BT-Drucksache 16/986

Neuregelung der Kostenzuweisung für Polizeieinsätze bei Castortransporten

Vom 15. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/986
16. Wahlperiode 15. 03. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierhofer, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe
Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef
Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Neuregelung der Kostenzuweisung für Polizeieinsätze bei Castortransporten

Jedes Jahr werden in Deutschland mehrere hunderttausend Versandstücke mit
radioaktivem Inhalt transportiert. Die meisten davon sind medizinischen Ur-
sprungs, zur Entsorgung kerntechnischer Einrichtungen muss demgegenüber
nur eine kleine Anzahl Nukleartransporte durchgeführt werden. Deutschland
kommt hiermit u. a. seiner politischen und völkerrechtlichen Verpflichtung
nach, den bei der Wiederaufbereitung von Brennstäben entstehenden radio-
aktiven Abfall aus dem Ausland zurückzunehmen. Insgesamt müssen so 3 500
Glaskokillen zurückgenommen werden. So ist in den nächsten Jahren u. a. auch
mit weiteren Transporten von Castorbehältern aus der französischen Wieder-
aufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben ins dortige Zwischenlager zu
rechnen. Insbesondere bei der Durchführung dieser Transporte kommt es regel-
mäßig zu Protesten wie z. B. Ankettungen an die Bahngleise, Sitzblockaden
und Ähnlichem. Dadurch ist ebenso regelmäßig ein massiver Schutz des Trans-
portes durch Polizeikräfte erforderlich.

Der Ausgleich der nach diesen Vorschriften anfallenden Kosten für Polizei-
einsätze, Einsätze von Beamten der Bundespolizei sowie weiterer Hilfsorgani-
sationen ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Die deutsche Atomwirtschaft wird
bisher an diesen Kosten nicht beteiligt. Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 5 AtG hat der

Inhaber einer Genehmigung zur Beförderung von Kernbrennstoffen Maß-
nahmen zu ergreifen, die den erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen
oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleisten. Kosten, die aufgrund des
polizeilichen Einsatzes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit dem
Bund oder den Ländern entstanden sind, tragen diese – entsprechend ihren je-
weiligen Zuständigkeiten – selbst. Der Inhaber der Beförderungsgenehmigung
ist dabei nicht Verursacher von eventuellen Einsatzmaßnahmen der Polizeien

Drucksache 16/986 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

von Bund und Ländern. Insofern kann er auch nicht für die entstandenen Kos-
ten herangezogen werden.

Bund und Länder tragen daher bei Castortransporten Personal- und Sach-
aufwendungen nach ihren jeweiligen Zuständigkeiten. Der Bund trägt seine
Kosten selbst, Erstattungsregelungen kommen aber in Betracht, wenn die Bun-
despolizei oder die Bereitschaftspolizei der Länder zur Unterstützung eines
Landes verwendet werden (§ 11 Abs. 4 Satz 3 BPolG und entsprechende Lan-
desregelungen). Dies ist in der Praxis die Regel. Daher müssen diejenigen
Bundesländer die Kosten tragen, durch die der Castortransport geleitet wird.
Das Land Niedersachsen hat üblicher Weise den Hauptteil der Kosten zu tra-
gen. Bei dem Castortransport 2004 sind Kosten von ca. 21 Mio. Euro für das
Land Niedersachsen entstanden.

Der Innenminister Niedersachsens, Uwe Schünemann, hatte sich dafür aus-
gesprochen, im laufenden Jahr der Fußballweltmeisterschaft keinen Castor-
transport nach Niedersachsen durchzuführen. Diese Forderung wurde von der
früheren Bundesregierung abgelehnt. Gleichzeitig hatte Minister Uwe Schüne-
mann die Bundesregierung gebeten zu prüfen, ob man die Castortransporte
stärker bündeln könne, um die hohen Kosten für den Polizeischutz zu senken.
Letztlich forderte er eine bundeseinheitliche Regelung für die Kostenerstattung
(DER SPIEGEL, 22. November 2005).

Die Konferenz der Innenminister und -senatoren der Küstenländer (Küsten-
IMK) hat in einem Beschluss vom April 2001 betont, dass sie das Land Nie-
dersachsen in seinem Bestreben unterstützt, die Durchführung von Castortrans-
porten bei maximaler Bündelung von Transportbehältern auf das erforderliche
Minimum zu konzentrieren. Weiterhin unterstützen die Teilnehmer der Küsten-
IMK das Land Niedersachsen in seinen Bemühungen gegenüber dem Bund,
eine sachgerechtere Lastenteilung zu erreichen.

Der Staat bringt mit der Sicherung der Castortransporte eine Leistung, die nicht
nur im öffentlichen Interesse liegt, sondern auch im wirtschaftlichen, mithin
privaten Interesse der Atomwirtschaft. Der Bund hätte die Möglichkeit, im
Atomgesetz eine Regelung über eine angemessene Kostenerhebung bei den
Inhabern der Genehmigungen für den Transport von Kernbrennstoffen und eine
Kostenverteilung unter den Bundesländern zu treffen. Eventuell könnte er
durch eine Änderung des Atomgesetzes die Länder ermächtigen, für den
Castoreinsatz Gebühren zu erheben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Castortransporte gab es bisher zum Zwischenlager Gorleben mit
jeweils welcher Anzahl von Castorbehältern und welchem Inhalt (unterteilt
nach Art und Herkunft des Abfalls)?

2. Mit wie vielen Castortransporten im Rahmen der Erfüllung internationaler
Verpflichtungen durch Deutschland ist in Zukunft noch zu rechnen?

3. Sind bereits Castortransporte für das Jahr 2006 beantragt worden, und wenn
ja, hat die Bundesregierung bereits Genehmigungen ausgesprochen oder
sind die Genehmigungsverfahren im Gange?

4. Wird die Bundesregierung auch im Jahr der Fußballweltmeisterschaft 2006
einen Castortransport genehmigen?

5. Könnte sich die Bundesregierung vorstellen, Castortransporte zukünftig
stärker zu bündeln, und wenn ja, wie?

6. Würde dies in der Folge zu einer Kostenreduzierung führen, und wenn ja,

in welcher Höhe?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/986

7. Wenn nein, warum nicht?

8. Haben bisher Gespräche zwischen der Bundesregierung und dem Land
Niedersachsen oder der Küsten-IMK bzw. der Innenministerkonferenz der
Länder über eine Neuregelung des Kostenausgleichs stattgefunden, und
wenn ja, mit welchem Ergebnis?

9. Gab es bisher Gespräche zwischen der Bundesregierung und Energiever-
sorgungsunternehmen, die Inhaber von Genehmigungen zur Beförderung
von Kernbrennstoffen sind, zur Veränderung der bisherigen uneinheit-
lichen Kostentragungsregelungen für Polizeieinsätze, und wenn ja, mit
welchem Ergebnis?

10. Wenn die Fragen 8 und 9 mit nein beantwortet werden, warum nicht,
und gibt es Planungen für solche Gespräche?

11. Plant die Bundesregierung unabhängig von solchen Gesprächen eine
bundeseinheitliche Regelung für den Ausgleich der Kosten für Polizei-
einsätze bei Castortransporten?

12. Welche Kostentragungsregelungen für den Einsatz von Polizeikräften bei
Castortransporten gibt es in anderen EU-Staaten?

Berlin, den 14. März 2006

Angelika Brunkhorst
Michael Kauch
Horst Meierhofer
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr (Münster)
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp

Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Michael Link (Heilbronn)
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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