BT-Drucksache 16/9466

zu dem Antrag der Abgeordneten Eduard Lintner, Eckart von Klaeden, Klaus Brähmig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Lothar Mark, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -16/9072- Eine starke Partnerschaft - Europa und Lateinamerika/Karibik

Vom 4. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9466
16. Wahlperiode 04. 06. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Eduard Lintner, Eckart von Klaeden, Klaus
Brähmig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Lothar Mark, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Niels Annen,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 16/9072 –

Eine starke Partnerschaft – Europa und Lateinamerika/Karibik

A. Problem

Am 16. Mai 2008 fand in der peruanischen Hauptstadt Lima der fünfte EU-
Lateinamerika/Karibik-Gipfel statt. Im Vorfeld dieses Ereignisses stellen die
Antragsteller fest, dass es das Ziel sein müsse, die strategische Partnerschaft
zwischen der Europäischen Union (EU) und den Staaten Lateinamerikas und der
Karibik (LAK) durch den Austausch über gemeinsame Interessen und über
wichtige globale Fragestellungen und multilaterale Ansätze zu stärken.

Die historisch gewachsenen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bezie-
hungen basieren auf einer Vielzahl gemeinsamer Werte und Interessen und sind
traditionell geprägt von wechselseitiger Sympathie und Vertrautheit: Beide
Regionen setzen sich für die Achtung der Menschenrechte, die Stärkung der
Demokratie und eines effektiven Multilateralismus sowie für die friedliche Bei-
legung von Konflikten und die Bekämpfung des internationalen Terrorismus
ein. Diese gemeinsamen Werte machen aus Lateinamerika/Karibik und Europa
natürliche Bündnispartner.

Die Antragsteller führen aus, dass zu den gemeinsamen Werten und Zielen ge-
hören:

● die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure an den Prozessen der Verein-
ten Nationen,

● die institutionelle Verankerung der Universalität der Menschenrechte, unter
anderem durch die Arbeit des Interamerikanischen Gerichtshofes für Men-

schenrechte,

● gerechtere und sozialere Gestaltung des Globalisierungsprozesses,

● Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen,

● Erhalt der Biodiversität und Ressourcenschutz,

● Stärkung demokratischer Strukturen in den Staaten Lateinamerikas und der
Karibik,

Drucksache 16/9466 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Integration der indigenen Völker sowie

● Stärkung der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Lateinamerika und
der Karibik.

Die Antragsteller stellen fest, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa
und Lateinamerika/Karibik sehr intensiv sind. Für die Region LAK ist die EU
größter ausländischer Investor und mit rund 13 Prozent zweitwichtigster Han-
delspartner. Darüber hinaus ist die Europäische Union größter Geber von Ent-
wicklungszusammenarbeit für die Staaten Lateinamerikas und der Karibik. Von
2001 bis 2005 hat die EU jährlich fast 500 Mio. Euro aus dem Gemeinschafts-
haushalt für die Region LAK bereitgestellt. Die wissenschaftlich-technische
Zusammenarbeit Deutschlands und anderer Mitgliedstaaten der EU mit Ländern
der Region LAK hat eine lange Tradition und wird in der dortigen Öffentlichkeit
positiv wahrgenommen.

Nach Auffassung der Antragsteller wird der Klimawandel als gemeinsame He-
rausforderung begriffen. Die bestehende biregionale Partnerschaft zwischen
der Europäischen Union und Lateinamerika und der Karibik fußte bislang vor
allem auf den Säulen politischer Dialog, Handel und Kooperation. Mit dem
Klimawandel ist ein wichtiges neues Thema für den politischen Dialog in den
Vordergrund getreten, welches für beide Seiten von großer strategischer Bedeu-
tung ist. Die ehrgeizige Selbstverpflichtung der EU und die Tatsache, dass die
Region LAK als Emissionsverursacher mit großem Reduktionspotenzial sowie
auf Grund seines Ressourcenreichtums für die EU nicht nur politisch, sondern
auch wirtschaftlich interessant ist, erhöhen die potenziellen Chancen, die dieser
Themenbereich für den biregionalen Dialog bietet.

Die rasant steigende Energienachfrage in den Schwellenländern, die wachsende
Instabilität in einigen Produzentenländern und der Weltklimabericht 2007 haben
gezeigt, dass ein gemeinsames Handeln der Staaten in der Energie- und Klima-
politik immer dringlicher wird. Sowohl in Europa als auch in Lateinamerika/
Karibik stehen diese Herausforderungen im Mittelpunkt der politischen Dis-
kussion. Für die aufstrebenden Volkswirtschaften Lateinamerikas und der
Karibik ist eine stabile, effiziente und kostengünstige Energieversorgung wich-
tig. Neue Felder der Kooperation werden identifiziert. Die Förderung erneuer-
barer Energien und umweltfreundlicher Industrieanlagen könnte in Entwick-
lungsländern vorangebracht und gleichzeitig der Klimaschutz erhöht werden.
Eine weitere Kooperation bietet sich bei Biokraftstoffen an.

Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der EU zu Lateinamerika/
Karibik sind, so die Antragsteller, geprägt von der zunehmenden Heterogenität
Lateinamerikas. Eine differenzierte bilaterale Zusammenarbeit ist durch den
Abschluss von Assoziierungsabkommen mit Mexiko und Chile eingeleitet, de-
ren Potenzial allerdings bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Über regionale
Abkommen mit dem MERCOSUR, der Andengemeinschaft sowie Zentralame-
rika wird verhandelt. Insbesondere das Abkommen mit dem MERCOSUR, das
bereits seit 1999 verhandelt wird, sollte nach den erheblichen Verzögerungen
endlich zügig zu einem Abschluss gebracht werden. Gerade der MERCOSUR
mit seiner expliziten Demokratieklausel und seinem tragfähigen Integrations-
konzept ist ein wichtiger Partner für Dialog und Handel. Neben wirtschaftlichem
Wachstum müssen ILO-Sozialstandards und Sozialklauseln wichtiger Bestand-
teil der Assoziierungsabkommen sein. Ein auf fairen, vergleichbaren Sozial-
standards beruhender internationaler Wettbewerb liegt letztlich auch im Eigen-
interesse der Europäischen Union.

