BT-Drucksache 16/9935

Volkswirtschaftliche Kosten der Atomenergie

Vom 7. Juli 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9935
16. Wahlperiode 07. 07. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Volkswirtschaftliche Kosten der Atomenergie

Im Moment wird eine Diskussion geführt, Atomkraftwerke wieder stärker zu
nutzen, da sie preiswerte Energie liefern würden. In einer im Jahr 2007 im Auf-
trag der Bundesregierung erstellten Studie des Prognos-Instituts und des Ener-
giewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln wurde errechnet, dass
die Nutzung der Atomenergie für die Verbraucherinnen und Verbraucher billi-
ger sei, als der Ausbau erneuerbarer Energien. Um die Wirtschaftlichkeit von
Energieträgern, Energietechnologien und Energiesystemen beurteilen zu kön-
nen, sind jedoch Daten über die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der Ener-
gieerzeugung erforderlich. Es sind also auch die direkten und indirekten Sub-
ventionen und die externalisierten Kosten zu berücksichtigen, die vom Staat
beziehungsweise von der Gesellschaft insgesamt zu tragen sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch sind die Mittel, die die öffentliche Hand seit Bestehen der Bundes-
republik Deutschland für die kerntechnische Forschung in den Forschungs-
zentren Jülich, Karlsruhe, bei der PTB Braunschweig, beim GKSS-For-
schungszentrum Geesthacht, beim Hahn-Meitner-Institut Berlin, bei der TU
München (Garching), beim Institut für Kernchemie (Mainz) und beim GSF-
Forschungszentrum (Neuherberg) und gegebenenfalls weitere bis zum
31. Dezember 2007 getragen hat?

2. Wie hoch sind die Mittel, die derzeit jährlich für kerntechnische Forschung
an o. g. Forschungseinrichtungen ausgegeben werden?

3. Welche Ministerien (ko-)finanzieren derzeit welche Forschungsprogramme
im kerntechnischen Bereich (Reaktortechnik, Endlagerung, etc.), und wie
sind diese ausgestattet?

4. Welche Kofinanzierungen in Forschung und Lehre gibt es zwischen öffentli-
cher Hand und Atomindustrie (Beispiel Professur in Clausthal-Zellerfeld),
und welches Finanzvolumen haben diese jährlich?

5. Welche kerntechnische Forschung findet über die in den Fragen 1 bis 4 auf-
geführten Einrichtungen noch statt, die von der öffentlichen Hand (mit-)fi-
nanziert wird, und wie hoch sind die Mittel, die die öffentliche Hand bis zum
31. Dezember 2007 dafür aufgewendet hat, wie hoch ist der Mittelansatz für

dieses Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche Hand rechnet die
Bundesregierung für die Zukunft?

6. Wie hoch sind die Rückbau- und Endlagerkosten für die Forschungsreakto-
ren BER II, FR 2, FRG-1, FRJ-1, FRJ-2, FRM, FRM-II, FMRB, FRMZ,
FRN und RFR, die die öffentliche Hand bis zum 31. Dezember 2007 getra-
gen hat, wie hoch ist der Mittelansatz für dieses Jahr, und mit welchen Kos-
ten für die öffentliche Hand rechnet die Bundesregierung für die Zukunft?

Drucksache 16/9935 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Wie hoch ist der Anteil in Euro an den Rückbau- und Endlagerkosten für
die Versuchswiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, für das Prozess- und
Lagergebäude sowie für die Verglasung der dort entstandenen hochradio-
aktiven Abfälle und deren Endlagerung, die die öffentliche Hand bis zum
31. Dezember 2007 getragen hat, wie hoch ist der Mittelansatz für dieses
Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche Hand rechnet die Bundes-
regierung für die Zukunft?

8. Wie hoch ist der Anteil in Euro an den Bau-, Rückbau- und Endlagerkosten
des Versuchsatomkraftwerks Kahl, die die öffentliche Hand bis zum
31. Dezember 2007 getragen hat, wie hoch ist der Mittelansatz für dieses
Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche Hand rechnet die Bundes-
regierung für die Zukunft?

9. Wie hoch sind die Kosten für das gescheiterte Projekt des Schnellen Brü-
ters in Kalkar, die die öffentliche Hand getragen hat?

10. Wie hoch ist der Anteil in Euro an den Kosten für das gescheiterte Projekt
der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, die die öffentliche Hand
getragen hat in Euro?

11. Wie hoch sind die Kosten, die im Zusammenhang mit den zahlreichen
Standortbenennungen vor Wackersdorf für eine deutsche Wiederaufarbei-
tungsanlage entstanden sind, die die öffentliche Hand getragen hat?

12. Wie hoch ist der Anteil an den Bau-, Betriebs-, Rückbau- und Endlagerkos-
ten des Atomkraftwerks Niederaichbach, den die öffentliche Hand bis zum
31. Dezember 2007 getragen hat, wie hoch ist der Mittelansatz für dieses
Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche Hand rechnet die Bundes-
regierung für die Zukunft?

13. Wie hoch ist der Anteil an den Bau-, Betriebs-, Rückbau- und Endlagerkos-
ten des Atomkraftwerks Hamm-Uentrop, den die öffentliche Hand bis zum
31. Dezember 2007 getragen hat, wie hoch ist der Mittelansatz für dieses
Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche Hand rechnet die Bundes-
regierung für die Zukunft?

