BT-Drucksache 16/9507

Zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente

Vom 4. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9507
16. Wahlperiode 04. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Katja Kipping und der
Fraktion DIE LINKE.

Zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) plant ausgehend von
den Festlegungen im Koalitionsvertrag eine gesetzliche Neuregelung der ar-
beitsmarktpolitischen Instrumente, die zum 1. Januar 2009 in Kraft treten soll.

Die Zielrichtung erklärt das BMAS im Entwurf der „Eckpunkte für ein Gesetz
zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ vom 9. April
2008. Demnach soll die Anzahl der bestehenden Arbeitsmarktinstrumente von
52 auf 25 verringert werden. Es ist vorgesehen, unwirksame Instrumente abzu-
schaffen. Geplant wird, eine Vielzahl der bisherigen in fünf neue Instrumente
zusammen zu fassen.

Als unwirksam werden insbesondere Instrumente definiert, die in den letzten
Jahren wenig genutzt wurden und die Eingliederung in reguläre Beschäftigung
beeinträchtigen.

Die Neuordnung der Fördermöglichkeiten im Dritten und Zweiten Buch des
Sozialgesetzbuches (SGB III und SGB II) erfolgt mit dem Ziel, die öffentliche
Arbeitsvermittlung effektiver und effizienter zu gestalten und die Handlungs-
spielräume der Arbeitsvermittler und Fallmanager vor Ort klarzustellen. Zu-
gleich soll ausgehend vom ganzheitlichen Charakter der Arbeitsmarktpolitik
künftig eine rechtskreisübergreifende integrative Arbeitsmarktpolitik besser ge-
währleistet werden.

Die Vorbereitung eines Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpoliti-
schen Instrumente erfolgt vor dem Hintergrund der Forderung von CDU/CSU,
„aus dem ganzen Bereich der Arbeitsmarktpolitik eine Summe von drei Milliar-
den Euro“ einzusparen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen berücksichtigt die Bundesregierung bei der Vorberei-
tung eines Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instru-
mente nicht die grundlegende Forderung aus der wissenschaftlichen Eva-
luierung von Hartz I bis Hartz III, dass bei den anvisierten politischen Kor-
rekturen der Arbeitsmarktpolitik die Notwendigkeit einer einheitlichen,

rechtskreisübergreifenden Arbeitsmarktpolitik und einer entsprechenden
Steuerung durch die Bundesagentur für Arbeit in den Mittelpunkt gerückt
werden sollte, da die Trennung der Trägerschaft arbeitsmarktpolitischer
Leistungen nach den Rechtskreisen SGB II und SGB III aus Sicht der
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine der größten Achillesfersen
der deutschen Arbeitsmarktpolitik darstellt (Deutscher Bundestag (2006):

Drucksache 16/9507 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht 2006 der Bundesregierung zur Wirksamkeit moderner Dienstleistun-
gen am Arbeitsmarkt, Bundestagsdrucksache 16/3982, S. 159)?

2. Durch welche konkreten Maßnahmen im Rahmen des geplanten Gesetzes
soll nach den Vorstellungen des BMAS künftig durch das neue Gesetz eine
rechtskreisübergreifende integrative Arbeitsmarktpolitik besser gewährleis-
tet werden?

3. Wie bewertet die Bundesregierung im Lichte des jüngsten kritischen Be-
richts des Bundesrechnungshofes (Bericht des Bundesrechnungshofes nach
§ 88 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung – Durchführung der Grundsiche-
rung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom
29. April 2008) die Wirksamkeit der Arbeitsgelegenheiten mit Mehrauf-
wandsentschädigung (Ein-Euro-Jobs), und welche Schlussfolgerungen wer-
den daraus für Festlegungen zur Veränderung der Situation im Rahmen des
geplanten Gesetzes zur Neuausrichtung arbeitsmarktpolitischer Instrumente
gezogen?

4. Welche 27 arbeitsmarktpolitischen Instrumente sollen abgeschafft werden,
und wie wird dies im Einzelnen konkret begründet (bitte Bezeichnung und
gesetzliche Grundlage angeben)?

5. Welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente werden nach der Reform im
Einzelnen zur Verfügung stehen (bitte getrennt für SGB III und SGB II
angeben)?

6. Plant die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente eine Verringerung oder eine Erhöhung
der finanziellen Mittel für die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung im
Rahmen der Haushaltsansätze, und in welcher Höhe sollen die Veränderun-
gen ausfallen?

7. Für welche bisher unter Verweis auf § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II erbrachten
weiteren Leistungen sollen im Einzelnen eigenständige Rechtsgrundlagen
geschaffen werden?

8. Auf welcher Rechtsgrundlage können in Zukunft Kooperationsprojekte mit
anderen Trägern wie die Kompetenzagenturen, die aus Mitteln der Jugend-
hilfe und des Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert werden, aus Mit-
teln der aktiven Arbeitsförderung finanziert und rechtskreisübergreifend ein-
gesetzt werden?

