BT-Drucksache 16/9796

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6140, 16/9737- Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)

Vom 25. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9796
16. Wahlperiode 25. 06. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Patrick Döring,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Ina Lenke, Markus Löning, Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6140, 16/9737 –

Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts
und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Deutschland braucht eine Gründungskultur. Der Schritt in die Selbständigkeit
und damit verbundene neue Ideen und Innovationen müssen gefördert wer-
den. Darüber hinaus gewinnt die Globalisierung der Wirtschaft immer mehr
an Bedeutung. Die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen muss im
internationalen Wettbewerb erleichtert und gefördert werden. Rückgrat und
Jobmotor der deutschen Wirtschaft ist dabei vor allem der Mittelstand. Die
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist dabei eine der wichtigsten
Rechtsformen in Deutschland, auf die Unternehmensgründer zurückgreifen.
In der Rechtsform der GmbH werden wesentliche Teile des Umsatzes der
deutschen Volkswirtschaft generiert; ein großer Teil der Arbeitnehmer in

Deutschland ist bei einem Unternehmen in der Rechtsform der GmbH ange-
stellt. Die deutsche GmbH ist ein Erfolgsmodell.

Die letzte große Novelle des GmbH-Rechts geht auf das Jahr 1980 zurück.
Sowohl Praxis als auch Rechtswissenschaft haben jedoch an verschiedenen
Stellen gesetzgeberischen Verbesserungsbedarf aufgezeigt. Deregulierung,
Vereinfachung von Gründungen, Bekämpfung von Missbräuchen und Stär-
kung des Gläubigerschutzes müssen bei einer Reform des GmbH-Rechts im

Drucksache 16/9796 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Besonderer Handlungsbedarf ergibt
sich insbesondere aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. In
dessen Urteil in der Rechtssache „Inspire Art“ wurde festgestellt, dass auf
Grund der Niederlassungsfreiheit auch Gesellschaftsformen aus den Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union in Deutschland tätig werden dürfen.
Dies betrifft insbesondere die britische Gesellschaftsform der „Limited“
(Ltd.). Die Ltd. tritt dabei in direkte Konkurrenz zur GmbH in Deutschland.

Die Notwendigkeit einer Reform des GmbH-Rechts ist somit grundsätzlich
anzuerkennen. Dabei darf jedoch nicht aus den Augen gelassen werden, dass
sich das deutsche GmbH-Recht bisher bewährt hat und vor allem im Bereich
des Mittelstandes die GmbH eine überaus erfolgreiche Gesellschaftsform ist.

2. Durch die Einführung eines beurkundungspflichtigen Musterprotokolls soll
die Gründung einer GmbH nach dem Gesetzentwurf in unkomplizierten
Standardfällen erleichtert und kostengünstiger werden. Die Wettbewerbs-
fähigkeit der GmbH soll so gestärkt werden. Ein Musterprotokoll für Notare
ist hierfür ein untaugliches Mittel.

Wichtig ist für viele Gründer einer GmbH zunächst eine einfache und
schnelle Gründung ihrer Gesellschaft. Ziel des Gesetzgebers sollte daher die
Eintragung von neu gegründeten Unternehmen in wenigen Werktagen sein.
Ein erster wichtiger Schritt zur Beschleunigung der Eintragung von Unter-
nehmen in das Handelsregister wurde bereits mit den im Gesetz über elektro-
nische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unterneh-
mensregister (EHUG) enthaltenen Änderungen gemacht. Nach den Erfahrun-
gen in der Praxis wird durch die bisherige notarielle Beurkundung kein
besonders hoher Zeit- und Kostenaufwand ausgelöst. Das Institut für Mittel-
standsforschung hat ermittelt, dass die administrativen Verfahren für eine
Unternehmensgründung in Deutschland im Durchschnitt 6,3 Tage dauern,
wo hingegen der Durchschnitt im EU-Vergleich bei zwölf Tagen liege. Auch
der oftmals erhobene Einwand der übermäßigen Kostenbelastung durch die
notarielle Beurkundung ist nicht gerechtfertigt.

Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Gesetzgebers, Musterverträge, Mus-
tersatzungen oder Musterprotokolle zu erstellen. Es handelt sich vielmehr um
privatrechtliche Rechtsgeschäfte. Diese Rechtsgeschäfte sind letztendlich so
vielgestaltig, dass sie sich einer Lösung mittels eines gesetzlichen Musters
entziehen. Es ist originäre Aufgabe der rechtsberatenden Berufe, im Einzel-
fall maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Die Festschreibung von Verträ-
gen, Satzungen oder Gründungsprotokollen in einem gesetzlichen Muster,
das sich heute vielleicht an aktueller Rechtswirklichkeit und Rechtsprechung
orientieren mag, wird der weiteren Rechtsentwicklung immer „hinterherlau-
fen“. Das in dem Gesetzentwurf vorgesehene Musterprotokoll wird letztend-
lich nur den Notaren als Mustervorlage für einen Gesellschaftsvertrag dienen.
Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber einem juristisch sehr gut aus-
gebildeten Berufsstand ein solches Muster vorgeben sollte. Sobald die Notare
von diesem Muster abweichen, wird auch die in diesem Zusammenhang vor-
gesehene kostenrechtliche Privilegierung verloren gehen. Will man eine
Reduzierung der Kosten erreichen, kann schlicht und einfach auch die Kos-
tenordnung angepasst werden. Eine Erleichterung oder Vereinfachung für
den Gründer einer Gesellschaft ergibt sich durch das Musterprotokoll nicht.

