BT-Drucksache 16/9830

Reformationsjubiläum 2017 als welthistorisches Ereignis würdigen

Vom 26. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9830
16. Wahlperiode 26. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Klaus Brähmig, Uda Carmen Freia Heller, Dr. Hans-Peter
Friedrich (Hof), Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Peter Albach, Dorothee Bär, Renate
Blank, Helmut Brandt, Cajus Caesar, Gitta Connemann, Dr. Stephan Eisel, Dr. Hans
Georg Faust, Ingrid Fischbach, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Ute Granold,
Reinhard Grindel, Hermann Gröhe, Monika Grütters, Christian Hirte, Jürgen
Klimke, Manfred Kolbe, Hartmut Koschyk, Dr. Günter Krings, Katharina Landgraf,
Ingbert Liebing, Maria Michalk, Dr. h. c. Hans Michelbach, Philipp Mißfelder,
Marlene Mortler, Eduard Oswald, Rita Pawelski, Ulrich Petzold, Sibylle Pfeiffer,
Beatrix Philipp, Thomas Rachel, Dr. Norbert Röttgen, Anita Schäfer (Saalstadt),
Wilhelm Josef Sebastian, Kurt Segner, Antje Tillmann, Marco Wanderwitz,
Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße, Engelbert Wistuba, Dr. Carl-Christian
Dressel, Siegmund Ehrmann, Rainer Fornahl, Iris Gleicke, Günter Gloser, Renate
Gradistanac, Monika Griefahn, Kerstin Griese, Hans-Joachim Hacker, Bettina
Hagedorn, Klaus Hagemann, Dr. Reinhold Hemker, Dr. Barbara Hendricks,
Gabriele Hiller-Ohm, Brunhilde Irber, Dr. h. c. Susanne Kastner, Fritz Rudolf
Körper, Ernst Kranz, Volker Kröning, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Lothar
Mark, Hilde Mattheis, Markus Meckel, Petra Merkel (Berlin), Thomas Oppermann,
Heinz Paula, Christoph Pries, Steffen Reiche (Cottbus), Maik Reichel, Christel
Riemann-Hanewinckel, Michael Roth (Heringen), Silvia Schmidt (Eisleben), Renate
Schmidt (Nürnberg), Ludwig Stiegler, Jörg Tauss, Dr. h. c. Wolfgang Thierse,
Simone Violka, Gunter Weißgerber, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Reformationsjubiläum 2017 als welthistorisches Ereignis würdigen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers an der Schlosskirche zu
Wittenberg, der Ausgangspunkt für die Reformation war, ist für die Bundes-
republik Deutschland in religiöser, kulturgeschichtlicher und letztendlich auch
in touristischer Hinsicht von herausragender Bedeutung.
Die Reformation als ein zentrales Ereignis in der Geschichte des christlich ge-
prägten Europas hat die Entwicklung eines Menschenbildes gefördert, das von
einem neuen christlichen Freiheitsbegriff maßgeblich beeinflusst wurde. Sie war
wichtig für die Ausbildung von Eigenverantwortlichkeit und die Gewissens-
entscheidung des Einzelnen. Damit konnten sich die Aufklärung, die Heraus-
bildung der Menschenrechte und die Demokratie entwickeln. Durch die Refor-
mation wird bis heute das religiöse Leben und die kulturelle Entwicklung in

Drucksache 16/9830 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Musik, Kunst und Literatur entscheidend mitgeprägt. Die Übersetzung der Bibel
durch Martin Luther ins Deutsche war zum Beispiel für die Entwicklung und
Verbreitung der deutschen Sprache von wesentlicher Bedeutung.

