BT-Drucksache 17/10636

Auskunftsverhalten des Bundesinnenministeriums des Innern zur Vorab-Übermittlung einer Studie an die "Bild-Zeitung"

Vom 6. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10636
17. Wahlperiode 06. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Dr. Dagmar Enkelmann, Nicole Gohlke,
Ulla Jelpke, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Auskunftsverhalten des Bundesministeriums des Innern zur Vorab-Übermittlung
einer Studie an die „BILD Zeitung“

In der nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundes-
tages am 25. April 2012 entschuldigte sich der Bundesminister des Innern
Dr. Hans-Peter Friedrich dafür, dass er und sein Parlamentarischer Staatssekre-
tär Dr. Christoph Bergner gegenüber der Öffentlichkeit, den Medien und dem
Parlament eine Falschauskunft erteilt hatten, als sie auf Nachfragen bestritten,
dass die Studie „Lebenswelten junger Muslime“ vom Bundesministerium des
Innern (BMI) vorab der „BILD Zeitung“ zur Verfügung gestellt worden war
(www.migazin.de/2012/04/27/innenminister-friedrich-entschuldigt-sich-fur-
falschauskunft). Diese hatte am Tag vor der offiziellen Vorstellung „exklusiv“
und in reißerischer Aufmachung über die Studie berichtet („Schock-Studie“,
„Junge Muslime verweigern Integration“) und war damit, ebenso wie das BMI,
auf erhebliche Kritik gestoßen. Dass die „BILD Zeitung“ vom BMI doch vorab
ein Exemplar der Studie erhalten hatte, räumte die Bundesregierung erst später
auf Anfrage der Fraktion DIE LINKE. und auch erst nach einer Fristverlänge-
rung ein (vgl. Bundestagsdrucksache 17/9346).

Obwohl der Bundesminister im Innenausschuss eine Entschuldigung gegenüber
der Presse in Aussicht gestellte hatte, hielt er dies später nicht mehr für erforder-
lich. Die Öffentlichkeit sei ja über seine Entschuldigung im Ausschuss „durch
die Berichterstattung in der Presse und den Medien unterrichtet“ worden
(a. a. O., zu Frage 1). Nach Kenntnis der Fragesteller hatte zu diesem Zeitpunkt
jedoch nur das Internetportal MiGAZIN (das heißt nicht die Presse) aufgrund
kolportierter Aussagen von Mitgliedern des Innenausschusses hierüber berichtet
(a. a. O.). Auch von einer Entschuldigung gegenüber den in der Fragestunde
vom 7. März 2012 falsch informierten Abgeordneten oder den Autoren der Stu-
die, die über das Vorgehen des BMI empört waren (www.taz.de/!94729/), ist den
Fragestellern nichts bekannt.

Sämtliche Details dazu, wie es zu den Falschinformationen gekommen und wer
hierfür verantwortlich ist, sind nach wie vor ungeklärt. Auf Nachfrage gab die
Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/9845 keine näheren Auskünfte
oder Erklärungen hierzu. Es handele sich bei den (angeblichen) „Kommunika-

tionsproblemen“ im BMI um „interne Organisationsangelegenheiten der Bun-
desregierung“; von „personenbezogenen Angaben“ werde aus „grundrecht-
lichen Erwägungen“ abgesehen. Stattdessen wurde auf die nichtöffentlichen
Ausführungen des Bundesministers im Innenausschuss verwiesen: „Dem ist
nichts hinzuzufügen“, hieß es lapidar (a. a. O., Frage 33 und 34).

In einer Beschwerde an den Bundesinnenminister und den Bundestagspräsiden-
ten protestierte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE

Drucksache 17/10636 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

LINKE. gegen diese aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. im Rahmen des par-
lamentarischen Fragerechts unzulässige Verweigerung von Auskünften. Nach wie
vor gibt es keine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum der Bundesinnen-
minister und sein Parlamentarischer Staatssekretär auch eine Woche nach der
Exklusiv-Berichterstattung durch die „BILD Zeitung“ nichts über die Vorab-
Versendung der Studie durch das BMI gewusst haben wollen, obwohl dies
Gegenstand heftiger öffentlicher Debatten und sogar Inhalt konkreter parlamen-
tarischer Anfragen war.