9. Welche neun Arbeitnehmerleistungen sollen durch das neue Instrument des
Vermittlungsbudgets im Einzelnen ersetzt werden?

a) Welchen Anteil soll das Vermittlungsbudget an den Leistungen zur aktiven
Arbeitsförderung haben?

b) Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Förderungshöchstgrenze für das
Vermittlungsbudget einzuführen, mit der der einzelne Erwerbslose ge-
fördert werden kann, und wenn ja, wie hoch soll diese jährlich sein?

c) Plant die Bundesregierung die Einführung eines Rechtsanspruchs auf
Förderung aus dem Vermittlungsbudget für Erwerbslose in den Rechts-
kreisen des SGB III und des SGB II?

Wenn nicht, warum nicht?

d) Angesichts der Tatsache, dass das Vermittlungsbudget auch die Freie
Förderung (§ 10 SGB III) ersetzen soll, stellt sich die Frage, ob in Zu-
kunft eine Projektförderung auf Basis des Vermittlungsbudgets möglich
sein soll, oder ist nur eine individuelle Förderung der Erwerbslosen vor-

gesehen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9507

10. Welche acht Instrumente sollen im Einzelnen durch das neue Instrument
Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung ersetzt wer-
den?

a) Welche Fördervoraussetzungen sollen an das neue Instrument geknüpft
werden?

b) Welchen finanziellen Anteil an den Leistungen zur aktiven Arbeits-
förderung soll das Instrument künftig haben?

c) Beabsichtigt die Bundesregierung, einen Rechtsanspruch auf Förderung
durch dieses Instrument in den Rechtskreisen des SBG III und des
SBG II einzuführen?

Wenn nicht, warum nicht?

11. Wer entscheidet innerhalb der Bundesagentur für Arbeit (BA) aufgrund
welcher konkreten Kriterien darüber, welche Projekte aus Mitteln des
Experimentiertopfes, der zur Erprobung innovativer arbeitsmarktpolitischer
Maßnahmen geschaffen werden soll, gefördert werden?

a) Dienen die zwei Prozent des Eingliederungsbudgets, die für den Experi-
mentiertopf zur Verfügung stehen, der Förderung von innovativen Pro-
jekten im Rechtskreis des SGB III und auch des SGB II?

b) Beabsichtigt die Bundesregierung, den Optionskommunen auch einen
Experimentiertopf zur Verfügung zustellen?

12. Wie viele Erwerbslose wurden im Rahmen der Förderung der beruflichen
Weiterbildung durch Vertretung (sog. JobRotation) in Beschäftigung ver-
mittelt, und wie stellt sich die Eingliederungsbilanz nach Beendigung der
Förderung dar?

13. Wie viele Personen haben an Maßnahmen von Trägern der beruflichen
Aus- und Weiterbildung teilgenommen, die eine institutionelle Förderung
erhalten haben, und welche Kosten sind dafür in den Jahren 2005 bis 2008
entstanden?

a) Welche konkreten Maßnahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung
haben diese Träger durchgeführt?

b) Wie viele Teilnehmer haben aufgrund dieser Maßnahmen einen an-
erkannten Berufsabschluss erworben?

c) Wie ist die Eingliederungsbilanz für Teilnehmer dieser Maßnahmen?

14. Wie viele Personen haben aufgrund eines Bildungsgutscheines an welchen
Maßnahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung teilgenommen, und
welche Kosten sind dafür seit Einführung dieser Möglichkeit ab dem
1. Januar 2003 entstanden?

a) Wie viele Teilnehmer haben aufgrund dieser Maßnahmen einen an-
erkannten Berufsabschluss erworben?

b) Wie ist die Eingliederungsbilanz für Teilnehmer dieser Maßnahmen?

15. Wie viele Jugendliche wurden durch Beschäftigung begleitende Eingliede-
rungshilfen mit welchem Ergebnis gefördert, und welche Kosten entstan-
den dabei in den vergangenen Jahren?

16. Wie viele Jugendliche wurden durch Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung
bei Teilnahme an ausbildungsbegleitenden Hilfen während der Arbeitszeit

mit welchem Ergebnis gefördert?

Drucksache 16/9507 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
17. In welcher Höhe wurde der Jugendwohnheimbau in den letzten Jahren
institutionell gefördert, wie vielen Jugendlichen konnte hier eine Wohn-
gelegenheit geschaffen werden, und welche finanziellen Mittel wurden da-
für in den einzelnen Jahren eingesetzt (Angaben bitte auf die einzelnen
Jahre bezogen angeben)?

18. Welche Gründe sind der Bundesregierung, für die laut Eckpunktepapier ge-
ringe Inanspruchnahme der Förderung der beruflichen Weiterbildung durch
Vertretung (sog. JobRotation), der Beschäftigung begleitenden Eingliede-
rungshilfen, der Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung bei Teilnahme an
ausbildungsbegleitenden Hilfen während der Arbeitszeit sowie der institu-
tionellen Förderung des Jugendwohnheimbaus bekannt?

19. Wer beurteilt aufgrund welcher konkreten Kriterien, ob der Hauptschul-
abschluss durch einen Erwerbslosen „voraussichtlich erreicht werden kann“,
um den Rechtsanspruch auf Förderung der Vorbereitung auf den Erwerb
des Hauptschulabschlusses wirksam werden zu lassen?

20. Welche Auswirkungen hat die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen
Instrumente auf die Betreuung und Vermittlung für Menschen mit Behinde-
rungen?

Berlin, den 30. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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