BT-Drucksache 16/9820

Beitragspflichten in der Künstlersozialversicherung sachgerecht ausgestalten

Vom 25. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9820
16. Wahlperiode 25. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Ernst Burgbacher, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Christoph Waitz, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter
Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily,
Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido
Westerwelle und der Fraktion der FDP

Beitragspflichten in der Künstlersozialversicherung sachgerecht ausgestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Künstlersozialversicherung ist die Grundlage der sozialen Sicherung von
Künstlern und Publizisten und ein wichtiger Beitrag des Staates zur Künstler-
und Kunstförderung. Die gemeinsame Finanzierung dieser Grundsicherung
durch die Versicherten (50 Prozent), die Verwerter (ursprünglich 25, jetzt 30
Prozent) und den Bund (ursprünglich 25, jetzt 20 Prozent) trägt den besonderen
Arbeitsbedingungen von Künstlern, Autoren, Graphikern etc. Rechnung. Die
Abgabepflicht der Verwerter ergibt sich aus dem symbiotischen Verhältnis zwi-
schen Vermarkter und Künstler, aus dem eine besondere Verantwortung der Ver-
markter für die soziale Sicherung der – typischerweise wirtschaftlich Schwäche-
ren – selbständigen Künstler und Publizisten erwächst, ähnlich der der
Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer.

Seit dem 1. Juli 2007 unterstützt die Deutsche Rentenversicherung auf der
Grundlage des novellierten Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) die
Künstlersozialkasse (KSK) bei der Ermittlung der abgabepflichtigen Unterneh-
men und bei der Überprüfung der Versicherten auf das Vorliegen der Versiche-

rungsvoraussetzungen. Dabei werden von der Deutschen Rentenversicherung
in einem ersten Durchgang fast 300 000 Unternehmen mit einem mehrseitigen
Fragebogen angeschrieben.

Die verstärkten Kontrollen haben bei den Unternehmen, die sich zum Teil un-
zureichend über die Abgabepflicht informiert fühlen, zu Unmut geführt, der bis
zu Forderungen nach einer Abschaffung der Künstlersozialversicherung reicht.

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Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ hat
festgestellt, dass bei Unternehmen aber auch Kommunen die Abgabenpflichtig-
keit in der Künstlersozialversicherung noch weitgehend unbekannt ist. Insbe-
sondere Kleinstbetriebe sowie kleine und mittlere Unternehmen sind durch die
nun erfolgende Erfassung erheblichem bürokratischen Aufwand ausgesetzt.

Durch die rückwirkende Abgabepflicht für den Zeitraum der vergangenen fünf
Jahre werden die abgabepflichtigen Unternehmen bisher mit Nachforderungs-
summen in Höhe von insgesamt 13 787 000 Euro (Stand 10. März 2008) kon-
frontiert. Dieser lange Rückwirkungszeitraum wird der Tatsache nicht gerecht,
dass bisher über den Umfang der Abgabenverpflichtung in der Künstlersozial-
versicherung nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Als treffenderen Stichtag für
die Rückwirkung bietet sich der 13. November 2007 an, da an diesem Tag der
Abschlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur
in Deutschland“ veröffentlicht wurde, in dem die mangelnde Bekanntheit der
Abgabenpflicht für die Künstlersozialversicherung festgestellt und eine konse-
quentere Bekanntmachung und Umsetzung der Abgabenpflicht in der Künstler-
sozialversicherung gefordert wird. Dies war für die Verwerter ein deutlicher
Hinweis, sich mit dem Umfang der Abgabenpflichten der Künstlersozialversi-
cherung bekannt zu machen.

In einzelnen Fällen würde die Abgabenpflicht zu ungewünschten Belastungen
führen. Beispielsweise werden nun ehrenamtliche Vereine, insbesondere im Be-
reich der Musik, zunehmend zur Beitragszahlung in der Künstlersozialversiche-
rung herangezogen. Hohe Belastungen entstehen durch die Abgabenpflicht auch
bei Unternehmen, die künstlerische Leistungen an- und weiterverkaufen.

Neben diesen aktuellen Problemen des Beitragsrechts muss darauf geachtet wer-
den, dass die Betriebe nicht durch das ständige Wachstum des Versichertenkrei-
ses der Künstlersozialversicherung belastet werden. Dafür muss der Versicher-
tenkreis der Künstlersozialversicherung klarer definiert werden. Denn unter
anderem aufgrund mangelnder Abgrenzung verdreifachte sich die Versicherten-
zahl in der Künstlersozialversicherung von 47 713 im Jahr 1991 auf 153 732 im
Jahr 2006. Im gleichen Zeitraum vervierfachte sich das Haushaltsvolumen der
Künstlersozialkasse von 136 Mio. auf 556,3 Mio. Euro. Eine Eindämmung die-
ser Entwicklung, bei Beachtung aller neuen Erscheinungsformen von künstleri-
schen Leistungen, leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Begrenzung der stei-
genden Sozialabgabenlast für die Unternehmen und könnte daneben viele
ehrenamtlich tätige Vereinigungen entlasten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, zu prüfen und dem
Deutschen Bundestag unverzüglich zu berichten,

1. wie der Informationsstand über die Abgabepflicht in der Künstlersozialver-
sicherung verbessert werden kann, zum Beispiel indem bei Angeboten und
Rechnungen für abgabenpflichtige Leistungen auf die bestehende Abgabe-
pflicht hingewiesen wird und dadurch für Auftraggeber eine klare Kalkulier-
barkeit über die Höhe der Kosten bei der Auftragsvergabe gewährleistet wird;

2. wie wirtschaftliche Schwierigkeiten bei Unternehmen verhindert und An-
reize für die selbständige Meldung der Abgabepflicht geschaffen werden
können, zum Beispiel indem die derzeit für fünf Jahre geltende rückwirkende
Abgabepflicht verkürzt wird auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung der Er-
gebnisse der Enquete-Kommission am 13. November 2007;

3. ob und wie eine größere Akzeptanz und Beitragsgerechtigkeit der Künstler-
sozialkasse erreicht werden kann, zum Beispiel durch die Beschränkung der
Abgabepflicht auf die tatsächlich in der KSK versicherten Künstler und

Publizisten, die Einführung von Sonderregeln für Vermittler künstlerischer
Leistungen sowie eine Regelung, die verhindert, dass mit der missbräuch-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9820

lichen Beauftragung eigens dafür gegründeter juristischer Personen (z. B.
Ein-Mann-GmbH oder Limited) die Beitragspflicht in der Künstlersozialver-
sicherung umgangen werden kann;

4. ob und wie die Belastung ehrenamtlich tätiger Vereinigungen durch die
teilweise Befreiung von der Beitragszahlung zur Künstlersozialversicherung
reduziert werden kann;

5. wie der Versichertenkreis der Künstlersozialversicherung enger gefasst wer-
den kann, um die immer weitere Ausweitung des Versichertenkreises zu ver-
hindern und die Abgabenlast der Unternehmen, Vereine und Versicherten zu
begrenzen;

6. inwieweit eine stärkere Information über die Möglichkeit der Gründung von
Ausgleichsvereinigungen nach § 32 KSVG und eine idealerweise daraus
resultierende verstärkte Gründung dieser Ausgleichsvereinigungen für viele
der Beteiligten ein Weg zu einer einvernehmlichen und unbürokratischen
Lösung der gegenwärtigen Probleme mit der KSK sein können;

7. ob und wie die Bundesregierung die Unternehmen stärker über die Existenz,
die Voraussetzungen und den Umfang der Abgabenpflicht in der Künstler-
sozialversicherung informieren kann.

Berlin, den 25. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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