon. Die Delegation wollte unter diesen neuen Rahmenbedingungen

sondieren, wie die bestehenden Beziehungen ausgebaut werden können und bei einigen der

wichtigsten Menschenrechtsfragen, die in der Vergangenheit bereits Gegenstand von Gesprächen

zwischen der EU und den Vereinigten Staaten waren, weiter verfahren werden soll.

Eine Delegation des Unterausschusses hat sich ferner vom 30. August bis 3. September nach Beslan

und Inguschetien (Russland) begeben. Sie wurde auf Einladung mehrerer nordkaukasischer NRO

zusammengestellt und reiste anlässlich des Jahrestages der dreitätigen Belagerung einer

Grundschule in Beslan nach Russland. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich in Gesprächen mit

Vertretern staatlicher Stellen und der Zivilgesellschaft einen genaueren Überblick über die Lage in

der Region zu verschaffen.

Ein Hauptziel des Unterausschusses ist die Förderung der durchgängigen Berücksichtigung von

Menschenrechtsfragen in allen Aspekten der EU-Außenbeziehungen. Hierzu pflegt er die

Zusammenarbeit mit den Ausschüssen, die sich mit den Außenbeziehungen befassen, sowie mit

interparlamentarischen Delegationen und mit Parlamentarischen Versammlungen, in denen

Menschenrechtsfragen mit Parlamentsmitgliedern aus verschiedenen Ländern regelmäßig erörtert

werden.

Der Generalsekretär des Parlaments hat eine Task Force eingerichtet, die aus Mitarbeitern

verschiedener Dienststellen besteht und dazu beitragen soll, die Arbeit des Organs in diesem

Bereich kohärenter zu gestalten. 2010 befasste sie sich vor allem mit der Einrichtung des EAD, dem

Vorjahresbericht über die Lage der Menschenrechte und mit der diesbezüglichen EU-Politik sowie

mit dem Beitritt der Union zur EMRK, dem Sacharow-Preis und dem Zugang zu Dokumenten.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 238
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 253 – Drucksache 17/10899

Das Büro zur Förderung der parlamentarischen Demokratie (Office for Promotion of

Parliamentary Democracy - OPPD) des Europäischen Parlaments unterstützt die Parlamente neuer

und aufstrebender Demokratien (NED) durch den Ausbau ihrer Gesetzgebungskapazitäten, die

Weitergabe von Fachwissen und den Austausch bewährter Praktiken. Es wird auf Initiative der

Parlamente der NED tätig und zielt auf den speziellen Bedarf jedes einzelnen dieser Parlamente.

Unterstützende Initiativen können auch von Entschließungen des EP, der Paritätischen Parlamen-

tarischen Versammlung AKP-EU oder anderen transnationalen Versammlungen ausgehen. Das

OPPD koordiniert innerhalb des Europäischen Parlaments alle Aktivitäten zur Förderung der

Demokratie. Das Stipendienprogramm "Demokratie" des OPPD zielt auf den institutionellen und

administrativen Kapazitätsaufbau der Parlamente ab und bietet den Stipendiaten ein

maßgeschneidertes Ausbildungsprogramm im Parlament.

Die Parlamentarische Versammlung der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft bietet Raum für

einen parlamentarischen Dialog mit den Mittelmeerländern über Fragen der Menschenrechte und

der Demokratie. Ihre sechste Tagung fand am 13./14. März in Amman statt. Ihr Ausschuss für

Politik, Sicherheit und Menschenrechte hat dafür gesorgt, dass die Frage der Menschenrechte

nunmehr ein fester Tagesordnungspunkt ist. Er hat eine Empfehlung verabschiedet, in der er sich

unter anderem zum Recht auf freie Meinungsäußerung und zur Freiheit der Religion bzw. der

Weltanschauung äußert.

