BT-Drucksache 17/10120

Mietrechtsnovelle nutzen - klimafreundlich und bezahlbar wohnen

Vom 27. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10120
17. Wahlperiode 27. 06. 2012

Antrag
der Abgeordneten Daniela Wagner, Ingrid Hönlinger, Bettina Herlitzius, Markus
Kurth, Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm, Harald
Ebner, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine
Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann E. Ott,
Dorothea Steiner, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mietrechtsnovelle nutzen – Klimafreundlich und bezahlbar wohnen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung verpasst mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Miet-
rechts die Chance, die Energiewende im Wohngebäudebereich klimafreundlich
und bezahlbar zu gestalten. Außerdem schießt sie bei den Regelungen zu den so-
genannten Mietnomaden über das Ziel hinaus.

Der Wohngebäudebestand ist ein zentraler Bereich für das Gelingen der Ener-
giewende in Deutschland. Nur mit einem energieeffizienten Gebäudebestand
kann die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien gelingen.
Die wertvolle erneuerbare Energie muss auch im Wärmebereich so sparsam wie
möglich eingesetzt werden, damit sie in ausreichender Weise der Stromversor-
gung zur Verfügung stehen kann.

Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei ist das Miet-
recht nicht das originäre Instrument, um die energetische Modernisierung vor-
anzutreiben. Entsprechend dem Antrag „Wohnraum in Deutschland zukunfts-
fähig machen – Für ein sozial gerechtes und klimafreundliches Mietrecht“
(Bundestagsdrucksache 17/7983) muss die Energiewende im Gebäudebereich
über verlässliche Finanzierungsrahmen und eine bessere Planungssicherheit für
die Eigentümerinnen und Eigentümer gewährleistet werden. Das Mietrecht aber
hat eine Ausgleichsfunktion zwischen den berechtigen Interessen der Mieterin-
nen und Mieter sowie der Vermieterinnen und Vermieter. Da die Energiewende
auch auf den Wohngebäudebereich prägende Auswirkungen zur Folge hat, müs-
sen die mietrechtlichen Stellschrauben entsprechend zukunftsfähig gemacht
werden.

Die hohen Kosten für die energetische Modernisierung müssen gerecht zwi-
schen der Allgemeinheit, den Eigentümerinnen und Eigentümern sowie den

Mieterinnen und Mietern verteilt werden. Vor allem in wachsenden Regionen
können hierdurch veranlasste Mieterhöhungen Verdrängungsprozesse gegen-
über einkommensschwachen Haushalten verstärken. Die energetische Sanie-
rung hingegen nicht durchzuführen, würde das Problem der stetig steigenden
Wohnkosten nicht lösen, denn die Heizkosten entwickeln sich zu einem rasant
steigenden Kostenfaktor, der sogenannten zweiten Miete. Der bundesweite
Heizspiegel 2012, gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz

Drucksache 17/10120 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

und Reaktorsicherheit, zeigt: Obwohl der Heizenergieverbrauch um 18 Prozent
(gegenüber 2010) sank, stiegen die Heizkosten für Häuser mit Ölheizung um
5 Prozent. Die Öl-Heizkosten für eine 70 Quadratmeter Wohnung betrugen
demnach im vergangenen Jahr durchschnittlich 890 Euro, für Erdgasheizungen
715 Euro und für Fernwärme 785 Euro. Zwar sanken die Kosten für die letzten
beiden Energieträger, dies war aber nur mit dem milderen Winter und nicht mit
einer grundsätzlichen Senkungstendenz der Energieträgerkosten zu erklären.

Der Wohngeld- und Mietenbericht 2010 zeigt deutlich, dass seit 2009 eine neue
Dynamik auf den Wohnungsmärkten feststellbar ist: Die Wohnungsnachfrage
wächst und auch die Zahl der Landkreise mit hohen Mietpreissteigerungen
nimmt zu. Das Angebot an Wohnraum verknappt sich in wachsenden Woh-
nungsmärkten und insbesondere einkommensschwache Haushalte haben Ver-
sorgungsschwierigkeiten. Erfreulich ist, dass die Bundesregierung in ihrem
Gesetzentwurf mehrere Vorschläge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(vgl. Bundestagsdrucksache 17/7983) aufgenommen hat. Sie verpasst es aber,
im Rahmen der Mietrechtsnovelle auf die dargestellten Verdrängungstendenzen
und Gentrifizierungsprozesse zu reagieren. Sie verschärft sogar die Problematik,
da die bestehenden Mieterhöhungsmöglichkeiten nicht entsprechend reduziert
werden.

