BT-Drucksache 16/9824

zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Frank Schäffler, Martin Zeil, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/8771- Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten - Voraussetzungen für eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors schaffen

Vom 26. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9824
16. Wahlperiode 26. 06. 2008
Bericht der Abgeordneten Leo Dautzenberg, Reinhard Schultz (Everswinkel) und
Frank Schäffler

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/8771 in seiner 158. Sitzung am 25. April 2008 dem
Finanzausschuss federführend sowie dem Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie zur Mitberatung überwiesen.
Die Ausschüsse haben die Vorlage in ihren Sitzungen am
25. Juni 2008 abschließend beraten.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Finanzmarkt-
krise auf die öffentlichen Haushalte fordert der Antrag

● bis auf Weiteres keine zusätzlichen Haushaltsmittel des

● sich für eine zeitnahe Privatisierung der Landesbanken
einzusetzen und eine privatisierungsfreundliche Rah-
mengesetzgebung zu schaffen;

● eine interventionistische Industriepolitik zur Konsolidie-
rung von Landesbanken durch eine staatlich gelenkte
Zusammenführung von privatwirtschaftlich organisier-
ten Unternehmen oder Unternehmensteilen zu unterlas-
sen und dies gegenüber den Ländern aktiv zu vertreten;

● eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die staatliche Ga-
rantien und Schuldenübernahmen für Landesbanken sei-
tens der Länder im Rahmen der Finanzausgleiche be-
straft (Bail-out-Klausel);

● eine gesetzliche Regelung zur Verschärfung der Anforde-
rungen an die Eigenmittelausstattung von Finanzinstitu-
tionen zu prüfen, bei denen eine staatliche Institution oder
grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors schaffen
Bericht*
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Frank Schäffler, Martin Zeil,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/8771 –

Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten – Voraussetzungen für eine
Bundes, kein Bundesvermögen, keine Bundesgarantien
und kein Vermögen der KfW Kreditanstalt für Wie-
deraufbau (KfW Bankengruppe) für die Sozialisierung
von Verlusten zur Rettung von Finanzinstitutionen ein-
zusetzen;

ein öffentlich-rechtlicher Träger zumindest 25 Prozent
der Stimmrechte und damit eine Sperrminorität besitzt.

Die vorgesehene Verschärfung der Eigenmittelunterle-
gung diene dem Schutz der Steuerzahler durch Stärkung

* Die Beschlussempfehlung ist auf Drucksache 16/9760 gesondert verteilt worden.

Drucksache 16/9824 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

des Haftungskapitals und letztlich dem wettbewerbsför-
derlichen Abbau einseitiger Begünstigungen der Landes-
banken. Dass dies notwendig ist, zeige sich eindrücklich
durch die staatlichen Garantien der Länder Sachsen,
Nordrhein-Westfalen und Bayern;

● sich auf europäischer Ebene für eine konsequente An-
wendung beihilferechtlicher Vorschriften und deren kon-
sequente Ahndungen bei wettbewerbsverzerrenden Ret-
tungsmaßnahmen für öffentlich-rechtliche Finanzinstitu-
tionen einzusetzen.

III. Stellungnahme des mitberatenden
Ausschusses

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag in seiner 68. Sitzung am 25. Juni 2008 beraten. Der
Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Antrags mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE.,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion der FDP.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Die Fraktion der FDP hat ihren Antrag in der Ausschuss-
beratung nochmals vorgestellt und betont, dass neben der
Deutsche Industriebank AG (IKB) vor allem die öffentlich-
rechtlich organisierten Landesbanken von der Finanzkrise
betroffen seien. Hieraus seien aus Bundessicht Konsequen-
zen zu ziehen. Die Bundesregierung, Bundesminister der
Finanzen Peer Steinbrück, habe sich zwar mehrfach
öffentlich in Richtung einer Neustrukturierung der Kredit-
wirtschaft ausgesprochen; es fehle aber an entsprechendem
Handeln. Die Landesbanken verfügten nach dem Wegfall
von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast über kein Ge-
schäftsmodell. Die gegenwärtig getätigten Geschäfte der
Landesbanken seien nicht zweckmäßig und nicht zu über-
wachen. Die Stützung der Landesbanken durch die Landes-
regierungen komme einer Einladung zur Misswirtschaft
gleich. Sie sehe die Bundesregierung in dem Verfahren
nicht nur in einer moderierenden Rolle. Es sei Aufgabe der
Bundesregierung, Änderungen herbeizuführen, etwa im
Wege ihrer Einwirkungsmöglichkeiten im Beihilfeverfahren
und über das Kreditwesengesetz (KWG), indem die Eigen-
kapitalanforderungen an die öffentlich-rechtlichen Banken
heraufgesetzt werden. Die Krise sei als Chance zu nutzen,
wie dies auch nach entsprechenden Krisen in Italien, Spa-
nien und Skandinavien der Fall gewesen sei, wo die Kredit-
wirtschaft aus der Krise gestärkt hervorgegangen sei.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD wiesen
die Forderung nach einer unterschiedlichen Behandlung der
öffentlich-rechtlichen Institute gegenüber den privaten Ban-
ken, was die Anforderungen an eine Eigenkapitalunterle-
gung angeht, zurück. Eine Sonderregelung würde nicht ge-
rechtfertigte Wettbewerbsverzerrungen nach sich ziehen,
was abzulehnen sei. Der Fraktion der FDP sei zudem ent-
gegenzuhalten, dass sie in den Bundesländern, in denen sie
politisch Mitverantwortung trage – namentlich in Nord-