Die Parlamentarische Versammlung Europa-Lateinamerika (EUROLAT) ist nach wie vor ein

wichtiges Forum für den Dialog mit Lateinamerika. Ihre Plenartagung fand vom 13. bis 15. Mai in

Sevilla (Spanien) statt. Die EUROLAT-Versammlung hat einen Ausschuss für Politik, Sicherheit

und Menschenrechte eingerichtet, der unmittelbar vor der Plenartagung und noch einmal am

4./5. November in Salvador da Bahia (Brasilien) zusammengetreten ist. 2010 erörterte der

Ausschuss unter anderem den Minderheitenschutz in der EU und in Lateinamerika und die

Bekämpfung des illegalen Drogenhandels und der organisierten Kriminalität.

Das wichtigste Forum für den politischen Dialog zwischen dem Europäischen Parlament und

Parlamentariern aus den Ländern Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums ist die

Paritätische Parlamentarische Versammlung AKP–EU. Ihre 19. Tagung fand vom 27. März bis

1. April auf Teneriffa statt, ihre 20. Tagung vom 30. November bis 4. Dezember in Kinshasa.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 239
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Drucksache 17/10899 – 254 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Ausschuss für politische Angelegenheiten der Paritätischen Parlamentarische Versammlung hat

weiter über die Rolle freier und unabhängiger Medien beraten; auf der Tagung in Kinshasa hat er

einstimmig einen Bericht verabschiedet, in dem er unter anderem fordert, dass in internationalen

Abkommen ausdrücklicher auf die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien Bezug genommen

wird, da dies eine Voraussetzung dafür ist, Maßnahmen zu ergreifen, wenn dagegen verstoßen wird.

Was die Östliche Partnerschaft betrifft, so wurde der Start von EURONEST – der gemeinsamen

Versammlung von Europaabgeordneten und Parlamentariern der östlichen Partnerländer –

verschoben, weil die Mitglieder des Europäischen Parlaments sich noch nicht darüber einig sind, ob

Belarus durch Parlamentsabgeordnete oder Vertreter der Opposition und der Zivilgesellschaft

vertreten werden sollte. Diese Versammlung wird, wenn sie erst einmal eingerichtet ist, der Ort

sein, an dem der multilaterale parlamentarische Dialog und der Austausch der östlichen Partner-

länder untereinander sowie der EP-Abgeordneten mit ihren Amtskollegen aus den östlichen

Partnerländern auf mehreren Gebieten von gemeinsamem Interesse stattfindet, und somit ein

zusätzliches Forum für den interparlamentarischen Dialog über Menschenrechte und Demokratie

bieten.

2010 hat der Unterausschuss Menschenrechte des Weiteren gemeinsame Sitzungen mit anderen

EP-Ausschüssen abgehalten. Gemeinsam mit dem Entwicklungsausschuss veranstaltete er im März

eine Anhörung zum Thema Verhütung von massenhaften

Grausamkeiten/Menschenrechtsverletzungen und EU-Außenpolitik und im Juni zur Menschen-

rechtslage in der Demokratischen Republik Kongo; im November fand eine gemeinsame Sitzung

mit dem Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter statt, bei der

der zehnte Jahrestag der Resolution 1325 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über Frauen,

Frieden und Sicherheit und die Umsetzung dieser Resolution in die EU-Politik im Vordergrund

standen.

Im April haben sich der Entwicklungsausschuss, der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz

und Inneres und der Unterausschuss Menschenrechte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der

Vereinten Nationen Antonió Guterres getroffen, um Asylfragen zu erörtern.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 240
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 255 – Drucksache 17/10899

Ferner hat der Entwicklungsausschuss regelmäßig Sitzungen zum Thema Menschenrechte im

Allgemeinen abgehalten. Überdies hat er aus gegebenem Anlass spezielle Menschenrechtsfragen

unter Eingrenzung auf bestimmte Regionen (z.B. Kolumbien oder Gaza) oder bestimmte Themen

(z.B. Kinderarbeit oder Eigentumsrechte) erörtert.