Der Gesetzentwurf trifft auch Regelungen für Fälle des sogenannten Mietnoma-
dentums. Die Durchsetzung von Räumungen soll vereinfacht werden und die
fristlose Kündigung ohne Abmahnung bei Nichtzahlung der Mietkaution er-
möglicht werden. In der öffentlichen Diskussion werden unter dem Begriff der
„Mietnomaden“ verschiedene Fälle verstanden („Mieterschutz und Investitions-
bereitschaft im Wohnungsbau Mietausfälle durch sog. Mietnomaden“, Prof.
Dr. Artz/Prof. Dr. Jacoby, Sondergutachten im Auftrag des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Januar 2011, S. 11 bis 14). Der Begriff
wird teilweise auf Mieterinnen und Mieter ausgedehnt, die im Laufe des Miet-
verhältnisses zahlungsunfähig werden, aber bei Begründung des Mietverhältnis-
ses nicht in betrügerischer Absicht gehandelt hatten. Bei diesen Personen han-
delt es sich aber nicht um „Mietnomaden“ im eigentlichen Sinne. Unter dem
Begriff „Mietnomaden“ sind nur die Personen zu verstehen, die mit dem Vor-
satz, die jeweilige Miete nicht zu entrichten, von Wohnung zu Wohnung ziehen.
Das sind Personen, die ein Mietverhältnis eingehen, dann aber von vorneherein
keine Miete zahlen oder die innerhalb der ersten drei Monate die Mietzahlungen
einstellen. Dieses „Phänomen“ ist auf Einzelfälle beschränkt. Dass in der öffent-
lichen Diskussion demgegenüber von einer Vielzahl von Fällen ausgegangen
wird, ist auf das unterschiedliche Begriffsverständnis, das weit über den eigent-
lichen Begriff des „Mietnomaden“ hinausgeht, zurückzuführen. Angesichts der
tatsächlichen Anzahl von Mietnomaden gerät der Bundesregierung bei den Re-
gelungen der angemessene Rechtsschutz für die Betroffenen aus den Augen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die mietrechtlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch auf die zentra-
len Herausforderungen der Wohnungsmärkte auszurichten ohne dabei beste-
hende Verdrängungsprozesse in wachsenden Wohnungsmärkten zu verstär-
ken, durch:

a) die Beibehaltung des Mietminderungsrechts auch bei energetischen Mo-
dernisierungen;

b) die Ausweitung des Mietminderungsrechts auf nicht umgesetzte, jedoch
gesetzlich vorgeschriebene Energieeffizienzstandards im Gebäude-
bereich;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10120

c) die Beibehaltung der bisherigen Abgrenzungserfordernisse von Erhal-
tungs- und Modernisierungsmaßnahmen beim Mieterhöhungsverfahren
nach § 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB);

d) die Festlegung der Bedingung in § 554 Absatz 2 und § 559 BGB, dass
durch energetische Modernisierungen Primär- und Endenergie eingespart
wird, damit Mieterhöhungen durch Heizkostenersparnisse refinanziert
werden können;

e) die Aufnahme des Klimaschutzes in die Interessenabwägung im Rahmen
der Duldungspflicht von Modernisierungsmaßnahmen nach § 554 Ab-
satz 2 BGB;

f) die Privilegierung von energetischen Modernisierungen gegenüber ande-
ren Modernisierungsmaßnahmen bei den Duldungsbestimmungen nach
§ 554 Absatz 2 BGB. Die Geltendmachung von Härtefällen soll grund-
sätzlich beibehalten werden. Der Einwand der finanziellen Härte soll aber
nicht mehr dazu führen, dass die Maßnahmen verhindert werden, sie
wirkt sich nur noch auf die Umlagefähigkeit der Kosten nach § 559 BGB
aus;

