BT-Drucksache 16/968

Für einen Beobachterstatus Taiwans bei der Weltgesundheitsversammlung

Vom 15. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/968
16. Wahlperiode 15. 03. 2006

Antrag
der Abgeordneten Harald Leibrecht, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann, Christian
Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth), Miriam
Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Hellmut Königshaus, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Michael
Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Volker
Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Für einen Beobachterstatus Taiwans bei der Weltgesundheitsversammlung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Infektionskrankheiten wie HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria, SARS und die
Vogelgrippe sind weltweit auf dem Vormarsch. Angesichts dessen gewinnt die
weltweite Kooperation zur effektiven, sicheren und koordinierten Krankheits-
bekämpfung und zur Vorbeugung und Eindämmung der Verbreitung infektiöser
Krankheiten an zusätzlicher Bedeutung.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spielt bei der Entwicklung und konti-
nuierlichen Verbesserung eines globalen Gesundheitsnetzwerks eine zentrale
Rolle. Eine regelmäßige und institutionalisierte Einbindung möglichst aller ein-
schlägig relevanter Akteure in die WHO und ein direkter und umfassender Zu-
gang zu der Organisation ist daher aufgrund der damit verbundenen direkten und
unbehinderten Mitwirkung an internationalen Foren und Programmen der Zu-
sammenarbeit im Bereich der Gesundheitsversorgung notwendig. Die globale
Bekämpfung der Ausbreitung von Epidemien setzt globale Aktionsmöglichkei-
ten der WHO voraus.

Nach Einschätzung der WHO ist gerade mit Blick auf die Ausbreitung der
Vogelgrippe das Risiko einer grippalen Epidemie „ernst“ und die Wahrschein-

lichkeit, dass eine Epidemie eintritt, „gestiegen“. Eine Epidemie könne gerade
im Zeitalter der Globalisierung und des hohen touristischen und geschäftlichen
internationalen Austausches alle Weltregionen betreffen. Auch die Bundesregie-
rung stellte in ihrem Bericht vom Februar 2006 über „außen- und sicherheits-
politische Implikationen und Auswirkungen von Seuchen am Beispiel der
Vogelgrippe“ fest, dass in der globalisierten Welt Tierseuchen nicht an Grenzen
halt machen und daher eine effiziente internationale Zusammenarbeit „unver-

Drucksache 16/968 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zichtbar“ ist. Eine enge Zusammenarbeit mit Gesundheitsbehörden aller betrof-
fenen Regionen weltweit ist erforderlich, damit die epidemiologische, klinische
und logistische Unterstützung der WHO greifen kann.

Taiwan ist seit 1972 aus der WHO und dem Großteil der Aktivitäten der WHO
ausgeschlossen. Eine systematische, geregelte oder institutionalisierte Mitwir-
kung Taiwans in der WHO und ihren Gremien ist seitdem nicht gegeben. So darf
Taiwan nicht an dem internationalen Seuchenvorwarnungs- und bekämpfungs-
netz (GOARN) teilnehmen. Im Zusammenhang mit der Vogelgrippe ist die Zu-
sammenarbeit zwischen der WHO und Taiwan mangelhaft. So wurde Taiwan
beispielsweise von Treffen zum Thema Influenza ausgeschlossen.

Dabei ist eine Einbindung Taiwans in die Bemühungen um eine Eindämmung
der Vogelgrippe nicht nur im Interesse der 21 Millionen Taiwanesen von großer
Wichtigkeit. Taiwan ist einer der bedeutendsten internationalen Verkehrsknoten-
punkte im westlichen Pazifik und sollte daher in das Seuchenbekämpfungsnetz
einbezogen werden. Zudem ist Taiwan eine bedeutende Station auf der Route
verschiedener Zugvögel: Etwa 1,25 Millionen Zugvögel passieren jährlich Tai-
wan oder überwintern dort. Die WHO und ihre Mitgliedsländer würden von der
Einbindung Taiwans unmittelbar profitieren: Taiwan ist Vorreiter im Bereich des
Gesundheitssystems in Asien, hatte das erste umfassende Krankenversiche-
rungssystem in Asien aufgebaut, hat eine hohe Dichte an Ärzten sowie zahl-
reiche übertragbare Krankheiten, wie Pest, Pocken, Tollwut, Malaria und Kin-
derlähmung überwunden und könnte somit einen großen Beitrag leisten.