Als besondere touristische Attraktionen sind zentrale Lutherstätten, wie z. B.
das Augustinerkloster in Erfurt, die Luthergedenkstätten in den Lutherstädten
Eisleben und Wittenberg sowie die Wartburg bei Eisenach weltweit bekannt.
Letztere wurden zum UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Die Lu-
thergedenkstätten sind von der UNESCO-Kommission unter Schutz gestellt
worden, da sie „einen bedeutsamen Abschnitt in der menschlichen Geschichte
repräsentieren und als authentische Schauplätze der Reformation von außerge-
wöhnlicher universeller Bedeutung sind“. Neben den Lutherstätten sind viele
weitere Orte aus dem Leben Luthers, wie unter anderem Augsburg, Coburg,
Eisenach, Erfurt, Leipzig, Mansfeld-Lutherstadt, Marburg, Möhra, Nürnberg,
Schmalkalden, Torgau, Worms, sowie Kirchenbauten, die kulturgeschichtlich
mit der Reformation in Verbindung stehen, starke Besuchermagnete.

Zum Reformationsjubiläum ist mit einem erhöhten nationalen und interna-
tionalen Besucheraufkommen zu rechnen. Nach Einschätzung der Deutschen
Zentrale für Tourismus (DZT) wird durch die Lutherdekade 2008 bis 2017 und
das Reformationsjubiläum das Kulturreiseland Deutschland im internationalen
Wettbewerb weiter gestärkt. Deutschland steht als Kulturreiseziel der Europäer
mittlerweile auf Rang zwei hinter Frankreich. Laut European Travel Monitor der
IPK International sind 2006 ca. 180 000 Reisen aus religiösen Motiven aus ande-
ren Ländern Europas nach Deutschland unternommen worden. Unter den welt-
weit ca. 400 Millionen Protestanten, darunter ca. 70,2 Millionen Lutheranern,
identifiziert die DZT ein hohes touristisches Potenzial. Martin Luther bietet mit
seiner Persönlichkeit und mit seinem Werk als Reformator und Wissenschaftler
vielfache Anknüpfungspunkte für Kulturinteressierte, religiöse Gruppen und
Vertreter von Kirchen und Universitäten. Für die Reisenden ist der Besuch der
authentischen Orte von besonderer Bedeutung.

Die DZT wird die Wort-/Bildmarke „Luther 2017 – 500 Jahre Reformation“ als
marktspezifisches Jahresthema in ihrer Vermarktung des Reiselandes Deutsch-
land verwenden. Seitens der DZT wurden zur Internationalen Tourismus-Börse
(ITB) 2008 die deutschen Städte mit Lutherbezug, die entsprechenden Landes-
marketingorganisationen, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sowie
Vertreter des Ausschusses für Tourismus des Deutschen Bundestages zu einer
ersten Sitzung des „Arbeitskreises Luther-Tourismus“ eingeladen, um sich über
die Inhalte und Vermarktungsstrategien der Lutherdekade und des Reformati-
onsjubiläums 2017 auszutauschen.

Im Vorfeld des Reformationsjubiläums steht die Lutherdekade. Sie beginnt im
September 2008 und soll die historische Entwicklung der Reformation und ihre
kulturhistorischen und religiösen Auswirkungen in Veranstaltungen und touris-
tischen Angeboten aufgreifen und darstellen. So ist z. B. der Dominikanermönch
Johann Tetzel aus Pirna direkt mit der Reformation verbunden. Er betrieb sehr
vehement und erfolgreich Ablasshandel und war als Gegenspieler von Martin
Luther mitverantwortlich für die Auslösung der Reformation. Philipp Melanchthon
aus Bretten und Johannes Bugenhagen aus Wollin (Pommern) waren die wichtigs-
ten Mitstreiter Martin Luthers und trugen wesentlich zur Verbreitung der Refor-
mation bei.

Zu jedem Jahr der Lutherdekade werden inhaltliche Schwerpunkte festgelegt.
Angedachte Formen sind Gottesdienste und Konzerte, Großveranstaltungen und
Ausstellungen, wissenschaftliche Kongresse und Tagungen, Kulturveranstaltun-
gen und Schulprojekte. Mit der Vermittlung von Wissen über die Reformation,
Diskussionen über die Aktualität von Themen und Botschaften der Reformation

sowie erlebnisbezogenen Angeboten soll den vielfältigen Interessen der unter-
schiedlichen Zielgruppen Rechnung getragen werden. Als touristisches Groß-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9830

