BT-Drucksache 16/9704

Defizite ökonomischer Bildung an allgemeinbildenden Schulen

Vom 18. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9704
16. Wahlperiode 18. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Barth, Patrick Meinhardt, Cornelia Pieper, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Patrick
Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst
Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther
(Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Ina Lenke,
Markus Löning, Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Defizite ökonomischer Bildung an allgemeinbildenden Schulen

Die Auseinandersetzung mit Fragen des wirtschaftlichen Handelns und des
Marktgeschehens sowie der Erwerb eines Basiswissens über grundlegende öko-
nomische Sachverhalte, Prozesse und Zusammenhänge ist Voraussetzung für die
Entwicklung zur mündigen Bürgerin oder zum mündigen Bürger. Die wirt-
schaftliche Tätigkeit stellt eine Konstante im sozialen Leben aller Gesellschafts-
formen dar und sichert dem Individuum und der Gemeinschaft gleichermaßen
die Existenz. Gerade deswegen ist eine rationale, systematische und sachlich
korrekte Auseinandersetzung mit dieser Materie an allgemeinbildenden Schulen
unerlässlich. Hier müssen Kinder und Jugendliche mit Kenntnissen, Fähigkeiten
und Fertigkeiten ausgestattet werden, die sie dazu befähigen, sich mit den öko-
nomischen Bedingungen ihrer Existenz und deren sozialen, politischen und
rechtlichen Dimensionen auf privater, betrieblicher und volkswirtschaftlich-
globaler Ebene auseinanderzusetzen.

Obwohl Aspekte der ökonomischen Bildung zunehmend in den Schulunterricht
integriert werden und die gesellschaftliche Akzeptanz ökonomischen Basiswis-
sens als Teil des Allgemeinwissen unbestritten ist, dokumentiert eine vom Bun-
desverband deutscher Banken in Auftrag gegebenen Studie weiterhin Defizite
bei der Vermittlung von wirtschaftlichen Kompetenzen (vgl.: „Konzeption für
die Ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Primarstufe bis zur
Sekundarstufe II“, Institut für Ökonomische Bildung, Mai 2008). Neben der

Förderung einer systematischen Vermittlung ökonomischen Wissens und der
curricularen Verankerung ökonomischer Bildung ist besonders die Qualifikation
der Lehrerinnen und Lehrer auf diesem Gebiet durch Maßnahmen der Lehrer-
aus- und -weiterbildung geboten.

Doch auch die Behandlung von ökonomischen Fragen in deutschen Schulbü-
chern wirft Fragen auf. Die Darstellung und Auseinandersetzung mit Fragen der
Ökonomie ist teilweise durch antikapitalistische Rhetorik, ideologisierte Partei-

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politik und einen unverfrorenen Anti-Kapitalismus gekennzeichnet. Es wird
teilweise suggeriert, Freihandel und globaler Wettbewerb seien grundsätzlich
problembehaftet und müssten durch staatliches Eingreifen „korrigiert“ werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten fünf Jah-
ren die verfügbaren Geldzuweisungen pro Monat (zum Beispiel Taschen-
geld), das Sparverhalten und die Verschuldungsneigung an beziehungs-
weise von Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren entwickelt?

2. Wie schätzt die Bundesregierung das Niveau ökonomischen Wissens und
der wirtschaftlichen Basiskompetenzen unter Schülerinnen und Schülern
ein?

Wie unterscheidet sich dieses, je nach Alter und besuchter Schulform?

3. Auf welcher Grundlage beruht diese Einschätzung?

4. Inwiefern betrachtet die Bundesregierung den diagnostizierten Wissens-
stand als ausreichend?

5. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen oder plant die Bun-
desregierung, um die Vermittlung ökonomischen Wissens und das Erlangen
von wirtschaftlichen Kompetenzen zu fördern?

6. Welche aktuellen Maßnahmen werden derzeit nach Kenntnis der Bundes-
regierung seitens der Bundesländer getroffen oder sind geplant, um die
Vermittlung ökonomischen Wissens und das Erlangen von wirtschaftlichen
Basiskompetenzen zu fördern?

7. Welche Bundesländer haben nach Kenntnis der Bundesregierung die
ökonomische Bildung in den Curricula der allgemeinbildenden Schulen
verankert?

Hält die Bundesregierung diesen Schritt für wünschenswert?

8. Inwiefern fließen Inhalte ökonomischer Bildung bei der Konzeption bun-
desweiter Bildungsstandards ein?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Thematisierung und Darstellung
ökonomischer Sachverhalte und Zusammenhänge in deutschen Schul-
büchern?

10. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung in Schulbüchern vertretene
Thesen wie z. B. „Wirtschaftswachstum bedeutet aber meist auch […] in
zunehmendem Maße Arbeitslosigkeit“ (Terra Erdkunde 10, S. 87, Klett-
Perthes 1996) oder „Der Staat muss notleidenden Unternehmen helfen“
(Strukturpolitik) (Politik & Co, S. 140, C.C Buchners 2007) bei?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Bedeutung derartiger Aussagen,
gerade wenn sie im Kontext des schulischen Unterrichts und damit in einen
vermeintlich weltanschaulich neutralen Rahmen fallen?

12. Welche Bedeutung und Relevanz misst die Bundesregierung der Unter-
suchung und dem Vergleich deutscher, französischer und US-amerika-
nischer Schulbücher (vgl.: „Von Raffgier und Ausbeutung“, Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung, 20. Januar 2008) bei, und wie bewertet sie die
Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), welches auf Defizite
in der Darstellung wirtschaftsrelevanter Themen gerade im Hinblick auf die
Perspektive beruflicher Selbständigkeit und des Unternehmertums hin-
weist?
13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Vorwurf der unaus-
gewogenen Darstellung allgemeiner Themen der Wirtschafts- und Arbeits-

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welt einerseits und andererseits der Funktionsweise von Unternehmen und
der Perspektive unternehmerischer Selbständigkeit berechtigt ist?

Mit welcher Konsequenz?

14. Inwiefern kann eine derart falsche, verzerrte oder unterkomplexe Darstel-
lung wirtschaftlicher Sachverhalte und Zusammenhänge dazu führen, den
Meinungsbildungsprozess junger Menschen negativ zu beeinflussen?

15. Geht die Bundesregierung davon aus, dass Lehrerinnen und Lehrer, die sich
im Rahmen des Unterrichts zwangsläufig mit diesen Darstellungen befas-
sen mussten, Schülerinnen und Schüler auf die Schwachstellen im Text hin-
gewiesen haben?

Worauf beruht diese Annahme?

16. Inwiefern haben Bund und Länder sich um eine ausgewogenere Darstellung
ökonomischer Sachverhalte bemüht, und wie haben Schulbuchverlage auf
die Beschwerden reagiert?

Wurden die kritisierten Texte überarbeitet?

Berlin, den 18. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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