Auch andere Ausschüsse haben sich im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Fragen der externen

Menschenrechtspolitik befasst. So stand im Ausschuss für internationalen Handel ein Bericht zu

Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen38 während des

gesamten Jahres auf der Tagesordnung. Der Ausschuss für die Rechte der Frau betätigt sich

ebenfalls auf diesem Gebiet.

Die Beobachtung von Wahlen ist ein Beitrag der EU zur Stärkung der Menschenrechte und der

Demokratie in Drittländern. Das EP beteiligt sich aktiv an den Missionen, denn zum einen entsendet

es eine – in langfristige Wahlbeobachtungsmissionen eingebundene - Delegation zur kurzfristigen

Beobachtung und zum anderen sind die Leiter der EU-Wahlbeobachtungsmissionen in der Regel

Mitglieder des Europäischen Parlaments. Am Wahltag beobachten die MEP die Abwicklung der

Wahl und der Stimmenauszählung. 2010 hat das Parlament Delegationen zur kurzfristigen

Beobachtung nach Afrika (Sudan, Tansania, Togo), in den OSZE-Raum (Aserbaidschan,

Kirgisische Republik, Republik Moldau, Tadschikistan, Ukraine) und in das Kosovo entsandt.

Wichtiger Bestandteil der Tätigkeit des Parlaments sind Entschließungen zu Menschenrechts-

verletzungen in bestimmten Ländern und insbesondere zu besorgniserregenden Einzelfällen, die im

Rahmen der monatlichen Dringlichkeitsdebatten im Plenum behandelt werden. In diesen

Entschließungen werden der Rat, die Kommission und die betroffenen Regierungen zum Handeln

aufgefordert. Daneben unternehmen der Parlamentspräsident, der Vorsitzende des Unterausschusses

und die Leiter der parlamentarischen Delegationen regelmäßig Demarchen. Aus der Reaktion der

Regierungen lässt sich schließen, dass sie für die Kritik des Europäischen Parlaments meist recht

empfänglich sind.
38 Bericht vom 8. November 2010 zu Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen in

internationalen Handelsabkomme (2009/2219(INI)), A7-0312/2010.
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 241
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Drucksache 17/10899 – 256 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Europäische Parlament hat 2010 Entschließungen zu folgenden Themen angenommen:

• Angriffe auf christliche Gemeinschaften (insbesondere in Ägypten und Malaysia),

• Birma/Myanmar (3 verschiedene Entschließungen),

• Kambodscha, insbesondere der Fall Sam Rainsy,

• Gilad Shalit,

• Demokratische Republik Kongo, insbesondere der Fall Floribert Chebeya Bahizire,

• eritreische Flüchtlinge, die in Sinai als Geiseln festgehalten werden,

• Hinrichtungen in Libyen,

• Menschenrechtsverletzungen in China, insbesondere der Fall Liu Xiaobo,

• Irak, insbesondere Todesstrafe (einschließlich des Falls Tariq Aziz) und Angriffe auf christliche
Gemeinschaften,

• Kenia: unterlassene Festnahme des sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir,

• Madagaskar,

• Malaysia: insbesondere Anwendung der Prügelstrafe,

• Nepal,

• Nordkaukasus (Russische Föderation) und das Strafverfahren gegen Oleg Orlow,

• Nordkorea,

• Religionsfreiheit in Pakistan,

• Philippinen,

• Syrien, insbesondere der Fall Haythan Al-Maleh,

• Thailand,

• Republik Korea: Todesstrafe für verfassungsgemäß erklärt,

• eskalierende Gewalt in Mexiko,

• Tibet: insbesondere Pläne, Chinesisch zur wichtigsten Unterrichtssprache zu machen,

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 242
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 257 – Drucksache 17/10899

• Uganda: insbesondere der sogenannte "Bahati-Gesetzentwurf" und die Diskriminierung von
lesbischen, schwulen, bisexuellen und transsexuellen Personen,

• Venezuela (2 verschiedene Entschließungen),

• Simbabwe (2 verschiedene Entschließungen).