g) die Begrenzung der finanziellen Belastung der Mieterinnen und Mieter,
in dem die Modernisierungsumlage nach § 559 BGB auf 9 Prozent abge-
senkt und auf die energetische Modernisierung sowie den altersgerechten
bzw. barrierefreien Umbau konzentriert wird;

h) die Aufnahme der energetischen Gebäudebeschaffenheit in die ortsübli-
che Vergleichsmiete nach § 558 Absatz 2 BGB;

i) die Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen in § 558 Ab-
satz 3 BGB von 20 auf 15 Prozent, um die daraus entstehenden Preisstei-
gerungen abzufedern;

j) die Aufnahme der Entgelte der letzten sechs anstatt der letzten vier Jahre
in die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2 BGB);

k) die Ermächtigung der Landesregierungen, in Kommunen oder deren Teil-
gebieten Mietobergrenzen bei der Wiedervermietung einzuführen, wenn
in den betroffenen Kommunen die ausreichende Versorgung der Bevöl-
kerung mit Wohnraum nicht mehr gewährleistet ist. Dabei sollen die
Mieten nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete
liegen. Die Ermächtigung ist auf 10 Jahre zu begrenzen sowie im Bürger-
lichen Gesetzbuch zu verankern;

l) die Weiterentwicklung des Contractingmarkts, in dem sowohl im Miet-
recht als auch im Wohnungseigentumsrecht geprüft wird, wie die Umlage
und die Abrechnung von Contractingvorhaben vereinfacht werden kann;

m) die faire Verteilung der Kosten des Wärmeliefercontractings, die Investi-
tionen des Contractors nicht behindert und gleichzeitig unsoziale Kosten-
steigerungen für Mieterinnen und Mieter verhindert;

2. bei den Regelungen zum Schutz vor Mietnomaden:

a) den ausgewogenen Kündigungsschutz von Mieterinnen und Mietern im
Fall der Nichtzahlung der Kaution durch die grundsätzliche Beibehaltung
des Erfordernisses der Abmahnung bzw. einer, wenn auch kurz zu bemes-
senden, Abhilfefrist zu erhalten;

b) den Rechtsschutz für Mieterinnen und Mieter sowie dritten Personen zu
erhalten und deshalb auf die Beschränkung auf bloße hohe Erfolgsaus-
sichten einer Räumungsklage im Gesetzentwurf zu verzichten; eine Räu-

mung sollte weiterhin nur nach umfassender gerichtlicher Entscheidung
über die Rechtslage zugelassen werden;

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c) keine Verpflichtungen zur Zahlung von Sicherheiten zuzulassen, wenn
zuvor keine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache getroffen wurde;

d) ein Beschleunigungsgebot für Räumungsverfahren in die Zivilprozess-
ordnung aufzunehmen.

Berlin, den 26. Juni 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe b

Trotz umfangreicher Fördermöglichkeiten sind viele Gebäude unsaniert, nicht
immer werden die vorgeschriebenen Standards der Energieeinsparverordnung
eingehalten. Diese Inaktivität hat teilweise weitreichende Folgen für die Mieter-
schaft durch steigende Energiekosten. Die Mieter sollten ein Durchsetzungsmit-
tel erhalten, wenn ihre Wohnungen nicht den vorgeschriebenen energetischen
Mindeststandards entsprechen und dadurch hohe Energiekosten verursachen.

Zu Buchstabe d

Bei Energieträgerumstellungen (z. B. von Ölheizung auf Solaranlagen) besteht
eine Rechtsunsicherheit, ob diese durch die Mieterinnen und Mieter geduldet
werden müssen. Nach der einschlägigen Bestimmung von § 554 Absatz 2 BGB
muss die Mieterschaft Maßnahmen dulden, die zu einer Einsparung von Energie
führen. Gerade bei Energieträgerumstellungen kann aber der Fall eintreten, dass
der Mieter durch die Maßnahme nicht von einer Endenergieeinsparung und
Heizkostenersparnis profitiert. Die Rechtsprechung nimmt für die konkreten
Energieträgerwechsel unterschiedliche Rechtsauslegungen vor. Mieter und Mie-
terinnen, die an den Kosten beteiligt werden, müssen diese auch mittelfristig
durch Heizkosteneinsparungen refinanzieren können.

