BT-Drucksache 16/9676

Mediation in Deutschland

Vom 18. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9676
16. Wahlperiode 18. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Dr. Max Stadler,
Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Ina Lenke,
Markus Löning, Horst Meierhofer, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela
Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Carl-Ludwig Thiele, Florian
Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Mediation in Deutschland

Für Streitigkeiten suchen Betroffene nicht immer nur den Weg zum Gericht,
sondern wenden sich regelmäßig auch an Ombudsmänner oder Mediatoren. So
erhalten sie Möglichkeiten zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Streitig-
keiten können schnell, kostengünstig und unbürokratisch beigelegt werden. Sie
fördern den Rechtsfrieden und entlasten die Gerichte.

Die Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über
bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen ist am 23. April
2008 förmlich vom Europäischen Parlament angenommen worden und trat am
21. Mai 2008 in Kraft. Darin werden der Begriff der Mediation sowie der des
Mediators definiert, allgemeine Vorgaben zur Sicherung von Qualitätsstandards
gemacht sowie Regelungen zur Vollstreckbarkeit von Vereinbarungen, für die
Vertraulichkeit der Mediation und für den Ablauf von Verjährungsfristen
niedergeschrieben. Die Richtlinie gilt jedoch nur für grenzüberschreitende
Streitigkeiten. Damit gelten die Regelungen nur für Mediationen, bei denen die
Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in unterschiedlichen Mitgliedstaaten
der EU haben bzw. wenn nach einer in einem Mitgliedstaat der EU erfolgten
Mediation später ein Gericht in einem anderen Mitgliedstaat der EU angerufen
wird.

Für bestimmte Streitigkeiten ist es bereits nach geltendem Recht in Deutsch-
land möglich, dass die Bundesländer Regelungen vorsehen, durch die eine Er-
hebung der Klage erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustiz-
verwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die
Streitigkeit einvernehmlich beizulegen (§ 15a des Gesetzes betreffend die Ein-
führung der Zivilprozessordnung – EGZPO). Mit der Regelung § 15a EGZPO
hatte der Gesetzgeber die Zielvorstellungen verbunden, raschere und kosten-
günstigere Verfahren zur Konfliktbeilegung zu etablieren, einen dauerhaften
Rechtsfrieden zu sichern und die Ziviljustiz zu entlasten (Bundestagsdrucksa-
che 14/980, S. 5).

Drucksache 16/9676 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Umsetzung des § 15a EGZPO“ hat im Rah-
men der 78. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder
im Juni 2007 ihren Abschlussbereicht vorgelegt. Die Justizministerinnen und
Justizminister nahmen auf ihrer Sitzung zur Kenntnis, dass die Arbeitsgruppe
keinen Änderungsbedarf sieht und stellten fest, dass die in § 15a EGZPO gere-
gelte obligatorische außergerichtliche Streitbeilegung ein wichtiges Element
sein kann. Sie sprachen sich dafür aus, die weiteren Ansätze zur Förderung
konsensualer Streitbeilegung weiter zu verfolgen.

In seinem Beschluss vom 14. Februar 2007 (1 BvR 1351/01) zum Gütestellen-
und Schlichtungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Bundesverfas-
sungsgericht deutlich gemacht, dass der allgemeine Justizgewährungsanspruch
gewährleiste, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten eröffnet ist. Des
Weiteren sei die Effektivität des Rechtsschutzes garantiert. Der Gesetzgeber sei
aber nicht gehalten, nur kontradiktorische Verfahren vorzusehen. Er könne
auch Anreize für eine einverständliche Streitbeilegung schaffen, etwa um die
Konfliktlösung zu beschleunigen, den Rechtsfrieden zu fördern oder die staat-
lichen Gerichte zu entlasten. Ergänzend müsse allerdings der Weg zu einer
Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte eröffnet bleiben.

Die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, räumte in ihrer Pressemittei-
lung vom 18. April 2008 ein, dass Deutschland derzeit über keine gesetzlichen
Bestimmungen zur Mediation verfüge. Sie habe eine Expertengruppe einbe-
rufen, um den Bedarf und den möglichen Inhalt einer gesetzlichen Regelung für
grenzüberschreitende und innerstaatliche Konflikte zu prüfen. Diese Experten-
gruppe ist nach Angaben der Bundesministerin am 18. April 2008 erstmals zu-
sammengetreten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche statistischen Daten liegen der Bundesregierung zur Mediation und
außergerichtlichen sowie gerichtsnahen Konfliktbeilegung vor?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung gerichtsnahe Konfliktbeilegung?

3. Welche Beurteilungsunterschiede ergeben sich für die Bundesregierung
diesbezüglich zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Justizministerkonferenz,
dass „weitere Ansätze zur Förderung konsensualer Streitbeilegung weiter
zu verfolgen“ seien, und wie begründet sie ihre Meinung?

5. In wie vielen Fällen wurden durch Streitbeilegung im Rahmen der Landes-
gesetze aufgrund § 15a EGZPO anschließende Gerichtsverfahren vermie-
den, und in wie vielen Fällen kam es dennoch zu gerichtlichen Verfahren?

6. Sind der Bundesregierung wissenschaftliche Studien zu § 15a EGZPO be-
kannt, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Akzeptanz und Annahme der Mög-
lichkeit der Streitschlichtung, die durch § 15a EGZPO geschaffen wurde?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die oben genannten Zielvor-
stellungen, die mit der Einführung des § 15a EGZPO verbunden waren, er-
reicht wurden, und wie begründet sie ihre Auffassung?

9. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Bund-Länder-Arbeits-
gruppe, dass kein Änderungsbedarf bestehe, und wie begründet sie ihre
Haltung?

10. Welche Personen hat das Bundesministerium der Justiz in die Experten-
gruppe zur Prüfung möglicher Inhalte einer gesetzlichen Regelung für

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9676

grenzüberschreitende und innerstaatliche Konflikte berufen (bitte Namen,
Beruf und Zugehörigkeit zu Verbänden/Ländern)?

11. Ist der Deutsche Bundestag in der Expertengruppe vertreten – wenn ja, mit
wem, und wenn nein, warum nicht?

12. Welcher Regelungsbedarf ergibt sich im Rahmen der Umsetzung der EU-
Richtlinie?

13. Wird die Bundesregierung bei der Umsetzung der Richtlinie Änderungen
im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vornehmen (insbesondere § 2 Abs. 3
Nr. 4 RDG)?

14. Sofern die Bundesregierung den Regelungsbedarf noch nicht bezeichnen
kann – welche konkreten Regelungsvorschläge werden derzeit geprüft und
beraten?

15. Ist beabsichtigt, diese Regelungen auch auf innerstaatliche Mediation aus-
zudehnen?

16. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit eines deutschen Mediations-
gesetzes (bitte mit Begründung der Meinung)?

17. Welche Regelungen sollten darin aufgenommen werden?

18. Wird die Bundesregierung nationale Regelungen zur Qualitätssicherung
und Vertraulichkeit der Mediation und gesetzliche Rahmenbedingungen
für die Anerkennung als Mediatorin oder Mediator vorschlagen – wenn ja
an welche, und wenn nein, warum nicht?

19. Hält die Bundesregierung besondere Haftungsregeln für Mediatoren für er-
forderlich (beispielsweise den Abschluss einer Vermögenshaftpflichtversi-
cherung für Mediatoren)?

20. Wie sieht der Zeitplan der Bundesregierung zu gesetzlichen Regelungen
hinsichtlich der Mediation aus?

Berlin, den 12. Juni 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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