BT-Drucksache 16/9320

zu demAntrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Sascha Raabe, Gregor Amann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -16/8884- Deutschlands globale Verantwortung für die Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten - Innovation fördern und Zugang zu Medikamenten für alle sichern

Vom 28. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9320
16. Wahlperiode 28. 05. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck,
Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der
Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Sascha Raabe, Gregor Amann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 16/8884 –

Deutschlands globale Verantwortung für die Bekämpfung vernachlässigter
Krankheiten – Innovation fördern und Zugang zu Medikamenten für alle sichern

A. Problem

Jährlich leiden und sterben viele Millionen Menschen an Krankheiten, die ver-
meidbar oder behandelbar wären. Besonders dramatisch ist diese Situation im-
mer noch bei Infektionskrankheiten in den Entwicklungsländern.

Es ist eine Zielvorgabe für die Millenium Developement Goals (MDGs), in Zu-
sammenarbeit mit den Pharmaunternehmen erschwingliche unentbehrliche Arz-
neimittel in den Entwicklungsländern verfügbar zu machen. In den letzten Jahr-
zehnten wurden im globalen Maßstab diesbezüglich große Fortschritte erzielt.
Dennoch bleibt etwa ein Drittel der Menschheit heute weiter von essenziellen
Medikamenten ausgeschlossen.

Daneben existieren die sog. vernachlässigten Erkrankungen, die in reicheren
Ländern gar nicht oder nur selten vorkommen. Entsprechend gibt es hier für die
Forschung auch keinen ausreichenden wirtschaftlichen Anreiz. Diese von der
medizinischen Entwicklung vernachlässigten Erkrankungen (neglected di-
seases) bedürfen des gemeinsamen, internationalen Engagements von Wirt-
schaft, Wissenschaft und Politik.

Weiterhin kommt hinzu, dass neue und wirksame Medikamente und Verfahren
durch das TRIPS-Abkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellec-
tual Property Rights) eine beinahe weltweit gesicherte Monopolstellung der

Patenthalter für lange Zeit (aktuelle Patentlaufzeit von mindestens 20 Jahren)
ohne Nachahmerkonkurrenz bedeuten und daher für bedürftige Kranke und
deren Angehörige in vielen Regionen dieser Welt ökonomisch unerschwinglich
bleiben, obwohl sie verfügbar und lebensrettend sein könnten aufgrund ihrer
Produktionskosten zu einem Bruchteil der aktuellen Preise. Aber auch die Ent-
wicklungsländer selbst stehen in der Verantwortung. So sind unzureichende
eigene Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen und Unzulänglichkeiten in

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der öffentlichen Versorgung eine häufige Ursache dafür, dass der Zugang zu
wichtigen Medikamenten in Entwicklungsländern eingeschränkt bleibt. Ebenso
wirkt sich die Korruption in den Entwicklungsländern negativ auf die Versor-
gung mit Medikamenten aus.

Erste Schritte auf dem Weg zu einer Harmonisierung des Schutzes des geistigen
Eigentums und den Erfordernissen der Gesundheitsfürsorge in den Entwick-
lungsländern werden bereits seit 2001 unternommen. Die Anstrengungen, vor
allem Infektionskrankheiten durch Aufklärung, Prävention oder bedarfsgerecht
verfügbare Impfstoffe zu bremsen, sind allerdings immer noch viel zu gering.
Angesichts der großen Innovationskraft globaler Wirtschaftsstrukturen kommt
es jetzt darauf an, die Anreize für Entwicklungsprozesse so zu setzen, dass die
Erforschung bisher vernachlässigter Erkrankungen sowie präventiver Strategien
und Impfstoffe zum lohnenden Projekt für die Wissenschaft wird.

B. Lösung

Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Ablehnung des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

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Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/8884 anzunehmen.

Berlin, den 7. Mai 2008

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Sibylle Pfeiffer
Stellvertretende Vorsitzende
und Berichterstatterin

Dr. Wolfgang Wodarg
Berichterstatter

Dr. Karl Addicks
Berichterstatter

Hüseyin-Kenan Aydin
Berichterstatter

Ute Koczy
Berichterstatterin

Die Fraktion der SPD führt aus, obwohl man weltweit gro-
dass Zulassungen von neuen Medikamenten sehr oft an den
komplizierten Zulassungsstrukturen in den Entwicklungs-
ße Fortschritte in der Medizin zu verzeichnen habe, gebe es
in vielen Regionen der Welt Verteilungsprobleme, nicht nur
was den Zugang zu Wissen angehe, sondern auch zu mögli-
chen Hilfen. Derzeit werde bei der WHO verhandelt, ob es

ländern selbst scheitern würden. Sofern es um die Eigenpro-
duktion in den Entwicklungsländern gehe, zumindest was
die Synthese von einfachen Medikamenten anbelange, die
keine komplizierte chemische Industrie erfordere, sei dies zu
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Bericht der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Karl Addicks,
Hüseyin-Kenan Aydin und Ute Koczy