Bei der Modernisierungsumlage nach § 559 BGB (Mieterhöhung bei Moderni-
sierung) sollen die Maßnahmen, die auf die Miete umgelegt werden können,
mittelfristig auch zu einer finanziellen Entlastung der Mieter durch eine Heiz-
kostenersparnis führen. Das soll auch durch die Umstellung auf erneuerbare
Energien, ergänzt durch eine erhöhte Energieeffizienz, möglich sein.

Zu Buchstabe e

Wenn Hauseigentümer und Vermieter eine Bestandsmodernisierung vorneh-
men, gelten derzeit weitreichende Duldungsbestimmungen für die Mieterschaft.
Um energetische Sanierungen zu erleichtern, soll das gesellschaftliche Interesse
am Klimaschutz in die Interessenabwägung aufgenommen werden.

Zu Buchstabe f

Energetische Sanierungen sollen auch bei den Duldungsbestimmungen erleich-
tert werden, ohne dabei einkommensschwache Haushalte finanziell zu über-
fordern. Mit der Geltendmachung einer finanziellen Härte sollen energetische
Sanierungen nicht mehr verhindert werden können. Derzeit orientiert sich die

Rechtsprechung an einer Grenze von 25 bis 30 Prozent des verfügbaren Haus-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10120

haltseinkommens bei der Bestimmung einer finanziellen Härte. Die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will, dass der Eigentümer oder die Eigentümerin
nach dem Überschreiten dieser Schwelle die energetischen Sanierungsmaßnah-
men dennoch durchführen kann. Entscheidend soll sein, dass die Umlagehöhe
der Modernisierungskosten beim Überschreiten nicht geduldet werden muss.

Zu Buchstabe g

Die Modernisierungsumlage nach § 559 BGB soll auf die zentralen Herausfor-
derungen des Wohnungsmarktes ausgerichtet werden. Gerade in beliebten
Regionen besteht die Gefahr, dass die Anpassungen des Gebäudebestandes die
Verdrängung der bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner zur Folge hat. In
schrumpfenden Wohnungsmärkten hingegen können die heute möglichen
11 Prozent der Modernisierungskosten wegen des Überangebots an Wohnraum
kaum auf die Mieten umgelegt werden. Deswegen sollten die Mieterhöhungs-
möglichkeiten infolge von Modernisierungen zielgerichteter ausgestaltet wer-
den. Umlagefähig mit künftig maximal 9 Prozent sollen ausschließlich Investi-
tionen in die energetische Gebäudesanierung und in die Herstellung von alters-
gerechtem bzw. barrierefreiem Wohnraum sein. Allgemeine Modernisierungen
können weiterhin über die ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 BGB) refinan-
ziert werden.

Zu Buchstabe h

Die zweite Möglichkeit für Mieterhöhungen und Refinanzierungen bildet die
Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese wird derzeit bei einer
maximalen Mieterhöhung von 20 Prozent (Kappungsgrenze) innerhalb von drei
Jahren gekappt. Sie wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Ge-
meinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art,
Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren gezahlt
wurden. Ermittelt werden kann sie durch einen einfachen oder qualifizierten
Mietspiegel, ein Gutachten, eine Mietdatenbank oder durch mindestens drei ver-
gleichbare Wohnungen.

Um energetische Sanierungen zu befördern soll die Komponente „energetische
Gebäudebeschaffenheit“ in die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein-
gehen. Diese kann zum Beispiel durch den so genannten ökologischen Mietspie-
gel abgebildet werden. Dort, wo dieser nicht zur Verfügung steht, soll die „ener-
getische Gebäudebeschaffenheit“ als grundsätzliche Vergleichsvariable eingeführt
werden. Um die zusätzlichen Kosten zur Erstellung der ökologischen Miet-
spiegel für die Kommunen abzufedern, soll die Einführung eines vom Bund
finanzierten Förderprogramms geprüft werden.

Zu Buchstabe i

In wachsenden Städten und Gemeinden sind Wohnungsmärkte von einer hohen
Nachfrage und Wohnungsmangel gekennzeichnet. Hier können höhere Mieten
als in strukturschwachen Regionen durchgesetzt werden, hohe Neuvertragsmie-
ten sind die Folge. Da die Mieten der letzten vier Jahre in die Bildung der orts-
üblichen Vergleichsmiete einbezogen werden, kann dies stetige Mieterhöhungen
auch für Bestandsmietverträge zur Folge haben. Um die daraus entstehende
Mietpreisspirale zu dämpfen, sollen die Kappungsgrenze auf 15 Prozent redu-
ziert werden und die Entgelte der letzten sechs Jahre in die Bildung der Ver-
gleichsmiete einbezogen werden.