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Dr. Ole
Schröder berief sich in seiner Entgegnung auf diese Beschwerde vom 29. Juni
2012 vor allem auf einen nicht ausforschbaren Kernbereich exekutiver Eigen-
verantwortung. Im Detail wurde lediglich ergänzt, dass die E-Mail, mit der die
Studie an die „BILD Zeitung“ (angeblich) zur Vorbereitung eines Interviews mit
dem Bundesinnenminister vom Pressereferat des BMI übersandt wurde,
anschließend gelöscht worden sei – aus technischen Gründen sei dies nach
14 Tagen unwiderruflich. Auf die Schriftliche Frage, ob eine solche Löschung
von E-Mails an Außenstehende direkt nach Versand im BMI üblich sei, antwor-
tete die Bundesregierung mit einem abstrakten Verweis auf § 12 Absatz 2 der
Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (Bundestagsdrucksache
17/10050, S. 5). Auf erneute Nachfrage ergänzte der Parlamentarische Staats-
sekretär Dr. Ole Schröder in einem Schreiben vom 29. Juni 2012, dass versen-
dete E- Mails aufgrund begrenzter Speicherkapazitäten „regelmäßig“ gelöscht
würden – was nach Ansicht der Fragesteller die Ursprungsfrage immer noch
nicht beantwortet. Der Wortlaut der gelöschten E-Mail würde vermutlich be-
legen, ob es stimmt, dass der „BILD Zeitung“ die Studie tatsächlich nur zur Vor-
bereitung eines Interviews mit dem Bundesinnenminister übersandt wurde.

In dem Verfahren des Berliner Verwaltungsgerichts VG 2 L 59.12 musste das
BMI ebenfalls Rechenschaft zu den Vorgängen ablegen. Auch einem nach dem
Informationsfreiheitsgesetz (IFG) anfragenden Journalisten war die Falschaus-
kunft gegeben worden, das BMI habe der „BILD Zeitung“ die besagte Studie
nicht vorab zur Verfügung gestellt. Dem Kläger sind dabei im Rahmen des Ver-
fahrens schneller und mehr Detailinformationen zur Kenntnis gelangt (etwa zur
Löschung besagter E-Mail) als den zur Kontrolle der Bundesregierung berufe-
nen Abgeordneten, die hierzu eine detaillierte parlamentarische Anfrage gestellt
hatten. Während das BMI den Abgeordneten bis heute jede Namensnennung
Verantwortlicher im Bundesministerium verweigert, ergab sich aus den im oben
genannten Verfahren übersandten Akten, dass der Sprecher des Bundesministe-
riums und Leiter des Pressereferats des BMI für die Falschauskunft gegenüber
dem Journalisten verantwortlich war. In einer von ihm verfassten internen
E- Mail vom 26. März 2012 heißt es, dass die Studie der „BILD Zeitung“ nicht
exklusiv zur Verfügung gestellt worden sei. In dem der Fragesteller vorliegenden
Widerspruchsbescheid des BMI im IFG-Verfahren vom 12. Juni 2012
(Z4- 004294-22 II) wurde diese Auskunft als unzutreffend und rechtswidrig
bezeichnet.

Der Verdacht, dass die „BILD Zeitung“ vom BMI gezielt vorab mit der Studie
„versorgt“ wurde, um eine bestimmte Tendenz der Berichterstattung zu errei-
chen – was neben vielen Kommentatoren in der Presse auch ein Autor der Studie
vermutete (vgl. Bundestagsdrucksache 17/9845, Frage 35), konnte vor diesem
Hintergrund nach Ansicht der Fragesteller bisher nicht entkräftet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welcher Begründung hält es der Bundesinnenminister für ausreichend
und angemessen, wenn auf einem Internet-Portal (migazin.de), das zwar in

Fachkreisen bekannt ist, aber zum Beispiel der Leserschaft der „BILD Zei-
tung“ eher unbekannt sein dürfte, darüber berichtet wird, dass es aus gut