Insgesamt wirke der Antrag unsortiert und vermische
Dinge, die nicht miteinander vergleichbar seien. So sei ein
direkter Vergleich der Gründe für die Verluste der IKB mit
denen einiger Landesbanken nicht statthaft. Die IKB sei als
Tochter der KfW Bankengruppe seinerzeit auf ausdrück-
lichen Wunsch der Wirtschaft zu Zwecken der Mittelstands-
finanzierung am Markt tätig geworden. Dies sei auch im
Nachhinein eine richtige Entscheidung gewesen, jedoch
müsse hier festgestellt werden, dass das Management der
IKB zur Erzielung von Erträgen mit risikoreichen Geschäf-
ten in großem Umfang am eigentlichen Geschäftszweck der
Bank vorbei gehandelt habe. Bei den Landesbanken seien
die Gründe für die eingetretenen Verluste differenziert zu
betrachten. Im Gegensatz zu den Verlusten der Sachsen-LB
– die offenbar über kein Geschäftsmodell verfügt habe –
seien die Verluste der West-LB in zeitlich weit zurücklie-
genden, fehlerhaften Investitionsentscheidungen begründet.
Insgesamt sei auch darauf hinzuweisen, dass die öffentlich-
rechtlichen Kredit–institute im Vergleich zu den Privatban-
ken keinen signifikant hohen Abschreibungsbedarf aus-
zuweisen hätten. Im Ergebnis sei festzuhalten, dass der
Bankenplatz Deutschland diese Krise im Sinne eines
„Stresstests“ gut überstanden habe; die Sicherungssysteme
der deutschen Kreditwirtschaft hätten gut funktioniert. Für
die Zukunft müsse das Geschäftsmodell der Landesbanken
einer Überprüfung unterzogen werden, was aber Aufgabe
der Länder sei. Der Bund könne hierbei anregend bzw. mo-
derierend tätig werden, jedoch nicht mit dem Ergebnis einer
Einstandspflicht.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert, dass mit dem Antrag
die Finanzkrise zum Anlass genommen werde, das Ge-
schäftsmodell der öffentlich-rechtlichen Banken, insbeson-
dere auch der Sparkassen, gänzlich in Frage zu stellen. Dies
sei abzulehnen. Wenngleich das Handeln einzelner Landes-
banken auch Anlass zu deutlicher Kritik gebe, sei doch fest-
zustellen, dass auch gut arbeitende Landesbanken, so etwa
die Bremer Landesbank oder die Nord-LB, am Markt er-
folgreich tätig seien. Hier sei etwa die Schiffs- oder auch
Flugzeugbaufinanzierung zu nennen. Insgesamt gesehen sei
eine Diskussion über die Geschäftsmodelle der Landesban-
ken nützlich und auch wünschenswert, eine Abschaffung
bzw. Privatisierung der Landesbanken, wie dies mit dem
Antrag gefordert werde, sei jedoch abzulehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht als
wesentliche Ursache der aufgetretenen Probleme bei einigen
Landesbanken vor allem das Fehlen eines wirksamen Cont-
rollings bei den öffentlichen Banken. Dagegen sei – wie dies
der Antrag zeichne – eine im Wesentlichen ideologische Aus-
einandersetzung um die Frage einer Privatisierung der öffent-
lichen Banken nicht hilfreich. Hinsichtlich der Landes-
banken Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen seien
weitergehende Schlussfolgerungen noch zu ziehen. In jedem
Fall empfehle sich ein Rückzug der Länder aus den Institu-
ten. Eine bloße Privatisierung der Landesbanken stelle je-
doch keine Lösung für die festzustellenden Defizite in Aus-
sicht.

Die Bundesregierung hat darauf hingewiesen, dass sie im
Falle von KfW-Bankengruppe/IKB bei der Entscheidung
über Pro und Kontra einer Risikoübernahme eine Folgeab-
rhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg –
an einer Neustrukturierung nicht gehindert sei.

schätzung auch hinsichtlich möglicher Auswirkungen einer
Insolvenz der IKB habe treffen müssen. Hier seien speziell

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9824

die Auswirkungen auf die gesamte deutsche Kreditwirt-
schaft zu nennen. Schließlich habe es sich nicht um eine
Entscheidung zwischen einer guten und einer schlechten
Lösung, sondern um die Entscheidung zwischen zwei
schwierigen Lösungen, gehandelt. Auch die Bundesregie-
rung sieht Reformbedarf bei den Landesbanken. Die föde-
rale Verantwortung liege hier jedoch bei den Ländern.

Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP empfohlen, den
Antrag abzulehnen.

Berlin, den 25. Juni 2008

Der Finanzausschuss

Leo Dautzenberg
Berichterstatter

Reinhard Schultz (Everswinkel)
Berichterstatter

Frank Schäffler
Berichterstatter

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