ereignis kann sich Deutschland im Rahmen der Kampagnen zur Lutherdekade
und zum Reformationsjubiläum 2017 einmal mehr, wie etwa zur Fußballwelt-
meisterschaft 2006, als offenes und gastfreundliches Land präsentieren. Für die
Planung und Durchführung der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums
haben sich zwei zentrale Gremien gebildet, die eng zusammenarbeiten. Zu-
nächst konstituierte sich am 12. März 2006 unter der Leitung des sachsen-
anhaltischen Kultusministers der „Lenkungsausschuss für das Reformations-
jubiläum“. Mitglieder des Lenkungsausschusses sind unter anderem Vertreter
der mit dem Reformationsjubiläum befassten Ministerien und der Luther-
gedenkstätten Sachsen-Anhalts, der Bundesregierung, der Landesregierungen
von Sachsen und Thüringen, der Lutherstädte sowie Kirchenvertreter der EKD
und verschiedener Landeskirchen. Der Lenkungsausschuss koordiniert ins-
besondere die Vorbereitungen und Durchführungen der Lutherdekade und des
Reformationsjubiläums in den Ländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thürin-
gen. Auf Bundesebene hat sich am 21. März 2007 das „Kuratorium zur Vorbe-
reitung des Reformationsjubiläums 2017“ unter der Leitung des Vorsitzenden
des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Prof. Dr. Wolfgang
Huber, konstituiert. Diesem Gremium gehören unter anderem Vertreter der Bun-
desregierung, die Ministerpräsidenten der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen, Vertreter der EKD, der verschiedenen Landeskirchen und des Len-
kungsausschusses an. Das Kuratorium hat zum Ziel, „die Reformation und ihre
Wirkung in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit mit kirchlichen,
wissenschaftlichen und kulturellen Vorhaben zu präsentieren“. Dieses Kurato-
rium hat sich bereits auf die Wortmarke „Luther 2017 – 500 Jahre Reformation“
verständigt, die im April 2008 durch eine Wort-/Bildmarke ergänzt wurde.

Der Deutsche Bundestag hat die bisherigen Entwicklungen der Vorbereitungen
zum Reformationsjubiläum 2017 aufgegriffen und am 16. Januar 2008 im Aus-
schuss für Tourismus eine öffentliche Anhörung unter dem Titel „Luther 2017 –
500 Jahre Reformation“ durchgeführt. Die Anhörung fasste den Stand der
bisherigen Aktivitäten und Planungen der unterschiedlichen Institutionen zur
Lutherdekade und zum Reformationsjubiläum zusammen. Dabei wurde von
allen Sachverständigen unterstrichen, dass der bereits erfolgreich beschrittene
Weg eines bundesländer- und institutionsübergreifenden Austausches und einer
gemeinsamen Vermarktung der touristischen Angebote intensiv fortgeführt wer-
den möge. Das Reformationsjubiläum 2017 soll auch für die involvierten Kom-
munen und Institutionen nachhaltige Wirkungen erzielen. Die Entwicklung der
touristischen Produkte und die Infrastruktur sind darauf abzustimmen. Darunter
fällt unter anderem die Ausweitung und Profilierung der kulturtouristischen
Initiative „Wege zu Luther e. V.“ (Routes to Luther), die Martin Luther, seine
Lebensorte, seine Zeit und eine für die deutsche und europäische Geschichte
herausragende Kulturlandschaft touristisch vorstellt.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

die Unterstützung der „Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt“ und
der „Wartburg-Stiftung“ durch die Bundesregierung. Beide Stiftungen pflegen
die UNESCO-Weltkulturerbestätten, die einen Bezug zu Martin Luther und zur
Reformation haben.

Langjährige Maßnahmen im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Städtebau-
licher Denkmalschutz“ für die Städte Erfurt, Lutherstadt Eisleben, Lutherstadt
Wittenberg sowie Eisenach haben zu einer weitgehenden städtebaulichen Kon-
solidierung im Umfeld der Luthergedenkstätten sowie zu einer maßgeblichen
Steigerung der Anziehungskraft der jeweiligen Städte geführt.