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10636

informierten Kreisen von der Entschuldigung des Bundesministers für seine
Falschauskunft erfahren habe, statt sich selbst, persönlich und direkt, gegen-
über der Öffentlichkeit, den Medien, dem Parlament und den Autoren der
Studie dafür zu entschuldigen, dass er und sein Parlamentarischer Staatssek-
retär wiederholt die Unwahrheit gesagt haben (www.taz.de/!94729), und dass
das BMI es durch die Vorab-Übermittlung der Studie zu verantworten hat,
dass die „BILD Zeitung“ in ihrer bekannt zuspitzenden Art und Weise über
die Studie exklusiv vorab berichten konnte?

2. Trifft es zu, dass zum Zeitpunkt der Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/9845 zu Frage 1, das heißt am 31. Mai 2012, lediglich das Internet-Portal
Migazin.de über die Entschuldigung des Bundesministers im Innenaus-
schuss aufgrund kolportierter Äußerungen von Teilnehmenden berichtet
hatte?
Wenn ja, wie ist die damalige Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 zu
erklären, wonach „die Öffentlichkeit … hierüber durch die Berichterstattung
in der Presse und den Medien unterrichtet“ worden sei?
Wenn nein, in welchen Presseerzeugnissen und Medien wurde vor dem
31. Mai 2012 wann hierüber berichtet?

3. Hält der Bundesinnenminister eine öffentliche Entschuldigung bzw. eine
Entschuldigung gegenüber den Autoren der Studie, den Medien und dem
Parlament bzw. den falsch informierten Abgeordneten nach wie vor für ent-
behrlich, obwohl z. B. auch in der Presse – z. B. in der „taz“ vom 6. Juni
2012 (Titel/Untertitel: „Die Schutzbehauptungen des Innenministers: Fried-
rich hat die Unwahrheit gesagt. Öffentlich entschuldigen will er sich dafür
nicht“) – dieses Vorgehen kritisiert wurde (bitte begründen)?

4. Hat sich der Bundesinnenminister inzwischen bei den Autoren der Studie
entschuldigt (laut taz vom 6. Juni 2012 war der Soziologie-Professor Klaus
Boehnke immer noch empört, da „der Innenminister … uns noch bei einem
letzten Treffen im März ins Gesicht gelogen“ habe), wenn nein, warum
nicht, und ist der Bundesminister nicht der Auffassung, dass es auch eine
gewisse Sorgfaltspflicht in Bezug auf den Umgang mit vom BMI beauftrag-
ten wissenschaftlichen Studien bzw. ihren Autoren aus der Wissenschaft
gibt (bitte darlegen)?

5. Wieso hält der Bundesinnenminister insbesondere eine Entschuldigung
gegenüber der Presse für entbehrlich, obwohl er im Innenausschuss am
25. April 2012 dies ausweislich des entsprechenden Sitzungsprotokolls an-
gekündigt hatte, weil auch er einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungs-
grundsatz im Umgang mit der Studie bzw. den Medien sah?

6. Wieso hält der Bundesinnenminister insbesondere eine Entschuldigung ge-
genüber dem Parlament bzw. den Abgeordneten für entbehrlich, denen vom
Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Christoph Bergner in der Fragestunde
vom 7. März 2012 eine falsche Auskunft erteilt wurde?

7. Haben sich der Bundesinnenminister oder das Bundesinnenministerium ge-
genüber der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka für die Falschinformation
des Bundesministers ihr gegenüber im Live-Interview vom 1. März 2012 im
„heute-journal“ entschuldigt, zumal diese wegen ihrer kritischen Fragen an
den Bundesminister (Marietta Slomka: „… weil Sie oder Ihr Sprecher oder
sonst jemand in Ihrem Ministerium diese Studie vorab … an die „BILD Zei-
tung“ weitergegeben hat“, Hans-Peter Friedrich: „Also, diese Studie ist nicht
aus meinem Haus herausgegeben worden“; www.bildblog.de/search/muslim-
studie), von der „BILD Zeitung“ anschließend zum „Verlierer des Tages“ er-

klärt wurde, weil sie angeblich ein „Problem mit Exklusiv-Nachrichten in
BILD“ und deshalb den Bundesminister „angegiftet“ habe (vgl. ebd.)?