Menschenrechtsfragen in der EU fallen hauptsächlich unter das Mandat des Ausschusses für

bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), der prüft, wie es um die Achtung der

Grundrechte in der EU bestellt ist. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und dessen

Unterausschuss Menschenrechte arbeiten eng mit ihm zusammen, um zu beobachten, wie sich

interne Maßnahmen, insbesondere im Bereich Asyl und Migration, nach außen auswirken.

2010 hat sich der LIBE-Ausschuss unter anderem mit folgenden Menschenrechtsfragen befasst:

Terrorismusbekämpfung, sexueller Missbrauch und Ausbeutung von Kindern und

Kinderpornografie, Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels, Arbeitsweise von

FRONTEX, Abkommen über Fluggastdatensätze, Recht auf Information in Strafverfahren und

justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, Gleichbehandlung, Zugang der Öffentlichkeit zu

Dokumenten sowie Strategie für die Einbeziehung der Roma. Ein weiteres wichtiges Thema auf der

Tagesordnung des Ausschusses war der Beitritt der EU zur EMRK.

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 243
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Drucksache 17/10899 – 258 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7 Abkürzungsverzeichnis

AA Association Agreement
AFET Committee on Foreign Affairs of the European Parliament
ACP African, Caribbean and Pacific
AMISOM African Union Mission in the Darfur region of Sudan
APRM African Peer Review Mechanism
ARF ASEAN Regional Forum
AQIM Al Qaeda in the Islamic Maghreb
ASEAN Association of Southeast Asian Nations
ASEM Asia-Europe Meeting
AU African Union
BiH Bosnia and Herzegovina
BPFA Beijing Declaration and Platform for Action
CAAC Children Affected by Armed Conflict
CAR Central African Republic
CARDS Community Assistance for Reconstruction, Development and

Stabilisation
CBSS Country-Based Support Schemes under the EIDHR
CDDH European Convention on Human Rights
CEDAW Committee on the Elimination of Discrimination against Women
CFSP Common Foreign Security Policy
CICIG International Commission against Impunity in Guatemala
CIDA Canadian International Development Agency
CIS Commonwealth of Independent States
CoE Council of Europe
COHOM Council Human Rights Working Party
COM European Commission
CPT Committee for the Prevention of Torture of the Council of Europe
CSDP Common Security and Defence Policy

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 244
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 259 – Drucksache 17/10899
CSO Civil Society Organisation
CSR Corporate Social Responsibility
CSW Commission on the Status of Women
DIS Détachement Intégré de Sécurité
DPKO Department of Peacekeeping Operations
DPRK Democratic People's Republic of Korea
DRC Durban Review Conference
DROI Human Rights Subcommittee of the European Parliament
EA Electoral Assistance
EaP Eastern Partnership
ECCC Extraordinary Chambers in the Constitutional Court of Cambodia
ECHR European Court of Human Rights
ECRI European Commission against Racism and Intolerance
EEM Election Expert Missions
EFA European Free Alliance - European Parliament political group
EIDHR European Instrument for Democracy and Human Rights
EMB Electoral Management Bodies
EMPA Euro-Mediterranean Parliamentary Assembly
ENP European Neighbourhood Policy
EOM Election Observation Mission
EP European Parliament
EPP European People's Party - European Parliament political group
ESDP European Security and Defence Policy
EU European Union

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 245
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 260 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
EUJUST LEX Integrated Rule of Law Mission for Iraq
EUPM European Union Police Mission
EUPOL EU Police mission
EUPOL COPPS European Union Police Mission for the Palestinian Territories
EUROLAT Euro-Latin American Parliamentary Assembly
EUSEC EU mission to provide advice and assistance for security sector

reform
EUSR EU Special Representative
EUSSR EU mission in support of the Security Sector Reform
EUTM European Union military mission to contribute to the training of

security forces
FDLR Forces démocratiques de libération du Rwanda
FEMM Women's Rights and Gender Equality Committee of the European