Eine direkte und geregelte Einbindung Taiwans in die Arbeit der WHO wäre
schon mit einem Beobachterstatus in der Weltgesundheitsversammlung (WHA),
dem höchsten Entscheidungsorgan der WHO, erreichbar.

Die Bestrebungen Taiwans, einen solchen Beobachterstatus zu erhalten, sind bis
heute mit der Begründung abgelehnt worden, dass Taiwan vom Großteil der in-
ternationalen Gemeinschaft nicht als unabhängiger Staat anerkannt wird und
kein Mitglied der Vereinten Nationen ist.

Die Satzung der WHO sieht für Nichtmitglieder der Vereinten Nationen eine Auf-
nahme auf der Grundlage eines einfachen Mehrheitsbeschlusses vor (Kapitel III,
Artikel 6). Die WHA hat überdies die Möglichkeit, internationale und nationale
Organisationen und nichtstaatliche Organisationen einzuladen, an den Aktivitä-
ten der WHO teilzunehmen (Artikel 18 h). So haben in der Vergangenheit Paläs-
tina 1974, Malta oder das Internationale Komitee des Roten Kreuzes einen Be-
obachterstatus bei der WHA erhalten und werden routinemäßig zu deren Treffen
eingeladen.

Taiwan ist als „Separates Zollgebiet“ vollwertiges Mitglied in der Welthandels-
organisation (WTO) und anderen regionalen Organisationen, wie der APEC.

In den vergangenen Jahren hat sich bereits eine Reihe von Ländern für einen
Beobachterstatus Taiwans in der WHA ausgesprochen: der US-Kongress mit
einem von Präsident George W. Bush unterschriebenen Gesetz, das Europa-
parlament und einzelne nationale Parlamente, wie das belgische Repräsentan-
tenhaus und das kanadische House of Commons. Im Rahmen der 57. WHA-Ver-
sammlung 2004 kam es außerdem zu einer umfassenden Debatte, in deren Ver-
lauf 16 von 48 Staaten, darunter die USA und Japan sich für einen Beobachter-
status Taiwans aussprachen. Zudem befürwortet eine Reihe internationaler
Nichtregierungsorganisationen, wie die International Pediatric Association,
International Council of Nurses, World Medicine Association, Federation of
International Pharmacies und International College of Surgeons eine Teilnahme
von Taiwan bei der WHO.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/968

Eine deutsche Unterstützung der Aufnahme Taiwans als Beobachter bei der
WHA, z. B. als „Gesundheitseinheit“, würde damit keine Anerkennung einer
„Staatlichkeit“ Taiwans bedeuten und wäre mit der vom Deutschen Bundestag
auch weiterhin unterstützten „Ein-China-Politik“ vereinbar.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

an der „Ein-China-Politik“ festhaltend, sich dafür einzusetzen,

– dass die WHA auf ihrer nächsten Sitzung Taiwans Antrag auf einen Beob-
achterstatus bei der WHA als zusätzlichen Tagesordnungspunkt auf die Ver-
sammlungsagenda aufnimmt;

– dass Taiwan bei der 59. Weltgesundheitsversammlung (WHA) (22. bis 27. Mai
2006) und für die Zukunft einen Beobachterstatus erhält;

– dass Taiwan unverzüglich direkten und umfassenden Zugang zu Beratung
und Unterstützung durch die WHO erhält und in diesem Rahmen an der welt-
weiten Bekämpfung und Eindämmung der Vogelgrippe mitwirken darf;

– dass sich die EU-Partner möglichst gemeinsam für einen Beobachterstatus
Taiwans bei der WHA einsetzen.

Berlin, den 14. März 2006

Harald Leibrecht
Dr. Karl Addicks
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Jörg van Essen
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk

Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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