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8. Wie ist es mit der Pflicht zur umfassenden und wahrheitsgemäßen Be-
antwortung parlamentarischer Fragen vereinbar, dass in Vorbereitung der
Beantwortung der am 1. März 2012 eingereichten Frage der Abgeordneten
Aydan Özog˘uz offenkundig nicht ausreichend im Bundesministerium
recherchiert wurde, ob die Studie vorab an die „BILD Zeitung“ heraus-
gegeben wurde (trotz mehrfacher Fragen hat die Bundesregierung nach
Ansicht der Fragesteller bislang keine befriedigende Auskunft zu dieser
zentralen Frage gegeben)?

9. Wie ist es zu erklären, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BMI,
die von der Vorab-Übersendung der Studie an die „BILD Zeitung“ wussten,
ihre Leitungsspitze nicht über diesen Umstand informierten, nachdem in der
Öffentlichkeit hierüber breit diskutiert wurde und sie mitbekamen, dass der
Bundesminister im Fernsehen und im Innenausschuss und der Parlamen-
tarische Staatssekretär im Plenum des Deutschen Bundestages falsche Aus-
künfte erteilten?

10. Haben der Bundesinnenminister und der Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Christoph Bergner von sich aus ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
gefragt bzw. es recherchieren lassen, ob die Studie vorab an die
„BILD Zeitung“ übermittelt wurde?
Wenn nein, warum nicht, obwohl sie sich doch zu dieser Frage öffentlich
und im Parlament positionieren mussten?
Wenn ja, warum ist keine interne Aufklärung des Sachverhalts erfolgt, oder
warum führte diese gegebenenfalls nicht zum richtigen Ergebnis?

11. Wussten nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pressereferat von der
Vorab-Übermittlung der Studie an die „BILD Zeitung“ oder auch Personen
in anderen Abteilungen des BMI (wenn ja, ab wann, in welchen Abteilun-
gen bzw. Positionen), und wieso konnte sich niemand im Bundesministe-
rium daran erinnern und es auch nicht rekonstruieren, an welchem Tag in
der 8. Kalenderwoche die Studie der „BILD Zeitung“ übermittelt wurde,
obwohl diese Übersendung laut Darstellung des Bundesministers im Innen-
ausschuss direkt im Anschluss an eine Absprache mit ihm persönlich zu
dem geplanten Interview (und einem möglichen Missverständnis) erfolgt
sein muss?

12. Wieso hat das BMI nicht versucht, sich die im BMI nach Versand sofort ge-
löschte E-Mail, mit der die Studie an die „BILD Zeitung“ vorab übermittelt
worden war und deren Wortlaut vermutlich nachvollziehbar machen würde,
ob die Studie tatsächlich nur zur Vorbereitung des Interviews übersandt
wurde oder nicht, vom Empfänger der E-Mail (der BILD Zeitung) wieder
zu beschaffen, um die im parlamentarischen Raum und in den Medien ge-
äußerte Vermutung, das BMI habe die Studie vorab an die „BILD Zeitung“
übersandt, um eine gewollte Tendenz-Berichterstattung zu erzielen, zu wi-
derlegen, und ist das BMI dazu bereit, diese E-Mail gegenüber der „BILD
Zeitung“ anzufragen, zumal unwahrscheinlich ist, dass auch die „BILD Zei-
tung“ E-Mails mit wichtigem Anhang sofort unwiderruflich löscht?
Wenn nein, warum nicht?

13. Ist es im BMI üblich, dass an Außenstehende versandte E-Mails sofort nach
Versand (nach zwei Wochen unwiderruflich) gelöscht werden (die Frage ist
nicht, ob regelmäßig Löschungen erfolgen)?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, wieso wurde dies ausgerechnet bei der besagten E-Mail getan?