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Zu Buchstabe j

Altvertragsmieten sind tendenziell niedriger als Neuvertragsmieten und haben
somit einen dämpfenden Effekt auf die ortsübliche Vergleichsmiete.

Zu Buchstabe k

Derzeit enthält unser Mietrecht keine Regelungen für die Begrenzung von Wie-
dervermietungsmieten. Demnach können Vermieterinnen und Vermieter jede
Miete verlangen, die sie auf dem jeweiligen Markt erzielen können. Gerade in
wachsenden Kommunen können bei Neuverträgen hohe Mieten verlangt wer-
den. Unsere Arbeitswelt erfordert von den Menschen eine hohe Flexibilität, ins-
besondere durch Wohnortwechsel. Neuvertrags- und Wiedervermietungsmieten
fließen in die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein und haben Auswir-
kungen auf die Bestandsmieten der ortsansässigen Bevölkerung. Wenn dadurch
in den betroffenen Kommunen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung
mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gefährdet ist, will die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Landesregierungen ermächtigen, in den
Kommunen oder auch deren Teilgebieten Mietobergrenzen bei der Wiederver-
mietung einzuführen.

Zu den Buchstaben l und m

Energieeinsparung in Gebäuden erfordert in der Regel größere Investitionen.
Mangelndes technisches Wissen und Kapital sowie fehlende finanzielle Anreize
führen dazu, dass große Einsparpotenziale nicht erschlossen werden. Inzwi-
schen bieten verschiedene Energiedienstleister an, die Energielieferung, Anla-
genbau und Betrieb sowie Einsparmaßnahmen vorzufinanzieren („Contrac-
ting“). Dabei refinanzieren sie ihre Leistungen entweder über den Verkauf der
Nutzenergie und durch ein Entgelt für Anlagenbereitstellung und Betriebsfüh-
rung (Wärmelieferung) oder ihre Leistungen über die eingesparten Energie-
kosten zu refinanzieren („Einsparcontracting“). Es soll geprüft werden, wie
Contracting-Vorhaben rechtlich erleichtert werden können. Sowohl im Miet-
recht als auch im Wohneigentumsrecht können die Umlage und die Abrechnung
von Contracting-Vorhaben vereinfacht werden. Die Senkung der Energiekosten
kommt dabei Mietern durch sinkende Nebenkosten („zweite Miete“) und
Vermietern durch eine höhere Kaltmiete sowie langfristig eine Steigerung des
Gebäudewerts zugute. Die infolge von Contracting anfallenden Investitionen in
Mietwohnungen müssen fair umgelegt werden und für beide Seiten einen
Gewinn bringen.

Zu Nummer 2

Fälle von Mietnomadentum wurden bisher mit bestehenden rechtlichen Instru-
menten gelöst. Zahlt die Mieterin oder der Mieter die Miete für zwei Monate
nicht, so kann die Vermieterin oder der Vermieter ihr oder ihm fristlos kündigen.
Der Gesetzentwurf zum Mietrechtsänderungsgesetz sieht einen neuen Kündi-
gungstatbestand für den Fall vor, dass die Mieterin oder der Mieter mit der Zah-
lung der Mietkaution in der Höhe des Betrages von zwei Monatsmieten im
Rückstand ist. Der Bundesgerichtshof hat für Fälle der Geschäftsraummiete be-
reits entschieden, dass die Vermieterin oder der Vermieter bei Nichtzahlung der
Kaution berechtigt ist, der Mieterin oder dem Mieter fristlos zu kündigen (BGH,
Urteil vom 12. März 2007, XII ZR 36/05, NZM 2007, S. 400). Im Gesetzentwurf
und in der Literatur wird davon ausgegangen, dass diese Rechtsprechung auch
auf Wohnraummietverhältnisse übertragbar ist (Begründung des Gesetzent-
wurfs, S. 39). Dabei ist aber bisher, wie auch bei fristloser Kündigung wegen