Der erreichte Institutionalisierungsgrad in Lateinamerika und der Karibik liegt
noch weit hinter dem der EU zurück. Die Bemühungen um einen Ausbau der

politischen und infrastrukturellen Kooperation sollten von Europa sichtbar
unterstützt werden. Gerade sie können neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9466

eröffnen. Denn das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell mit seiner Idee
von Chancengleichheit und Solidarität übt ungebrochene Anziehungskraft aus
und stellt einen attraktiven Bezugspunkt für die Ansätze zur Überwindung struk-
tureller Asymmetrien in Lateinamerika dar.

Mit Blick auf das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäi-
schen Union, Lateinamerikas und der Karibik wird die Bundesregierung daher
aufgefordert,

● sich mit den LAK-Staaten im multilateralen Rahmen, insbesondere im Vor-
feld wichtiger Konferenzen, noch enger und systematischer abzustimmen,

● die Zusammenarbeit auch in Sicherheitsfragen weiterzuentwickeln und ge-
meinsam dafür zu sorgen, dass Abrüstung wieder einen höheren Stellenwert
auf der internationalen Agenda erhält und dass die Nichtverbreitungsregime
für Waffen und Massenvernichtungsmittel gestärkt und die internationale
Rüstungskontrolle ausgebaut werden,

● den politischen Dialog auch mit neu entstandenen Bewegungen und politi-
schen Kräften als Prävention zur Verhinderung von Krisen und zur Gestal-
tung des sozialen Wandels mit den Eliten der Länder zu führen,

● konkrete politische Beratungsmaßnahmen in Sektoren wie Demokratieförde-
rung, Good Governance, Staatsmodernisierung oder Förderung der regiona-
len Integration auch mit neuen Partnern durchzuführen und dabei intensiv auf
die bewährte Arbeit der politischen Stiftungen zurückzugreifen,

● den strategischen Dialog mit Mexiko und Brasilien als gewichtige internatio-
nale Akteuren auf allen Ebenen weiterhin intensiv zu pflegen,

● in den wichtigen Bereichen der Krisenprävention, Konfliktlösung, Friedens-
entwicklung, Demokratisierungshilfe und Achtung der Menschenrechte ver-
stärkt mit geeigneten Partnern zusammenzuarbeiten,

● sich auf internationaler Ebene gemeinsam für eine größere Transparenz der
Finanzmärkte, eine angemessene Regulierung und Überwachung sowie
wirksame Wettbewerbsregeln einzusetzen,

● bei den europäischen Partnern und der Europäischen Kommission auf den
zügigen Abschluss eines Assoziierungsabkommens zwischen der EU und
dem MERCOSUR zu drängen,

● darauf hinzuwirken, dass die ebenfalls begonnenen Assoziierungsverhand-
lungen mit der Andengemeinschaft und den Ländern des Zentralamerikani-
schen Integrationssystems zügig weitergeführt werden,

● die Zusammenarbeit in den zukunftsträchtigen Bereichen der Reduzierung
klimaschädlicher Gase durch den Emissionshandel, des Ressourcenschutzes
und der energiepolitischen Kooperation bei der Förderung erneuerbarer
Energien und bei Biokraftstoffen intensiv voranzutreiben,

● darauf hinzuwirken, dass sich beide Seiten für eine effektivere Drogen-
bekämpfung einsetzen und

● die kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Regio-
nen weiter auszubauen und ein Konzept für die kulturelle und bildungspoli-
tische Zusammenarbeit sowie die Koordinierung eines effektiven, modernen
Außenauftritts Deutschlands zu entwickeln.

B. Lösung

Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und

SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/9466 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

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Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9072 anzunehmen.

Berlin, den 4. Juni 2008

Der Auswärtige Ausschuss

Ruprecht Polenz
Vorsitzender

Dr. Karl-Theodor
Freiherr zu Guttenberg
Berichterstatter

Niels Annen
Berichterstatter

Marina Schuster
Berichterstatterin

Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Kerstin Müller (Köln)
Berichterstatterin

Drucksache 16/9466 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Niels Annen,
Marina Schuster, Wolfgang Gehrcke und Kerstin Müller (Köln)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/9072 in seiner 161. Sitzung am 9. Mai 2008 in erster Le-
sung beraten und zur federführenden Beratung dem Aus-
wärtigen Ausschuss und zur Mitberatung dem Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, dem Ausschuss
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
und dem Haushaltsausschuss überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag in seiner 60. Sitzung am 28. Mai 2008 beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 63. Sitzung am
28. Mai 2008 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der

Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Annahme.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Antrag in seiner 64. Sitzung am 4. Juni 2008
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annah-
me.

Der Haushaltsausschuss hat den Antrag in seiner 69. Sit-
zung am 28. Mai 2008 beraten und empfiehlt mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Annahme.

III. Beratung im Auswärtigen Ausschuss

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 65. Sit-
zung am 4. Juni 2008 beraten und empfiehlt mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Annahme.
Berlin, den 4. Juni 2008

Dr. Karl-Theodor
Freiherr zu Guttenberg
Berichterstatter

Niels Annen
Berichterstatter

Marina Schuster
Berichterstatterin

Wolfgang Gehrcke
Berichterstatter

Kerstin Müller (Köln)
Berichterstatterin

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