3. Ein Bedarf für eine deutsche Limited (Ltd.) in Form der Unternehmergesell-
schaft (UG) besteht nicht. Belastbare Untersuchungen für die Notwendigkeit
einer deutschen Ltd. gibt es nicht. Vielmehr ist die Zahl der Limited-Grün-
dungen rückläufig. Deutlich wird dieser Trend durch den Rückgang des ab-
soluten Zuwachses der Ltds. in 2006, dem stagnierenden Trend der monat-

lichen Anmeldungen in 2006 und dem in 2007 deutlich negativem Wachstum
gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Einführung der UG ist somit überflüssig.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9796

Die UG führte außerdem zu einer Haftungsbeschränkung, ohne den „Eintritts-
preis“ in Form des Stammkapitals bezahlen zu müssen. Eine seriöse Unter-
nehmensgründung bedarf jedoch einer seriösen Gesellschaftsform. Dies setzt
bei den Gründern auch ein Vertrauen in die Rentabilität ihres Projekts und die
Bereitschaft eines eigenen Risikobeitrages voraus. Dies ist durch die UG nicht
gewährleistet. Die Unternehmensform der UG weckt hingegen nur Hoffnun-
gen von Gründern, die nicht erfüllt werden. Insbesondere die Kreditvergabe
an eine UG wird sich als sehr problematisch herausstellen. Banken werden
ohne eine persönliche Sicherheitsleistung der Gesellschafter der UG keinen
Kreditrahmen einräumen. Der völlige Verzicht auf ein Stammkapital im Rah-
men der UG stellt insoweit einen Fremdkörper im deutschen GmbH-Recht
dar und wirkt dem Gesetzeszweck der Bekämpfung von Missbräuchen ent-
gegen. Gläubigerschutz und Seriosität der Gesellschaft werden im GmbH-
Recht auch über das Mindestkapital erreicht. Das Mindestkapitalerfordernis
trägt dafür Sorge, dass die Gründung unsolider, weil unrentabler Unterneh-
men erschwert wird.

Insbesondere der Gläubigerschutz ist, anders als bei der Ltd., unzureichend
ausgestaltet. Das bestehende Gläubigerschutzsystem wird ausgehebelt. Be-
vor eine Thesaurierung der Gewinne jemals zu einem Substanzaufbau und
damit Gläubigerschutz führen könnte, ist die Gesellschaft, die quasi ohne
Mindestkapital gegründet wurde, bereits gescheitert. Die Konstruktion bei
der UG lädt außerdem geradezu zum Missbrauch ein. Die neuen Gläubiger-
schutzvorschriften greifen nicht. Die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft
(haftungsbeschränkt)“ stellt z. B. keinen Schutz für Gläubiger gesetzlicher
Ansprüche dar. Die vorgeschriebene gesetzliche Rücklage lässt sich durch
einfache rechtliche Konstruktionen umgehen, die den Gewinn reduzieren.

4. Eine Verbesserung des Gläubigerschutzes wird durch die im Gesetzentwurf
vorgesehenen Regelungen nicht ausreichend erreicht. Dies gilt insbesondere
für die Bereiche der Gesellschafterdarlehen, des Hin- und Herzahlens, des
Cash-Pools und der Tätigkeitsverbote als Geschäftsführer.

Vor allem im Bereich der Gesellschafterdarlehen geht der Gesetzentwurf
gänzlich neue Wege. Nach gegenwärtigem Recht sind Forderungen auf
Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen, so genannte Eigenkapital erset-
zende Darlehen, zu passivieren, also im Überschuldungsstatus auszuweisen.
Künftig soll die Passivierungspflicht entfallen. Daraus ergibt sich jedoch,
dass der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung deutlich nach hinten verscho-
ben werden wird, da durch den Wegfall der Passivierungspflicht der Eröff-
nungsgrund der Überschuldung in vielen Fällen nicht gegeben sein wird.
Eine spätere Antragstellung wiederum hätte mehr masselose Verfahren zur
Folge; denn je später im Rahmen einer wirtschaftlichen Abwärtsentwicklung
das Insolvenzverfahren eröffnet wird, desto geringer wird in aller Regel auch
das zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Gesellschafts-
vermögen sein.

Im Bereich der Verbote für eine Geschäftsführertätigkeit – die ebenfalls dem
Gläubigerschutz dienen – fehlt nach wie vor ein Tätigkeitsverbot für zah-
lungsunfähige Personen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen der Reform des GmbH-Rechts

1. auf die Einführung eines Musterprotokolls zu verzichten,

2. auf die Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zu
verzichten und

Drucksache 16/9796 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. den Gläubigerschutz besser auszubauen, insbesondere in den Bereichen der
Gesellschafterdarlehen, des Hin- und Herzahlens und des Cash-Pools, sowie
ein Tätigkeitsverbot für zahlungsunfähige Personen als Geschäftsführer vor-
zusehen.

Berlin, den 23. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.