Nichtzahlung der Miete, in jedem Fall eine Abmahnung erforderlich. Die Zah-
lung der Kaution ist für die Vermieterin oder den Vermieter nicht von größerer

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10120

Bedeutung als die Zahlung der Miete, da die Kaution der Vermieterin oder dem
Vermieter nicht als Einnahmequelle dient, sondern zum Ausgleich der Reparatur
von Schäden in der Wohnung eingesetzt werden soll. Es ist anzuerkennen, dass
Vermieterinnen und Vermieter auch im Falle der Nichtzahlung der Kaution ein
Kündigungsrecht haben müssen. Dieses Kündigungsrecht darf jedoch nicht wei-
ter gehen als das Recht zur Kündigung im Falle der Nichtzahlung der Miete. Ge-
rade bei einer Einmalleistung, wie der Kaution, muss der Mieterin bzw. dem
Mieter die Möglichkeit zur Abhilfe gegeben werden. Mit § 543 Absatz 2 Satz 2
BGB bestehen bereits ausreichende Ausnahmetatbestände, in welchen Fällen
eine Frist oder Abmahnung nicht erforderlich ist, so zum Beispiel wenn diese
nicht Erfolg versprechend wäre. Daher muss das Erfordernis der Abmahnung
bzw. einer Abhilfefrist grundsätzlich beibehalten werden. Sonst wäre eine Auf-
weichung des mietrechtlichen Kündigungsschutzes zu Lasten aller Mieterinnen
und Mieter wegen Einzelfällen von Mietnomaden die Folge.

Mit dem Gesetzentwurf zum Mietrechtsänderungsgesetz wird außerdem eine Si-
cherungsanordnung eingeführt, welche zur vereinfachten Durchsetzung von
Räumungstiteln führen soll. Das Gericht kann danach die Leistung einer Sicher-
heit durch zum Beispiel die Hinterlegung eines Geldbetrages anordnen. Die Be-
weiserhebung in der Hauptsache muss dabei noch nicht erfolgt sein, da das Si-
cherungsverfahren unabhängig von der Hauptsache auf Grund einer bloßen
hohen Aussicht auf Erfolg der Klage entschieden wird. Die Folge der Siche-
rungsanordnung kann jedoch gravierend für die Mieterin und den Mieter sein:
Zahlt die Mieterin oder der Mieter auf die Sicherungsanordnung hin nicht, kann
die Vermieterin oder der Vermieter ihren bzw. seinen behaupteten Räumungsan-
spruch unabhängig von anderen Ordnungsmitteln durch einstweilige Verfügung
durchsetzen. Damit ist die Möglichkeit der Schaffung eines vollstreckbaren
Räumungstitels in einem Verfahren eröffnet, in dem das Gericht noch keine ab-
schließende Entscheidung über das tatsächliche Bestehen der Ansprüche der
Vermieterin oder des Vermieters getroffen hat. Mit der Räumung werden dann
irreversible Tatsachen geschaffen, ohne dass zuvor die Beweiserhebung über die
Ansprüche abgeschlossen wurde. Ein konkreter Ausschluss der Räumung durch
einstweilige Verfügung ist auch nicht für die Fälle vorgesehen, in denen die Mie-
terin oder der Mieter die Sicherungsanordnung ohne Verschulden nicht befolgt.
Bisher darf die Räumung von Wohnraum durch einstweilige Verfügung nur
wegen verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder
Leben angeordnet werden. Die Beantragung einer Sicherungsanordnung bedeu-
tet eine Abkürzung des Verfahrens für Vermieterinnen und Vermieter, da so die
Wohnung noch vor einer vollstreckbaren Endentscheidung über die Kün-
digungsgründe geräumt werden kann. Ein Schadensersatzanspruch für die
Mieterinnen und Mieter ist nur ein unvollkommener Ausgleich. Der effektive
Primärrechtsschutz ist entscheidend.