14. Wie hoch sind die Rückbau- und Endlagerkosten der Anlagen in der ehe-
maligen DDR (Atomkraftwerk Greifswald, Forschungsreaktor Rheins-
berg), die die öffentliche Hand bis zum 31. Dezember 2007 getragen hat,
wie hoch ist der Mittelansatz für dieses Jahr, und mit welchen Kosten für
die öffentliche Hand rechnet die Bundesregierung für die Zukunft?

15. Wie hoch sind die Kosten, die die öffentliche Hand für das Atommülllager
Asse II bis zum 31. Dezember 2007 getragen hat, wie hoch ist der Mit-
telansatz für dieses Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche Hand
rechnet die Bundesregierung für die Zukunft?

16. Wie hoch ist der Anteil an den Kosten des Atommülllagers Morsleben, den
die öffentliche Hand seit der Übernahme infolge der deutsch-deutschen
Vereinigung getragen hat in Euro bis zum 31. Dezember 2007, wie hoch ist
der Mittelansatz für dieses Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche
Hand rechnet die Bundesregierung für die Zukunft?

17. Wie hoch sind die Kosten des Projektes Gorleben, die seit der Planung des
„Nuklearen Entsorgungszentrums“ entstanden sind, die die öffentliche
Hand bis zum 31. Dezember 2007 getragen hat, wie hoch ist der Mittel-
ansatz für dieses Jahr, und mit welchen Kosten für die öffentliche Hand
rechnet die Bundesregierung für die Zukunft?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9935

18. Wie hoch sind die „Ausgleichszahlungen“ durch die öffentliche Hand, die
der Landkreis Lüchow-Dannenberg, die Stadt Salzgitter und die Oberpfalz
bzw. der Freistaat Bayern bisher für die Belastung durch die Endlagerpro-
jekte Gorleben, Schacht KONRAD und die Aufgabe der WAA Wackersdorf
bisher erhalten haben?

19. Wie hoch sollen die Ausgleichszahlungen durch die öffentliche Hand an
die Stadt Salzgitter für die Belastung durch die Genehmigung und Inbe-
triebnahme des Endlagerprojekts Schacht KONRAD sein?

20. Wie hoch sind die Kosten der Landessammelstellen, die die öffentliche
Hand bis zum 31. Dezember 2007 getragen hat, die nicht von Dritten über-
nommen werden, wie hoch ist der Mittelansatz für dieses Jahr, und mit
welchen Kosten für die öffentliche Hand rechnet die Bundesregierung für
die Zukunft?

21. Wie hoch sind die Sanierungskosten der Altlasten durch den Uranbergbau
der Wismut, die die öffentliche Hand bis zum 31. Dezember 2007 getragen
hat, wie hoch ist der Mittelansatz für dieses Jahr, und mit welchen Kosten
für die öffentliche Hand rechnet die Bundesregierung für die Zukunft?

22. Wie hoch sind die Kosten für die Polizeieinsätze, die seit Beginn der Pro-
teste gegen die Atomenergienutzung von der öffentlichen Hand aufgewen-
det werden mussten?

23. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die gesamtgesellschaftlichen Kosten
einer Reaktorkatastrophe (Kernschmelze) in einem bundesdeutschen Atom-
kraftwerk ein?

24. Verfügt die Bundesregierung über Daten beziehungsweise Schätzungen
hinsichtlich der Versicherungskosten, die von den Betreibern deutscher
Atomkraftwerke zu tragen wären, wenn sie allein die aus dem Betrieb von
Atomkraftwerken resultierenden Schadens- und Unfallrisiken zu tragen
hätten?

Wenn ja, welche, und um wie viel würde sich dadurch der Preis von Strom
aus Kernenergie pro Kilowattstunde erhöhen?

25. Welche Einnahmen könnten für den Bundeshaushalt erzielt werden, wenn
die gesetzlichen Regelungen dahingehend geändert würden, dass die Rück-
stellungen der Energieversorger für die Stilllegung und Entsorgung radio-
aktiver Abfälle versteuert werden müssten?

26. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die finanzielle Belastung, die den
Atomkraftwerksbetreiber dadurch entstehen würden, wenn die Emissionen
von Treibhausgasen, die bei der ganzen Produktionskette zur Herstellung
des Brennstoffs entstehen, in das Emissionshandelssystem miteinbezogen
werden müssten?

27. Wie hoch ist der Beitrag, den die Bundesrepublik Deutschland an die Euro-
päische Atomgemeinschaft (EURATOM) seit ihrem Bestehen bis zum
31. Dezember 2007 gezahlt hat, und wie hoch ist der derzeitige jährliche
Beitrag?

28. Wie hoch ist der Beitrag, den die Bundesrepublik Deutschland bis zum
31. Dezember 2007 an die Internationale Atomenergie-Organisation
(IAEO) seit ihrem Bestehen bisher gezahlt hat, und wie hoch ist der derzei-
tige jährliche Beitrag?

29. Wie hoch sind die Bundesbürgschaften für Exportkredite für Atomanlagen,
die die Bundesregierung über die Hermes-Kreditversicherung bisher an die
Exporteure auszahlen musste?

Drucksache 16/9935 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
30. Welche kostengünstigen Kredite der Europäischen Atomenergie-Agentur
wurden für die Errichtung von Atomanlagen in Deutschland bezahlt (bitte
aufschlüsseln pro Anlage), und um welchen Betrag hätten sich die Projekte
verteuert, wenn das gleiche Kapital an den Finanzmärkten hätte aufgenom-
men werden müssen?

Berlin, den 1. Juli 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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