14. Wann genau fand das am 3. März 2012 in der „BILD Zeitung“ veröffent-

lichte Interview mit dem Bundesminister (Überschrift: „Die Multikulti-Illu-
sion ist gescheitert“) tatsächlich statt, und wann wurde das von „Bild.de“

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10636

verwandte erste Zitat des Bundesministers („Deutschland achtet die Her-
kunft … Aber wir akzeptieren nicht … “) durch wen der „BILD Zeitung“
übermittelt?
Wenn das Interview vor dem 29. Februar 2012 (dem Tag der Exklusiv-
berichterstattung durch Bild.de) stattfand, wie ist dann zu erklären, dass
„Bild.de“ das Zitat, das zu der Überschrift „Innenminister warnt radikale
Muslime“ führte, übermittelt wurde, obwohl der Bundesminister im Innen-
ausschuss erklärte (Protokoll der 72. Sitzung, S. 42), dass er im Anschluss
an das Gespräch mit der „BILD Zeitung“ die Brisanz der Studie erkannt
haben wollte und betonte, die positiven Aspekte der Studie hervorheben zu
wollen?
Wenn es nach dem 29. Februar 2012 stattfand, wie ist dann zu erklären, dass
der Bundesminister erst im Anschluss an das Gespräch mit der
„BILD Zeitung“ die Brisanz der Studie erkannt haben will, wie er im Innen-
ausschuss darlegte (vgl. Protokoll der 72. Sitzung, S. 42), obwohl bereits am
29. Februar 2012 die Vorab-Berichterstattung durch die „BILD Zeitung“
kritisiert wurde (z. B. hatte sich Prof. Dr. Wolfgang Frindte, der an der Stu-
die beteiligt war, am 29. Februar 2012 kritisch gegenüber dpa geäußert)?

15. Wie erklärt die Bundesregierung ihre Antwort zu Frage 18 der Kleinen An-
frage auf Bundestagsdrucksache 17/9845, wonach der Bundesinnenminis-
ter die Übermittlung und Stoßrichtung des der „BILD Zeitung“ übermittel-
ten Zitats im Innenausschuss nicht inhaltlich in Frage gestellt habe, obwohl
dieser ausweislich des Protokolls der 72. Sitzung des Innenausschusses
(S. 45) erklärte, dass dieses Zitat eine typische Wendung sei, die er üblicher-
weise für die PKK verwende, es an sich gar nichts mit Muslimen zu tun
habe, der ganze Vorgang falsch gelaufen sei und ihm Leid tue – das heißt es
ging bei der genannten Frage 18 ersichtlich nicht um die abstrakte inhaltli-
che Richtigkeit des Zitats, sondern darum, ob das Zitat in seiner Stoßrich-
tung als Kommentierung zur besagten Studie passend ausgewählt wurde
und ob dies gegebenenfalls im Nachhinein bedauert wird?

16. Mit welcher Begründung will die Bundesregierung entgegen der Erklärung
des Bundesministers im Innenausschuss womöglich daran festhalten, dass
die Übermittlung des genannten Zitats auch im Nachhinein nicht bedauert
werden müsse, obwohl es zum Beispiel in der „Frankfurter Rundschau“
vom 1. März 2012 heißt („Politiker und Medien verzerren die Muslim-Stu-
die“): „Wer Friedrichs Zitat liest, der fragt sich, ob er die betreffende Studie
auch nur ansatzweise gelesen hat, bevor er dem Volk Kanonenfutter
lieferte“ (www.fr-online.de/meinung/kommentar-politiker-und-medien-
verzerren- die-muslim-studie-,1472602,11744042.html)?

17. Ist das besagte Zitat vom Bundesminister autorisiert worden, und wer ist ge-
gebenenfalls für die Auswahl und Übersendung genau dieses Zitats, das
vom Bundesminister im Nachhinein selbst als unpassend angesehen wurde
(Protokoll der 72. Sitzung des Innenausschusses, S. 45), verantwortlich?

