BT-Drucksache 16/965

Die Entwicklungszusammenarbeit mit Kenia auf den Prüfstand stellen

Vom 15. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/965
16. Wahlperiode 15. 03. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Dr. Werner Hoyer,
Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto
Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Die Entwicklungszusammenarbeit mit Kenia auf den Prüfstand stellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Kenia – eines der Schwerpunktpartnerländer in der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit – galt in seiner ersten Entwicklungsphase nach der Unabhän-
gigkeit von Großbritannien in 1963 als ein Musterbeispiel für die Entwicklung
Afrikas. Unter Daniel arap Moi, der von 1978 bis 2002 Staatspräsident war,
nahmen jedoch Korruption und Ineffizienz zu und Kenia wurde politisch insta-
bil. Die Hoffnungen, die in den Nachfolger Mwai Kibaki von der National
Rainbow Coalition Party (NARC) gesetzt worden sind, lassen sich leider zwei
Jahre nach dem Machtwechsel nicht bestätigen. Mwai Kibaki war Ende 2002
mit dem Versprechen angetreten, die weit verbreitete Korruption in Kenia zu
beenden. Doch nun häufen sich alarmierende Pressemeldungen über Korrup-
tion und undurchsichtige Zwischenfälle.

Der kenianische Präsident Mwai Kibaki ist seit einigen Wochen stark in die
Kritik geraten, weil immer neue Details von Korruptionsfällen während seiner
Amtszeit bekannt werden. Wegen des Verdachtes der Korruption hat die kenia-
nische Polizei am 14. Februar 2006 allein 20 prominente Politiker und Ge-
schäftsleute aufgefordert, ihre Pässe abzugeben. Der vom Präsidenten bestellte

ehemalige Korruptionsbeauftragte John Githongo ist bereits im Jahr 2005 nach
Todesdrohungen nach London geflohen. John Githongo betont in einem kürz-
lich an die Öffentlichkeit gelangten Bericht, dass er Mwai Kibaki regelmäßig
über seine Untersuchungen informiert habe. Seit 2002 sollen Bestechungsgel-
der bis zu einer Milliarde US-Dollar gezahlt worden sein.

Drucksache 16/965 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Weltbank hat aufgrund der bestehenden Korruptionsvorwürfe die Aus-
zahlung von insgesamt knapp 340 Mio. Franken an Krediten aufgeschoben.
Das Geld soll erst ausgezahlt werden, wenn die Regierung in Nairobi ernsthafte
Schritte zur Bekämpfung der Bestechlichkeit und des Diebstahls von Staats-
eigentum einleitet. Auch Großbritannien hat seine Budgethilfe an die keniani-
sche Regierung eingestellt und sucht andere Wege der kenianischen Bevölke-
rung zu helfen.

Aktuell erreichen uns aus Kenia Informationen über erschreckende Eingriffe
der kenianischen Polizei auf Veranlassung der Regierung in wichtige Ge-
schäftsbereiche der „Standard Group“, der zweitgrößten Mediengruppe des
Landes. Dem zuständigen Minister zufolge, soll diese Mediengruppe falsche
Informationen verbreitet haben. Aus anderen Quellen ist jedoch zu erfahren,
dass die Regierung damit versucht, von den Medien aufgedeckte Skandale zu
vertuschen. Pressefreiheit ist ein wichtiger Teil der Anforderungen an Good
Governance, welches ein Kriterium für die Vergabe von Entwicklungszusam-
menarbeitsmitteln sein muss. Deutschland muss ein deutliches Signal an die
kenianische Regierung senden, dass es nicht gewillt ist, die Verletzung dieses
elementaren Rechts folgenlos hinzunehmen. Gleichzeitig wäre dies ein ermuti-
gendes Signal an die Zeitungsmacher und die Bevölkerung, dass die Unter-
drückung ihrer Rechte bei uns nicht unbeachtet bleibt.

Zudem kämpft die kenianische Bevölkerung derzeit mit einer erschreckenden
Dürrekatastrophe, die wiederum zeigt, dass die kenianische Regierung nicht in
der Lage ist, die Probleme des Landes besser in den Griff zu bekommen.
Präventive Landwirtschaftspolitik, die auf Dürrezeiten – eigentlich keine Aus-
nahmeerscheinung in dieser Region – vorbereiten könnte, wird nicht aus-
reichend geleistet.

Die Geschichte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Kenia hat eine
lange Tradition. Dennoch wurde die bilaterale Hilfe an Kenia bereits im Jahr
1995 wegen der ausufernden Korruption und unzureichende Regierungs-
führung reduziert. Mit dem Machtwechsel in 2002 wurde die Entwicklungs-
zusammenarbeit mit Kenia jedoch wieder ausgebaut, sogar mehr als verdoppelt
und mit Sonderzusagen versehen. Mit der letzten Regierungszusage, die den
Zeitraum 2004 bis 2005 abdeckt wurden insgesamt 58 Mio. Euro zugesagt. Die
Unterstützung von Good Governance mit 3,0 Mio. Euro macht dabei nur etwa
5 Prozent der gesamten Zusagen aus. In diesem Jahr stehen nun weitere Regie-
rungszusagen an Kenia an.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die kommenden Regierungszusagen für Entwicklungszusammenarbeit an
strikte Kriterien der Korruptionsbekämpfung zu binden;

– bei Nichteinhalten der Kriterien durch die kenianische Regierung ent-
sprechende Maßnahmen, wie die Reduzierung und im Notfall die Ein-
behaltung der Mittel, zu ergreifen;

– in den kommenden Regierungszusagen für Entwicklungszusammenarbeit
verstärkt Projekte zur Förderung von Good Governance zu unterstützen;

– zukünftig auf derartige inakzeptable Vorgänge, wie die Beeinträchtigung der
Medienberichterstattung schneller zu reagieren und im speziellen Fall mit
der kenianischen Regierung das Vorgehen bei der vorübergehenden Schlie-
ßung der Mediengruppe „Standard Group“ zu klären;

– die kenianische Regierung aufzufordern, die durch die vorübergehende
Schließung der Mediengruppe „Standard Group“ eingeschränkte Meinungs-

und Pressefreiheit wieder vollständig herzustellen, konfiszierte Gegenstände
herauszugeben und Schadenersatz für zerstörtes Material zu leisten;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/965

– die kenianische Regierung aufzufordern, aktive und vor allem präventive
Landwirtschaftspolitik zu betreiben sowie die Transportinfrastrukturen zu
schaffen, damit so die kenianische Bevölkerung bei immer wieder aufkom-
menden Dürren vor einer Hungersnot bewahrt werden kann.

Berlin, den 14. März 2006

Dr. Karl Addicks
Hellmut Königshaus
Dr. Werner Hoyer
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Jörg van Essen
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Elke Hoff
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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