Des Weiteren wurde im Rahmen des Programms „Investitionen für nationale

Kultureinrichtungen in Ostdeutschland“ das Geburtshaus Martin Luthers in der
Lutherstadt Eisleben durch die „Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-

Drucksache 16/9830 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anhalt“ umfassend restauriert und um ein Ausstellungsgebäude sowie ein Be-
sucherinformationszentrum ergänzt.

Begrüßenswert ist auch die Mitgliedschaft des Bundesministers des Innern und
des Staatsministers und Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Me-
dien im „Kuratorium zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums“.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im Rahmen bestehender Programme die involvierten Bundesländer und
Kommunen sowohl bei Investitionen in die Infrastrukturverbesserung, wie
beispielsweise eine bessere Vernetzung der Verkehrsträger und eine effiziente
Lenkung der Verkehrsströme, als auch im Rahmen der Kultur- und Denkmal-
förderung sowie der Städtebauförderung zu unterstützen;

2. nationale Tourismusverbände und die DZT bei der nationalen und interna-
tionalen Vermarktung der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums zu
unterstützen. Entscheidend für einen guten nationalen und internationalen
Auftakt zur Reformationsdekade ist eine öffentlichkeitswirksame Eröffnung
der Reformationsdekade in Wittenberg im Zeitraum vom 19. September bis
31. Oktober 2008;

3. dass das Auswärtige Amt über die Kulturabteilungen der deutschen Aus-
landsvertretungen die Lutherdekade und das Reformationsjubiläum in seine
Arbeit einbezieht. Außerdem sollen die Goethe-Institute zum Beispiel in
Form von Wanderausstellungen, Veranstaltungsreihen und Werbung sowohl
auf die Lutherdekade als auch auf das Reformationsjubiläum aufmerksam
machen. Darüber hinaus sollte sich die Auseinandersetzung mit Martin
Luther und der Reformation in den von den Goethe-Instituten verwendeten
Medien und Unterrichtsmaterialien wiederfinden;

4. gegenüber der Deutschen Welle anzuregen, im Rahmen ihres gesetzlich ver-
ankerten Zwecks, „Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation“
bekannt zu machen sowie „das Verständnis und den Austausch der Kulturen
und Völker zu fördern“, in geeigneter Weise auf die Lutherdekade und das
Reformationsjubiläum aufmerksam zu machen;

5. auch bei anderen vom Bund finanzierten Institutionen wie z. B. der Kultur-
stiftung des Bundes, dem Deutschen Historischen Museum oder der Klassik
Stiftung Weimar dafür Sorge zu tragen, dass sie im Rahmen ihrer Budgets
und ihrer Programmplanungen das Reformationsjubiläum einbeziehen;

6. in Zusammenarbeit mit den Ländern zu prüfen, inwieweit die Förderung der
„Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt“ und der „Wartburg-
Stiftung“ fortzusetzen und auszubauen ist. Daneben gilt es, die Sanierung
anderer zentraler Stätten, Gedenkorte und Kirchen der Reformation in der
Lutherdekade besonders zu unterstützen;

7. neben Wittenberg, Eisleben und Eisenach weitere bedeutende historische
Orte der Reformation wie zum Beispiel Augsburg, Coburg, Erfurt, Leipzig,
Mansfeld-Lutherstadt, Marburg, Möhra, Nürnberg, Schmalkalden, Torgau
und Worms bei touristischen Infrastrukturmaßnahmen durch das Bund-Län-
der-Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ weiterhin zu fördern;

8. in der Umsetzung der Maßnahmen zur Lutherdekade und zum Reformations-
jubiläum 2017 besonders den barrierefreien Zugang für den Tourismus zu
beachten;

9. im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegenüber den Ländern anzuregen, die Ent-
wicklung von mehrsprachigen touristischen Angeboten zu fördern. Zudem
soll sie gegenüber den Ländern und dem Deutschen Seminar für Tourismus

anregen, im Servicebereich die Aus- und Weiterbildung des Personals vor Ort
im Hinblick auf Fremdsprachen- und Geschichtskenntnisse zu fördern;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9830

10. die Möglichkeiten für eine überregionale Ausschilderung der wichtigsten
Lutherstätten im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum im Rah-
men der gesetzlichen Möglichkeiten zu prüfen.

Berlin, den 26. Juni 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.