BT-Drucksache 17/10179

Die Rolle der Deutschen Bank AG als Partner für Ernährungssicherheit

Vom 22. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10179
17. Wahlperiode 22. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen,
Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Stefan Liebich, Kathrin Vogler,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Die Rolle der Deutschen Bank AG als Partner für Ernährungssicherheit

Im August 2011 hat die Bundesregierung den Africa Agriculture and Trade In-
vestment Fund (AATIF) gegründet, um nach eigener Aussage, einen Beitrag zur
Armutsminderung und Ernährungssicherung zu leisten.

Der Fonds ist gegenwärtig mit einem Finanzvolumen von 85 Mio. Euro aus-
gestattet und setzt sich aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Höhe von 45 Mio. Euro, der KfW
Bankengruppe und der Deutschen Bank AG mit jeweils 20 Mio. Euro zusam-
men. Mit zusätzlichen Mitteln privater und öffentlicher Investoren soll der
Fonds mittelfristig über 135 Mio. Euro verfügen. Gegenwärtig ist die Bundes-
regierung in Verhandlung mit der Europäischen Kommission und der
Bill & Melinda Gates Foundation. Nach Aussage der Bundesregierung hat sich
Frankreich aufgrund der Finanzkrise aus den Verhandlungen zurückgezogen.
Der Fonds ist eine Kapitalgesellschaft nach Luxemburger Recht mit Sitz in
Luxemburg und hat eine unbegrenzte Laufzeit. Das BMZ als größter Anteils-
eigner des AATIF gibt zusätzlich 9,25 Mio. Euro für Begleitmaßnahmen des
AATIF an.

Zur Erhöhung der Wertschöpfung und Produktivität der Landwirtschaft auf
dem afrikanischen Kontinent soll der Fonds Kredite, Garantien und auch Betei-
ligungen für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe bereitstellen. Je-
doch ist vorgesehen, mindestens 30 Prozent des Fondsvolumens über Finanz-
intermediäre wie in Afrika tätige Banken, Mikrofinanzinstitutionen und Unter-
nehmen auszugeben.

Die Organisationsstruktur des Fonds umfasst eine Hauptversammlung (Board
of Directors) mit bis zu sieben Aufsichtsratsmandaten, das Investment Commit-
tee aus mindestens zwei Mitgliedern, das TA Facility Committee, das Fonds-
management, das Center of Competence und einen unabhängigen Compliance
Advisor.

Obwohl sich die Deutsche Bank AG massiv am Geschäft mit dem Hunger be-
teiligt – sei es durch Nahrungsmittelspekulation oder Landraub – tritt sie als

Fondsmanager des AATIF auf. Die zivilgesellschaftliche Kritik an dieser neuen
Partnerschaft zwischen BMZ, KfW Bankengruppe und Deutscher Bank AG
weist die Bundesregierung mit dem Verweis auf die ausschließlich technische
Betreuung sowie die Expertise der Bank über hochkomplexe Fonds zurück.

Über die gestaffelten Renditevereinbarungen und Haftungsregelungen ist nur
soviel bekannt, dass 15 Mio. Euro des BMZ als Eigenkapital dienen, während

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die Investitionen der Deutschen Bank AG als Mezzanine gelten und damit erst
nachgelagert für Verluste in Anspruch genommen werden.

Obwohl gegenwärtig keine Informationen über die Auswahlkriterien für die
Finanzintermediäre, die afrikanischen Staaten und die konkreten landwirt-
schaftlichen Betriebe vorliegen, unterstreicht die Bundesregierung die armuts-
mindernde Ausrichtung des AATIF.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie begründet die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit der Deutschen
Bank AG, vor allem im Hinblick auf die problematische Position der Bank
gegenüber der weltweiten Ernährungssicherung (Rohstoff-Indexfonds,
DWS-Fonds)?

2. Hat die Bundesregierung auch andere Partner hinsichtlich einer Zusammen-
arbeit favorisiert, und wenn ja, welche?

3. Auf welchen konkreten Erkenntnissen beruht die Annahme der Bundesre-
gierung, dass Investitionen mit Renditezusagen für die Deutsche Bank AG
nachhaltig zu Armutsminderung und Ernährungssicherung beitragen?

4. Wie hoch fällt die „moderate Zieldividende“ des AATIF (Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundes-
tagsdrucksache 17/8623) aus?

a) Welche Staffelung der Rendite ist vorgesehen?

b) Wie hoch ist der Verdienstanteil des Fondsmanagements an der Rendite?

c) Welche Haftungsregelungen zwischen BMZ, KfW Bankengruppe und
Deutscher Bank AG gelten gegenwärtig für Investitionen des AATIF?

d) Aus welchen Mitteln wird das Fondsmanagement bei Ausbleiben einer
Rendite gezahlt, und wie verhindert die Bundesregierung eine indirekte
Finanzierung des Fondsmanagement durch Steuergelder?