Ziel der Vorschriften zur Sicherungsanordnung ist, dass die Gläubigerin oder der
Gläubiger nicht durch die Dauer des Hauptsacheverfahrens wirtschaftlichen
Schaden erleidet, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner am Ende des Prozes-
ses nicht mehr zahlungsfähig ist (Begründung des Gesetzentwurfs, S. 41). Dem
steht jedoch eine erhebliche Belastung der Gerichte gegenüber. Auf Seite der
Richterinnen und Richter wird befürchtet, dass allein schon aus anwaltlicher
Sorgfaltspflicht der Antrag auf Sicherungsanordnung in nahezu jeder Räu-
mungsklage aufgenommen würde. Da Räumungsprozesse am Amtsgericht sehr
häufig sind, rechnen die Richterinnen und Richter mit einer Vielzahl zusätzlich
erforderlich werdender Entscheidungen. Infolge würden andere Prozesse weiter
verzögert. Statt dessen sollte eine Regelung eingefügt werden, nach der Räu-
mungsverfahren vorrangig zu bearbeiten sind.

Zusätzlich kann die Sicherungsanordnung nach dem Gesetzentwurf Auswirkun-

gen auf ein Verfahren gegen Dritte haben. Denn im Gesetzentwurf wird noch
eine weitere Regelung getroffen. Diese betrifft die Situation, in der weitere Per-

Drucksache 17/10120 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sonen außer der Mieterin und dem Mieter ohne Wissen der Vermieterin oder des
Vermieters in der Wohnung leben. Eine Wohnung kann bisher nur geräumt wer-
den, wenn der Räumungstitel sich gegen die in den Räumen wohnenden Perso-
nen richtet. Wenn die Vermieterin oder der Vermieter die Klage nur gegen seinen
Mietvertragspartner gerichtet hat, kann die Räumung gegen diese Dritten (z. B.
Lebenspartner und Lebenspartnerinnen) nicht auf Grundlage des Urteils statt-
finden. Der Gesetzentwurf sieht nun eine Regelung vor, die die Anordnung der
Räumung gegen andere Personen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschut-
zes zulässt, wenn ein vollstreckbarer Räumungstitel gegen die Mieterin oder den
Mieter vorliegt. Grundsätzlich ist das Interesse der Vermieters, nicht erneut ein
langes Gerichtsverfahren gegen die dritte Person anstreben zu müssen, anzu-
erkennen. Als problematisch erweist es sich jedoch, wenn der vollstreckbare
Räumungstitel ein im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Mie-
terin oder den Mieter ergangener Räumungstitel ist, der wegen Nichtzahlung der
Sicherungsanordnung ergangen ist. Der behauptete Anspruch der Vermieterin
oder des Vermieters wird dann weder im Verfahren gegen die Mieterin oder den
Mieter noch im Verfahren gegen die oder den Dritten abschließend, sondern nur
vorläufig festgestellt. Damit hat die Sicherungsanordnung nicht nur weitrei-
chende Folgen für die Mieterin und den Mieter selbst, sondern gegebenenfalls
auch für Dritte, denen weder der Rechtsstreit noch die Sicherungsanordnung be-
kannt gewesen sein müssen.

Außerdem geht der Gesetzentwurf über das eigentliche Thema der „Mietnoma-
den“ hinaus, indem die Sicherungsanordnung auch bei anderen, nach Rechts-
hängigkeit der Klage fällig werdenden, Geldforderungen, getroffen werden
kann, insbesondere bei anderen Dauerschuldverhältnissen. Mit dem Gesetzent-
wurf wird also generell die mit eigenständigen Ordnungsmitteln (Ordnungsgeld
bzw. Ordnungshaft) durchsetzbare Pflicht zur Sicherheitsleistung eingeführt, die
auf einer nur kursorischen Prüfung anhand von zu prognostizierenden Erfolgs-
aussichten der Klage in der Hauptsache basiert. Das Instrument der Sicherheit
ist bisher nur bei der Vollstreckung von Urteilen oder im Rahmen der Vollzie-
hung von Arresten bzw. einstweiligen Verfügungen vorgesehen. In diesen Fällen
ist eine Entscheidung in der Hauptsache und damit eine umfassende Prüfung der
Beweise bereits erfolgt. Werden nun spezielle Regelungen getroffen, die die Si-
cherheitsleistung vor einer vollstreckbaren Endentscheidung vorsehen, bedeutet
dies eine Durchbrechung bisheriger Prinzipien des Zivilprozessrechts zu Lasten
der Schuldner.

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