Parliament
FYROM Former Yugoslav Republic of Macedonia
GA General Assembly
GPA Global Political Agreement
GRULAC Group of Latin American and Caribbean countries
GSP EU's Generalised System of Preferences
GSP+ Special Incentive Arrangement for Sustainable Development and

Good Governance
HIV Human immunodeficiency virus
HoMs Heads of Mission
HRC Human Rights Council
HRD Human Rights Defender
HRDO Human Rights Defender's Office
HTA High Transition Authority

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 246
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 261 – Drucksache 17/10899
ICC International Criminal Court
ICCPR International Covenant on Civil and Political Rights
ICHR Independent Commission for Human Rights
ICRC International Committee of the Red Cross
ICTR International Criminal Tribunal for Rwanda
ICTY International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia
IDP Internally Displaced Person
IDPS Institut de Développement de Produits de Santé
IHL International Humanitarian Law
ILO International Labour Organisation
IMT Monitoring Team
IOM International Organisation for Migration
IPA Instrument on Pre-Accession Assistance
IPU Inter-Parliamentary Union
JPA Joint Parliamentary Assembly
JUSCANZ Japan, United States, Canada, Australia, New Zealand
JWF Joint Way Forward
LAC Latin American and Caribbean countries
LGBTI Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Intersex
LIBE Committee on Civil Liberties, Justice and Home Affairs of the

European Parliament
LT Lithuania
LTTE Liberation Tigers of Tamil Eelam
MDG Millennium Development Goal
MEP Member of the European Parliament
Mercosur Common Market of the South
MINURCAT United Nations Mission in the Central African Republic and Chad
MINUSTAH Mission des Nations Unies pour la stabilisation en Haiti

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 247
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Drucksache 17/10899 – 262 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
NAM Non Alignmed Movement
NATO North Atlantic Treaty Organisation
NCCM National Council for Childhood and Motherhood
NCHR National Council for Human Rights
NED New and Emerging Democracies
NGOs Non-Governmental Organisations
NSS National Security Service
OCHA Office for the Coordination of Humanitarian Affairs
ODA Official Development Assistance
ODIHR Office for Democratic Institutions and Human Rights
OECD Organisation for Economic Cooperation and Development
OHCHR Office of the High Commissioner for Human Rights
OIC Organization of the Islamic Conference
OJ Official Journal of the European Union
OPCAT Optional Protocol to the International Convention against Torture and

Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment
OPPD Office for Promotion of Parliamentary Democracy
OPT Occupied Palestinian Territory
OSCE Organisation for Security and Cooperation in Europe
PA Palestinian Authority
PAFSI Programme for the reform of the internal security forces
PALOP-TL Portuguese-speaking African countries and Timor Lest
PARSET Programme to support Renovation of the Education Sector
PASOC Civil society support programme
PCA Partnership and Cooperation Agreement
PCP Palestinian Civil Police
PDO Public Defender’s Office
POC Person of Concern
PRAJUST Programme for the reform of the justice system
SA Stabilisation and Association
SAA Stabilisation and Association Agreement
SAp Stabilisation and Association process
SCSL Special Court for Sierra Leone
SG Secretary General
SRT Special Rapporteur on Torture
TAIEX Technical Assistance and Information Exchange
TDCA Trade Cooperation and Development Agreement
TFG Transitional Federal Government
TJRC Justice, Truth and Reconciliation Commission
TRC Torture Rehabilitation Centre

11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 248
ANLAGE DG K 1 LIMITE DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 263 – Drucksache 17/10899
UfM Union for the Mediterranean
UN United Nations
UNCAT United Nations Convention against Torture
UNCRPD United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities
UNDP United Nations Development Programme
UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation
UNGA United Nations General Assembly
UNHRC UN Human Rights Council
UNICEF United Nations Children's Fund
UNPFII UN Permanent Forum on Indigenous Issues
UNSC United Nations Security Council
UNSCR United Nations Security Council Resolution
UPR Universal Periodic Review
U.S. United States of America
WG Working Group
11501/2/11 REV 2 hm/SST/ka 249
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