5. Aus welchen Gründen wurde der Sitz des Fonds nach Luxemburg gelegt und
der Fonds nach luxemburgischem Recht gegründet?

a) Welche steuerlichen Vorteile ergeben sich daraus für die Tätigkeit des
Fonds?

b) Welche finanztechnischen Vorteile ergeben sich daraus für die Tätigkeit
des Fonds?

c) Welche sonstigen rechtlichen Vorteile ergeben sich daraus für die Tätig-
keit des Fonds?

6. Welche Informationen liegen der Bundesregierung hinsichtlich der personel-
len Besetzung der verschiedenen Gremien vor?

a) Wer ist in der Hauptversammlung (Board of Directors) vertreten?

b) Wer ist im Investment Committee vertreten?

c) Wer ist im TA Facility Committee vertreten?

d) Wer ist von der Deutschen Bank AG mit der Aufgabe des Fondsmanage-
ments betraut?

e) Wer sind die Mitglieder des beratendenden Kompetenzzentrums (Center
of Competence)?

f) Wer übernimmt die kontrollierende Tätigkeit des unabhängigen Beraters
(Compliance Advisor)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10179

7. Um welche BMZ-Begleitmaßnahme in Höhe von 9,25 Mio. Euro handelt
es sich, und worin besteht diese?

8. In welchem Umfang sind Mittel für die institutionelle, d. h. vor allem per-
sonelle, Ausstattung des Fonds vorgesehen (bitte einzeln auflisten)?

9. Hat die Bundesregierung Förderober- und Förderuntergrenzen für Investi-
tionen aufgrund der Ausrichtung auf kleine und mittlere landwirtschaft-
liche Betriebe festgelegt bzw. die Finanzintermediäre an solche gebunden?

10. Anhand welcher Kriterien werden die Finanzintermediäre des AATIF aus-
gewählt?

11. Anhand welcher konkreten Kriterien findet die Auswahl der afrikanischen
Staaten und der zu unterstützenden Investitionen bei direkten Krediten, Ga-
rantien und Beteiligungen statt?

a) Wie wird bei der Auswahl von Investitionen der noch weitgehend vor-
herrschenden Arbeitsteilung zwischen Kleinbäuerinnen (Subsistenz, lo-
kaler Markt) und Kleinbauern (cash crops) in vielen afrikanischen Län-
dern Rechnung getragen, wenn es um das vorrangige Ziel der Ernäh-
rungssicherung geht?

b) Welche landwirtschaftlichen Produktionssysteme werden favorisiert
(z. B. ökologische Landwirtschaft, Precision Agriculture, Bewässe-
rungsfeldbau, Agro-Gentechnik)?

c) Welche landwirtschaftlichen Betriebsgrößen in Hektar werden favori-
siert?

d) Welche Produktionszweige (Nutztierhaltung, Ackerbau, Obst- und Ge-
müseproduktion) werden favorisiert, und wie ist das Verhältnis zwi-
schen klassischen Exportprodukten (cash crops) zu lokalen Kulturarten?

12. Welche weitergehenden Informationen liegen der Bundesregierung über
die erste Investition des AATIF für Bewässerungsanlagen zum Anbau von
Mais, Soja und Weizen in Sambia in Höhe von 7,3 Mio. Euro vor?

a) Handelt es sich dabei um eine direkte Investition oder wird sie über Fi-
nanzintermediäre vermittelt, und wenn ja, über welche?

b) Handelt es sich bei dem Darlehen um die Förderung eines einzelnen Be-
triebes, und wenn ja, wie wirkt sich diese Investition armutsmindernd
aus?

c) Wie sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in das der Investition zu-
grunde liegende Contract Scheme eingebunden?

13. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die zweite Investi-
tion zum Reisanbau in Ghana vor?

a) Handelt es sich dabei um eine direkte Investition oder wird sie über Fi-
nanzintermediäre vermittelt, und wenn ja, über welche?

b) Welchen Umfang hat die Investition, und um welche Art handelt es sich
dabei (Kredit, Garantie, Beteiligung)?

c) Wie sind die 15 000 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in diese Investi-
tion eingebunden, und wie profitieren sie davon?

14. Welche Instrumente/Mechanismen sind vorgesehen, um die Wirksamkeit
des AATIF zu prüfen?

a) Ist eine wissenschaftliche Begleitung des AATIF vorgesehen, und wenn
ja, durch wen?

Drucksache 17/10179 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Wird die Evaluierung auch im Vergleich zu bestehenden Finanzierungs-
möglichkeiten für Landwirte und Unternehmen untersucht?

15. Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand bezüglich der Einbeziehung weite-
rer öffentlicher und privater Investoren in den Fonds?

Berlin, den 21. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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