18. Wie ist zu erklären, dass die Bundesregierung auf Frage 32 der Kleinen An-
frage auf Bundestagsdrucksache 17/9845 antwortete, ihr liege „nach wie
vor kein Schriftwechsel betreffend der Studie vor“, und dabei nicht gleich-
zeitig erwähnte, dass es einen solchen Schriftwechsel gab – nämlich die E-
Mail der 8. Kalenderwoche an die „BILD Zeitung“, die dann aber gelöscht
wurde –, und hält die Bundesregierung eine solche, angesichts der offen-
kundigen Intention der Fragestellung unvollständigen Antwort mit der Ver-
pflichtung zur umfassenden und wahrheitsgemäßen Beantwortung parla-
mentarischer Anfragen für vereinbar (bitte begründen)?

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19. Wie kann die Bundesregierung in selbiger Antwort auf Frage 32 der Klei-
nen Anfrage behaupten, der zum Teil fehlerhaften Beantwortung der IFG-
Anfrage habe die Auffassung zugrunde gelegen, dass der „BILD Zeitung“
bereits eine Zusammenfassung der Studie vorlag und es von daher „keine
‚exklusive‘ Zurverfügungstellung der Inhalte der Studie“ gegeben habe –
wo doch weder in der IFG-Anfrage noch in der internen E-Mail des Leiters
der Presseabteilung des BMI vom 26. März 2012 zur Vorbereitung des
besagten IFG-Bescheides noch in dem Widerspruchsbescheid vom 12. Juni
2012, mit dem der Erstbescheid als rechtswidrig bezeichnet wurde, insoweit
darin die Vorab-Übermittlung der Studie an die „BILD Zeitung“ verneint
worden war, von „Inhalten der Studie“ die Rede war, so dass diese Antwort
als Ausrede gedeutet werden muss?

20. Wieso räumte die Bundesregierung bei der Beantwortung der Frage 32 der
Kleinen Anfrage nicht ein, dass die Antwort und der IFG-Bescheid insofern
falsch waren, als darin die Vorab-Übermittlung der Studie an die „BILD
Zeitung“ verneint worden war – wie es keine zwei Wochen später in dem
entsprechenden Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2012 geschehen ist?

21. Wie ist es zu erklären, dass nach Auskunft des Bundesministers im Innen-
ausschuss mit der „BILD Zeitung“ eigentlich ein Interview zu ganz anderen
Themen der Innenpolitik vereinbart worden war, es dann angeblich hieß, es
solle „auch“ um die Studie gehen, und dann das Gespräch aber – offenbar
absprachewidrig – ausschließlich zu den Themen Muslime/Studie/Integra-
tion geführt wurde?

22. Wie ist es zu erklären, dass (angeblich) erst bei der Beantwortung der Klei-
nen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 17/9346)
der Umstand, dass die Studie vom BMI doch vorab der „BILD Zeitung“
übermittelt worden war, dem Bundesminister erstmalig bekannt geworden
ist, obwohl doch schon für die Mündliche Fragestunde vom 7. März 2012
eine hierauf abzielende Frage am 1. März 2012 eingereicht worden war?
Was wurde in der Beantwortung der Kleinen Anfrage also anders gemacht
als bei der Beantwortung der Mündlichen Frage zuvor, welche anderen Per-
sonen im Bundesministerium wurden womöglich befragt, oder wer hat unter
Umständen entschieden, bei der einen Frage so und bei der anderen Frage
anders zu antworten, oder welche sonstige Erklärung gibt es hierfür (bitte
detailliert darlegen, zumal bei Einreichung der Mündlichen Frage die ge-
löschte E-Mail noch wiederherstellbar gewesen wäre und die Erinnerung an
die erst kurz zuvor erfolgte Vorab-Übersendung der Studie eigentlich besser
hätte sein müssen)?
Welchen Personen aus dem BMI ist neben dem Bundesminister (angeblich)
erstmalig bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. (Bundestagsdrucksache 17/9346) der Umstand bekannt geworden,
dass die Studie vom BMI doch vorab der „BILD Zeitung“ übermittelt wor-
den war?