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/8884 in seiner 157. Sitzung am 24. April 2008 zur Feder-
führung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung und zur Mitberatung an den Auswärti-
gen Ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, den Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und
den Haushaltsausschuss überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Deutschlands globale Verantwortung für die Bekämpfung
vernachlässigter Krankheiten – Innovation fördern und den
Zugang zu Medikamenten, insbesondere in Entwicklungs-
ländern, sichern.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 63. Sit-
zung, der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie in sei-
ner 63. Sitzung, der Ausschuss für Menschenrechte und hu-
manitäre Hilfe in seiner 63. Sitzung, der Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in seiner
59. Sitzung und der Haushaltsausschuss in seiner 68. Sitzung
am 7. Mai 2008 beraten. Die Ausschüsse empfehlen mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Annahme des Antrags.

Der Ausschuss für Gesundheit hat den Antrag in seiner
84. Sitzung am 7. Mai 2008 beraten. Der Ausschuss emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion der FDP
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Annahme des Antrags.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der federführende Ausschuss für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung hat den Antrag auf Drucksache
16/8884 in seiner 62. Sitzung am 7. Mai 2008 beraten. Er
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei
Stimmenthaltung der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und DIE LINKE. die Annahme des Antrags.

Development Partnerships, die Kooperationen zwischen
Arzneimittelunternehmen und NGOs. Ziel dieser sei es,
sinnvolle Medikamente ohne Patentschutz zu produzieren
und kostengünstig zur Verfügung zu stellen. Im Bereich der
Malaria habe man hierdurch große Erfolge verzeichnen und
viele Menschen retten können.

Der Antrag befasse sich daneben mit Parasitosen, aber auch
Viruserkrankungen, die hauptsächlich in den Entwicklungs-
ländern vorkämen und für die es z. T. überhaupt keine Medi-
kamente gebe. Im Kern stehe die Botschaft, dass sich die
Forschung nicht am Bedarf sondern an der Nachfrage aus-
richte. Obwohl der Bedarf an Medikamenten bestehe, werde
wegen nicht zu erwartender Gewinne die Erforschung und
Herstellung für arme Länder vernachlässigt. Im Gegensatz
dazu werde in den Industrieländern an Arzneimittel ge-
forscht, deren Notwendigkeit in Frage zu stellen sei.

Der Antrag fordere neben alternative Preisgestaltungen, dass
die regionalen Beschaffungssysteme sowie die Produktion
von Arzneimitteln durch die Entwicklungsländer selbst er-
leichtert und gefördert werden. Der Zugang zu Lizenzen sol-
le ermöglicht werden, aber auch durch entsprechende Infra-
struktur umsetzbar sein. Daneben werbe man dafür,
öffentlich private Partnerschaften zu fördern. Ebenso müss-
ten sich die Firmen der Möglichkeit von Zwangslizenzen
nach dem TRIPS-Abkommen der WTO bewusst werden.
Auch sollten Instrumente, mit denen Forschungsanreize ge-
setzt werden könnten, zwischenstaatlich finanziert und un-
terhalten werden können und am wirklichen Bedarf ausge-
richtet sein. Hierüber und über die Allokation sowie
Produktion der Forschungsmittel könne die WHO wachen.
Patenthemmnisse kämen nicht zum Tragen, wenn die For-
schung durch die Forschungsmittel schon bezahlt wäre und
das Geld nicht erst durch Patente erwirtschaftet werden müs-
se. Daneben fordere der Antrag die Bundesregierung auf, in-
nerhalb der eigenen Strukturen die Zuständigkeiten darzu-
stellen und bei der Forschung darauf hinzuwirken, dass in
Bezug auf Arzneimittel, auf Impfstoffe und auf präventive
Strategien, die Bedürfnisse der Entwicklungsländer mehr in
den Vordergrund gestellt würden.

Die Fraktion der FDP merkt an, dem Antrag mangele es an
klaren Konzepten. So fehle eine klare Kompetenzverteilung
der Bundesregierung. Sofern er beschreibe, dass in den Ent-
wicklungsländern von den zur Verfügung gestellten Geldern
nur ein Bruchteil bei den bedürftigen Patienten ankäme, sei
darauf hinzuweisen, dass es die Aufgabe der Bundesregie-
rung sei, bei Regierungsverhandlung darauf zu drängen, dass
diese Art von Korruption beendet werde. Dem sei sie bislang
nicht nachgekommen. Weiterhin erwähne der Antrag nicht,
andere Anreize für die Forschung geben solle als das Patent-
system. Beispiele, dass es anders gehe, seien die sog. Product

begrüßen. Sofern es jedoch darum gehe, was aufgebaut wer-
den müsse, zeige der Antrag keine Lösungen auf. Dem An-

