BT-Drucksache 16/9752

Auswüchse des Versandhandels mit Arzneimitteln unterbinden

Vom 25. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9752
16. Wahlperiode 25. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Martin Zeil, Heinz Lanfermann,
Dr. Konrad Schily, Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef Parr, Dr. Karl Addicks, Christian
Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Auswüchse des Versandhandels mit Arzneimitteln unterbinden

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Abgabe von Arzneimitteln
über Abholstellen, wie es zurzeit z. B. von Drogeriemärkten angeboten wird,
unterbindet.

Berlin, den 24. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung

Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
vom 14. November 2003 wurde mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU/CSU mit Wirkung zum 1. Januar
2004 der Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ausdrücklich

erlaubt und gesetzlich geregelt. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf heißt
es: „Die Ermöglichung des Versandhandels und des elektronischen Handels
auch mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln trägt der geänderten Situation im
Gesundheitswesen Rechnung. In zunehmendem Maße bestellen deutsche Bür-
gerinnen und Bürger über Internet sowohl verschreibungspflichtige als auch
nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem Ausland (elektronischer
Handel, E-Commerce). Dieser Arzneimittelhandel ist nicht geregelt und über-

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wacht, weshalb der Verbraucher dabei ein unkalkulierbares Risiko eingeht.
Diese Änderung des Arzneimittelgesetzes dient somit dem Verbraucherschutz,
da der Verbraucher durch einen geregelten, kontrollierten und überwachten Ver-
sandhandel einschließlich des elektronischen Handels mit Arzneimitteln besser
als bisher geschützt werden kann“ (Bundestagsdrucksache 15/1525, Seite 165).

In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, dass die gesetzliche Regelung zum
Versandhandel entgegen der Intention des Gesetzgebers so ausgelegt werden
kann, dass die Abgabe von Arzneimitteln über so genannte Abholstellen z. B. in
Drogeriemärkten möglich ist. Gemäß eines Urteils des Bundesverwaltungsge-
richtes (3 C 27.07) vom 13. März 2008 setzt der Begriff des Versandes und des
Versandhandels in der gegenwärtigen Gesetzesfassung nicht voraus, dass die
Ware individuell an die Anschrift des Empfängers zugestellt wird. Der Begriff
umfasse vielmehr auch die Auslieferung der bestellten Ware über eine Abholsta-
tion. Damit wird der Bestell- und Abholservice für Arzneimittel wie er von Dro-
geriemärkten seit einiger Zeit praktiziert wird, unter bestimmten Bedingungen
zugelassen, obwohl das Bundesverwaltungsgericht selbst feststellt, dass der
Gesetzgeber von dem „klassischen“ Versandhandelsmodell mit individueller
Zustellung ausgegangen sein dürfte, er seine Regelung jedoch nicht auf dieses
Modell beschränkt hätte. Damit ist es nach geltender Rechtslage möglich, dass
anstelle des Apothekers zukünftig auch z. B. Kioskbetreiber oder Tankwarte un-
kontrolliert Rezepte einsammeln und die bestellten Arzneimittel ausgeben. Eine
sachgemäße Behandlung und Lagerung ist damit nicht gewährleistet. Eine wei-
tere Problematik entsteht dadurch, dass die Abgabestellen zum Teil Gutscheine
für ihren eigentlichen Geschäftsbetrieb ausstellen, wenn Patienten Arzneimittel
über sie beziehen. Damit schwindet das Bewusstsein dafür, dass es sich bei Arz-
neimitteln um ein ganz spezielles Gut handelt, das mit Nebenwirkungen verbun-
den ist und bei dem eine sorglose Ausweitung des Konsums auf jeden Fall ver-
hindert werden muss.

Drogerien, Tankstellen oder Kioskbetriebe sollen sich nicht den Anschein einer
Apotheke geben können, ohne die Qualitätsvoraussetzungen und Pflichten (z. B.
Nacht- und Wochenenddienst, Labor, etc.) zu übernehmen. Deshalb muss im
Gesetz klargestellt werden, dass ein Versand von Arzneimitteln nur unmittelbar
an den Endverbraucher zulässig ist. Auf diese Weise wird den Anforderungen
an die Arzneimittelsicherheit Rechnung getragen und ein Aufweichen des
Bewusstseins, dass Arzneimittel ganz besondere Güter mit zum Teil schweren
Nebenwirkungen sind, vermieden, ohne die Berufsfreiheit unangemessen ein-
zuschränken. Ein solches Verbot des Arzneimittelversandes nach dem „Abhol-
konzept“ würde zwar in das durch Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes ge-
schützte Grundrecht der Berufsfreiheit der Apotheker und der Abholstellen-
betreiber eingreifen. Ein solcher Eingriff wäre jedoch verfassungsrechtlich
gerechtfertigt. Erwägungen der Arzneimittelsicherheit erfüllen den Gemein-
wohlzweck, der eine Berufsausübungsregelung zu rechtfertigen vermag. Im
Hinblick darauf, dass das Verbot der Vorbeugung des Arzneimittelmissbrauchs
sowie der Sicherstellung einer sachgemäßen Behandlung und Lagerung der ver-
sandten Medikamente dient, ist es geeignet, erforderlich und zumutbar. Das gilt
auch im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht.

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