23. Mit welcher Begründung verweigert die Bundesregierung auf parlamen-
tarische Anfrage genauere Auskünfte dazu, wer die Studie an die
„BILD Zeitung“ auf wessen Anweisung übermittelt hat und wer wann hier-
von im Bundesministerium gewusst und dies Wissen weitergegeben hat
oder nicht – wo es doch offenkundig nicht um einen unter Umständen schüt-
zenswerten Bereich der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung
geht, sondern um abgeschlossene, in der Vergangenheit liegende Vorgänge,
die dazu geführt haben, dass die Öffentlichkeit und das Parlament von
höchsten Vertretern des Bundesministeriums falsch informiert wurden (bitte
ausführen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10636

24. Wie sollen die Abgeordneten beurteilen und überprüfen können, wer im
Bundesministerium dafür verantwortlich ist, dass ihnen von der Führungs-
spitze des Bundesministeriums eine Falschauskunft erteilt wurde, und wie
sollen sie überprüfen können, dass solche Fehler und falsche Beantwortun-
gen parlamentarischer Anfragen künftig nicht mehr vorkommen, wenn die
Bundesregierung keine genaueren Angaben zum Geschehen im Bundes-
ministerium, zur Fehleranalyse und auch nicht zu den angeblich getroffenen
Schutzvorkehrungen macht (bitte ausführlich ausführen)?

25. Was wusste der Leiter des Pressereferats des BMI über die Vorab-Übermitt-
lung der Studie an die „BILD Zeitung“ und die Löschung der entsprechen-
den E-Mail, als er in seiner internen E-Mail vom 26. März 2012 an das IFG-
Referat erklärte, dass die Studie der „BILD Zeitung“ nicht exklusiv zur
Verfügung gestellt worden sei und es deshalb auch keine diesbezüglichen
Aufzeichnungen gebe?
a) Inwieweit hatte der Leiter des Pressereferats des BMI vor Übermittlung

dieser (Falsch-)Auskunft in seiner E-Mail vom 26. März 2012 die Frage,
ob die Studie der „BILD Zeitung“ vorab übermittelt wurde, intern auf-
geklärt, und wenn dies nicht geschah, wie ist dies mit der Verpflichtung
zur gewissenhaften, wahrheitsgemäßen und umfassenden Beantwortung
entsprechender IFG-Anfragen vereinbar?

b) Wie kann es sein, dass der Leiter des Pressereferats nicht über die Vorab-
Übermittlung der Studie durch sein Referat an die „BILD Zeitung“
informiert war, obwohl dies nach Darstellung des Bundesministers im
Innenausschuss das (gewollte oder ungewollte) Resultat einer entspre-
chenden Absprache mit dem Bundesminister war, und war der Leiter des
Pressereferats bei dieser Vorbesprechung zum geplanten Interview des
Bundesministers mit der „BILD Zeitung“ anwesend oder nicht?

c) Inwieweit war der Inhalt der internen E-Mail vom 26. März 2012 zur
(Falsch-)Beantwortung des entsprechenden IFG-Antrags mit anderen
Abteilungen, Vorgesetzten oder der Spitze des Bundesministeriums ab-
gestimmt?

26. Wenn die Studie angeblich nur zur Vorbereitung eines am 3. März 2012 zu
veröffentlichenden Interviews an die „BILD Zeitung“ übermittelt worden
war, wieso hat sich das BMI dann nicht bei der „BILD Zeitung“ über die
nicht autorisierte und unerlaubte Exklusiv-Berichterstattung über die Studie
am 29. Februar 2012 beschwert, zumal die zugespitzte Darstellung
(„Schock-Studie“, „Junge Muslime verweigern Integration“) nicht nur den
Ergebnissen der Studie, sondern auch der vorgeblichen Intention des BMI
an einer ausgewogenen und differenzierten Darstellung der Studie wider-
sprach (bitte ausführen), und wenn sich das BMI nicht beschwert hat, spricht
das nicht dafür, dass die zugespitzte Darstellung der Studie in ihrem Inte-
resse war (bitte ausführen; zur Klarstellung: Es geht den Fragestellern
selbstredend nicht um eine Infragestellung der Pressefreiheit, sondern um
eine Hinterfragung der Darstellung des BMI, die „BILD Zeitung“ habe ohne
sein Wissen und/oder gegen seine Intention vorab über die Studie berichtet)?