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN merkt an, dass
die Krankheiten deswegen vernachlässigt seien, weil die ge-
ringe Kaufkraft der Menschen in den Entwicklungsländern
dazu führe, dass die private Pharmaindustrie nicht genug
Geld verdienen könne. Insgesamt begrüße sie den Antrag.
Gleichwohl könne man aber eine Kluft zwischen der Pro-
blembeschreibung und dem Forderungsteil erkennen. Ob-
wohl die Problemlage im Wesentlichen korrekt dargestellt
worden sei, fehle es an einer Umschreibung der Rolle der
öffentlichen Forschung in Deutschland. Hier wäre es wichtig

Menschen sei nur in Zusammenarbeit mit ihnen möglich.
Insgesamt zeige der Antrag auch, welch ein Querschnittsthe-
ma Entwicklungspolitik eigentlich sei und dass an vielen
Fronten gekämpft werde. Es hätten viele Fachausschüsse
und Fachpolitiker mitgewirkt. Dies mache aber auch deut-
lich, dass der Antrag anders ausgesehen hätte, wenn nur die
Entwicklungspolitiker ihre Prioritäten gesetzt hätten. Im
Ergebnis aber habe er klar die Problematik aufgezeigt und es
komme zum Ausdruck, dass Kooperationen in diesem Be-
reich sehr wichtig seien.

Berlin, den 7. Mai 2008

Sibylle Pfeiffer
Berichterstatterin

Dr. Wolfgang Wodarg
Berichterstatter

Dr. Karl Addicks
Berichterstatter

Hüseyin-Kenan Aydin
Berichterstatter

Ute Koczy
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9320

trag werde sie nicht zustimmen, demnächst aber ein eigenes
Konzept vorstellen.

Die Fraktion DIE LINKE. weist daraufhin, dass der Antrag
viele gutgemeinte Vorschläge und Aufforderungen an die
Bundesregierung enthalte. Gleichwohl werde sie sich enthal-
ten. Sofern er Betriebsabkommen, geistiges Eigentum und
die Frage der mangelnden Forschung anspreche, so teile sie
die Auffassung, dass nach alternativen Wegen gesucht wer-
den müsse. Sie glaube aber nicht, dass sich die Bundeskanz-
lerin Dr. Angela Merkel auf der internationalen Bühne sehr
stark für geistiges Eigentum, und zwar ohne Einschränkun-
gen im Rahmen der WTO, aber auch im Rahmen der Han-
delspolitik, stark mache. Es gehe hier um Lobbyismus für die
großen Pharmakonzerne. Als Entwicklungspolitiker müsse
man das geistige Eigentum in diesem Bereich insgesamt in
Frage stellen. Wie könne es sein, dass geistiges Eigentum ge-
setzlich verbrieft werde, was über Medikamente zur Gene-
sung von Menschen beitrage. Insofern müsse eine umge-
kehrte Politik betrieben werden. Zwar müsse die Forschung
und Erfindung von Medikamente weiterhin honoriert wer-
den, jedoch als Leistung und nicht auf Dauer von 20 oder 50
Jahren als geistiges Eigentum, mit der Folge, dass nur be-
stimmte Konzerne über die Produkte verfügen könnten.

gewesen, die Bundesregierung aufzufordern, diese voranzu-
treiben, besonders zu unterstützen, Prioritäten zu setzen und
mehr finanzielle Unterstützung zu gewähren. Ebenso fehle
im Antrag die dringend notwendige Anforderung, zu den
Forschungsergebnissen einen freien Zugang ohne Patentie-
rung zu gewähren. Er müsse auch insgesamt viel deutlicher
die Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten Deutschlands
benennen. Schließlich begrüße sie die unkritische Betrach-
tung von Spendenprogrammen der Pharmaunternehmen
nicht. Diese seien vielleicht kurzfristig für die betroffenen
Entwicklungsländer positiv, lösten aber nicht das grundsätz-
liche Problem, die Monopolisierung von Medikamenten
durch das Patentsystem, das in vielen Fällen Medikamente
für arme Menschen unerschwinglich mache. Sie werde sich
der Stimme enthalten.

Die Fraktion der CDU/CSU betont, es gehe darum, die Ge-
sundheitssituation in den Entwicklungsländern im Einklang
mit den MDGs zu verbessern. Es liege in der Natur der
Sache, dass man keinen allumfassenden Antrag habe ma-
chen können. Entsprechend hätten die Schwerpunkte nicht
bei der Korruption gelegen. Das geistige Eigentum sei das
einzige Kapital, was die Pharmaunternehmen hätten und mit
dem sie arbeiten müssten. Eine breitgefächerte Gesundheits-
versorgung und letztlich auch Gesundung der betroffenen

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