BT-Drucksache 16/9747

Menschenrechtslage in Tibet verbessern

Vom 25. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9747
16. Wahlperiode 25. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Florian Toncar, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst
Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther
(Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Birgit Homburger,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz
Lanfermann, Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus
Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Menschenrechtslage in Tibet verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit Beginn der Proteste von Tibetern für die Durchsetzung ihrer religiösen und
kulturellen Autonomierechte am 10. März 2008 sind die Augen der Weltöffent-
lichkeit auf das so genannte Dach der Welt gerichtet. Der Ausbruch von Gewalt
sowie das repressive und völlig unangemessene Vorgehen der chinesischen
Sicherheitskräfte gegen tibetische Demonstranten vor den Olympischen Spielen
in Peking im August 2008 hat der Lage in der Autonomen Region Tibet (TAR)
und den anderen von Tibetern bewohnten Gebieten eine neue Brisanz verliehen.
Seit dem bewaffneten Volksaufstand der Tibeter von 1959 wurden Proteste im-
mer wieder unterdrückt und gewaltsam beendet. Trotz der Verankerung der Au-
tonomie- und Minderheitenrechte der Tibeter in der chinesischen Verfassung
wird die tibetische Bevölkerung – wie auch andere Minderheiten, etwa die
Gruppe der Uiguren – in der Ausübung ihrer kulturellen und religiösen Bräuche
behindert. Darüber hinaus hat die Zentralregierung mit einer gezielten Ansied-
lung von Han-Chinesen versucht, die Tibeter zu einer Minderheit in ihrer eige-
nen Heimat zu machen und sie dadurch zu marginalisieren. Die Investitionen in
die Infrastruktur und in das Bildungssystem, welche von chinesischer Seite stets
als Entwicklungsmaßnahme hervorgehoben werden, haben kaum einen positi-

ven Einfluss auf den tibetischen Teil der Bevölkerung gehabt. Deshalb ist ihr Zu-
gang zu Bildung und damit auch ihr Bildungsstand nach wie vor wesentlich
schlechter als jener der Han-chinesischen Bevölkerung in Tibet.

Der Dalai Lama ist die von der Mehrheit der Tibeter anerkannte Autorität, so-
wohl in der Autonomen Region Tibet und den anderen von Tibetern bewohnten
Gebieten als auch in der Exilgemeinde. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass

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die chinesische Regierung die seit längerem unterbrochenen Gespräche mit den
Vertretern des Dalai Lama wieder aufgenommen hat. Solche Gespräche müssen
langfristig und zielgerichtet geführt werden. Die Ernsthaftigkeit der Gespräche
muss sich in gegenseitigem Respekt zeigen und schließt verbale Angriffe gegen
den Dalai Lama aus.

Der Deutsche Bundestag hält Gespräche von Repräsentanten der staatlichen
Organe Deutschlands mit dem Dalai Lama, der als religiöser Führer der Tibeter
das Prinzip der Gewaltlosigkeit zu einem seiner Leitgedanken gemacht hat, für
richtig. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung ihre bisherige Praxis, die Lage
in Tibet auf bi- und multilateraler Ebene zu thematisieren, fortsetzen und inten-
sivieren.

Die Olympischen Spiele in Peking verleihen den Ereignissen in Tibet eine ge-
steigerte Aufmerksamkeit. Olympische Spiele sind zuallererst ein Sportereignis
und sollen nicht politisiert werden. Sie dürfen aber auch nicht dazu führen, dass
über Menschenrechtsverletzungen hinweggesehen wird. Die Spiele sind auch an
China vergeben worden, um unter dem Einfluss der Berichterstattung und einer
breiten öffentlichen Aufmerksamkeit die Chance auf eine Verbesserung der
Menschenrechtssituation zu eröffnen. Diese Chance muss von allen Beteiligten
entschlossen ergriffen werden. Deshalb ist ein klares Bekenntnis zu den Men-
schenrechten von Seiten der Sportler, des IOC, der Politiker, Journalisten, Spon-
soren und nicht zuletzt auch der Besucher zu begrüßen.

II. Der Deutsche Bundestag unterstützt einen konstruktiven Dialog zwischen
der Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik China und fordert
die Bundesregierung auf,

1. darauf hinzuwirken, dass die Regierung der Volksrepublik China den Dialog
mit den Vertretern des Dalai Lama zielgerichtet und mit einem klaren Zeit-
plan führt und auf eine dauerhafte Verbesserung der Situation in Tibet hin-
arbeitet;

2. sich dafür einzusetzen, dass die religiöse und kulturelle Autonomie der Tibe-
ter in der Autonomen Region Tibet und den anderen von Tibetern bewohnten
Gebieten so anerkannt und vollständig umgesetzt wird, wie sie in der chine-
sischen Verfassung festgelegt ist;

3. darauf hinzuwirken, dass der Dalai Lama von der Regierung der Volks-
republik China als religiöses und kulturelles Oberhaupt der Tibeter anerkannt
und ihm der Aufenthalt in China gestattet wird;

4. sich dafür einzusetzen, dass die bei den Unruhen festgenommenen Tibeter
nach allgemeinen Menschenrechtsgrundsätzen behandelt, die gegen sie ange-
strengten Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt und
friedliche Demonstranten rasch und bedingungslos freigelassen werden;

5. innerhalb des Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialogs, aber auch bei multi-
lateralen Verhandlungen, die Lage der Tibeter weiterhin anzusprechen;

6. bei diesen Gesprächen weiterhin die Problematik des verschwundenen tibe-
tischen Panchen Lama (Gedhun Choekyi Nyima) anzusprechen und darauf
zu drängen, dass die Volksrepublik China alle Vorschriften zurücknimmt, die
eine der tibetischen Religion entsprechende Nachfolge des Dalai Lama ver-
hindern;

7. darauf hinzuwirken, dass der wirtschaftliche und infrastrukturelle Auf-
schwung auch bei der tibetischen Bevölkerung ankommt, ihr Zugang zu Bil-
dungseinrichtungen ermöglicht wird und die Siedlungspolitik nicht weiterhin
als Maßnahme zur Marginalisierung der Tibeter genutzt wird;

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8. nach der Unterzeichnung auch auf die Ratifizierung und Implementierung
des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch die
Volksrepublik China hinzuwirken;

9. darauf zu drängen, dass die Einschränkungen der Pressefreiheit für alle
Journalisten, sowohl für einheimische als auch für ausländische, aufgeho-
ben werden und sich dafür einzusetzen, dass Journalisten, Berichterstatter
und Diplomaten freien Zugang zur Autonomen Region Tibet und zu den
anderen Gebieten erhalten, in denen Tibeter beheimatet sind;

10. sich dafür einzusetzen, dass während der Olympischen Spiele friedliche
politische Äußerungen von Besuchern und Teilnehmern – im Rahmen der
Olympischen Charta – nicht behindert werden;

11. darauf hinzuwirken, dass die Olympischen Spiele, wie von chinesischer
Seite bei der Vergabe versprochen, dazu genutzt werden, die Menschen-
rechtslage in China und damit auch in Tibet zu verbessern.

Berlin, den 24. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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