27. Wie ist zu erklären, dass die Bundesregierung zu Frage 27 der Kleinen An-
frage auf Bundestagsdrucksache 17/9845 antwortete, die jeweiligen Mit-
arbeiter der Pressestelle hätten „wahrheitsgemäß geantwortet“, als sie
anfragenden Journalisten sagten, sie wüssten nichts von einer Vorab-Über-
mittlung der Studie an die „BILD Zeitung“?
Soll dies heißen, dass die jeweiligen Mitarbeiter der Pressestelle nicht über
die Vorab-Übermittlung der Studie durch die Pressestelle an die „BILD
Zeitung“ informiert waren, und wenn ja, warum haben sie sich intern nicht

bezüglich dieser Frage erkundigt, nachdem entsprechende Anfragen von
Journalisten dazu eingingen (bitte ausführen)?

Drucksache 17/10636 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
28. Wieso wurde anfragenden Journalistinnen und Journalisten am 29. Februar
2012, nachdem „Bild.de“ „exklusiv“ über die Studie berichtet hatte, die
Studie nicht zur Verfügung gestellt, um zumindest eine Gleichbehandlung
der Medien zu gewährleisten (Wiederholung der insofern unbeantwortet
gebliebenen Frage 28 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache
17/9845, da auch der Bundesinnenminister die unzulässige Ungleichbe-
handlung der Presse eingestanden hat, siehe Protokoll der 72. Sitzung des
Innenausschusses, S. 45)?

29. Mit welcher Begründung und aufgrund welcher Kenntnisse unterstellt die
Bundesregierung bei der Beantwortung der Frage 29 der Kleinen Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 17/9845 den Journalistinnen und Journalisten,
die am 29. Februar 2012 um eine Übersendung der Studie baten, „dass die
anfragenden Medien offensichtlich über die Studie verfügten, da eine von
der Bundesregierung zwar grundsätzlich nicht zu bewertende, gleichwohl
aus ihrer Sicht durchaus differenziert zu bezeichnende Berichterstattung er-
folgte“?
a) Warum hätten nach Einschätzung der Bundesregierung die in den vor-

herigen Fragen der benannten Bundestagsdrucksache auch namentlich
und mit Quelle genannten Journalisten die Unwahrheit über ihre vergeb-
lichen Versuche, die Studie vom BMI am 29. Februar 2012 zu erhalten,
sagen sollen?

b) Warum hätten nach Einschätzung der Bundesregierung die Journalisten
beim BMI um Übersendung der Studie bitten sollen, wenn sie über diese
angeblich längst verfügten?

c) Wie lautet also die richtige Antwort auf Frage 29 der Kleinen Anfrage in
der genannten Drucksache, da die gegebene Antwort offenkundig nicht
plausibel ist, und wie sind solche, nach Auffassung der Fragesteller
offenkundig nicht plausiblen Antworten mit der Verpflichtung zur um-
fassenden und wahrheitsgemäßen Beantwortung parlamentarischer An-
fragen zu vereinbaren (bitte begründen)?

30. Wieso antwortet die Bundesregierung auf die Frage 14 der Kleinen Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 17/9845, ihr sei eine „Vorabveröffentlichung der
Studie“ durch die „BILD Zeitung“ „nicht bekannt“, obwohl die Fragesteller
offenkundig, wie aus der Vorbemerkung und dem Gesamtzusammenhang
zweifelsfrei hervor geht, die Vorab-Berichterstattung auf „Bild.de“ über die
Studie meinten (und dass dies der Bundesregierung bewusst war, geht unter
anderem aus der von ihr zu Frage 36 verwandten Formulierung hervor: die
„von den Fragestellern als Vorab-Präsentation der Studie empfundene Veröf-
fentlichung“), und hält die Bundesregierung eine solch „spitzfindige“ Form
der (Nicht-)Beantwortung parlamentarischer Fragen grundsätzlich und ins-
besondere im konkreten Fall, wo es um erwiesene Falschauskünfte gegen-
über dem Parlament geht, für angemessen (bitte ausführlich begründen)?

Berlin, den 6. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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